• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Die ambulante Behandlung depressiver Patienten" (14.09.1978)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Die ambulante Behandlung depressiver Patienten" (14.09.1978)"

Copied!
4
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin ÜBERSICHTSAUFSATZ

Nach einer Schätzung der Weltge- sundheitsorganisation leiden drei Prozent der Weltbevölkerung unter depressiven Störungen. Das sind 100 Millionen Menschen, von denen 20 Millionen an einer Melancholie (endogene Depression, psychoti- sche Depression) erkrankt sind.

Auch wenn diese Zahlen zu hoch gegriffen sein sollten, kann doch nicht bestritten werden, daß es weit mehr depressive Patienten gibt, als von den zur Verfügung stehenden Psychiatern versorgt werden kön- nen. Der Hausarzt behandelt zahlrei- che depressive Patienten.

Eine Umfrage, die 1973 in acht euro- päischen Ländern durchgeführt wurde, ergab: bei einem Fünftel der praktischen Ärzte machen depressi- ve Kranke fünf Prozent der behan- delten Patienten aus, bei einem wei- teren Viertel der praktischen Ärzte

sogar zehn Prozent. Noch wichtiger erscheinen folgende Ergebnisse der Umfrage: die meisten Allgemeinärz- te behandeln ihre depressiven Pa- tienten selbst; in ihrer Pharmakothe- rapie stimmen sie bezüglich Indika- tion und Handhabung der Medika- mente mit den psychiatrischen Fachärzten weitgehend überein; die Hälfte der praktischen Ärzte behan- delt die depressiven Patienten auch psychotherapeutisch.

Demnach ist die Depressionsbe- handlung ein großes Tätigkeitsge- biet des niedergelassenen Arztes.

In dieser Arbeit sollen nicht die ver- schiedenen Arten der Depressionen, ihre Symptomatologie und Differen- tialdiagnose beschrieben und auch nicht die antidepressiven Medika- mente im einzelnen vorgestellt wer- den. Hierüber haben Kielholz und

Adams kürzlich in dieser Zeitschrift berichtet. Hier werden die Fragen des praktischen Vorgehens bei der ambulanten Behandlung depressi- ver Patienten durch den Arzt in der Sprechstunde erörtert.

Es gibt zwar verschiedene depressi- ve Krankheiten; die wichtigsten sind: depressive Reaktion und krankhafte Trauerreaktion, neuroti- sche Depression, Melancholie (en- dogene Depression) und sogenann- te organische Depression (besser:

Depression bei organisch Kranken, insbesondere Hirnkranken). Die Dif- ferentialdiagnose ist in der Sprech- stundensituation nicht selten recht schwierig, insbesondere bei den leichteren Depressionszuständen.

Die Differentialdiagnose ist aber, wie in den folgenden Abschnitten ge- zeigt werden soll, nicht in dem Maße für Indikation und Durchführung der antidepressiven Behandlung aus- schlaggebend, wie man zunächst meinen könnte. Die Hauptgründe hierfür liegen darin, daß vielen De- pressionen mehrere Entstehungsbe- dingungen zugrunde liegen: reakti- ve und neurotische Depressionen müssen nicht rein psychogen ent- standen sein, zum Teil sind auch An- lage- und zerebralorganische Fakto- ren nachweisbar. Bei endogenen Depressionen wirken vielfach Ein- flüsse des Erlebens und der Situa- tion mit. Diese multikonditionale Ätiologie ist bei den organischen Depressionen besonders häufig an- zutreffen. Hieraus folgt, daß es ver- schiedene Methoden der Depres- sionsbehandlung gibt (sogenannte

Die ambulante Behandlung depressiver Patienten

Rainer Tölle

Aus der Psychiatrischen und Nervenklinik (Direktor: Professor Dr. med. Rainer Tölle) der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster

Drei Prozent der Menschen leiden nach einer Schätzung der WHO an depressiven Störungen verschiedener Art. Nur ein kleiner Teil wird vom Psychiater und im psychiatrischen Krankenhaus behandelt, weit- aus der größte in der Sprechstunde. Die Indikation zu den einzelnen therapeutischen Maßnahmen richtet sich weniger nach der ätiologi- schen Diagnose, die in der Sprechstunde oft schwer zu stellen ist, sondern mehr nach dem angetroffenen Syndrom. Bei der Behandlung mit antidepressiven Medikamenten ist die individuelle Dosierung für den therapeutischen Effekt maßgeblich. Die Nebenwirkungen sind zumeist harmlos, zum Teil können sie behandelt werden. Eine weitere antidepressive Maßnahme ist Schlafentzug für eine ganze oder eine halbe Nacht. Das ärztliche Gespräch ist bei jedem depressiven Patien- ten erforderlich, bei manchen Depressionen darüber hinaus eine eingehendere Psychotherapie. Bei endogenen Depressionen (Melan- cholien) ist eine Prophylaxe mit Lithiumsalzen möglich. Abschließend werden die Indikationen für eine stationäre Behandlung besprochen.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 37 vom 14. September 1978

2049

(2)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Depression: Ambulante Behandlung

mehrdimensionale Therapie). Wel- che Therapieform im Einzelfall ein- gesetzt wird beziehungsweise mit welcher Behandlungsmethode der Arzt zweckmäßigerweise beginnt, hängt in erster Linie von der gegen- wärtigen Depressionssymptomatik, von der jeweiligen Situation des Pa- tienten und natürlich auch von den Therapiemöglichkeiten des Arztes ab.

Antidepressive Medikamente Antidepressiva (Thymoleptika) wer- den bei Melancholien (endogenen Depressionen) eingesetzt. Sie sind auch bei reaktiven und neurotischen Depressionen indiziert, wenn eine sehr tiefe Depression besteht und vor allem wenn Vitalsymptome fest- gestellt werden. Das sind: ausge- sprochene körperliche Mattigkeit, Druck oder Unruhegefühl im Brust- oder Bauchraum, Inappetenz und Obstipation, Schwitzen und Mund- trockenheit, Kopfdruck und Schwin- del, herabgesetzte Libido und Po- tenz sowie Amenorrhöe. Nicht selten sind die körperlichen Symptome der Depression ebenso wie die Verstim- mung und der Antriebsmangel einer Tagesschwankung unterworfen:

Tiefpunkt am Morgen, relative Bes- serung am Nachmittag oder Abend.

Wenn derartige Vitalsymptome, die bei Melancholien häufiger sind als bei reaktiven und neurotischen De- pressionen, angetroffen werden, ist in jedem Fall eine antidepressive Pharmakotherapie angezeigt. Diese Indikation gilt auch dann, wenn dif- ferentialdiagnostische Fragen offen- geblieben sind. Zugleich muß erwo- gen werden, ob auch psychothera- peutische Hilfe notwendig ist.

Bei den sogenannten organischen Depressionen steht jedoch nicht die Therapie mit antidepressiven Medi- kamenten an erster Stelle, sondern die Behandlung des Grundleidens.

In den meisten Fällen kommt es we- sentlich auf eine psychotherapeuti- sche Führung des Kranken an (siehe unten). Wenn Antidepressiva gege- ben werden, so in vorsichtiger Do-

sierung und behutsamer Dosisstei- gerung wegen der häufig geringeren Toleranz.

In der Bundesrepublik gibt es etwa 20 antidepressive Medikamente (Ta- belle 1). Jährlich kommen neue hin- zu. Die Unterschiede im Wirkungs- profil sind relativ gering. Was die Wirkungsintensität (die antidepres- sive Potenz) der einzelnen Präparate anbelangt, kann — etwas vergröbert

— gesagt werden, daß die neuen An- tidepressiva nicht effektiver sein müssen als die alten. Es scheint viel- mehr, daß die ersten, vor etwa 20 Jahren eingeführten Antidepressiva von den Neuentwicklungen bisher nicht überholt worden sind.

Eine Wirkungsqualität ist jedoch bei der Indikationsstellung besonders zu beachten: wenn eine Depression mit ausgeprägter seelischer und/

oder motorischer Unruhe einher- geht (Angst beziehungsweise Agi- tiertheit), soll ein Antidepressivum

mit sedierender Wirkungskompo- nente gewählt werden (zum Beispiel Trimipramin (Stangyl®). Retardprä- parate sind bei Schlafstörung insbe- sondere in der 2. Hälfte der Nacht und bei ausgeprägtem Morgentief der Depression zu bevorzugen.

Die Dosierung soll bei ambulanter Behandlung in der Regel einschlei- chend erfolgen. Jedoch darf nicht versäumt werden, die Dosis recht- zeitig zu steigern, wenn der antide- pressive Effekt auf sich warten läßt.

Die im Einzelfall notwendige Dosis ist klinisch nicht im voraus bestimm- bar; denn der antidepressive Effekt hängt, wie sorgfältige Untersuchun- gen ergaben, nicht von der einge- nommenen Menge ab, sondern von dem erreichten Plasmaspiegel des Antidepressivums. Dieser wird infol- ge interindividuell variierender Me- tabolierung durch sehr uneinheitli- che Dosierungen erreicht. Hieraus ist zu folgern: wenn der antidepres- sive Effekt ausbleibt, muß die Dosis erheblich gesteigert werden.

Die Nebenwirkungen der Antide- pressiva sind objektiv überwiegend harmlos, subjektiv aber belästigend,

zum Teil sogar beängstigend. Daher soll der Patient schon bei der ersten Verordnung über die möglicherwei- se zu erwartenden Nebenwirkungen informiert werden. Es handelt sich dabei um adrenerge und anticholin- erge Effekte, und zwar hauptsäch- lich um Akkommodationsschwäche und Mydriasis, orthostatische Regu- lationsschwäche und mäßige Puls- beschleunigung, Hyperhidrose und Fingertremor. Gegen die Kreislauf- regulationsstörungen hilft Dihydro- ergotamin, gegen die Mundtrocken- heit „Mucinol"®.

Ernstere Nebenwirkungen sind sel- ten, müssen aber dem Arzt bekannt sein: bei bestehendem Glaukom sind häufigere augenärztliche Kon- trollen notwendig; eine Harnverhal- tung kann insbesondere bei (mög- licherweise noch nicht erkannter) Prostatahypertrophie eintreten; kar- diotoxische Wirkungen wurden zwar viel diskutiert, sind aber selten.

Bei unzureichendem therapeuti- schen Effekt ist zunächst die Dosis zu erhöhen (siehe oben). Ein Wech- sel des Präparates führt seltener zum Ziel, als vielfach angenommen wird. Wirksamer ist es häufig, nach einer zunächst vorgenommenen Do- sissteigerung das Antidepressivum abrupt abzusetzen (therapeutischer Abbrucheffekt) und gegebenenfalls vorübergehend (einige Tage bis einige Wochen) mit einer kleinen Dosis eines intensiv wirkenden Neu- roleptikums zu behandeln und da- nach ein Antidepressivum erneut einzusetzen.

Die antidepressive Pharmakothera- pie darf nicht zu früh beendet wer- den, insbesondere nicht nach schweren Melancholien. Auch wenn die Depressionssymptomatik abge- klungen ist, soll das Antidepressi- vum erst allmählich und stufenweise abgesetzt werden.

Therapeutischer Schlafentzug Verordneter Schlafentzug für eine ganze oder eine halbe Nacht ist eine wirksame antidepressive Maßnah- me. Der Effekt ist zwar oft nur von

2050 Heft 37 vom 14. September 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(3)

Handels- name

Internat.

Freiname

Ungefähre Tagesdosis Handelsformen

Acetexa® Nortriptylin Agedal® Noxiptilin Alival® Nomifensin Anafranil® Clomipramin Aponal® Doxepin

Gamonil® Lofepramin Istonil® Dimetacrin

Laroxyl® Amitriptylin Ludiomil® Maprotilin

Maximed® Protriptylin Notrilen® Nortriptylin Noveri I® Dibenzepin

Pertofran® Desipramin Saroten® Amitriptylin

Sinquan® Doxepin

Stangyl® Trimipramin

Tofranil® Imipramin

Trausabun® Melitracen Tryptizol® Amitriptylin

Drag. ä 10 bzw. 25 mg 50-125 Tabl. ä 25 bzw. 50 mg 100-200 Kps. ä 25 bzw. 50 mg 50-150

Drag. ä 25 mg 50-150

Drag. ä 5 bzw. 10 bzw. 25 mg

Tabl. ä 50 mg („A.forte") 75-200 Tabl. ä 35 bzw. 70 mg 70-210 Drag. ä 25 bzw. 50 und

100 mg 75-300

Drag. ä 10 bzw. 25 mg 75-200 Drag. ä 10 bzw. 25 und

50 mg 75-225

Tabl. ä 5 bzw. 10 mg 20— 60 Drag. ä 10 bzw. 25 mg 50-125 Drag. ä 40 („mite") bzw.

80 und 240 mg 120-480

Drag. ä 25 mg 50-150

Drag. ä 10 bzw. 25 mg Kps. 5 25 bzw. 75 mg

(Saroten retard) 75-200

Kps. ä 10 bzw. 25 bzw.

50 mg 75-200

Tabl. 5 25 bzw. 100 mg

10 Tr. = 10 mg 75-200

Drag. ä 10 („mite")

bzw. 25 und 50 mg 75-200 Drag. ä 10 bzw. 25 mg 50-250 Tab!. ä 10 bzw. 25 mg 75-200

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Tabelle 1: Antidepressive Psychopharmaka (in alphabetischer Reihenfolge)

Depression

kurzer Dauer, jedoch kann Schlaf- entzug die Remission anstoßen und beschleunigen. Die Behandlung kann wiederholt werden und ist zweckmäßigerweise mit antidepres- siven Medikamenten zu kombinie- ren. Indiziert ist Schlafentzug bei Melancholie und bei neurotischer Depression mit Vitalsymptomatik (siehe oben).

Die Durchführung ist einfach: der Patient bleibt eine Nacht auf. Das Wachen fällt ihm leichter als Gesun- den und auch leichter, als er zuvor denkt. Der Kranke soll während der Nacht Gesellschaft haben und zu Betätigungen angeleitet werden;

deshalb wird der totale Schlafentzug für eine ganze Nacht am besten in einem Krankenhaus (auch Allge- meinkrankenhaus) durchgeführt, ohne daß der Patient dort ein Bett beansprucht.

Nach neueren Untersuchungen reicht es aus, wenn der Schlaf nur in der zweiten Hälfte der Nacht entzo- gen wird: der Patient wird um 1.30 Uhr geweckt. Dieser partielle Schlaf- entzug ist leichter zu Hause durch- zuführen, weil der Patient diese be- grenzte Zeit allein wachen kann oder sich ein Angehöriger zum Mit- wachen findet.

Psychotherapeutische Führung des depressiven Patienten

Nach der zitierten Umfrage behan- deln in den europäischen Ländern 31 bis 53 Prozent der praktischen Ärzte den depressiven Patienten auch psychotherapeutisch.

Gemeint ist nicht die Anwendung methodisch diffiziler und sehr zeit- aufwendiger Psychotherapien, son- dern die psychotherapeutische Füh- rung des Depressiven, dessen Lei- denszustand mit keiner anderen Krankheit vergleichbar ist und der mehr als andere Kranke der tragfähi- gen persönlichen Beziehung zum Arzt bedarf.

Diese ist zugleich die beste Suizid- prophylaxe. Der therapeutische Um- gang des Arztes mit dem depressi-

ven Patienten kann hier nur skizziert werden: weniger trösten und auf- muntern, auf keinen Fall bagatelli- sieren und zuviel Anforderungen stellen, auch nicht unbedingt verste- hen wollen; denn die tiefe Melan- cholie kann der Gesunde letztlich nicht einfühlen. Wichtiger ist zuhö- ren, ernst nehmen, nicht die Geduld und das therapeutische Engage- ment verlieren und vor allem die Ge- wißheit vermitteln, daß der Depres- sionszustand behoben werden wird.

Die vom Patienten vorgebrachten Probleme muß der Arzt einerseits ernst nehmen, andererseits aber ih- re Bearbeitung hintenanstellen, so- lange der Patient tief depressiv ist.

Diese Regeln gelten vor allem für den Umgang mit Melancholiekran- ken.

Bei neurotischer Depression ist eine intensive und meist langdauernde psychoanalytisch orientierte Thera- pie unumgänglich, die dem speziell ausgebildeten Arzt vorbehalten ist.

Bei Trauerreaktion und anderen de- pressiven Reaktionen ist im ärztlich- psychotherapeutischen Gespräch der aktuelle Konflikt anzugehen. Je- weils können antidepressive Medi- kamente zusätzlich hilfreich sein.

Bei den sogenannten organischen Depressionen ist häufig ein Erleb- nisfaktor (Konfliktverarbeitung, durch die Krankheit veränderte zwi- schenmenschliche Situation, Angst vor dem Sterben) von entscheiden- der Bedeutung. Daher ist das psy- chotherapeutische Gespräch neben den anderen Maßnahmen (siehe oben) indiziert.

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 37 vom 14. September 1978 2051

(4)

Zur Fortbildung Aktuelle Medizin

Depression: Ambulante Behandlung

In jedem Fall bedeutet Depression:

Verzweiflung und Angst. Jeder de- pressive Patient ist darauf angewie- sen, daß sich der Arzt, der mit den zur Verfügung stehenden medizini- schen Mitteln behandelt, auch per- sönlich seiner annimmt.

Das ärztliche Gespräch, auch wenn es nur 10 Minuten lang sein kann, ist unbedingter und unverzichtbarer Teil der Depressionsbehandlung.

Prophylaxe

Bei Melancholien einschließlich der melancholisch-manischen Verlaufs- form und der atypischen Formen (schizoaffektive Psychosen) ist eine wirksame medikamentöse Prophyla- xe mittels Lithiumsalzen möglich.

Diese Entdeckung gehört zu den be- deutendsten medizinischen Fort- schritten der jüngeren Zeit. Bei der Mehrzahl der Kranken werden durch Langzeitbehandlung mit Lithiumsal- zen erneute Krankheitsphasen ver- hindert oder zumindest abge- schwächt.

Von dieser Möglichkeit wird bisher zuwenig Gebrauch gemacht. Zwar behandeln die meisten praktischen Ärzte ihre depressiven Patienten selbst, jedoch wenden (wie die zi- tierte Untersuchung ergab) nur etwa 10 Prozent Lithium an. Daher soll in einem weiteren Aufsatz im DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATT eine Anlei- tung zur Lithiumprophylaxe vermit- telt werden.

Behandlungswege

Die Behandlung vieler depressiver Patienten ist durch Umwege und Zeitverlust gekennzeichnet, bis der Kranke den Arzt findet, der ihn enga- giert und konsequent behandelt. Die Leidenszeit des Patienten wird er- heblich abgekürzt, wenn wiederhol- te Organdiagnostik und langdauern- de ungezielte Behandlungen ver- mieden werden, wenn also die anti- depressive Behandlung so früh wie möglich einsetzt. Der Hausarzt hat mehr als andere Ärzte die Möglich-

keit, eine Depression bereits im An- fangsstadium zu erkennen und zu behandeln.

Bei tiefen und bei langdauernden Depressionen ist der Psychiater zu- zuziehen, ohne daß der Hausarzt in jedem Fall die Behandlung aus der Hand geben sollte. Oft bewährt sich die gemeinsame Behandlung des depressiven Patienten.

Eine stationäre Behandlung ist heu- te nur noch bei schwersten Depres- sionen üblich. Auch hier erfolgt die Indikation nicht aufgrund der diffe- rentialdiagnostischen Bestimmung des Depressionstypes, etwa auf- grund der Diagnose Melancholie.

Ausschlaggebend sind vielmehr der Schweregrad und die Suizidgefahr, weiterhin die Belastungen, denen sich der depressive Patient in seiner Umwelt ausgesetzt sieht. Wenn eine stationäre Behandlung notwendig wird, sollte sie in jedem Fall in einem psychiatrischen Krankenhaus bezie- hungsweise in einer Fachabteilung erfolgen, in der alle Möglichkeiten zur Behandlung dieser Schwerkran- ken und geschultes Personal zur Verfügung stehen.

Die ambulante Behandlung depres- siver Patienten ist Sache jedes Arztes.

Literatur

Benkert, 0., Hippius, H.: Psychiatrische Phar- makotherapie, 2. Auflage, Berlin/Heidelberg/

New York: Springer 1976 - Finke, J., Tölle, R.:

Aktuelle Neurologie und Psychiatrie, Berlin/

Heidelberg/New York: Springer 1978 - Kiel- holz, P., u. Adams, G.: Die Depressionen und ihre Behandlung. DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 75 (1978) 493-497 - Pöldinger, W.: Internatio- nale Umfragen zum Thema: Die Behandlung der Depression in der täglichen Praxis. In: Kiel- holz, P. (Hrsg.): Die Depression in der täglichen Praxis, Bern/Stuttgart/Wien: Huber 1974 - Ru- dolf, G. A. E., Schilgen, B., Tölle, R.: Antide- pressive Behandlung mittels Schlafentzug.

Nervenarzt 48 (1977) 1-11 - Schulte, W., Tölle, R.: Psychiatrie, 4. Auflage, Berlin/Heidelberg/

New York: Springer 1977

Anschrift des Verfassers:

Professor Dr. med. Rainer Tölle Psychiatrische und Nervenklinik der Universität

Roxeler Straße 131 4400 Münster

FÜR SIE GELESEN

Lateropulsion der Augen

als Hirnstammzeichen

Bei fünf von sechs Patienten mit la- teralen Hirnstamminfarkten (Wallen- berg-Syndrom) stellte der Autor durch einfache Prüfung am Kran- kenbett eine konjugierte Augenbe- wegung zur Seite der Läsion hin fest. Gesichtsfelddefekte, vor allem homonyme Hemianopien und Blick- richtungsnystagmus sollten bei der Untersuchung beachtet werden. Tu- moren der hinteren Schädelgrube (zum Beispiel Akustikusneurinome) führten dann zu Lateropulsionen der Augen, wenn der Tumor auf Grund seiner Größe bereits zu einem late- ralen Hirnstammschaden geführt hatte. EgI

Frisön, L.: Lateropulsion of the eyes - a Iocali- zing brainstem sign, J. Neurol. 218 (1978) 171 bis 177

Aspirin senkt die Rate

apoplektischer Insulte

In der Prophylaxe zerebraler arte- rieller Thrombosen enttäuschten orale Antikoagulantien und Heparin völlig. Im Gegensatz dazu zeigten mehrere Studien, daß verschiedene Thrombozytenaggregationshemnier die Rate an zerebrovaskulären Thromboembolien deutlich verrin- gern. Es stellt sich deshalb primär die Frage, welcher Plättchenaggre- gationshemmer die Morbiditätsrate an transienten ischämischen Attak- ken und die Mortalitätsrate an apo- plektischen Insulten zu senken ver- mag. Eine kanadische Arbeitsgrup- pe untersuchte deshalb 585 Patien- ten nach Apoplex und beobachtete diese Patientengruppe über einen Zeitraum von 26 Monaten. In einer randomisierten klinischen Untersu- chung wurde Aspirin (Colfarit) und Sulfinpyrazon (Anturan) als Einzel- substanz und in Kombination verab- reicht. Es zeigte sich, daß Aspirin das Thromboembolierisiko um 19 Prozent senkte (sowohl hinsichtlich transienter ischämischer Attacken

2052 Heft 37 vom 14. September 1978 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

„Der Patient erhält dann eine GOÄ-Rechnung zur Information im EBM- Niveau, wie das auch immer gehen soll?“, fragte Ottmann.. Er ist sich sicher, dass „die derzeitige

(1) Für die Durchführung dieser Vereinbarung und zur Prüfung der in dieser Vereinbarung genannten Erfor- dernisse richtet die Kassenärztliche Ver- einigung eine

Indessen emp- finden sich viele psychisch schwer ver- änderte Menschen selber keineswegs als krank, und nicht wenige von ihnen verwahren sich gegen eine psychiatri- sche

Markus Söder (CSU) betonte, dass nur durch Delega- tion ärztlicher Leistungen und einer engeren Zusammenarbeit von niedergelassenen Ärzten und Kliniken, die

Januar 2004 durch das Gesetz zur Modernisierung der ge- setzlichen Krankenversicherung (GKV-Moder- nisierungsgesetz, GMG) die Möglichkeit, dass Krankenkassen mit

Bei Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen – unter anderem onkologische Erkran- kungen – soll ein Krankenhaus nur dann ambulant tätig werden dürfen, wenn es pro Jahr

Obwohl die Zeit drängt – die Krankenhäuser benötigen Planungs- sicherheit für strategisch richtungs- weisende Entscheidungen –, haben sich die Länder bisher nicht auf die

Dadurch tragen die Richtlinien zu einer zweckmäßi- gen und wirtschaftlichen Inan- spruchnahme der stationären Be- handlung im Krankenhaus bei und bewirken, daß Diagnostik und