Deutsches ÄrzteblattJg. 104Heft 497. Dezember 2007 A3369
P O L I T I K
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itte November erteilte das Gesundheitsministerium von Schleswig-Holstein zwölf Kranken- häusern des Landes Zulassungen zur ambulanten Erbringung hoch spezia- lisierter Leistungen sowie zur Be- handlung von seltenen Erkrankun- gen und von Erkrankungen mit be- sonderen Krankheitsverläufen. Die für die Krankenhausplanung zustän- dige „Beteiligtenrunde“ – bestehend aus Vertretern von Krankenkassen, Krankenhäusern und des Ministeri- ums – stimmte dieser Öffnung der Kliniken zu. Die Zulassung zur am- bulanten Versorgung erfolgte unab- hängig von der Bedarfsplanung.Auch Regelleistungsbeschränkun- gen sind nicht vorgesehen. Die Kas- senärztliche Vereinigung Schleswig- Holstein hatte kein Mitspracherecht.
Bundesgesundheitsministerin Ul- la Schmidt dürfte sich über die Nachricht aus Kiel gefreut haben.
Denn Schleswig-Holstein ist das ers- te Bundesland, das die neuen Mög- lichkeiten des § 116 b SGB V nutzt.
Dieser war mit der Gesundheits- reform geändert worden; vorgeblich um die Behandlung von Krebspati- enten zu verbessern. Es ist aber auch kein Geheimnis, dass die Ministerin die angeblich so teure „doppelte Facharztschiene“ gern abschaffen würde. Seit Inkrafttreten der Reform am 1. April trifft die für den Kran- kenhausplan eines Landes zuständi- ge Behörde die Entscheidung dar- über, ob ein Krankenhaus in den de- finierten Feldern ambulante Leistun- gen erbringen darf. Zuvor mussten die Krankenhäuser einen eigenen Vertrag mit den Krankenkassen ab- schließen, um die Leistungen ab- rechnen zu dürfen. Die Kassen eröff- neten den neuen Versorgungsstrang jedoch nur sehr selten. Einerseits
konnten sie keine Versorgungslücken ausmachen, andererseits fürchteten sie höhere Ausgaben, weil sie den Kliniken die Leistungen außerhalb derer Budgets vergüten müssen.
Aber auch nachdem der Gesetz- geber den § 116 b SGB V angepasst hatte, waren die Kassen nicht be- reit, in dieser Frage klein beizuge- ben. Im Gemeinsamen Bundesaus- schuss (G-BA) drängten sie jetzt dar- auf, den Krankenhäusern die Zulas- sung zur ambulanten Leistungser- bringung durch eine Änderung der entsprechenden Richtlinie zu er- schweren. Und das Vorhaben gelang.
Pauschale Mindestmengen vereinbart
Auf Antrag des AOK-Bundesver- bandes beschloss der G-BA Ende September, eine pauschale Mindest- mengenregelung für ambulante Be- handlungen im Krankenhaus einzu- führen. Demnach soll ein Kranken- haus zur ambulanten Behandlung von seltenen Erkrankungen nur dann berechtigt sein, wenn es pro Jahr und gelisteter Erkrankung mindestens 50 verschiedene Patienten behandelt.
Gleiches gilt für hoch spezialisierte Leistungen. Bei Erkrankungen mit besonderen Krankheitsverläufen – unter anderem onkologische Erkran- kungen – soll ein Krankenhaus nur dann ambulant tätig werden dürfen, wenn es pro Jahr und aufgelisteter Erkrankung mindestens eine Zahl an Patienten behandelt, die vom G-BA nach einem Richtwert von einer Promille der bundesweit prävalen- ten Fälle ermittelt wird. Die Min- destmengenregelung kam gegen den Wille der Deutschen Kranken- hausgesellschaft (DKG) in die Richt- linie. Im zuständigen Unteraus- schuss des G-BA wurde die DKG
von den Krankenkassen und der Kassenärztlichen Bundesvereinigung überstimmt. Der Beschluss steht je- doch noch unter dem Vorbehalt der Genehmigung durch das Bundesge- sundheitsministerium.
Die vom G-BA beschlossene Mindestmengenregelung lasse die Absicht erkennen, erneut den Willen des Gesetzgebers zur ambulanten Öffnung der Krankenhäuser zu un- terlaufen, kritisierte DKG-Hauptge- schäftsführer Georg Baum. „Damit ist der Ausschuss auf dem Weg, ein wesentliches Ziel der Gesundheits- reform zu konterkarieren.“ Es sei zu befürchten, dass eine große Zahl eta- blierter und qualifizierter Kranken- häuser von dieser Versorgungsform ausgeschlossen bleibe. Vor allem aber seien die Mindestmengen will- kürlich festgelegt worden. Die DKG stehe Qualitätsanforderungen posi- tiv gegenüber, spreche sich aber für sachgerechte Anforderungen aus.
Dies sieht die Bundesärztekam- mer (BÄK) ähnlich. Es sei unkalku- lierbar, welche Folgen eine „unter- schiedslos für alle möglichen Dia- gnosen und Leistungen pauschal fest- gesetzte Mindestmenge“ für die Ver- sorgung von Patienten hätte, heißt es in einer Stellungnahme. Darüber hin- aus sei eine zuverlässige Kranken- hausplanung kaum noch möglich, weil die Konsequenzen aus den Re- gelungen für die jeweiligen Katalog- inhalte des § 116 b bei den komple- xen Krankenhausplanungsprozessen nur bedingt voraussehbar wären.
„Insbesondere im versorgungsinten- siven Bereich Hämatologie/Onko- logie könnte dies zu Planungsunsi- cherheiten führen“, meint die BÄK.
Die DKG setzt darauf, dass das Ministerium den G-BA-Beschluss beanstandet und Änderungen im Sinne der Kliniken auf den Weg bringt. Dem Vernehmen nach haben bereits mehrere Hundert Kranken- häuser entsprechende Anträge ge- stellt. Die meisten Länder halten sich mit der Bewilligung der Anträ- ge noch zurück, weil sie sich an den G-BA-Beschluss gebunden fühlen.
Andere wie Schleswig-Holstein be- trachten die G-BA-Richtlinie ledig- lich als Richtschnur für ihr Handeln – und erteilen die Zulassungen. n Jens Flintrop