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Archiv "Alterspsychiatrie heute — eine Standortbestimmung: Schlußwort" (20.02.1985)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Alterspsychiatrie

chisch kranker älterer Menschen zu befassen. Von ihnen leiden derzeit immerhin zwischen 792 000 und 1,1 Millionen an einer dementiellen Erkrankung.

Professor Dr. med.

Klaus Oesterreich, Leiter der Sektion Gerontopsychiatrie Psychiatrische Klinik am Klinikum der Universität Voßstraße 4, 6900 Heidelberg 1

Stellungnahme II

Nach sorgfältigem Studium des von Herrn Kollegen Tölle verfaß- ten Artikels kann der Eindruck entstehen, die Probleme der psy- chischen Krankheiten im senes- zenten Erwachsenenalter seien zumindest weitgehend gelöst.

Diese Auffassung ist zwar weit verbreitet, sie ist jedoch als unzu- treffend zu bezeichnen. Folgende Punkte sind hierzu anzuführen:

1. Aus sehr gut belegten epide- miologischen Studien aus den USA und England geht eindeutig hervor, daß die (nach Tölle) senile Demenz (internationales Schrift- tum: Demenz vom Alzheimer-Typ) zwar nicht die einzige, so doch aber die häufigste psychische Er- krankung des seneszenten Er- wachsenenalters ist. Zur „Hirnar- teriosklerose" wird im internatio- nalen Schrifttum vermerkt, daß es sich hierbei wohl um die am häu- figsten gestellte medizinische Fehldiagnose handelt.

2. Es ist sicher zutreffend, daß sich die Versorgung alter Men- schen in den letzten Jahren ver- bessert hat. Daß sie weiter verbes- serungsbedürftig ist, steht außer Frage. Anderenfalls besteht die Gefahr, daß sich Versorgungs- maßnahmen in einer gegenwärtig (noch) viel zu häufig praktizierten

„Unterbringungspsychiatrie" er- schöpfen. Verbesserung der Ver- sorgung muß aber auch beinhal- ten die Bereitstellung eines breit- gefächerten Arsenals differential- diagnostischer Möglichkeiten, wie

dies bereits in anderen Ländern gerade in der Alterspsychiatrie geschieht. Hier sind in erster Linie moderne Untersuchungstechni- ken, wie zum Beispiel die Positro- nen-Emissionstomographie zur Messung von Hirndurchblutung und Hirnstoffwechsel, die NMR- Tomographie oder die Bestim- mung von Neurotransmittern im Liquor cerebrospinalis zu nennen, die es ermöglichen, somatische Veränderungen im Gehirn zu er- fassen. Es ist bedrückend, fest- stellen zu müssen, daß in der Bun- desrepublik weder die „hard- ware" noch die „software" zur Verfügung stehen, um den Be- dürfnissen psychisch kranker al- ter Menschen gerecht zu werden.

3. Untersuchungsergebnisse auf morphologischen, morphobiolo- gischen, pathophysiologischen und pathobiochemischen Gebie- ten, ergänzt durch die Resultate psychometrischer Untersuchun- gen, ermöglichen heute, eine Rei- he ätiopathogenetischer Definitio- nen bei psychischen Erkrankun- gen im höheren Lebensalter zu formulieren. Bei der Suche nach den Ursachen psychischer Er- krankungen im seneszenten Er- wachsenenalter herrscht durch- aus nicht der Fatalismus, wie er für die Ursachensuche psychi- scher Erkrankungen im adulten Erwachsenenalter angenommen werden dürfte. Insofern besteht ein deutlicher Unterschied zur Psychiatrie des mittleren Lebens- alters.

4. Bei der Behandlung zerebraler Alterserkrankungen sind die Er- kenntnisse somatischer Hirnfor- schung und die im Alter veränder- te Pharmakokinetik zu berück- sichtigen, um verhängnisvolle Fol- gen von vornherein auszuschlie- ßen. Als ein Beispiel sei hier der Einsatz den Hirnstoffwechsel be- einflussender Psychopharmaka angeführt.

Abschließend bleibt zu sagen, daß Herrn Kollege Tölle Dank dafür gebührt, aus der Sicht des Psych- iaters überhaupt einmal eine

Standortbestimmung der Alters- psychiatrie formuliert zu haben.

Der Titel hätte allerdings erweitert werden sollen in „Alterspsychia- trie heute in der Bundesrepublik—

Standortbestimmung und Nega- tivbilanz".

Professor Dr. med.

Siegfried Hoyer

Arbeitsgruppe Hirnstoffwechsel im Institut für Pathochemie und Allgemeine Neurochemie der Universität Heidelberg Im Neuenheimer Feld 220/221 6900 Heidelberg

Schlußwort

Ein kurzer Artikel im DEUTSCHEN ÄRZTEBLATT kann nicht alles bringen, was die verschiedenen Leser erwarten, insbesondere nicht bei einem weit gespannten Thema wie Alterspsychiatrie. Was K. Oesterreich und S. Hoyer er- gänzend beitragen, sei dankbar begrüßt, insbesondere die Anmer- kungen zur Demenzforschung und zur Versorgungssituation.

Wenn kritisch angemerkt wird, daß die „Europäische Arbeitsge- meinschaft für Gerontopsychia- trie" unerwähnt blieb, ist hier nachzutragen, daß diese Gesell- schaft in Zusammenarbeit mit ei- nigen speziellen klinisch-geron- topsychiatrischen Einrichtungen in der Bundesrepublik wesentlich zur Förderung dieses medizini- schen Gebietes beigetragen hat.

Nachgeholt sei an dieser Stelle auch der Hinweis darauf, daß die früheste Monographie in deut- scher Sprache von F. W. Bronisch stammt (Die psychischen Störun- gen des älteren Menschen, 1962).

Meine Anmerkung, die Alters- psychiatrie habe etwas nachge- holt, bezog sich auf die in den fol- genden Sätzen kurz skizzierte ge- rontopsychiatrische Nosologie.

Auch wenn S. Hoyer noch einmal auf Verbreitung und Bedeutung organischer Hirnkrankheiten im Alter hinweist (wer wollte das be- streiten?), muß, klinisch gesehen, Ausgabe A 82. Jahrgang Heft 8 vom 20. Februar 1985 (81) 509

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Alterspsychiatrie

auf die bisher noch weniger be- achteten Konfliktreaktionen und Neurosen, Depressionen und an- dere Psychosen im Alter unbe- dingt ebenso nachdrücklich hin- gewiesen werden.

Gehört die Alterspsychiatrie zur Psychiatrie, oder ist sie ein eige- nes medizinisches Arbeitsgebiet?

Die Antwort hängt von der Frage- richtung ab und berührt die Pro- blematik der Spezialisierung in der Medizin überhaupt. Natürlich soll die Berechtigung spezialisier- ter Arbeitsgemeinschaften und In- stitutionen nicht in Frage gestellt werden; ebenso wenig kann man den gerontopsychiatrischen Ar- beitsbereich aus der Psychiatrie ausklammern. Im Gegenteil: es ist zu fordern, daß der Psychiater sich mehr um die Gerontopsych- iatrie bemüht (von diesem Anlie- gen ging mein Aufsatz aus). Wenn wir heute mit guten Gründen da- von ausgehen, daß auch Nicht- Psychiater, insbesondere Allge- meinärzte und Internisten, an der

Behandlung psychisch Kranker in den gesetzten Grenzen zu beteili- gen sind, kann auch die psychia- trische Gerontologie in der Zu- kunft nicht mehr von wenigen Spezialisten bewältigt werden;

hierfür sprechen auch die von K.

Oesterreich angegebenen Zahlen.

Auch was die Diagnostik und The- rapie psychisch kranker alter Menschen anbetrifft, hängt es von der Blickrichtung ab, ob man die Unterschiede gegenüber der Ver- sorgung von Patienten im mittle- ren Lebensalter betont oder aber die Gemeinsamkeiten heraus- stellt. Gerade die von S. Hoyer er- wähnte Dosierung von Psycho- pharmaka ist ein geeignetes Bei- spiel für meine These, daß sich die Gerontopsychiatrie im Prinzip (!) der gleichen Methoden bedient wie die Psychiatrie insgesamt, was im übrigen auch für psychothera- peutisches Vorgehen gilt.

Soll man nun mehr Mißstände und Rückstände in der Gerontopsych-

iatrie beklagen oder auch einmal darauf hinweisen, daß etwas er- reicht wurde? Beides trifft zu.

Die gerontopsychiatrische Versor- gung ist in der Bundesrepublik heute besser als vor 20 Jahren, aber immer noch schlechter als zum Beispiel in Großbritannien oder Skandinavien.

Die Entwicklung der Alterspsych- iatrie (so der ursprüngliche Titel meines Aufsatzes) ist noch nicht so weit fortgeschritten, daß eine Zwischenbilanz möglich wird. Der Versuch einer Standortbestim- mung soll aber, hierin stimmen die Meinungen überein, die Auf- merksamkeit der Ärzteschaft auf ein großes und weiter zunehmen- des Arbeitsgebiet hinlenken.

Professor Dr. med.

Rainer Tölle

Klinik für Psychiatrie der Universität Münster Albert-Schweitzer-Straße 11 4400 Münster

FÜR SIE GELESEN

Knochenmineralgehalt von amenorrhoischen und eumenorrhoischen Frauen

Ziel der Studie war es herauszu- finden, ob der Östrogenmangel bei 14 amenorrhoischen Athletin- nen von einem umschriebenen Knochenmassenverlust begleitet ist. Zum Vergleich wurden 14 eu- menorrhoische Athletinnen her- angezogen. Beide Gruppen ent- sprachen sich in den Auswahlkri- terien Alter, Größe, Gewicht, Sportart und Trainingsprogramm.

Die Knochenmasse wurde mittels Doppel- und Einfachphotonen- technik an der Lendenwirbelsäule (L1 bis L4) und an zwei Stellen des Unterarms bestimmt.

Die Mineraldichte der Wirbelkör- per war in der Amenorrhoe-Grup- pe mit durchschnittlich 1,12 Gramm pro Quadratzentimeter si-

gnifikant niedriger als in der Eumenorrhoe-Gruppe mit 1,3 Gramm pro Quadratzentimeter.

Es gab jedoch keinen signifikan- ten Unterschied bei den Messun- gen am Unterarm. Bei vier Venen- blutentnahmen in jeweils einwö- chigen Abständen ergaben die ra- dioimmunologischen Bestimmun- gen in der Amenorrhoe-Gruppe sowohl eine niedrigere mittlere Östrogen- als auch Progesteron- Konzentration.

Eine dreitägige Beobachtung der Essensgewohnheiten erbrachte keinen signifikanten Unterschied bei Nahrungsaufnahme und Kalzi- umzufuhr. Beide Gruppen unter- schieden sich nicht signifikant im Gehalt an Körperfett, Alter der Menarche, Jahren der Ausübung des Sports, Trainingshäufigkeit und -dauer, jedoch in der Kilome- terzahl, die pro Woche gelaufen wurde.

Die bei Athletinnen beobachtete Amenorrhoe ist von einem Abfall der Mineraldichte der Lendenwir- belsäule begleitet. Die Autoren wollen nicht sagen, daß diese Er- gebnisse amenorrhoische Frauen davon abhalten sollen, ihren Sport weiter zu betreiben. Vielmehr sei- en weitere Untersuchungen erfor- derlich, insbesondere auch bei solchen Frauen, die andere Sport- arten ausüben, vor allem solche, bei denen es weniger darauf an- kommt, daß der Fettanteil des Körpergewebes niedrig gehalten wird, oder bei denen es besonde- re Belastungen der Wirbelsäule gibt. Auch müßten Untersuchun- gen auf andere Skelettbereiche ausgedehnt werden. wie

Drinkwater, B. L., Nilson, K.; Ches, Ch. H. et al.:

Bone Mineral Content of Amenorrheic and Eu- menorrheic Athlets. N. Engl. J. Med. 311 (1984) 277-281. Dr. Drinkwater, Department of Kine- siology DX-10, University of Washington, Seattle WA 98159

510 (82) Heft 8 vom 20. Februar 1985 82. Jahrgang Ausgabe A

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