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Archiv "Hartmannbund: „Wir müssen zusammenrücken“" (31.10.2008)

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A2310 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 44⏐⏐31. Oktober 2008

P O L I T I K

M

it einem Plädoyer für mehr ärztliche Geschlossenheit gegenüber Politik und Krankenkas- sen hat der Vorsitzende des Hart- mannbunds, Dr. med. Kuno Winn, die Jahreshauptversammlung seines Verbands Ende Oktober in Potsdam eröffnet. „Ärzte dürfen sich nicht auseinanderdividieren lassen. Gera- de jetzt müssen wir zusammen- rücken“, sagte Winn. Ausdrücklich sprach er sich für den Erhalt der Kas- senärztlichen Vereinigungen (KVen) aus: „Ich halte so lange am Kollek- tivvertragssystem fest, wie es uns trägt.“

„Die KVen stehen für mich noch immer für das Kollektivvertrags- system und dafür, dass wir Ärzte gemeinsam in einer Struktur für un- sere Interessen kämpfen“, betonte Winn. Mit KVen und Verbänden verfügten die Ärzte über schlagkräf- tige Interessenvertretungen – diese müssten aber partnerschaftlich zu- sammenarbeiten. In Bayern hat sich der Hartmannbund gemeinsam mit der KV, dem NAV-Virchow-Bund sowie anderen Verbänden und Ärz- tenetzen bei der AOK Bayern als Vertragspartner für die Ausrichtung der hausarztzentrierten Versorgung beworben.

Der Deutsche Hausärz- teverband (HÄV) in Bay- ern hat sich in Konkurrenz zu diesem Zusammen- schluss ebenfalls an der Ausschreibung beteiligt.

Das Auswahlverfahren läuft noch. Winn kritisierte vor den Delegierten scharf die Lobbypolitik des HÄV.

Dieser hatte im Vorfeld der Landtagswahl in Bayern eine Änderung des § 73 b SGB V durchsetzen kön- nen, wodurch dem Haus- ärzteverband in den meis-

ten Bundesländern faktisch ein Vertragsmonopol für die Ausrich- tung der hausarztzentrierten Ver- sorgung zukommt (siehe Beitrag in diesem Heft). „Niemand spricht dem Hausärzteverband den Vertre- tungsanspruch für seine Mitglieder ab. Wir können aber nicht akzeptie- ren, dass der Verband anderen einen derartigen Vertretungsanspruch strei- tig macht“, kritisierte Winn.

Die Delegierten unterstützten die Forderung ihres Vorsitzenden nach mehr ärztlicher Geschlossenheit.

„Politik und Kassen werden leicht mit uns fertig, wenn sich Haus- und Fachärzte sowie alte und junge Kol- legen bekämpfen“, warnte Dr. med.

Klaus Reichel, Delegierter aus Bay- ern. Dr. med. Klaus Wagner sagte:

„Der Staat darf den KVen auf keinen Fall ihren Körperschaftsstatus aber-

kennen. Das würde zu einem Machtverlust der Ärzte gegenüber den Kassen führen.“ Jeder Kollege sollte sich gut überlegen, was es be- deuten würde, wenn statt der KVen die Krankenkassen den Sicherstel- lungsauftrag für die Patientenver- sorgung innehätten, gab Dr. med.

Wolfgang Aubke aus Westfalen- Lippe zu bedenken.

Verbandschef Winn stellte aber auch klar, dass die Solidarität mit den KVen nicht grenzenlos sei. „So- lange die Kassenärztlichen Vereini- gungen unsere Anliegen vertreten, stützen wir sie.“ Mit Blick auf die geplante Zusammenarbeit in Bayern sagte er: „Wenn die AOK oder die KV Bayerns uns Unzumutbares abverlangt, dann ziehen wir die Reißleine. Wir werden keinen Ver- trag um jeden Preis machen – das unterscheidet uns von anderen.“

Ärztliche Geschlossenheit ist nach Ansicht des Hartmannbunds auch nötig, um eine öffentliche Diskussi- on über die ökonomischen Grenzen der Gesundheitsversorgung anzu- stoßen. In dem fast einstimmig ver- abschiedeten Leitantrag kritisierte der Verband die verdeckte Rationie- rung von medizinischen Leistungen, bot zugleich aber seine Mitarbeit bei der Beantwortung von ethisch bri- santen Fragen zum Leistungsumfang an. Die letzte Entscheidung müsse aber bei der Politik liegen, heißt es in dem Beschluss. Der Gesetzgeber dürfe seine Verantwortung dafür nicht auf die Ärzte delegieren.

„Wir werden unter keinen Um- ständen akzeptieren, dass die Politik weiter so tut, als sei alles machbar.

Ja, dass sie sogar immer wieder neue Leistungen in den solidarisch finanzierten – in Wahrheit ja unterfi- nanzierten – Katalog der GKV auf- nimmt“, machte Winn zu Beginn ei- ner Podiumsdiskussion klar, zu der HARTMANNBUND

„Wir müssen zusammenrücken“

Kämpferisch nach außen und solidarisch nach innen müssen die Ärzte nach Meinung des Hartmannbunds agieren. Der Verband bekennt sich zu den Kassenärztlichen Vereinigungen und verlangt eine offene Diskussion über die verdeckte Rationierung.

Public Viewing beim Hartmannbund:

Per Videobotschaft verkündete Gesund- heitsministerin Ulla Schmidt, dass sie von einer Rationie- rungsdiskussion gar nichts halte.

Schulterschluss mit den KVen:

Kuno Winn, Vorsit- zender des Hart- mannbunds, warb auf der Hauptver- sammlung für eine partnerschaftliche Zusammenarbeit.

Fotos:Jürgen Gebhardt

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 44⏐⏐31. Oktober 2008 A2311

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auch Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt angekündigt war. Die entschuldigte sich unter Hinweis auf ein kurzfristig anberaumtes eu- ropäisches Ministertreffen und teilte lediglich per Videobotschaft mit,

„dass es für Mangelszenarien und neue Rationierungsdebatten keinen Grund gibt“. Vielmehr sei kontinu- ierlich an mehr Effizienz des Ge- sundheitssystems zu arbeiten.

So bekannt diese regierungsamtli- che Sprachregelung nach dem Motto

„Dass nicht sein kann, was nicht sein darf“ auch klingt, so wenig mochten sich die Diskutanten mit ihr anfreun- den. Was die Ministerin unter mehr Effizienz verstehe, sei ja bekannt, er- klärte Prof. Dr. med. Jörg-Dietrich Hoppe, Präsident der Bundesärzte- kammer: „Immer schlechtere Ar- beitsbedingungen für die Gesund- heitsberufe.“ Daran änderten auch die jetzt zugesagten zusätzlichen Mittel nichts. „Die schleichende Ver- schlechterung, die verdeckte Ratio- nierung treibt viele Ärzte aus dem Beruf, weil sie es nicht aushalten, permanent zu lügen.“ Hoppe plädier- te wie Winn dafür, die Rationierung transparent zu machen.

Angesichts begrenzter Ressour- cen sei ein Gesundheitssystem ohne jede Rationierung nicht denkbar, versicherte der Ökonom Prof. Dr.

Jürgen Wasem von der Universität Duisburg-Essen. Man werde auf ökonomische Anzreize für effizien- tes Arbeiten im Gesundheitswesen nicht verzichten können. Unver- meidlich sei zudem, dass die Soli- dargemeinschaft keine Leistungen mehr bezahle, die keinen Nutzen hätten oder deren Nutzen zu teuer sei. Hoppe hatte vorgeschlagen, ei- ne Priorisierung medizinischer Leis- tungen nach dem Vorbild Schwe- dens zu prüfen. Im Ulmer Papier der Ärzteschaft wird angeregt, ein Ge- sundheitsrat mit Patienten, Ärzten, Juristen, Ökonomen und Ethikern solle dem Parlament dazu Emp- fehlungen unterbreiten. Der FDP- Gesundheitspolitiker Heinz Lanfer- mann kann sich gut vorstellen, dass solche Empfehlungen zur Grenzzie- hung zwischen Solidarversicherung und Eigenverantwortung von den Abgeordneten akzeptiert würden.I Samir Rabbata, Heinz Stüwe

A

uf den ersten Blick passen die Zahlen nicht zueinander: 69 Prozent der niedergelassenen Ärzte sind über ihre Arbeitsbedingungen so frustriert, dass sie schon einmal daran gedacht haben auszuwandern.

Doch wenn sie die Wahl hätten, würden ebenfalls 69 Prozent der Ärzte ihren Beruf wieder ergrei- fen. Dies ergab eine Befragung im Auftrag des NAV-Virchow-Bunds und des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller (VFA). Das Meinungsforschungsinstitut TNS- Healthcare befragte hierfür 500 Hausärzte und 300 niedergelassene Fachärzte zu ihrer Einschätzung des deutschen Gesundheitssystems.

Die Therapiefreiheit sei nicht mehr gewährleistet

Was zunächst paradox klingt, spie- gelt die Stimmungslage der Ärztin- nen und Ärzte wider: Sie mögen die Arbeit mit den Patienten. Das entschädigt sie für manchen Frust, den ihnen Budgets und Bürokratie bescheren. Dennoch: Fast ein Drit- tel würde den Arztberuf heute nicht mehr ergreifen. Vor allem wegen des Budgetsdrucks, der Ausga- benbeschränkungen und Regress- androhungen fühlen sich viele Ärzte in ihrer Entscheidungsfreiheit ein- geschränkt. So sind fast drei Viertel (73 Prozent) der Meinung, dass die Therapiefreiheit nicht mehr gewähr- leistet sei. Nach Einschätzung der Befragten wird sich die Situation sogar noch verschärfen. Während immerhin 74 Prozent der Ärzte die gegenwärtige Versorgungslage trotz- dem als gut bewerten, glaubt nur ein Viertel, dass dies auch noch in zehn Jahren der Fall sein werde.

Doch schon jetzt würden Innova- tionen immer seltener bei den Pati-

enten ankommen. Dies betrifft nach Meinung der Befragten vor allem gesetzlich Versicherte mit den Indi- kationen Depression und Demenz.

Die Mediziner wünschen sich mehr- heitlich mehr Einfluss bei Entschei- dungen über die Verordnungsfähig- keit von Medikamenten. Nur 26 Prozent glauben, sie selbst hätten dabei den größten Einfluss. Mehr als zwei Drittel sehen sich durch den Gemeinsamen Bundesausschuss fremdbestimmt. Fast 80 Prozent meinen, die Krankenkassen hätten bei Entscheidungen über die Ver- ordnungsfähigkeit von neuen Arz- neimitteln das letzte Wort.

„Bürokratie und unausgegorene gesundheitspolitische Vorstellungen der Politik schränken die Thera- piefreiheit immer weiter ein und verschlechtern die Versorgungsqua- lität. Vor diesem Hintergrund ist es verständlich, dass sich immer weni- ger Kolleginnen und Kollegen für die Niederlassung als Vertragsarzt entscheiden“, kommentierte der Vor- sitzende des NAV-Virchow-Bunds, Dr. med. Klaus Bittmann, die Er- gebnisse derUntersuchung.

Cornelia Yzer, Hauptgeschäfts- führerin des VFA, warnte davor, den Ärzten die Verantwortung für Rationierung aufzudrücken: „Wir können nicht länger am Postulat einer gesetzlichen Versicherung, die allen alles bezahlt, festhalten.“

Dadurch würden Ärzte zu verdeck- ten Sachbearbeitern der Kranken- kasse. „Nach dem Willen der Poli- tik sollen die Ärzte das System möglichst ohne viel Aufhebens le- bensfähig rationieren. Wir können aber nicht länger ordnungspoliti- sche Feigheit zulasten der Ärzte praktizieren“, sagte Yzer. I Samir Rabbata

STUDIE

Ärzte mögen ihren Beruf – sind aber frustriert

Die meisten niedergelassenen Ärzte schätzen die Ver-

sorgung der Patienten gut ein. In den nächsten Jahren

könnte sich die Lage aber dramatisch verschlechtern.

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