A 598 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 110|
Heft 13|
29. März 2013GEMEINSAMER BUNDESAUSSCHUSS
Votum für den neuen Versorgungsbereich
Mit der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung soll es nach dem Willen des Gesetzgebers künftig über die Sektoren hinweg eine bessere Versorgung geben.
A
uch im Gemeinsamen Bun- desausschuss (G-BA) kommt es vor, dass Entscheidungen ein- stimmig und ohne kontroverse Dis- kussion getroffen werden. So etwa beim Tagesordnungspunkt 8.4.5 der Sitzung am 21. März. „Wer dafür ist, dass Dragees künftig überzoge- ne Tabletten heißen, der stimme jetzt zu“, forderte Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA, die Vertreter der Bänke auf.Widerspruch erntete er keinen, und so kann in der Anlage VII der Arz- neimittelrichtlinie des G-BA die redaktionelle Anpassung an den
„Standard Term“ der Europäischen Arzneibuchkommission erfolgen.
Einzelfragen umstritten
Nicht ganz so harmonisch verlief die Beschlussfassung über die Richtlinie zur ambulanten spezial- fachärztlichen Versorgung (ASV).
Dieser neue sektorenübergreifende Versorgungsbereich soll einheitli- che Rahmenbedingungen für Kran- kenhäuser und Vertragsärzte bei der Behandlung „schwerer Verlaufsfor- men von Erkrankungen mit beson- deren Krankheitsverläufen“ und sel- tener Erkrankungen schaffen. Ein Einvernehmen zwischen Kassenärzt- licher Bundesvereinigung, Deut- scher Krankengesellschaft (DKG), GKV-Spitzenverband und Patien- tenvertretern über personelle Anfor- derungen und weitere wichtige Vor - aussetzungen in diesem neuen Ver- sorgungsbereich war in intensiven Beratungen im G-BA-Unteraus- schuss Qualitätssicherung erzielt worden (siehe DÄ-Interview mit Dr. med. Regina Klakow-Franck, Heft 11/2013). Abschließend muss- te im G-BA-Plenum noch über eini- ge offen gebliebene Fragen abge- stimmt werden.
Umstritten bis zuletzt war etwa die Frage der Mindestmengen bei
der Behandlung von Erkrankungen in der ASV. Die Krankenkassen plä- dierten für einheitliche Vorgaben über den ganzen neuen Versor- gungsbereich hinweg, konnten sich aber nicht durchsetzen. Nach den Erfahrungen mit der Rechtspre- chung des Bundessozialgerichts zu Mindestmengen favorisierte Hecken möglichst evidenzbasierte Richt- werte für jede einzelne Erkrankung.
Dies werde eine erhebliche Verzö- gerung bei der Ausgestaltung der ambulanten spezialfachärztlichen Versorgung nach sich ziehen, be- fürchtet Dr. Wulf-Dietrich Leber vom GKV-Spitzenverband.
Auch bei der DKG war in Einzel- fragen ein leises Grollen zu verneh- men, etwa als sie mit dem Anliegen scheiterte, den Gültigkeitszeitraum einer Überweisung in die ASV mög- lichst weit zu fassen. DKG-Haupt- geschäftsführer Georg Baum kriti- sierte es als verfehlt, die Patienten in eine permanente Rückkoppelung
mit dem überweisenden Arzt zu schicken. Es stehe zu befürchten, sagte Baum, dass etwas, „was ur- sprünglich mit der Hoffnung für mehr Freiheit für die Patienten auf den Weg gebracht wurde, sich als das Gegenteil erweist“. Es sei, se- kundierte ihm DKG-Geschäftsfüh- rerin Dr. Nicole Schlottmann, inzwi- schen ein Bürokratiegrad erreicht, der in der Praxis gar nicht mehr zu bewältigen sei. Unterschiedliche Vorstellungen gab es auch bei der Frage, inwieweit im Krankenhaus über den begrenzten Erkrankungs- fall in der ASV hinaus ein damit nicht direkt zusammenhängendes Behandlungsgeschehen statthaft sei.
Man könne zufrieden damit sein, meinte Klakow-Franck, unpartei - isches Mitglied im G-BA, abschlie- ßend, über die Sektoren hinweg ei- nen ganz neuen Versorgungsbereich geschaffen zu haben, in dem nieder- gelassene Ärzte und Krankenhaus- ärzte zusammenwirkten. „Auf Basis der heute beschlossenen allgemei- nen Regelungen werden wir nun Zug um Zug die diagnosespezifi- schen Anlagen überarbeiten und so die neue Richtlinie so bald wie mög- lich mit Leben füllen.“
Bei den schweren Erkrankungen werde man sich zunächst dem Be- handlungsgeschehen bei gastroin- testinalen Tumoren/Tumoren der Bauchhöhle, gynäkologischen Tu- moren, rheumatologischen Erkran- kungen und der Herzinsuffizienz zuwenden, bei den seltenen Erkran- kungen solle die Priorität bei Tuber- kulose, Marfan-Syndrom, pulmo- nale Hypertonie, Mukoviszidose und primär sklerosierender Cholan- gitis liegen. Klakow-Franck ist zu- versichtlich, bis zum Jahresbeginn 2014 die ersten Konkretisierungen in der ASV auf den Weg bringen zu
können.
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Thomas Gerst