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Archiv "Erfahrungen mit neuen Arzneimitteln nach der Einführung" (21.01.1983)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen Ärztliches Handeln

Die Diskussion und die Qualitäts- sicherungsprogramme des letzten Jahrzehnts bieten eine so große Fülle auch pragmatisch relevanten Gedankenmaterials, daß es nun an der Zeit ist, systematische Ge- samtkonzepte für die Qualitätssi- cherung im Gesundheitswesen zu entwerfen und zu diskutieren, da- mit eine sinnvolle Koordination der bereits allfällig zu beobachten- den Aktivitäten angepackt werden kann. Dies wäre zugleich ein Weg, allen Beteiligten und Betroffenen auch gegenüber den Gefahren ei- nes Übermaßes an partiellen Akti- vitäten mit der damit verbundenen Behinderung ärztlicher und medi- zinischer Hilfeleistung Sicherheit und Selbstvertrauen zu erhalten.

(Nach einem Referat zur Einlei- tung der 2. Internationalen Ar- beitstagung „Sicherung der Quali- tät ärztlichen Handelns" am 23.

September 1982 in Murrhardt) Anschrift des Verfassers:

Prof. J. F. Volrad Deneke, Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer und des Deutschen Ärztetages Haedenkampstraße 5 5000 Köln 41 (Lindenthal)

ZITAT

Milde Spenden

„Nach vielen Jahren des Kampfes um eine bessere Honorierung des Allgemein- arztes soll nun aus unseren milden Spenden der Hoch- altar eines Herzzentrums oder eines ähnlichen Ge- sundheitstempels errichtet werden."

Dr. med. Helmut Klotz, 1.

Vorsitzender des BPA Be- rufsverband der Praktischen Ärzte und Ärzte für Allge- meinmedizin Deutschlands e. V., Darmstadt, vor dem 5. Deutschen Hausärztetag 1982 in Bonn

Die von interessierter Seite prophe- zeite Lähmung des Fortschrittes der Pharmakotherapie durch das neue Arzneimittelgesetz ist ausgeblieben.

Im Gegenteil ist durch die weltweite Überwindung der Stagnation in der Arzneimittelforschung in den ver- gangenen Jahren ein warmer Regen neuer Wirkstoffe auf den behandeln- den Arzt niedergegangen. Als wich- tigste Konsequenz des neuen Arz- neimittelgesetzes kann er sich bei den seit dem 1. Januar 1978 neu eingeführten Fertigarzneimitteln in der Regel darauf verlassen, daß sie in den in der Packungsbeilage bean- spruchten Indikationen wirksam sind. Ob sie jedoch besser sind als das, was er bisher verschrieb, sich kaum davon unterscheiden oder Be- währtem sogar nachstehen, muß er nach wie vor selbst herausfinden.

Denn die Zulassungserteilung be- deutet, wie in fast allen anderen ent- wickelten Ländern, keine Prüfung der Überlegenheit, ja nicht einmal der Gleichwertigkeit, sondern stellt lediglich fest, daß die Fertigarznei- mittel in den beanspruchten Indika- tionen wirksam sind.

Was die Unbedenklichkeit neuer Arzneimittel anbetrifft, ist die erteilte Zulassung weit weniger eine Ge- währ für diese als für die Wirksam- keit. Das liegt nicht daran, daß die Risikoaspekte eines neuen Arznei- mittels von der Aufsichtsbehörde weniger sorgfältig geprüft worden sind. Bei der zum Nachweis der the- rapeutischen Wirksamkeit notwen- digen Probanden- und Patienten- zahl können eben nur häufig auftre- tende und mit den üblichen Untersu- chungen zur erfassende uner- wünschte Wirkungen erkannt wer- den. Sowohl die Zahl der Patienten als auch die Dauer der Prüfung muß auf einen praktikablen Umfang be- grenzt werden, wenn die Einführung wichtiger neuer Wirkstoffe nicht ver-

FORUM

zögert beziehungsweise deren Preis nicht mit untragbar hohen For- schungskosten belastet werden soll.

Nicht nur in den in Bezug auf Arznei- mittelprüfungen fortschrittlichen Ländern, sondern auch in der Bun- desrepublik hat man sich darüber Gedanken gemacht, wie man die Prüfung von Arzneimitteln vor der Einführung optimieren kann, um zu- mindest diejenigen, die einen ein- deutigen Fortschritt bedeuten, den Kranken früher zugänglich machen zu können. In § 28 des neuen Arznei- mittelgesetzes ist deshalb vorgese- hen, daß die zuständige Bundesbe- hörde durch Auflage anordnen kann, „daß weitere analytische, pharmakologisch-toxikologische oder klinische Prüfungen durchge- führt werden und über die Ergebnis- se berichtet wird, wenn das Arznei- mittel einen großen therapeutischen Wert hat und deshalb ein öffentli- ches Interesse an seinem unverzüg- lichen Inverkehrbringen besteht, je- doch für die umfassende Beurtei- lung des Arzneimittels weitere wich- tige Angaben erforderlich sind."

Der Arzt ist jedoch nicht nur daran interessiert, daß die Einführung wichtiger Arzneimittel nicht unge- bührlich verzögert wird, sondern auch daran, daß ihm Erfahrungen an einer größeren Zahl von Patienten so schnell wie möglich nach der Ein- führung zugänglich gemacht wer- den. Bei einer Reihe von Arzneimit- teln kann er sich zwar auch an der beschränkten Anzahl seiner Patien- ten einen Eindruck verschaffen, ob das neue Arzneimittel den bisher verordneten überlegen ist oder nicht. Bei der Mehrzahl ist ihm dies jedoch mangels harter Meßkriterien nicht möglich. Leider ist der Stellen- wert von vergleichenden Arzneimit- telstudien am akademischen Qualifi- kationsmaßstab gering, so daß der deutsche Arzt in den Fachzeitschrif-

Erfahrungen mit neuen Arzneimitteln nach der Einführung

Karl H. Kimbel

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 3 vom 21. Januar 1983 91

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Erfahrungen mit neuen Arzneimitteln

ten — im Gegensatz zu den angel- sächsischen Ländern — nur selten kontrollierte Untersuchungen dar- über findet, ob neu eingeführte Arz- neimittel den bisherigen tatsächlich überlegen sind oder nicht. Das Ver- bot der vergleichenden Werbung in der Bundesrepublik hindert interes- sierte Hersteller daran, neutrale ver- gleichende Studien solcher Art zu fördern und zu veröffentlichen.

Auch werden die zur Zulassung not- wendigen Prüfungsunterlagen, bei der in den meisten Fällen gegen eine bekannte Substanz geprüft wurde, unverständlicherweise kaum veröf- fentlicht.

Wenn der niedergelassene Arzt sich in der Plethora der in den letzten Monaten eingeführten Antiphlogisti- ka, Beta-Blocker und Tranquillan- tien zurechtfinden will, braucht er verläßliche Vergleichsmaßstäbe.

Diese müssen seine eigenen Erfah- rungen auf eine sichere Basis stellen und ergänzen. Das gilt im besonde- ren Maße für die wirtschaftliche Ver- ordnung. Der Kassenarzt kann nur dann zu einem neuen teureren Arz- neimittel greifen, wenn dieses tat- sächlich besser und schneller wirkt als das bislang von ihm verordnete und damit das Kriterium der Richtli- nien des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen erfüllt, daß auch teurere Arzneimittel im Hinblick auf die Art der Erkrankung und die Umstände des Krankheits- falles wirtschaftlich sein können.

11> Es muß daher im Namen der nie- dergelassenen Kollegen eindring- lich an die Universitätskliniken und Krankenanstalten appelliert werden, insbesondere an solche, in denen eine klinisch-pharmakologische Ab- teilung besteht, objektive Auswahl- hilfe aus dem reichen Angebot neu- er Arzneimittel durch vergleichende Arzneimittelprüfungen zu leisten.

Die Förderung solcher Untersu- chungen durch die öffentliche Hand beziehungsweise interessierte Kör- perschaften, wie die gesetzlichen Krankenkassen, wäre weitaus bes- ser angelegt als in Modellversuchen, wie man die Verordnungsfreiheit des niedergelassenen Arztes noch weiter strangulieren kann. Auch die

niedergelassenen Ärzte selbst sind aufgerufen, unter medizinstatisti- scher Anleitung vergleichende Arz- neimittelprüfungen durchzuführen, da sich, wie auch Kossow in seiner Veröffentlichung „Pharmarxismus"

unterstrich, die Behandlungsbedin- gungen in der Praxis sich oft erheb- lich von denjenigen in der Klinik un- terscheiden.

So sehr Arzt und Patient für eine optimale und wirtschaftliche Arznei- behandlung auf aktuelle und objek- tive Information über die Vorteile neu angebotener Arzneimittel ange- wiesen sind, ist diejenige über un- vorhergesehene Risiken neuer Prä- parate für sie vori vitaler Bedeutung.

Zeigte sich doch erst jüngst, daß von Weltunternehmen entwickelte und nach strengsten Maßstäben zugelas- sene Arzneimittel wieder vom Markt genommen werden mußten. Ande- rerseits wurden schwere Arzneimit- telrisiken erst nach jahrzehntelanger Anwendung erkannt. Ein Beispiel dafür ist die Phenacetinniere.

In der Regel überraschen uns je- doch neue, erst vor kurzem einge- führte Arzneimittel mit unerwünsch- ten Wirkungen, die während der kli- nischen und Praxis-Prüfung nicht erkannt wurden und oft nicht er- kannt werden konnten. Sie waren entweder zu ungewöhnlich (zum Beispiel fibröse Peritonitis nach Practolol) oder so selten, daß erst bei breiter Anwendung eine Chance bestand, sie zu entdecken. Es hat daher in den letzten Jahren nicht an Vorschlägen gefehlt, die Erfassung unerwünschter Wirkungen neu ein- geführter Arzneimittel zu verbes- sern.

Ein viel diskutierter, englischer Vor- schlag geht dabei davon aus, daß man den Arzt, der einem Patienten ein neu eingeführtes Arzneimittel verschreibt, nur regelmäßig mit ge- eigneten Formularen versehen müs- se, in die er entsprechende Beob- achtungen einzutragen hat. Die Ver- schreibung soll dabei über ein be- sonderes, im Durchschreibeverfah- ren erstelltes Rezeptblatt die zentra- le Erfassung von Arzt und Patient auslösen und die weiteren Ver-

schreibungen festhalten. Abgese- hen von Problemen des Datenschut- zes und dem bei verbreiteten Präpa- raten enormen Datenanfall ergeben sich ärztliche Probleme, die nun be- sprochen werden sollen.

Es gibt kaum eine Symptomatik, hin- ter der sich nicht unerwünschte Arz- neimittelwirkungen verbergen könn- ten. Diejenigen des Practolol, eines ß-Rezeptorenblockers, sind ein gu- tes Beispiel dafür:

• psoriasiforme Hautveränderun- gen

• Konjunktivitis (1) Schwerhörigkeit (;) fibröse Peritonitis

Für ein Arzneimittelexanthem nicht typische Hautveränderungen sind alltäglich;

e

und Q sind bei alten Menschen auch ohne Arzneibe- handlung nicht selten. Bei einem Ileus durch fibröse Peritonitis auf ein Sympathikolytikum als Ursache zu schließen, erfordert schon über- schnittlichen Spürsinn! Will man al- so alle unerwünschten Wirkungen, insbesondere diejenigen erfassen, bei denen ein Zusammenhang mit der Arzneimittelgabe nicht ohne weiteres ersichtlich ist (und das sind oft die interessantesten), wird man bei einem solchen Vorgehen nicht umhinkommen, alle Beobachtungen von Arzt und Patient aufzuzeichnen.

Dazu gehören auch solche, die nicht unbedingt Krankheitswert haben, wie zum Beispiel erniedrigte Alko- holtoleranz oder Zyklusstörungen.

Wäre es da nicht einfacher, die Kar- teikarte des Patienten zu kopieren, anstatt alle diese Befunde mühsam auf einen besonderen Erfassungs- bogen zu übertragen? Vorausset- zung dazu wäre allerdings leichte

Lesbarkeit beziehungsweise Stan- dardisierung, wenn nicht sogar Ma- schinenlesbarkeit der Angaben.

Aber nicht nur augenfällige Phäno- mene, die der Arzt nicht übersehen kann und der Patient bemerken muß, können unerwünschte Arznei- mittelwirkungen sein, sondern auch solche, die nur mit besonderen Un- tersuchungstechniken beziehungs- 92 Heft 3 vom 21. Januar 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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Spektrum der Woche Aufsätze - Notizen Erfahrungen mit neuen Arzneimitteln

weise Nachweisverfahren gefunden werden. So können mäßige Leber- funktionsstörungen, geringfügige neurologische Ausfälle, Verschlech- terung der Kohlenhydrattoleranz oder ein Hypertonus lange unbe- merkt bleiben, bis eine aus anderen Gründen erforderliche Untersu- chung sie aufdeckt. Störungen der Blutgerinnung werden nicht von der ersten größeren Verletzung und Fer- tilitätsstörungen nicht vor dem aus- drücklichen Kinderwunsch erkannt.

Man sieht, daß neben der Beobach- tung durch Arzt und Patient die Überprüfung einer Reihe von Unter- suchungsparametern notwendig ist, für die sich im Rahmen des üblichen Therapieplans keine Notwendigkeit ergibt. Während die sorgfältige Be- obachtung des Kranken unter der Arzneibehandlung und die Aufzeich- nungen seiner Beobachtungen nur durch die dem Arzt zur Verfügung stehende Zeit begrenzt sind, bela- sten zusätzliche Laboratoriums- und Fachuntersuchungen nicht nur die Geduld des Patienten, sondern ver- ursachen auch zusätzliche Kosten.

Die Schwierigkeiten der Erfassung bislang unbekannter unerwünschter Wirkungen neu eingeführter Arznei- mittel scheinen also mehr in einer vernünftigen Planung des zu Erhe- benden als in der Erfassung der ex- ponierten Population zu liegen. Bis sich hier eine gewisse Routine her- ausgebildet hat, sollten schon vor der Zulassung eines neuen Arznei- mittels in Gesprächen zwischen der Zulassungsbehörde, Sachverständi- gen und den Wissenschaftlern des Herstellers die Forderungen für eine systematische Überwachung neu eingeführter Präparate festgelegt werden. Aufgrund der damit gewon- nenen Erfahrungen werden bereits bewährte Protokolle entsprechend für neue Präparate modifiziert wer- den können. Zunächst wird es aber erforderlich sein, in besonderen For- schungsaufträgen von seiten der Hersteller und der Bundesoberbe- hörde klinische Suchstrategien zu entwickeln, die mit geringstmögli- chem finanziellen Aufwand mög- lichst viele Parameter abdecken. Bei positivem Ausfall eines dieser un- spezifischen Suchtests kann dann

mit spezifischen Verfahren die ei- gentliche Störgröße lokalisiert werden.

Im verstaatlichten Gesundheits- dienst, in dem der Arzt das Wohl seiner Kranken resignierend einer Bürokratie unterordnet, wird auch zusätzliche Schreibarbeit toleriert werden. In unserem Lande fragt sich jedoch, ob man dem niedergelasse- nen Arzt und auch seinen Kollegen in der Klinik die zusätzliche ausführ- liche Berichterstattung aufbürden muß. Wird er sich auch dann für ein neues Präparat, das einem bewähr- ten gegenüber nur geringe Vorteile hat, entscheiden, wenn er sich damit zusätzliche Schreibarbeit auflädt?

Den Patienten zur Mitarbeit heranziehen

Auch in anderen Ländern hat man sich diese Frage vorgelegt und dis- kutiert, den Apotheker oder den Pa- tienten selbst zur Mitarbeit heranzu- ziehen. Wir sind für das Letztere, denn der Patient selbst sollte am stärksten motiviert sein, ein neues überlegenes Präparat zu erhalten.

Zum anderen sollte ihm bewußt wer- den, daß die Risiken des neueren, besseren Arzneimittels noch nicht im vollen Umfang bekannt sind. Die Entscheidung, ob er dieses Risiko auf sich nehmen will, kann ihm der Arzt nicht abnehmen, er hat nach umfassender, aber für ihn verständ- licher Information selbst abzuwä- gen. Sein Entschluß wird ihn in Zu- kunft durch die im neuen Arzneimit- telgesetz vorgesehene Entschädi- gung auch bei nicht schuldhaft ver- ursachten Arzneimittelschäden er- leichtert.

Wie kann der Patient dafür Sorge tragen, daß alle im Zusammenhang mit der Gabe eines neuen Arzneimit- tels wichtigen Beobachtungen und Daten festgehalten werden? Es böte sich zum Beispiel folgendes Vorge- hen an: Der Patient erhält anläßlich des Arztbesuches, bei dem das neue Arzneimittel zum ersten Mal ver- schrieben wird, oder beim ersten Kauf in der Apotheke ein Büchlein ähnlich dem Scheckheft, das ein

neues Kraftfahrzeug auf seinen Weg begleitet. In diesem Heft, das der Patient bei jedem Arzt- oder Apothe- kenbesuch vorlegt, können nicht nur vom Arzt alle Untersuchungsbe- funde, sondern vom Apotheker auch die gekauften Mengen des Arznei- mittels sowie alle übrigen gleichzei- tig eingenommenen Arzneimittel eingetragen werden. Darüber hinaus könnten alle nicht für die Behand- lung notwendigen, aber zur Überwa- chung erforderlichen besonderen Untersuchungen vom Patienten auf eingeheftete Gutscheine regelmäßig beansprucht und dem durchführen- den Arzt vom Hersteller honoriert werden.

In einem besonderen Kalendarium könnte der Patient seine Beobach- tungen, aber auch leichte interkur- rente Erkrankungen, die ihn nicht zum Arzt führen, Menstruationster- min, selbst behandelte Verletzungen u. a. m. eintragen. Für Zwischenbe- richte könnte das Heft in der Apothe- ke mit Einverständnis des Betroffe- nen regelmäßig kopiert und die Ko- pien der Überwachungsbehörde be- ziehungsweise dem Hersteller zuge- leitet werden.

Man wird einwenden, daß ein sol- ches Vorgehen auf der freiwilligen Mitarbeit des Patienten beruht und deshalb nicht alle Patienten erfaßt werden, die das neue Arzneimittel erhalten. Eine vollständige Erfas- sung ist jedoch auch dann nicht möglich, wenn die Daten beim Arzt oder Apotheker zusammenlaufen.

Noch kann der Arzt jeden Patienten, dem er ein neues Arzneimittel ver- schreibt, dazu überreden, sich sorg- fältig zu beobachten beziehungs- weise sich zusätzlichen, für die Be- handlung nicht notwendigen Unter- suchungen zu unterziehen. Stimmt der Patient nicht zu, so kann ihm schwerlich, insbesondere wenn er es ausdrücklich wünscht, das neue Arzneimittel vorenthalten werden.

Ebenso wird der Apotheker kaum von einem Kunden, der in Eile ist, ausführliche Auskünfte erhalten und ganz darauf verzichten müssen, wenn der Kranke das Arzneimittel durch einen anderen aus der Apo- theke holen läßt.

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 3 vom 21. Januar 1983 93

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Spektrum der Woche Aufsätze ·Notizen Neue Arzneimittel

Es kann ferner eingewandt werden, daß dieses Verfahren zu einer Selek- tion hypochondrischer, übertrieben selbstbeobachtender Patienten führt und deren subjektive Mitteilun- gen wichtige Arzneimittel unge- rechtfertigt inkriminieren könnten.

Hierbei ist zu bedenken, daß alle Mit- teilungen über mutmaßliche uner- wünschte Arzneimittelwirkungen so- lange als Verdachtsfälle zu behan- deln sind, bis deren Zusammenhang mit einem bestimmten Arzneimittel durch zahlreiche unabhängige Be- obachtungen wahrscheinlich ge- macht wurde. Auch ohne Mitfüh- rung von Kontrollen, die sich nur darin von den überwachten Patien- ten unterscheiden, daß sie das neue Arzneimittel nicht einnehmen, wer- den sich häufig spontan auftretende Beschwerden und Mißbefindlichkei- ten von Nebenwirkungssymptomen abtrennen lassen. Im Gegensatz zu prospektiven Untersuchungen die- ser Art an Krankenhauspopu latio- nen läßt sich nämlich die Mitführung von Kontrollen bei ambulanten Un- tersuchungen nur sehr schwer und dann unter erheblichem Aufwand realisieren (zum Beispiel bei der Stu- die des Britischen Kollegiums der Ärzte für Allgemeinmedizin über orale Kontrazeptiva).

Da der Bundestag bei der Verab- schiedung des neuen Arzneimittel- gesetzes die zuständigen Stellen ausdrücklich aufgefordert hat, für eine bessere Überwachung der Un- bedenklichkeit neu eingeführter Arz- neimittel zu sorgen, jedoch in der Bundesrepublik noch keine den hie- sigen Verhältnissen entsprechenden Lösungsvorschläge gemacht wur- den, soll eine Möglichkeit zur Dis- kussion gestellt und damit angeregt werden, sich mit weiteren Alternati- ven zu befassen.

(Nach einem Vortrag auf der Fortbil- dungsveranstaltung des Kollegiums für ärztliche Fortbildung, Regensburg.)

Anschrift des Verfassers: Dr. med. Karl H. Kimbel Geschäftsführer der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Haedenkampstraße 5 5000 Köln 41

KURZBERICHTE

Arbeitsunfähigkeitsfälle -

eine ungeahnte Kosten-Dimension

Die in jüngster Zeit gemeldete rückläufige Tendenz in der Zahl der Arbeitsunfähigkeitsfälle (AU) zeigt sich jedenfalls in dem Zeit- raum von 1975 bis 1980 noch nicht. Der Bundesverband der Ortskrankenkassen {BdO), Sonn- Bad Godesberg, weist in seiner Krankheitsartenstatistik eine Stei- gerung von 0,8 Arbeitsunfähig- keitsfällen je Mitglied im Jahr 1975 auf 1,1 AU-Fälle 1980 aus. Dies be- deutet eine Zunahme von 31 Pro- zent. Einschließlich der Unfälle verursachte jedes Mitglied durch- schnittlich sogar 1 ,3 Arbeitsunfä- higkeitsfälle.

Die Zahl der verordneten Arbeits- unfähigkeitstage wuchs im glei- chen Zeitraum jedoch nur um 15,1 Prozent. Dies führte dazu, daß die durchschnittliche Krankheitsdau- er je Arbeitsunfähigkeitsfall von 19,7 Tagen im Jahr 1975 auf 17,3 Tage im Jahr 1980 sank. Bezogen auf die Dauer der Arbeitsunfähig- keit je Mitglied wurden im Jahr 1980 jedoch 22,4 errechnet.

Die starke Zunahme der Arbeits- unfähigkeitställe auf der einen Seite und die rückläufige Krank- heitsdauer je Fall auf der anderen Seite ist Ausdruck der ungleichge- wichtigen Einbeziehung aller Be- teiligten in die amtlichen Kasten- dämpfungsmaßnahmen im Ge- sundheitswesen.

Die Feststellung der Arbeitsunfä- higkeit durch den Arzt ist von den weitgehed nicht objektivierbaren Befindensstörungen der Versi- cherten abhängig. Die steigende Zahl der AU-Fälle ist gleichsam

"patienteninduziert". Offenbar blieben die Versicherten in der Be- gründung ihrer tatsächlichen oder vermeintlichen Arbeitsunfähigkeit von der andauernden Kasten- dämpfungsdiskussion unbeein- druckt.

Auf der anderen Seite wird in der rückläufigen durchschnittlichen

Falldauer deutlich, daß die Ärzte- wenn sie sich schon dem Wunsch nach Ausstellung einer Arbeitsun- fähigkeitsbescheinigung nicht

"widersetzen" könf"len - in der Verordnungsdauer offensichtlich zurückhaltender geworden sind.

Dies bedeutet, daß die durch die Kostendämpfungsdiskussion sen- sibilisierten Ärzte sorgfältiger auf- die von ihnen veranlaßten Folge- kosten achten und durch ihre rückläufige Verordnungsdauer je Fall zur Stabilisierung der Ausga- ben beitragen.

Unterschiedliche Rückgänge

Die stärksten Rückgänge in der Verordnungsdauer je Krankheits- fall waren bei den infektiösen und parasitären Krankheiten ( - 35,5 Prozent), den Ernährungs- und Stoffwechselkrankheiten ( - 26,1 Prozent) und den Krankheiten der Verdauungsorgane ( - 23,9 Pro- zent) zu verzeichnen.

Die Krankheitsgruppe "Atmungs- organe", die mit einem Anteil von 31,6 Prozent an allen Arbeitsunfä- higkeitsfällen den Katalog der

"Fälle" anführt, ist in ihrer durch- schnittlichen Verordnungsdauer um 8,8 Prozent zurückgegangen.

Die Hälfte aller Arbeitsunfähig- keitsfälle entfällt auf nur zwei Krankheitsgruppen, nämlich die Krankheiten der Atmungsorgane und die Krankheiten des Skeletts, der Muskeln und des Bindege- webes.

..,.. Unterstellt man, daß der Zu- wachs in den Arbeitsunfähigkeits- fällen, wie er im Bereich der Orts- krankenkassen ermittel wurde, re- präsentativ für die gesamte ge- setzliche Krankenversicherung ist, so errechnet sich daraus ein Zu- wachs von 6,6 Millionen Arbeits- unfähigkeitställen von 1975 bis

1980. [>

94 Heft 3 vom 21. Januar 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

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