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Archiv "Gemeinsamer Bundesausschuss: Öffentliche Angelegenheit" (27.06.2008)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 26⏐⏐27. Juni 2008 A1415

S E I T E E I N S

F

rüher war nicht alles besser, aber zurückschauend scheinen die Dinge doch manchmal etwas einfa- cher gewesen zu sein. „Nicht jede Beratung erfordert ein Rezept. Vor der Verordnung soll der Arzt prüfen, ob Arznei erforderlich ist oder ob sie durch andere Maß- nahmen ersetzt werden kann.“ Dies steht in den „Richt- linien über die Verordnung von Arznei in der kas- senärztlichen Versorgung“ vom 30. November 1959 – kurz zuvor beschlossen vom Bundesausschuss für Ärz- te und Krankenkassen, dem Vorläufer des Gemeinsa- men Bundesausschusses (G-BA). Gerade einmal sechs- mal hatte der Ausschuss bis dahin seit seiner konstitu- ierenden Sitzung im Damenzimmer des Kurhauses in Baden-Baden im September 1955 getagt. Verblüffend einfach auch die folgende Bestimmung in den Richtlini- en aus dem Jahr 1959: „Für die Wirtschaftlichkeit ist vor dem Preis der therapeutische Nutzen entscheidend.

. . . Die Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit bei den Arzneimitteln besagt nicht, dass nur einfache und billi- ge Arzneimittel verordnet werden dürfen.“

Aus einem gelegentlich tagenden Ausschuss, dessen Geschäftsführung zunächst nebenher von der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung (KBV) mit erledigt wur- de, hat sich inzwischen das zentrale Steuerungsinstru- ment in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) entwickelt, das folgerichtig nach einigen Jahren im rhei- nischen Siegburg 2009 sein neues Domizil in der Haupt- stadt Berlin beziehen wird. Die Bedeutung dieser Ein- richtung ist jenseits der Fachöffentlichkeit inzwischen zumindest all denen bewusst, denen schon einmal Leis- tungen in der GKV mit Verweis auf Beschlüsse des Ge- meinsamen Bundesausschusses verweigert worden sind.

Die große Tragweite der Beschlüsse des G-BA mag einer der Gründe dafür gewesen sein, dass mit der letz- ten Gesundheitsreform das Prinzip der Vertraulichkeit der Beratungen im Bundesausschuss aufgegeben wurde und ab Juli 2008 die Sitzungen des Beschlussgremiums öffentlich sein werden. Alle Entscheidungen werden dann in einem einzigen sektorenübergreifend besetzten Beschlussgremium für sämtliche ambulante und sta- tionäre Belange getroffen. Man kann gespannt sein, wie sich diese neue Öffentlichkeit in der gesundheitspoliti- schen Praxis auswirken wird. Hier mag die Verlockung groß sein, die Vertragspartner öffentlichkeitswirksam als sture Leistungsverweigerer oder als ausschließlich ihrer Klientel verpflichtete Interessenvertreter anzu- prangern. Und auch für die Patientenvertreter ohne Stimmrecht stellt das Beschlussgremium in seiner neu- en Gestalt sicherlich ein reizvolles Forum dar, mit des-

sen Hilfe der politische Druck auf den G-BA erhöht werden kann. Andererseits müsste es allen Beteiligten klar sein, dass das System der gemeinsamen Selbstver- waltung in der GKV solche öffentlich geführten Kon- troversen auf Dauer nicht überstehen würde.

Es ist auch noch nicht abzusehen, wie sich der Um- stand auswirken wird, dass künftig ein einziges, drei- zehnköpfiges Gremium – zusammengesetzt aus Vertre- tern der Krankenkassen, Ärzte, Zahnärzte und Kran- kenhäuser – sämtliche Entscheidungen zum GKV-Ge- schehen trifft. Skeptiker befürchten hier Absprachen und Abstimmungsverhalten unter sachfremden Erwä- gungen – mit Blick auf ein entsprechendes Entgegen- kommen zum geeigneten Zeitpunkt. Es wird nicht zu- letzt die Aufgabe des neuen und alten unparteiischen G-BA-Vorsitzenden Rainer Hess sein, nunmehr in hauptamtlicher Funktion solchen Entwicklungen entge- genzuwirken und gleichfalls dafür Sorge zu tragen, dass sich die Politik nicht in unzulässiger Weise in die Be- lange der Selbstverwaltung einmischt.

Diese Tendenz war in den vergangenen Jahren immer wieder spürbar, und bereits schon bisher hat Hess nach- drücklich dafür gestritten – auch auf dem Weg der gerichtlichen Klärung –, das Bundesministerium für Gesundheit auf die Rechtsaufsicht über die Entschei- dungen des G-BA zu beschränken. Gleichwohl zollte Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt dem „alten“

G-BA, der am 19. Juni zu seiner letzten Sitzung zusam- mentrat, ihren Respekt. Es sei nicht immer einfach ge- wesen, die verschiedenen Interessen im Ausschuss un- ter einen Hut zu bekommen. Dass es auch nicht immer ganz einfach war, abstruse Vorgaben der Politik, etwa zur Vorsorgepflicht, in einer für alle Beteiligten akzep- tablen Weise umzusetzen – darüber verlor die Ministe- rin kein Wort.

Thomas Gerst Redakteur für Gesundheits- und Sozialpolitik

GEMEINSAMER BUNDESAUSSCHUSS

Öffentliche Angelegenheit

Thomas Gerst

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