A1586 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 105⏐⏐Heft 30⏐⏐25. Juli 2008
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uf dem Tisch vor Dr. Rainer Hess steht eine kleine Mes- singglocke. Bislang habe das In- signe aus den Zeiten seines Vorgän- gers – Karl Jung – eher symboli- schen Charakter gehabt, betonte der G-BA-Vorsitzende während der ers- ten öffentlichen Sitzung des Gemein- samen Bundesausschusses (G-BA) am 17. Juli in Berlin. Um Ruhe läu- ten musste er offenbar nie. Künftig könnte das gute Stück tatsächlich zum Einsatz kommen. Denn trotz der gelösten Stimmung, die unter den Sitzungsteilnehmern herrschte, werden sie eins nicht vermeiden können: Konflikte.Der Gesetzgeber hat es so ge- wollt: Um die Professionalität des obersten Selbstverwaltungsgremi- ums zu erhöhen, muss der G-BA vom 1. Juli 2008 an in „strafferen Strukturen“ antreten. Aus vormals sechs verschiedenen, sektorspezifi- schen Beschlussgremien ist eins ge- worden. Alle Vertreter der Leis- tungserbringer- und der Kranken- kassenseite sitzen künftig als „sek- torübergreifendes Beschlussgremi- um“ an einem Tisch, gleichgültig, ob es um vertragsärztliche, stationä- re oder um psychotherapeutische Belange geht. Insgesamt fünf Ver- treter entsenden die Kassen(zahn)- ärztliche Bundesvereinigung (KBV/
KZBV) und die Deutsche Kranken- hausgesellschaft (DKG), weitere fünf kommen vom Spitzenverband Bund der gesetzlichen Krankenkas- sen, nochmals fünf Vertreter von Pa- tientenorganisationen. Darüber hin- aus legte die Große Koalition fest, dass der Vorsitz des Gremiums
künftig von einem hauptamtlichen Unparteiischen auszuüben ist. Auch die beiden weiteren unparteiischen Mitglieder können, müssen aber nicht, hauptamtlich tätig sein. Alle drei teilen sich zudem den Vorsitz sämtlicher Unterausschüsse – im- merhin nicht wie bislang 23, son- dern nur noch acht.
Wie das Ganze in der Praxis aus- sieht, davon konnte man sich am be- sagten 17. Juli einen Eindruck ver- schaffen. Der G-BA tagte nicht nur öffentlich, sondern auch in neuer Konstellation. Mit Blick auf die un- terschiedlichen „Bänke“, die sich in den Räumen der KBV zu der konsti- tuierenden Sitzung zusammenge- funden hatten, sprach Hess von Konflikten, die nicht zu vermeiden seien. Schließlich hatten insbeson- dere die Leistungserbringer mehr- fach im Vorfeld kritisiert, die neue Regelung werde sie „maximal schwächen“. Ein einziges Beschluss- gremium über so spezielle Dinge wie Innovationszulassung und Qua- litätssicherung entscheiden zu lassen, führe zu „sachfremden Entschei- dungen“, hatte es beispielsweise aus der DKG geheißen.
Ob es tatsächlich so kommt, wird sich ab September dieses Jahres zei- gen. Dann nämlich tagen erstmals
die Unterausschüsse des G-BA, dar- unter der Ausschuss Qualitätssiche- rung. Umstritten war vor Inkrafttre- ten der Reform, ob die Abkehr von Einzelbestimmungen zur Qualitäts- sicherung hin zur einer sektorüber- greifenden und einheitlichen Rege- lung Sinn macht. Hier müsse das Gremium zunächst „zu einer ge- meinsamen Philosophie kommen“, betonte Dr. Josef Siebig, der als einer der zwei unparteiischen Mitglieder den Vorsitz der Ausschüsse Quali- tätssicherung und sektorübergrei- fende Versorgung innehat. Die
„Bänke“ müssten auch darüber dis- kutieren, wie viel Regelungsdichte und wie viel Patientensouveränität gewünscht werden.
Staatssekretär Dr. Theo Schröder sprach angesichts der neuen Struktur von „gestärkter Systemverantwor- tung“ und „mehr Transparenz“.
Natürlich sei er sich bewusst, dass diese neue Transparenz eine gewisse
„Umstellung“ für die Mitglieder des G-BA bedeute. Bei der ersten öffent- lichen Sitzung hatten sich die Mit- glieder jedenfalls nicht sonderlich umzustellen. Denn gemäß der neuen Geschäftsordnung (§ 10) kann der G-BA die Öffentlichkeit bei be- stimmten Beratungen und Beschluss- fassungen hinausbitten – was auch prompt nach einer Stunde geschah.
Hess bezeichnete die Sitzung im Anschluss vor der Presse als „gut“.
Designierte Mitglieder und Vorsit- zende seien bestätigt worden, die Ge- schäftsordnung habe man verabschie- det. Wie häufig die Glocke zum Ein- satz gekommen war, sagte er nicht.I Martina Merten
GEMEINSAMER BUNDESAUSSCHUSS
Neue Ära eingeläutet
Das oberste Gremium der gemeinsamen Selbstverwaltung hat erstmals öffentlich und in einer einzigen sektorübergreifenden Runde getagt. Eines der wesentlichen Elemente der letzten Gesundheitsreform ist damit umgesetzt.
Rund 50 G-BA-Mitglieder treffen von nun an alle Entscheidungen an einem Tisch.
Foto: G-BA/Svea Pietschmann
Foto:dpa