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Archiv "Gemeinsamer Bundesausschuss: Wer kontrolliert den kleinen Gesetzgeber?" (08.02.2013)

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Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 110

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Heft 6

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8. Februar 2013 A 211 GEMEINSAMER BUNDESAUSSCHUSS

Wer kontrolliert den kleinen Gesetzgeber?

Der Gemeinsame Bundesausschuss entscheidet darüber, welche Leistungen gesetzlich Krankenversicherten zustehen. Das beeinflusst die Berufsausübung und die Verdienstmöglichkeiten von Ärzten, Krankenhäusern und Pharmaindustrie.

W

ie viele Frühgeborene muss ein Krankenhaus im Jahr be- handeln, damit es auch weiterhin zur Versorgung zugelassen ist? Wie vie- le Ärzte einer bestimmten Fachgrup- pe dürfen sich in welcher Region niederlassen? Welches Arzneimittel hat einen Zusatznutzen gegenüber dem Standardpräparat und rechtfer- tigt damit einen höheren Preis? Min- destmengen, Bedarfsplanung, Nut- zenbewertung – das sind nur einige der Bereiche, für die der Gemeinsa- me Bundesausschuss (G-BA) ver- bindliche Richtlinien beschließt. Ob (und auf welcher Grundlage) der Gesetzgeber einem Organ der Selbstverwaltung von Ärzten, Kran- kenhäusern und Krankenkassen der- art weitreichende Befugnisse über- tragen darf, diskutierten Experten Mitte Januar in Berlin auf Einladung der Gesellschaft für Recht und Poli- tik im Gesundheitswesen.

Der G-BA werde oft als „kleiner Gesetzgeber“ bezeichnet, sagte der Leiter des wissenschaftlichen Sym- posiums, Gerhard Schulte. „Aber die Frage ist doch, wer ist hier groß und wer klein?“ Während der Deut- sche Bundestag über die Abschaffung der Praxisgebühr entscheide, treffe der G-BA Regelungen zu Mindest- mengen und Innovationsbewertun- gen. Deshalb fragte der Ministerial- direktor a. D.: „Muss der Gesetz - geber wegen der Tragweite der Entscheidungen des G-BA eine grö- ßere Verantwortung übernehmen?“

Interessenausgleich auf fachlicher Basis

Nein, lautete naturgemäß die Ant- wort des unparteiischen G-BA-Vor- sitzenden, Josef Hecken. „Der Ge- setzgeber wäre nicht klug beraten, wenn er mehr Aufgaben überneh- men würde.“ Politiker seien ande-

ren Zwängen unterworfen als die Vertreter der gemeinsamen Selbst- verwaltung, weil sie sich alle vier Jahre zur Wahl stellen müssten, gab der ehemalige saarländische Justiz- und Gesundheitsminister zu beden- ken. Dagegen versuchten die ver- schiedenen Bänke im G-BA, „auf fachlichem Niveau“ einen Interes- senausgleich herbeizuführen. Dar - über hinaus stellte Hecken klar:

„Wir haben für jede Aufgabe eine gesetzliche Grundlage und unterlie- gen der Rechtsaufsicht des Bundes- gesundheitsministeriums.“

„Der G-BA gilt vielen als das Zentralkomitee des Gesundheits- wesens“, lautete die provokante These des Sozialrechtlers Prof. Dr.

iur. Peter Axer von der Universität Heidelberg. Zumal der Gesetzgeber das Gremium im Laufe der Zeit mit immer mehr Befugnissen ausgestat- tet habe. Zwar wagte Axer keine Prognose darüber, ob der G-BA auf Dauer ein Organ der Selbstverwal- tung bleiben oder sich in eine Bun- desoberbehörde verwandeln wird.

Er stellte aber klar, dass das Bun- dessozialgericht in mehreren Urtei- len die Auffassung vertreten habe, dass die Normsetzungsbefugnisse des G-BA mit demokratischen Prin- zipien vereinbar seien: „Der G-BA steht aufgrund der Rechtsprechung auf sicheren Füßen.“ Würde das verneint, hätte das nach Ansicht von Axer Folgen für weitere Teile der Sozialversicherung. Außerdem führe es zu mehr Intransparenz, wenn das Bundesgesundheitsminis- terium die Entscheidungen über Rechtsverordnungen regelte, die jetzt der G-BA treffe – schon allein deshalb, weil die Begründungs-

pflicht entfalle.

Heike Korzilius Wesentliche Arbeitsschwerpunkte des Gemein -

samen Bundesausschusses (G-BA) hat dessen unparteiischer Vorsitzender, Josef Hecken, beim wissenschaftlichen Symposium der Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen Mitte Januar in Berlin vorgestellt:

Frühe Nutzenbewertung: Inzwischen betref- fen 32 Prozent der Dossiers Arzneimittel zur Behandlung seltener Erkrankungen. Für die- se Präparate gilt ein Zusatznutzen mit der Zulassung als belegt. Hier würden Patien- tenzahlen durch partielle Zulassungen künstlich klein gehalten, kritisiert Hecken.

Damit unterliefen die Pharmaunternehmen das Gesetz.

Nutzenbewertung im Bestandsmarkt: Die Aus- wahl der Wirkstoffe werde nicht willkürlich ver- laufen, sagte Hecken. Mögliche Kriterien seien

die verbleibende Patentlaufzeit und die vor - aussichtliche Umsatzentwicklung.

Ambulante spezialfachärztliche Versorgung: Der G-BA muss in Richtlinien einheitliche Rahmenbe- dingungen für diesen Versorgungsbereich defi- nieren. Ende März wird das Plenum voraussicht- lich den Paragrafenteil der Richtlinie beschließen.

Außerdem wurden Mitte Dezember die Beratun- gen zu den erkrankungsspezifischen Anlagen wieder aufgenommen. Am weitesten fortge- schritten sei man bei den schweren Verläufen der zahlenmäßig relevantesten Tumorgruppe, den Tu- moren des Magen-Darm-Trakts, sagte Hecken.

Mindestmengen: Der G-BA ist im Dezember 2012 mit den Mindestmengen für die Versor- gung Frühgeborener vor dem Bundessozialge- richt gescheitert. Hecken befürwortet einen neuen Anlauf für eine rechtssichere Lösung.

AGENDA 2013

P O L I T I K

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