Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 21⏐⏐22. Mai 2009 A1027
P O L I T I K
mitgliedschaft nicht gleichbedeutend mit dem Ende des KV-Systems?
Söder: Das glaube ich nicht. Die Kassenärztliche Vereinigung könnte bei der Qualitätssicherung eine wichtige Rolle übernehmen. Bei Vertragsabschlüssen könnte sie den Ärzten fachliche Beratung anbieten.
Das dafür nötige Know-how ist vor- handen. Zudem könnte die Kas- senärztliche Vereinigung auch als unabhängige Interessenvertretung gegenüber der Politik auftreten.
Voraussetzung für ein solches Szenario wäre, die Vertragsbeziehungen und Ver- gütungsregelungen für die ambulante Versorgung völlig neu zu fassen. Was schwebt Ihnen vor?
Söder: Wir wollen eine freie und klare Gebührenordnung statt einer zentralistischen und intransparenten Honorarordnung. Arzt und Patient sollen genau wissen, was eine ärztli- che Leistung wert ist. Als Modell könnte die Gebührenordnung für Privatpatienten dienen. Wir wollen damit eine regionale, leistungsge- rechte und qualitätsorientierte ver- tragsärztliche Vergütung zu festen Europreisen einführen.
Dabei soll aber weiterhin das Sachleistungsprinzip gelten und die Abrechnung über die Kasse erfol- gen. Bei einer Direktabrechnung mit dem Patienten würde nicht nur das Inkassorisiko komplett auf den Arzt übergehen. Auch die Patienten wären erheblich verunsichert.
Den Kollektivvertrag, der eine flächen- deckende und wohnortnahe Versorgung garantiert, würde es in dieser Welt nicht mehr geben.
Söder:Ärzte als Freiberufler sind die Basis der medizinischen Ver- sorgung. Der Weg in die Staats- medizin ist eindeutig abzulehnen.
Wenn wir die Freiberuflichkeit ernst nehmen, muss es auch die Mög- lichkeit geben, freie Verträge aus- zuhandeln.
In einem solchen System wären die Ärzte dem Diktat der Krankenkassen schutzlos ausgeliefert.
Söder:Im Moment haben die Ärzte doch ganz andere Sorgen. Die Ho- norarreform bedroht die Existenz vieler Praxen. Darauf kommt es an, das jetzt zu ändern. Es braucht dafür eine starke Vertretung der Ärzte- schaft. Das Bundesgesundheitsmi- nisterium spielt die
Partner im Gesund- heitswesen gegeneinan- der aus. Dadurch gerät der Friede innerhalb des Systems in Gefahr.
Dieser Frieden wurde aber auch dadurch gesichert, dass den KVen der ungeteilte Sicherstellungsauftrag übergeben wurde und die Vertragsärzte im Gegen- zug auf ihr Streikrecht verzichteten.
So haben die Patienten von den Ausein-
andersetzungen der Vertragspartner kaum etwas mitbekommen.
Söder:Aber das funktioniert doch derzeit nicht mehr. Gerade die Pati- enten sind im Moment am meisten verunsichert. Daher besteht eindeu- tiger Reformbedarf.
Zu Verwerfungen könnte auch der neue
§ 73 b SGB V führen, der die KVen von Hausarztverträgen fak- tisch ausschließt. Sie haben die Neuregelung auf Druck des Hausärz- teverbandes in der Ko- alition durchgesetzt.
Kritiker sehen die flächendeckende wohnortnahe Versor- gung dadurch in Gefahr.
Söder: Mit diesem Vorschlag hat die hausärztliche Versorgung im ländli- chen Raum wieder eine echte Per- spektive. Große Sorge macht mir da-
CSU WILL REGIONEN STÄRKEN
Unter dem Titel „Für eine solidarische und menschliche Medizin gegen Bürokratie und Staatsmedizin“ fordert die CSU eine grundsätzli- che Neuausrichtung in der deutschen Gesund- heitspolitik. Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Parteivorsitzende Horst Seehofer skizzierte auf einem Fachkongress in Nürnberg die zentra- len Prinzipien des zehn Punkte umfassenden ge- sundheitspolitischen Programms seiner Partei.
Ziel einer grundlegenden Reform des Gesund- heitswesens müsse es sein, eine wohnortnahe medizinische Spitzenversorgung für jeden Patien- ten zu gewährleisten, unabhängig von dessen Einkommen, Herkunft oder Alter.
In diesem Zusammenhang sei es wichtig, An- gebote zur Gesundheitsförderung und Prävention auf regionaler Ebene gezielt zu fördern. Gesund- heitsbewusstes Verhalten müsse sich für die Ver- sicherten künftig auszahlen. „Hier können wir noch eine Menge verbessern“, glaubt Seehofer.
Medizinische Versorgungszentren (MVZ) soll- ten nur unter bestimmten Voraussetzungen zu- gelassen werden, um die flächendeckende Ver- sorgung durch niedergelassene Ärzte nicht zu gefährden. Wesentlich dabei sei, dass Ärzte als
Träger für die Leitung von MVZ verantwortlich zeichnen.
Eine hohe Qualität der Versorgung könne es zudem nur geben, wenn der Arzt wie jeder andere freie Beruf behandelt würde. Daher müsse end- lich Schluss sein mit der 30 Jahre währenden Budgetierung, die zwangsläufig in die Rationie- rung führt, sagte Seehofer.
Dies müsse einhergehen mit einer Entideologi- sierung der Krankenversicherung. Sowohl Kopf- pauschale als auch Bürgerversicherung führten beide in die Irre, bekräftigte der CSU-Vorsitzende.
Bayern werde zugleich den Gesundheitsfonds in- frage stellen, wenn nicht durch eine entsprechen- de Regionalisierung sichergestellt sei, dass Pati- enten überall gleich gut versorgt würden und Ärz- te überall das gleiche Honorar bekämen.
Die geltende Honorarordnung für Vertragsärzte soll nach Ansicht der CSU durch eine neue Gebüh- renordnung, angelehnt an die GOÄ, ersetzt werden.
Seehofer bekannte ferner, dass die CSU voll hinter dem § 73 b im fünften Sozialgesetzbuch stehe. Dieser dürfe gleichwohl nicht dazu führen, dass Haus- und Fachärzte gegeneinander ausge-
spielt würden. PS