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Archiv "Baden-Württemberg: Mehr Freiberufler ins Parlament!" (01.04.1976)

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Die Information:

Bericht und Meinung

DER KOMMENTAR

Ministerpräsident Filbinger erklär- te, die Lösung der Probleme im Gesundheitswesen sei kein „Hand- schlagauftrag", sondern schwere politische Arbeit.

Außer der Kostenentwicklung im Gesundheitswesen bereitet der Landesregierung auch die zuneh- mend vertechnisierte Ausbildung der jungen Ärzte Sorge, die schon heute vielfach nicht mehr ohne ei-

nen „Bauchladen an apparativer Technik" arbeiten könnten. Dies ist

— so Frau Griesinger — nicht nur eine Frage der Erwartungshaltun- gen unserer anspruchsgewohnten Gesellschaft, sondern auch eine Frage der Verhältnismäßigkeit der Mittel und der Persönlichkeitsbil- dung. Die derzeitige Ausbildungs- praxis reduziere offenbar das Ge- fühl der Mitverantwortung für die Kosten und begünstige die Abhän- gigkeit von einer technischen Ba- sis-Medizin. Ärzte und Patienten müßten wieder begreifen, daß nicht alles machbar sei und daß eine Krankheit „auch ein Reifungspro- zeß sein" könne. us

Mehr Freiberufler ins Parlament!

Für eine stärkere Berücksichtigung von freiberuflich tätigen Bewerbern bei der Landtagswahl hat sich der Landesverband der freien Berufe in Baden-Württemberg ausgespro- chen. Nur dadurch sei einer dro- henden „Verbeamtung" des Parla- ments entgegenzuwirken. Der An- teil von Beamten oder Abgeordne- ten mit beamtenähnlichem Status habe bisher im Landtag bereits 60 Prozent betragen, und in den Kan- didatenlisten sei diese Gruppe noch größer. Ein solches Überge- wicht von Bediensteten der öffentli- chen Hand könne im Landesparla- ment zu Interessenkollisionen bei der Kontrolle gegenüber der öf- fentlichen Hand führen. Ferner erklärt der Verband, Freiberufler als Abgeordnete könnten dafür sorgen, daß die von der Allgemein- heit zu tragenden Soziallasten be- schränkt werden. PBW

Unterwerfungsverträge

Eine „landschaftlich reizvolle Großstadt" im rheinischen Bal- lungsgebiet — eine Stadt, deren Weltruf auf handwerklicher Qualität beruht — sucht wieder einmal per Anzeige einen Chefarzt für die seit langem geplante neurologische Abteilung ihres Krankenhauses.

Dieses Haus hat zwar nicht ganz die 1000 Betten, wie sie in der Stel- lenanzeige genannt werden, son- dern reichlich 100 weniger; es ist aber trotzdem ziemlich groß — wahrscheinlich sogar zu groß für diese Stadt. Die für die Neurologie vorgesehenen Betten stehen im üb- rigen in einem teuren Neubau seit einem Jahr schon ungenutzt bereit.

Denn: Vor einem Jahr wurde schon einmal der Chefarzt für diese neu- rologische Abteilung gesucht; da- mals hat es nicht geklappt. Es mel- deten sich, so hörte man, nur weni- ge Interessenten, und zwar solche, die auch noch den Mut hatten, ge- wisse Forderungen zu stellen.

Daß es nicht klappte, kann einen nicht wundern, wenn man einiges über die Verträge weiß, mit denen die Chefärzte in dieser Stadt ange- stellt und am Zügel gehalten wer- den sollen. Die Verwaltungsspitze der Stadt ist übrigens auf diese Kandare besonders stolz: Ausge- rechnet bei der Festansprache zur Einweihung eines Krankenhaus- neubaues im Dezember 1974 hat der Oberstadtdirektor öffentlich kundgetan, daß er schon seit 1965 gemeinsam mit seinem Stadtkäm- merer ein Modell für Chefarztver- träge entwickelt habe, dessen

Kernpunkte die folgenden sind:

0 das absolute Organisations- recht des Krankenhausträgers ohne Bettengarantie für den Chef- arzt und

0 das originäre Liquidationsrecht der Stadt, die aus ihren Erträgen dem einzelnen Chefarzt „einen An- teil überläßt".

Es gab noch manche andere licht- volle Ausführungen dieser Festan-

sprache, die deutlich erkennen las- sen, wie sich dieser Krankenhaus- träger das Verhältnis zu den Ärzten seines Krankenhauses vorstellt. So fand „durch die Einführung einer begrenzten Entwicklungsklausel ... zum erstenmal ein gewisser Einbruch in die unbegrenzten Indi- vidualrechte der Chefärzte statt", und was das sollte, steht im näch- sten Satz: „Das war wichtig für das Organisationsrecht des Kranken- hausträgers, das heißt für die not- wendige Anpassung an die Fort- schritte der Medizin und die Be- dürfnisse des Krankenhauses."

Woraus man unschwer schließen kann, daß dieser Krankenhausträ- ger der Meinung war und ist, daß den Chefärzten die Fortschritte der Medizin und die Bedürfnisse des Krankenhauses Wurst sind.

Nun hat es mit diesen Ärzten schon immer Ärger gegeben, aber noch mehr haben sich Ärzte dieses Krankenhauses über die Fehllei- stungen ihres Dienstherrn verwun- dert, manchmal auch empört. Jede sich nur anbietende Gelegenheit führte zu unerfreulichen Auseinan- dersetzungen — sei es das Stich- wort vom sogenannten Ärztestreik, sei es die Frage der Liquidation bei den U 1- und U 2-Untersuchun- gen im Rahmen der Kleinkinder- vorsorge oder sei es die Regelung des ärztlichen Einsatzes im Not- arztwagen — Spannungen wurden hier „gepflegt", bis sie kumulier- ten.

Der den leitenden Ärzten dieses Krankenhauses aufgezwungene Anstellungsvertrag aber ist einsa- me Spitze in deutschen Landen.

Kürzlich sah sich sogar der Regie- rungspräsident als kommunale Auf- sichtsbehörde gezwungen, eine Bestimmung in diesem Vertrag für unzulässig zu erklären, nachdem die zuständige Ärztekammer, fer- ner der „Bund der Steuerzahler"

und auch der „Verein gegen parla- mentarischen und bürokratischen Mißbrauch" in der Öffentlichkeit Alarm geschlagen hatten.

Immerhin dauerte es jedoch länger als ein Jahr, bis der nach seiner ei-

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Heft 14 vom 1. April 1976

933

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Die Information:

Bericht und Meinung

DER KOMMENTAR

genen Meinung so fortschrittliche Oberstadtdirektor und sein noch fortschrittlicherer Kämmerer in die Knie gingen. Es handelte sich bei der Anweisung des Regierungsprä- sidenten um nicht mehr und nicht weniger als um die Rücknahme der den Chefärzten auferlegten Ver- pflichtung, sich „um die stationäre und ambulante Behandlung der Mitglieder der Organe des Kran-

kenhausträgers/Krankenhauses, der städtischen Bediensteten im Bereich des Städtischen Kranken- hauses persönlich ohne Liquida- tion zu kümmern". Im Klartext: Die gesamte Verwaltungsspitze der Stadt und der Stadtrat mit seinen Ausschüssen — das war minde- stens die Personengruppe, der Oberstadtdirektor und Stadtkäm- merer hier sich unerlaubt zu „be- reichern" gestatten wollten. Wel- che verwirrte Vorstellung von Recht und staatlicher Ordnung sich hinter dieser Forderung ver- borgen hat, läßt sich ahnen.

Es läßt sich ahnen, dann zum Bei- spiel, wenn man anderes aus der Festrede nachliest: „In ... wurde über Fortschritt nicht nur geredet oder gar nur politisiert, ohne daß sich — wie vielerorts — am Besitz- stand der betroffenen Ärzte prak- tisch etwas änderte. Aus sachli- chen Erwägungen heraus wurde eine Evolution eingeleitet, die dem Krankenhausträger einerseits die Freiheit gibt, in der Organisation mit der Zeit Schritt zu halten, ihm andererseits aber die Möglichkeit beläßt, qualifizierte Ärzte für die 16 hauptamtlichen Chefarztstellen zu gewinnen." Man habe aber, so fuhr der Oberstadtdirektor fort, von Festgehältern abgesehen, weil da- mit zwangsläufig ein „Homo oeco- nomicus" herangezüchtet würde, der „in dieser Ausprägung" nicht erwünscht sei, zumal hier „Ge- winnmaximierung durch Leistungs- minimierung" drohe. Einer solchen für Ärzte besonders großen Gefahr sind natürlich die hochbezahlten kommunalen Verwaltungsbeamten nicht ausgesetzt! (Man kann sie al- lerdings auch nicht melken, wie das bei leitenden Ärzten möglich ist.)

Nun sucht man also wieder einmal einen Neurologen und bietet ihm eine Beamtenstelle auf Zeit, näm- lich auf 12 Jahre (warum soll ein Chefarzt in dieser Hinsicht anders behandelt werden als ein kommu- naler Wahlbeamter!), und neben den Dienstbezügen nach A 15 wird ihm „sein Anteil aus der Ausübung des Liquidationsrechts für geson- dert berechenbare ärztliche Lei- stungen" geboten. Siehe oben — der große Fortschritt des Vertrags- modells dieser Stadt ist das „origi- näre Liquidationsrecht" der Stadt, in der offensichtlich die Bestim- mungen der Nebentätigkeitsverord- nung des Landes Nordrhein-West- falen ebensowenig bekannt sind wie das schon fast ein Jahr alte Krankenhausgesetz des Landes.

Man beachtet geltende Gesetze eben einfach nicht. Der ökonomi- sche Sinn zum Nutzen der eigenen, der städtischen Gewinnmaximie- rung ist hingegen ganz offensicht- lich unübertroffen.

Man wird gespannt sein dürfen, ob sich in Kenntnis dieser Zusammen- hänge noch qualifizierte Ärzte für dieses Krankenhaus interessieren werden. Permanente zähneknir- schende Unterwerfung — und dies nicht nur in Fragen des Liquida- tionsrechtes — verträgt sich aller- dings nicht mit hoher ärztlicher Qualität und erfolgreichem ärztli- chen Wirken.

Von „Integration"

verzaubert

In einem Kolloquium, das dem ach- ten Internationalen Krankenhaus- symposion an der Technischen Universität Berlin (ein Tagungsbe- richt findet sich in Heft 13/1976) vorgeschaltet war, bemängelten ei-

nige Experten, es fehle eine Inte- gration der medizinischen Einrich- tungen auf regionaler Ebene, und forderten eine regionale Gesund- heitsplanung für alle Bereiche des Gesundheitswesens. Andere Exper- ten argumentierten zwar dagegen und beschworen eine daraus fol- gende Verplanung des Medizinbe-

reiches. Doch das Ergebnis des Kolloquiums: Eine einzige über- greifende Planungsorganisation müßte geschaffen werden.

Daß eine abgestimmte Planung im Bereich des Gesundheitswesens sinnvoll und erforderlich ist, wird heutzutage wohl von kaum einem bestritten. Doch vor jeder Pla- nungsideologie sei gewarnt, bei der alles Heil in „Integration" ge- sucht wird — Integration verstan- den als Institutionalisierung. Das kann nur in Dirigismus enden. In Berlin wurde zudem deutlich: Mit einer Freisetzung von Kapazitäten der Institution „Krankenhaus" für den ambulanten Bereich ist es nicht getan — wie manche Ideolo- gen (gegen besseres Wissen?) heute immer noch glauben.

Kosten können damit nicht ge- senkt, geschweige denn eine pa- tientnahe Versorgung erreicht wer- den. Die Kassenärztlichen Vereini- gungen haben da probatere Ver- fahren anzubieten, da sie bisher schon innerhalb ihres Sicherstel- lungsauftrages bei der Planung von Kassenarztsitzen nach dem Bedarf die infrastrukturellen Verhältnisse einschließlich vorhandener Einrich- tungen des Gesundheitswesens be- rücksichtigen.

Dennoch, auch in Berlin zeigten sich viele von „Integrationsideen"

verzaubert. Ulrich Geissler vom Bundesarbeitsministerium etwa be- dauerte das Fehlen von Modellen für eine „integrierte medizinische Versorgung". Geissler wörtlich: „In der Praxis realisiert sind bislang nur einige partielle Integrationsmo- delle wie Praxiskliniken, belegärzt- liche Tätigkeit und Laborgemein- schaften niedergelassener Ärzte, alle anderen Vorstellungen sind bisher auf den entschiedenen Wi- derstand der offiziellen Ärzteschaft gestoßen." Er empfahl zum Bei- spiel Professor Erwin Jahns und des DGB Ladenhüter MTZ. Kosten- überlegungen zur kurz- oder mittel- fristigen Minderung der Belastung der Versichertengemeinschaft wa- ren dabei wohl bewußt ausgeklam- mert. DP/DÄ

934 Heft 14 vom 1. April 1976

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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