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Archiv "Psychotherapeutische Versorgung: Auch Ärzte machen Psychotherapie" (08.04.2011)

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A 744 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 108

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Heft 14

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8. April 2011

PSYCHOTHERAPEUTISCHE VERSORGUNG

Auch Ärzte machen Psychotherapie

Sie müssen sich innerhalb der Medizin Gehör verschaffen und sich mit der

Professionalisierung der Psychologischen Psychotherapeuten auseinandersetzen.

Von einer Reform der Psychotherapeutenausbildung wären auch Ärzte betroffen.

P

sychische Erkrankungen sind Volkskrankheiten. Aufgrund der hohen Prävalenzraten stehen sie der Weltgesundheitsorganisation zu- folge inzwischen auf Platz eins als Ursache für Arbeitsunfähigkeit und Frühberentung. Betroffene weisen eine hohe Komorbidität auf, die oftmals entscheidend ist für den Verlauf somatischer Erkrankungen.

Entsprechend ernst sollten sie in der somatischen Medizin genommen werden. „Die Körpermedizin hat die Bedeutung psychischer Störun- gen jedoch lange nicht wahrhaben wollen – häufig gab es einen Bias“, sagt Prof. Dr. med. Fritz Hohagen, Vorsitzender der Ständigen Konfe- renz ärztlicher psychotherapeuti- scher Verbände (STÄKO).

Vielfältig sind die Versuche, dies zu ändern. So hat sich für die Förde- rung der psychiatrisch-psychosoma- tisch-psychotherapeutischen Kom- petenz im ärztlichen Handeln unter anderem der 109. Deutsche Ärzte- tag 2006 in Magdeburg starkge- macht. „Wir halten eine biopsycho- soziale Betrachtungsweise in der Medizin für unbedingt notwendig“, erklärte damals Prof. Dr. med. Tho- mas Loew, Abteilung für Psychoso- matische Medizin am Klinikum der Universität Regensburg. Dazu müs- se auch die ärztliche Psychothera- pie gestärkt werden.

Fünf Jahre später müssen sich ärztliche Psychotherapeuten nicht nur innerhalb der medizinischen Fachbereiche Gehör verschaffen.

Sie stehen auch in Konkurrenz zu den Psychologischen Psychothera- peuten, deren Berufsstand seit der Gründung der Bundespsychothera- peutenkammer (BPtK) 2002 immer professioneller vertreten wird. Zur psychotherapeutischen Versorgung befähigt sind derzeit 11 503 Ärzte (1 702 Fachärzte für Psychiatrie

und Psychotherapie, 2 557 Fachärzte für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, 2 765 psychothera- peutisch tätige Ärzte, 843 Kinder- und Jugendpsychiater sowie 3 658 andere Fachärzte mit Zusatz-Wei - terbildung Psychotherapie). Dem- gegenüber stehen 16 479 Psycholo - gische Psychotherapeuten, davon 3 110 Kinder- und Jugendlichenpsy- chotherapeuten (Bundesarztregister der Kassenärztlichen Bundesverei- nigung, Stand 31. Dezember 2009).

STÄKO gut etabliert

Die Psychologen haben dabei den Vorteil, dass sich die Bundespsy- chotherapeutenkammer ausschließ- lich um ihre Belange kümmern kann, während die ärztlichen Psy-

chotherapeuten sich die Bundesärz- tekammer (BÄK) mit allen Fach- gruppen teilen müssen. Beim De- zernat 6, Wissenschaft und For- schung, der BÄK liegt zurzeit die Geschäftsführung für den Wissen- schaftlichen Beirat Psychotherapie.

Etabliert wurde auch ein Jour fixe zwischen der Konferenz STÄKO und Dr. med. Cornelia Goesmann, die als Vizepräsidentin und Beauf- tragte des Vorstands der Bundesärz- tekammer für Fragen der ärztlichen Psychotherapie deren Anliegen in den Vorstand trägt. „Die STÄKO hat sich gut in der Bundesärztekam- mer etabliert“, erklärt deren Vorsit- zender Hohagen.

Die Psychologischen Psychothe- rapeuten werden von ärztlicher Sei-

Frau Dr. Goesmann, Sie ha- ben sich in den letzten acht Jahren bei der Bundesärzte- kammer (BÄK) um die Belan- ge der Psychotherapeuten ge- kümmert. Werden diese dort hinreichend berücksichtigt?

Goesmann: Die Belange der ärztlichen Psychotherapeuten werden wie die aller Facharzt- gruppen themenbezogen durch die zuständigen Gre- mien der BÄK vertreten. Die Bereitschaft und das Interes- se, sich diesem wichtigen Be- reich der Medizin zu öffnen, sind im Vorstand größer ge- worden. Wir laden zudem die

„Ständige Konferenz ärztlicher psychotherapeutischer Ver- bände“ (STÄKO) regelmäßig zu

uns in die BÄK zu einem soge- nannten Jour fixe ein; ins - gesamt promovieren wir die Anliegen der ärztlichen Psy- chotherapeuten sehr und kümmern uns auch um die Frage der Nachwuchswer- bung, denn hier fehlen genau- so viele Ärzte wie in allen an- deren Fächern.

Hat sich etwas verändert in der Zeit, die Sie als Vorstands - mitglied überblicken?

Goesmann: Ich erlebe, dass die ärztlichen Psychotherapeu- ten sehr viel geschlossener für ihre Anliegen eintreten. Es ist ihnen wichtig, den Patienten zu verdeutlichen, dass auch Ärz- tinnen und Ärzte Psychothera-

pie machen. Sie wollen, dass die ganzheitliche Betrach- tungsweise nicht verloren geht – und sie wollen die Psycho- therapie nicht an eine andere Berufsgruppe verlieren.

Sie kandidieren nicht mehr für den Vorstand der BÄK.

Werden die Anliegen der Psy- chotherapeuten weiterhin gut vertreten?

Goesmann: Ich habe bei der letzten Sitzung mit der STÄKO angeregt, dass ein Psycho - therapeut beim Deutschen Ärztetag für einen Sitz im BÄK- Vorstand kandidieren soll.

Dann wäre die Psychotherapie auf jeden Fall angemessen ver- treten.

3 FRAGEN AN . . .

Dr. med. Cornelia Goesmann, Vizepräsidentin der Bundesärztekammer

P O L I T I K

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Deutsches Ärzteblatt

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8. April 2011 A 745 te häufig als „übermächtige Kon-

kurrenz“ empfunden, wie ein De - legierter beim Deutschen Ärztetag in Magdeburg betonte. Dass Ärzte und Psychologen in der Praxis, in Kliniken oder Gemeinschaftspra- xen, durchaus gut und kollegial zu- sammenarbeiten, lässt sich gleich- wohl vielerorts beobachten.

Beklagt wird von ärztlicher Seite beispielsweise, dass der Begriff

„Psychotherapeut“ immer häufiger mit Psychologen in Verbindung ge- bracht wird. Das liegt vor allem an der Namensgebung der Standesver- tretungen: Einzig die „Landeskam- mer für Psychologische Psychothe- rapeutinnen und -therapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsycho- therapeutinnen und -therapeuten in Hessen“ trägt die genaue Bezeich- nung noch im Titel. In allen übri - gen Bundesländern gibt es schlicht Psychotherapeutenkammern. Grund dafür ist der unsäglich lange Titel.

Andererseits erweckt die verkürzte Form den Anschein des Alleinver- tretungsanspruchs für alle Psycho- therapeuten.

Neuen Auftrieb würde die Dis- kussion um den Namen bekommen, falls bei der geplanten Reform der Psychotherapeutenausbildung, der Titel Psychologischer Psychothera- peut abgeschafft würde und es künftig nur eine einheitliche Appro- bation zum „Psychotherapeuten“

mit Schwerpunkt Erwachsene oder Kinder und Jugendliche geben soll- te. Zurzeit liegt dazu ein Entwurf seitens der BPtK vor (siehe „Qua - litätsunterschiede in der Kinder - therapie darf es nicht geben“, DÄ, Heft 5/2011).

Praxisteil nicht verkürzen Ärztliche Psychotherapeuten und Psychiater melden sich nicht zu vie- len Themen zu Wort, die die Psy- chologen betreffen. Doch bei der anstehenden Reform der Ausbil- dung haben sie Einwände. Schließ- lich bilden sie die Psychotherapeu- ten in Ausbildung (PiA) während des praktischen Jahres in psych - iatrischen Kliniken aus. So sieht der Entwurf der Bundespsychothera- peutenkammer vor, dass von den 1 200 Stunden, die für die prak - tische Ausbildung vorgesehen sind,

nur noch 600 Stunden in einer psychiatrischen Klinik geleistet werden müssen. Die restlichen 600 Stunden sollen auch an teil - stationären Einrichtungen, wie zum Beispiel an Ausbildungsambulan- zen absolviert werden können.

Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie, Psy- chosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN) spricht sich entschieden

dagegen aus. „Das ist Psychiatrie light und geht völlig am Patienten vorbei“, erklärt DGPPN-Präsident Prof. Dr. med. Peter Falkai. Um die Komplexität der Diagnostik und die therapeutische Dimension gerade auch von schweren psychiatrischen Erkrankungen zu verstehen und selbst anzuwenden, brauche man Zeit. „In den Ausbildungsambulan- zen sieht man zudem keine schwe- ren Krankheitsbilder“, betont Fal- kai. Aber auch diese Patienten müssten behandelt werden.

„In 600 Stunden können PiA keine ernstzunehmende klinische Erfahrung erlangen. Das ist nicht ad äquat zu der Verantwortung, die sie später übernehmen müssen“, er- gänzt Hohagen, der als Direktor der Klinik für Psychiatrie und Psy- chotherapie am Universitätsklini- kum Schleswig-Holstein, Campus Lübeck, selbst ausbildet. Dort wer- den PiA nur angenommen, wenn sie sämtliche 1 800 Stunden prakti- sche Ausbildung (inklusive 600 Stunden vertiefte Ausbildung) an der Klinik in 18 Monaten absolvie- ren. Lübeck bildet curriculär aus,

PiA können dort ihre Doktorarbeit anfertigen. „Wir haben regen Zu- lauf aus den Ausbildungsinstituten, eine hohe Zufriedenheit und durch- aus Modellcharakter“, betont der Klinikleiter.

Ein Grund für den Vorschlag der BPtK, die praktische Zeit in der Klinik zu verkürzen, ist die oftmals fehlende oder minimale Vergütung der PiA während des Psychiatrie- jahres. Dies bringt die angehenden Psychotherapeuten, die nach einem abgeschlossenen Psychologiestu- dium nicht mehr im Studentenalter sind, häufig in existenzielle Nöte.

Hohagen und Falkai fordern mit ihren Fachgesellschaften eine an- gemessene Vergütung: „Die Psy- chotherapeuten in Ausbildung soll- ten als fertige Psychologen genau- so bezahlt werden wie Ärzte in Weiterbildung“, erklärt Falkai, der die Abteilung für Psychiatrie und Psychotherapie der Universitäts- medizin Göttingen leitet. Er hat durchgesetzt, dass PiA während des psychiatrischen Jahres 1 500 Eu - ro monatlich erhalten. In Lübeck wird ähnlich bezahlt. „Die Psy - chologen in Ausbildung dürfen nicht als billige Arbeitskräfte miss- braucht werden, sondern müssen solide und gut ausgebildet wer- den“, bekräftigt Hohagen.

Gegen Befugniserweiterung Im Zuge der Ausbildungsreform fordert die Bundespsychotherapeu- tenkammer auch, die Befugnisse der Berufsgruppe zu erweitern:

„Psychotherapeuten haben die fach- lichen Kompetenzen, Arbeitsunfä- higkeitsbescheinigungen auszustel- len, in psychiatrische Kliniken ein- zuweisen sowie Heilmittel zu ver- ordnen“, erklärt BPtK-Präsident Prof. Dr. Rainer Richter. Die Ärzte sind dagegen: „Nur dem Arzt steht das gesamte Methodenspektrum an medikamentöser und psychothera- peutischer Behandlung zur Verfü- gung“, sagt STÄKO-Vorsitzender Hohagen. Eine Krankschreibung oder Klinikeinweisung könne oft- mals vermieden werden, wenn man die Methoden kombiniere. „Die Mitbehandlung durch Ärzte ist in solchen Fällen unerlässlich.“ ■

Petra Bühring

„Nur dem Arzt steht das gesamte Metho- denspektrum zur Verfü- gung.“ – Prof. Dr. med.

Fritz Hohagen, Lübeck

„Die Verkürzung des Praxisteils ist Psych - iatrie light und geht völ- lig am Patienten vorbei.“

– Prof. Dr. med. Peter Falkai, Göttingen

Foto: Universitätsklinikum Schleswig-Holstein Foto: DGPPN

P O L I T I K

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