A-814 Deutsches Ärzteblatt 97,Heft 13, 31. März 2000 ine „gravie-
rende Un- gleichbehand- lung“ in der Ho- norierung psycho- therapeutischer Lei- stungen befürch- tet Dr. med. Jörg Schmutterer, ehe- maliger Vorsitzen-
der der Vereinigung psychotherapeu- tisch tätiger Kassenärzte, aufgrund der Neufassung von § 85 Abs. 4 a SGB V durch das GKV-Gesundheits- reformgesetz 2000. Benachteiligt sei- en vor allem psychotherapeutisch tätige Psychiater, Kinder- und Ju- gendpsychiater und ärztliche Psycho- therapeuten – alle, die weniger als 90 Prozent ihrer Leistungen aus Ka- pitel G IV EBM erbringen. Deren Punktwert für psychotherapeutische Leistungen werde wahrscheinlich im Facharzttopf floaten, während der Punktwert für die „ausschließlich“
psychotherapeutisch tätigen Fachärz- te und Psychologischen Psychothera- peuten gestützt werde.
Angemessene Vergütung für zeitgebundene Leistung
In der Gesundheitsreform 2000 wurde die Aufteilung der Gesamtver- gütung in ein – höher bewertetes – Hausarztbudget und ein Facharztbud- get festgelegt. Der Vergütungsanteil im Hausarzttopf wird bundesweit um rund vier Prozent steigen, der Fach- arztanteil dagegen um etwa 1,6 Pro- zent sinken. Psychotherapeuten wer- den aus dem Facharztbudget vergütet.
Das Gesetz sieht eine „angemessene Vergütung“ zeitgebundener genehmi- gungspflichtiger Leistungen für alle Psychotherapeuten und Fachärzte vor, die „ausschließlich“ psychothera- peutisch tätig sind. Diese Regelung gilt ebenso für Fachärzte für Psycho- therapeutische Medizin. Hintergrund
war das berechtigte Anliegen des Ge- setzgebers, diese Berufsgruppe vor existenzieller Bedrohung durch den Punktwertverfall zu schützen, der sich ergibt, wenn die Anzahl der Lei- stungserbringer bei gleich bleibender Gesamtvergütung steigt.
Dr. med. Christa Schaff, Berufs- verband der Ärzte für Kinder- und Ju- gendpsychiatrie und -psychotherapie, machte auf die besondere Situation ihrer Fachgruppe aufmerksam. Gera- de bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen seien somatische, psycho-pharmakologische und psy- cho-soziale Konzepte zu integrieren – die psychotherapeutischen Behand- lungsanteile seien aber ebenso zeitge- bunden und damit angemessen zu ho- norieren. Die Vergütungssystematik sei auch deshalb problematisch, weil der Bedarf an ärztlichen Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten erst etwa zur Hälfte gedeckt sei, betonte Schaff.
Die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Ner- venheilkunde sieht durch die Rege- lung ihre Bemühungen, der Psycho- therapie einen „notwendigen Stellen- wert in der psychiatrischen Versor- gung einzuräumen, konterkariert“.
Der gemeinsame Bewertungs- ausschuss von Kassenärztlicher Bun- desvereinigung (KBV) und Kranken- kassen wandte das Gesetz mit dem Beschluss vom 16. Februar 2000 an.
Vorgegeben wurde eine Berech- nungsgrundlage für einen Mindest- punktwert, der sich an der Ertragslage einer Allgemeinarztpraxis orientiert.
Nach Einschätzung der KBV wird der Mindestpunktwert – der konkret noch in jeder Kassenärzt- lichen Vereinigung (KV) ermittelt wer- den muss – zwischen 7 und 8 Pfennig lie- gen. Die Berechnung wurde von verschiedenen Psychothe- rapeutenverbänden kritisiert, da der Punktwert nicht dem Urteil des Bun- dessozialgerichtes vom 25. August 1999 entspricht, wonach psychothera- peutische Leistungen aufgrund ihrer Zeitgebundenheit mit einem Punkt- wert von 10 Pfennig vergütet werden sollen.
Doch für die nur überwiegend psychotherapeutisch tätigen Fach- ärzte hält Schmutterer einen wesent- lich niedrigeren Punktwert für die gleichen Leistungen für möglich.
Dann nämlich, wenn die KVen im Rahmen ihrer Honorarverteilungs- maßstäbe innerhalb des Facharzt- budgets einen Extratopf für psycho- therapeutische Leistungen bilden sollten. Wenn der Anteil derjenigen mit gestütztem Punktwert abgezogen sei, verbliebe „ein sehr geringer Bud- getanteil“.
Mehr Geld von den Krankenkassen
Die mögliche Benachteiligung der genannten Gruppe bestätigte Dr.
med. Andreas Köhler, stellvertreten- der Hauptgeschäftsführer der KBV und dort zuständig für Honorar- fragen: „Wir werden uns bemühen, regional adäquate Regelungen zu finden.“ Dies sei abhängig von den Zahlungen der Krankenkassen; vor- stellbar seien „extrabudgetäre Lei- stungen“ der Krankenkassen, um Psychotherapeuten und Fachärzten gerecht zu werden. Petra Bühring
P O L I T I K AKTUELL