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Archiv "Ärztliche Psychotherapie in der Praxis: Daten und Thesen" (05.12.1984)

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(1)

THEMEN DER ZEIT

Ärztliche Psychotherapie in der Praxis:

Daten und Thesen

Franz Rudolf Faber

Fragestellungen der Allgemeinen Ärztlichen Gesell- schaft für Psychotherapie anläßlich eines Kongresses im September 1983 mit dem Thema „Psychotherapie und Allgemeinmedizin" gaben die Anregung, den Stand der ambulanten Psychotherapie in der Bundesrepublik Deutschland zu ermitteln. Umfangreiche Daten aus der kassenärztlichen Versorgung brachten überraschende Ergebnisse. Eine Veröffentlichung der Ergebnisse scheint geeignet zu sein, voreingenommene Vermutun- gen zu korrigieren und Zukunftsperspektiven zu eröff- nen. Zunächst werden einige Hinweise auf die Fragestel- lungen und das Datenmaterial der Untersuchung gege- ben (A). Der Mitteilung der gewonnenen Daten (B) soll dann in gebotener Kürze der Versuch einer interpretie- renden Darstellung folgen (C).

„Psychoanalyse". Da die übrigen Ärzte der AG 20 bei unseren Fra- gestellungen prozentual nicht in Erscheinung treten, konnten die

„Sonstigen Ärzte" mit den hier zu erfassenden ärztlichen Psy- chotherapeuten gleichgesetzt werden.

Nach dem Stand vom Oktober 1983 sind in der kassenärztlichen Versorgung insgesamt fast 69 000 Ärzte tätig, darunter 2009 ärztliche Psychotherapeuten (= 2,9 v. H.).

Die Zahl der nicht-ärztlichen Psy- chotherapeuten, die an der kas- senärztlichen Versorgung teilneh- men, betrug zum gleichen Zeit- punkt 1071, die der Psychagogen 513.

Die Verhaltenstherapie wurde — für den Bereich der Ersatzkassen

— von 225 Ärzten und 229 Psycho- logen wahrgenommen.

Nach dem Bundesarztregister fan- den sich unter den Ärzten mit ei- ner Zusatzbezeichnung „Psy- chotherapie" oder „Psychoanaly- se" 42 v. H. Kollegen aus der Arzt- gruppe I (Somato-Medizin) im oben definierten Sinne, darunter 60 v. H. praktische Ärzte, 18 v. H.

Internisten, 12 v. H. Kinderärzte und 9 v. H. Allgemeinmedizi- ner.

A. Hinweise

auf Fragestellungen und Datenmaterial

Das Rechenzentrum der Kassen- ärztlichen Bundesvereinigung*) hat einen Beobachtungszeitraum (BZ) von 5 Jahren (Quartale 3/78 bis 2/83) in etwa 69 v. H. aller Kas- senabrechnungen erfaßt. Alle Zif- fern der Gebührenordnung (GO) aus dem Abschnitt G (Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie), Ge- bührennummer (GNR) 800-899, wurden nach ihrer Leistungshäu- figkeit (LH) untersucht, ihre Pro- gredienz durch die prozentuale Steigerungsrate (StR) im Beob- achtungszeitraum (BZ) wurde er- mittelt und die prozentuale Betei ligung der verschiedenen Arzt- gruppen (AG) errechnet.

Da die Beteiligung der Gebiets- ärzte der somatisch orientierten Medizin und der praktischen Ärzte an der ärztlichen Psychotherapie ermittelt werden sollte, wurden diese Ärzte vereinfachend als Arztgruppe I (Somato-Medizin) zusammengefaßt. Die Nervenärz- te (AG 13) und die „Sonstigen Ärzte" (AG 20) bildeten in unse- ren Untersuchungen die „psy- chotherapeutische Fachpraxis", die in der Arztgruppe II zusam- mengefaßt wurde.

Die Gruppe der „Sonstigen Ärzte"

(AG 20) enthält die ärztlichen Psy- chotherapeuten mit Zusatzbe- zeichnung „Psychotherapie" und

') Der Autor dankt Herrn Dahlhausen vom KBV-Rechenzentrum in Köln-Lövenich für Datenerfassung und -berechnung.

Die psychotherapeutischen Lei- stungen wurden für den gesamten Beobachtungszeitraum vereinfa- chend drei großen Gruppen zuge- rechnet, die geeignet erschienen, die Strukturierung der ärztlichen Psychotherapie in der ärztlichen Praxis erkennbar zu machen.

Es wurden unterschieden:

I. Die Psychotherapie, die in den Richtlinien des Bundesausschus- ses der Ärzte und Krankenkassen als tiefenpsychologisch fundierte und analytische Psychotherapie geregelt wurde; sie erhielt die Be- zeichnung „Richtlinien-Psycho- therapie" (RPt).

II. Die Allgemeine Psychothera- pie (APt), die neben den pragmati-

(2)

Ambulante Psychotherapie

364 1 829

Gesamt + 30,4

I. Psychotherapie der Richtlinien (RPt)

Gesamter BZ LH in 1000

Durch- schnittl.

LH in 1000 pro Jahr

Proz. Anteil an der gesamten

RPt

Proz. Steigerungsrate der LH im BZ

EGO Gesamt GNR

BMAE

Vertiefte Anamnese 860 156 31 + 50,0 + 43,7

Tiefenpsychol. fund.

Therapie (E. Th.)

861 552 110 32,9 + 42,4 + 33,3

Tiefenpsychol. fund.

Therapie (Gr. Th.)

81 16

862 4,8 + 40,0 — 10,0

Analytische Psycho- therapie (E. Th.)

863 714 142 42,6 + 50,0 + 33,3

Analytische Psycho- therapie (Gr. Th.)

65

+ o

864 326 19,4 + 11,3

LH in 1000 1978 1979 1980

1100.00

1983 LH in 1000 1100.00

1981 1982

GNR 849 (sogen. kleine Psychotherapie)

GNR 846+847 (autogenes Training)

GNR 845

)(Hypnose) 0 0

0

990.10

880.20

770.30

660.40

550.50

440.60

330.70

220.80

110.90

1.00 990.10

880.20

770.30

660.40

550.50

440.60

330.70

220.80

110.90

1.00

1978 1979 1980 1981 1982 1983

Darstellung 1: Allgemeine Psychotherapie — Steigerung der Leistungshäufigkeit (LH) im Beobachtungszeitraum (BZ)

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Tabelle 1

schen Verfahren des Autogenen Trainings und der Hypnose vor al- lem die Leistungen der sogenann- ten kleinen Psychotherapie (GNR 849) enthielt.

III. Die psychiatrische Psy- chotherapie (PPt) mit den Gebüh- renpositionen, die der psychiatri- schen Intervention durch Gesprä- che vorbehalten sind.

B. Ergebnisse

der Datenermittlung

I. Die Richtlinien- Psychotherapie (RPt)

Dieser Therapieform wurden 5 Gebührenpositionen (GNR 860 bis 864) zugeordnet. Deren prozen- tuale Aufgliederung zeigte, daß die analytische Psychotherapie

als Einzelbehandlung die größte Leistungshäufigkeit und die größ- te Steigerungsrate aufweist; sie wird nur von der diagnostischen Leistung nach GNR 860 übertrof- fen. Auch in der Gruppentherapie überwiegt die analytische Psycho- therapie deutlich, während die tiefenpsychologisch fundierte Gruppentherapie bei der EGO so- gar einen Rückgang um 10 v. H.

erkennen läßt (Tabelle 1).

II. Die Allgemeine Psychotherapie (APt)

Die APt umfaßt die Positionen der GNR 845 bis 849. Die Tabelle 2 zeigt die deutliche Bevorzugung der verbalen Therapieform (GNR 849) gegenüber den pragmati- schen Verfahren. Vor allem fällt die Progredienz der Leistungs- häufigkeit bei der GNR 849 im Be- obachtungszeitraum auf (+ 97,0 v. H.). Das Autogene Training be- findet sich im Mittelfeld der Lei- stungshäufigkeit wie auch der Steigerungsrate. Die Hypnose stellt zwar die Therapieform mit der geringsten Leistungshäufig- keit dar, zeigt aber ebenfalls eine Steigerungstendenz, wenn diese auch in einigen Arztgruppen

(3)

1 054 5 279

Gesamt + 68,9

II. Allgemeine Psychotherapie (APt)

GNR Gesamt des Durch- BZ schnittl.

LH in 1000 LH in 1000 pro Jahr

Proz. Anteil der LH an der APt

insgesamt

Proz. Steigerungsrate der LH im BZ BMAE EGO Gesamt

Hypnose 845 116 23 2,2 + 20,0 + 7,6 + 13,0

Autogenes Training (E)

20,0 42,8

846 703 140

+ 21,0 Autogenes

Training (Gr.)

157 14,8

847 788 + 13,8 + 13,0

Sogen. kleine Psychotherapie

734 69,6 3 672

849 + 118,0 + 80,0 + 97,1

13,2

28,2

1978 1979 1980 1981 1982 1983

1979 1980 1981 1982

LH 1000 1978 5000.00

4500.10

4000.20

350030

3000.40

2500.50

2000.60

1500.70

1000.80

500.90

1.00

1983 LH 1000 5000.00

4500.10

4000.20

3500.30

3000.40

2500.50

2000.60

1500.70

1000.80

500.90

1.00 P Pt

A Pt

R Pt

Darstellung 2: Steigerung der LH im BZ — Vergleich der drei Pt.-Formen

Ambulante Psychotherapie

Tabelle 2

(Frauenärzte, Internisten, HNO- Ärzte) rückläufig ist. Besonders aufschlußreich ist die Anwendung der APt in den verschiedenen Arztgruppen (Tabelle 3).

Bei den Frauenärzten z. B. waren die pragmatischen Verfahren ins- gesamt deutlich rückläufig, wäh- rend die verbale Therapie nach GNR 849 erheblich gesteigert wurde (+ 293,7 v. H.).

Leistungshäufigkeit von über 9,6 Millionen in Anspruch genom- men, bei einer Steigerungsrate von 33,8 v. H. beim BMÄ und 40,8 v. H. bei der EGO.

In den Arztgruppen waren bei der Anwendung der GNR 801 die Ner- venärzte mit 85,9 v. H. vertreten, weitab gefolgt von den prakti- schen Ärzten (8,3 v. H.) und den Kinderärzten (2,7 v. H.).

Die PPt zeigte nicht nur den größ- ten Anteil an der Häufigkeit der therapeutischen Leistungen über- haupt (73,8 v. H.), sondern auch' die größte Steigerungsrate von 73,7 v. H. Innerhalb der PPt war die GNR 804 weitaus am häufig- sten vertreten (65,6 v. H.), gefolgt von der GNR 806 mit 23,6 v. H.

Die Ziffern 812 und 817 zeigen zwar prozentual keine sehr große Die weit überdurchschnittliche

Steigerungsrate bei der GNR 849 findet sich aber in allen Arztgrup- pen.

Die Darstellung lzeigt die Entwick- lung der APt im Beobachtungszeit- raum, gegliedert nach den 3 Kom- ponenten dieser Therapieform.

III. Die Psychiatrische Psychotherapie (PPt)

In die Gruppe III der psychiatri- schen Psychotherapie wurden 6 Positionen der Gebührenordnung aufgenommen. Die diagnostische GNR 801 blieb dabei unberück- sichtigt; sie wurde im gesamten Beobachtungszeitraum mit einer

(4)

Arztgruppen

1 Anästhesisten 4 Frauenärzte 5 HNO-Ärzte 6 Haut-Ärzte 7 Internisten 8 Kinderärzte 13 Nervenärzte 15 Orthopäden 16 Pathologen 18 Urologen 20 Sonstige Ärzte 21 Prakt. Ärzte

846,847 (A.T.) Prozentuale

LH 0

845 849

(Hypnose) sog. kl. Psycho- Prozentuale therapie

LH LH

0,2 0

0,1 0,2

36,4 7,3

8,5 19,6

99,9 99,9 99,9

LH in 1000 1 490 116 3 672

Proz. Steigerungs- + 21,0 rate im BZ

+ 13,0 + 97,1

0,3 9,2

0 0,1

0 0 0,2

5,8 3,3 8,7

12,3 0,8 4,4

50,3 50,1

0 0

0 0,1

58,0 0,3 0 0 6,1 16,5

0,6 0,3 II. Allgemeine Psychotherapie (APt)

Prozentuale Beteiligung der Arztgruppen an der LH

Tabelle 3

Ambulante Psychotherapie

Leistungshäufigkeit, wohl aber - zusammen mit der GNR 849 - die größte Steigerungsrate des Ab- schnittes G der Gebührenord- nung überhaupt (Tabelle 4).

Die Verhaltenstherapie und die nicht-ärztliche Psychotherapie konnten nicht differenziert erfaßt werden, da im Beobachtungszeit- raum noch keine ausreichenden und vergleichbaren Daten zur Verfügung standen. Die Zahl der oben angegebenen Therapeuten läßt jedoch einen erheblichen An- teil dieser Therapieformen an der

kassenärztlichen Versorgung er- warten.

IV. Gruppenvergleich

Der Gruppenvergleich der drei Psychotherapieformen wird in der Tabelle 5dargestellt. Die Angaben über den prozentualen Anteil an der Leistungshäufigkeit werden durch die prozentuale Steige- rungsrate der Leistungshäufigkeit im Beobachtungszeitraum er- gänzt. Die Steigerungsrate der psychotherapeutischen Leistun-

gen insgesamt übersteigt mit 69,2 v. H. der Leistungshäufigkeit den Durchschnitt des gesamten Ab- schnittes G der Gebührenord- nung (+ 57,2 v. H.).

Die Beteiligung der verschiede- nen Arztgruppen an den drei Psy- chotherapieformen wird in Tabel-

le 6 dargestellt. Der Anteil der Nervenärzte (AG 13) und der Son- stigen Ärzte (AG 20) dürfte den Er- wartungen entsprechen, ebenso der Anteil der praktischen Ärzte.

Fast alle Arztgruppen waren an der ärztlichen Psychotherapie be- teiligt. Auch die meisten hier nicht aufgeführten Arztgruppen und die mit 0 v. H. bezeichneten Gruppen waren z. T. mit einigen Hundert Behandlungen vertreten, fielen aber als rechnerisch unbedeu- tend aus der prozentualen Dar- stellung heraus. Wichtig erscheint auch der Hinweis auf die erheb- liche Beteiligung der Frauenärzte, der Internisten und der Kinderärz- te, vor allem an der APt und an der PPt.

Die Tabelle 7 stellt die prozentua- le Beteiligung der Arztgruppe I (Somato-Medizin) an der kassen- ärztlichen Versorgung durch die drei Psychotherapieformen dar.

Dabei erscheint die fast 40prozen- tige Beteiligung an der PPt als be- sonders bedeutsam.

Die Darstellung 2 zeigt die Rela- tion der drei Psychotherapiefor- men im Verlauf der fünfjährigen Beobachtungszeit.

Abschließend soll das Verhältnis der psychotherapeutischen Lei- stungen zum gesamten Abschnitt G der Gebührenordnung und zu allen kassenärztlichen Leistungen überhaupt dargestellt werden.

Das Verhältnis der psychischen Positionen zu den somatischen Positionen im Abschnitt G der Ge- bührenordnung stellt ein sehr wichtiges Ergebnis unserer Unter- suchungen dar.

Der prozentuale Anteil der drei Therapieformen an der Leistungs-

(5)

Ambulante Psychotherapie

I. Psychiatrische Psychotherapie (P Pt)

Psychiatrische 804 13 122 2 624

Behandlung Psychiatrische Behandlung u.

eing. therap.

Gespräch Erhebung einer Anamnese b. Kindern und Jugendlichen

Proz. Anteil an der PPt insgesamt

1,9 + 26,6 + 24,0

+ 73,7 65,6 + 73,3 + 82,0

1,4 + 130,0 + 88,2

6,5 + 122,8

Proz. Steigerungsrate der LH im BZ BMAE EGO Gesamt

23,6 + 66,8 + 55,7

0,7 + 31,2 + 30,0 Durch-

schnittl. LH in 1000 pro Jahr

806

807

Fremdanamnese Gesamt

399 79

19 997 3 996 835

Notfallbehandlung

Psychiatrische 812 284 56

Beratung d. Bezugsps.

Eing. psychiatrische 817 1 309 261

4 725 945

158 31

GNR Gesamter BZ LH in 1000

Tabelle 4

häufigkeit des gesamten Ab- schnittes G betrug:

Richtlinien- 3,2 v. H.

Psychotherapie (RPt)

Allgemeine 9,3 v. H.

Psychotherapie (APt)

Psychiatrische 35,4 v. H.

Psychotherapie (PPt)

insgesamt also 47,9 v. H.

Der prozentuale Anteil der Lei- stungshäufigkeit der übrigen (so- matischen) Gebührenpositionen des Abschnittes G betrug 52,0 v. H.

Der Leistungswert (Honorarsum- me) zeigte dagegen einen Anteil der psychischen Leistungen von nur 41,6 v. H. während die somati- schen Leistungen einen Anteil von 58,4 v. H. erreichten.

Diese Ergebnisse beziehen sich auf die kassenärztliche Versor- gung insgesamt. Differenziert nach Kostenträgern zeigte der An- teil der psychischen Leistungspo- sitionen auf dem RVO-Sektor eine Leistungshäufigkeit von 44,3 v. H., auf dem Ersatzkassen-Sektor da- gegen eine Leistungshäufigkeit von 53,9 v. H.

Damit lagen die Ersatzkassen im Durchschnitt der letzten 5 Jahre im psychotherapeutischen Lei- stungsumfang um etwa 10 v. H.

höher als die RVO-Kassen.

Das relativ ausgewogene Verhält- nis von psychischen Leistungen zu den somatischen Leistungen innerhalb des Abschnittes G der Gebührenordnung bestätigt sich nicht, wenn die psychischen Positionen zum Gesamtvolumen der kassenärztlichen Leistungen überhaupt in Beziehung gesetzt werden.

Im letzten Jahr des Beobach- tungszeitraumes (3/82-2/83) er- reichte der gesamte Abschnitt G eine Leistungshäufigkeit von 1,0575 v. H. aller kassenärztlichen Leistungen auf dem RVO-Sektor.

Auf dem Ersatzkassen-Sektor be- trug der Leistungsanteil in dieser Zeit 1,2950 v. H.

Die Verrechnung dieser Lei- stungshäufigkeit mit dem psychi- schen Leistungsanteil ergibt auf dem RVO-Sektor eine Quote von 0,468 v. H. aller psychischen Lei- stungen am Gesamtvolumen der kassenärztlichen Versorgung.

Der entsprechende Anteil aller psychischen Leistungen auf dem Ersatzkassen-Sektor betrug im letzten Beobachtungsjahr 0,698 v. H.

Der durchschnittliche Anteil der psychodiagnostischen und der

(6)

Gruppenvergleich

27 105 Psychotherapeuti-

sche Leistungen insgesamt

Proz. Anteil d. LH im BZ

Proz. Steige- ru ngsrate d. LH im BZ

6,8 + 30,4

19,5 + 68,9

73,8 + 73,7

LH in 1000 im BZ

I Richtlinien 1 829

Psychotherapie (RPt)

II Allgemeine 5 279

Psychotherapie (APt)

III Psychiatrische 19 997 Psychotherapie (PPt)

+ 69,2

Tabelle 5

Ambulante Psychotherapie

psychotherapeutischen Leistun- gen am Gesamtvolumen der kas- senärztlicher Versorgung betrug etwa 0,56 v. H.

Die Steigerungsrate der Lei- stungshäufigkeit des gesamten Abschnitt G betrug im Beobach- tungszeitraum von 5 Jahren 57,2 v. H., während die Steigerungsra- te der psychischen Leistungen 69,2 v. H. erreichte.

Thesen zur ärztlichen Psychotherapie

und Versuch

einer Interpretation der Daten

O Die „Pathologie der Gesamt- person" (M. Balint) verlangt vom Arzt eine Doppelorientierung nach somatischen und psychi- schen Paradigmata. Jeder Arzt ist daher grundsätzlich — berufsim- manent — auch in die Kompetenz für psychische Diagnostik und psychische Therapie gerufen.

• Die vorliegende Datenerhe- bung weist darauf hin, daß alle Arztgruppen im medizinischen

Alltag Psychodiagnostik und Psy- chotherapie im weitesten Sinne durchführen, weil die Leiden der Patienten dies erfordern und ärzt- liche Verantwortung der psychi- schen Dimension vieler Erkran- kungen nicht ausweichen kann, sie in ihre Entscheidungen einbe- ziehen muß. Andererseits kann die Datenerhebung keinen Auf- schluß darüber geben, wie effi- zient, adäquat und wirtschaftlich die psychischen Interventionen der Ärzte waren, auch nicht in ei- ner psychotherapeutischen Praxis bei der Anwendung klassischer Verfahren.

(i) Der Anteil der Ärzte aus der Gruppe I (Somato-Medizin) an der psychotherapeutischen Versor- gung (mit 10,9 v. H. an der RPt, mit 39,9 v. H. an der APt und mit 39,1 v. H. an der PPt) zeigt, daß die ärztliche Psychotherapie auf die engagierte Beteiligung der Soma- tiker nicht verzichten kann. Wahr- scheinlich ist ein wesentlicher Teil von Erkrankungen psychi- scher Ätiologie differentialdiagno- stisch und in der therapeutischen Strategie nur vom Somatiker er- reichbar.

O Der Anteil psychodiagnosti- scher und psychotherapeutischer

Interventionen in der medizini- schen Versorgung ist mit 0,56 v. H. der Gesamtfrequenz aller kassenärztlichen Leistungen so gering, daß man auf eine halbsei- tige Lähmung unseres Gesund- heitssystems und der medizini- schen Wissenschaft schließen muß, die — in ihrer geschicht- lichen Entwicklung begründet — noch keineswegs ausreichend überwunden ist.

(i) Viele rein somatisch ausgebil- dete Ärzte haben in ihrem ärzt- lichen Alltag Krankenbehandlun- gen mit psychischen Interventio- nen — ungeschult und ohne Rück- sicht auf die erlernten Paradigma- ta der offiziellen Medizin — ohne viel Aufhebens und ohne beson- dere Bezahlung durchzuführen gewagt, allein gestützt auf ihre Hilfsbereitschaft, ihre Empathie und die gute Kenntnis der persön- lichen Daten des Kranken und sei- ner Situation. Dieses wichtige, aber häufig unzureichende Enga- gement des Arztes bedarf der fachlichen Orientierung, in des Patienten und im eigenen Interes- se. Die psychodiagnostische und psychotherapeutische Kompe- tenz des Arztes in der Allgemein- medizin verlangt eine systemati- sche Schulung, die dem Arzt in seiner Ausbildung weitgehend vorenthalten worden war.

(;) Das ungewöhnlich starke An- wachsen der Anwendung psy- chotherapeutischer Gebührenpo- sitionen in den letzten 5 Jahren (+ 69,2 v. H.) bedarf einer Erklä- rung.

Die hohe Steigerungsrate der Lei- stungshäufigkeit erklärt sich wohl zum Teil aus einer Änderung der Krankheitsstrukturen selbst und aus einer inzwischen erfolgten Verbesserung der ärztlichen Aus- bzw. Weiterbildung. Ob die Stei- gerung der Leistungshäufigkeit der Richtlinien-Psychotherapie (+ 30,4 v. H.),

der Allgemeinen Psychotherapie (+ 68,9 v. H.) und

(7)

Arztgruppen

Prozentuale Beteiligung der Arztgruppen an den Therapieformen I (R Pt) II ( A Pt) III (P Pt)

4. Frauenärzte 0,7 6,6 6,8

6. Haut-Ärzte 0 0,1 0,1

8. Kinderärzte 1,4 6,5 8,6

15. Orthopäden 0 0,1 0,1

16. Pathologen 0 0,1 0

5. HNO-Ärzte

7. Internisten

13. Nervenärzte

18. Urologen

0

3,7

26,8

0

0,1

7,8

52,4

0,1

0,2

3,8

60,0

0,4

20. Sonstige Ärzte 62,3 7,6 1,0

21. Praktische Ärzte 5,1 18,5 19,1

100 99,9 100,1

Tabelle 6

I (RPt) II (APt) III (PPt) Arztgruppen I u. II

Arztgruppe I Gebietsärzte

+ praktische Ärzte 10,9 v. H. 39,9 v. H. 39,1 v. H.

Arztgruppe II Nervenärzte + Sonstige Ärzte

26,8 v. H.

62,3 v. H.

52,4 v. H.

7,6 v. H.

60,0 v. H.

1,0 v. H.

100,0 v. H. 99,9 v. H. 100,1 v. H.

Tabelle 7

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Ambulante Psychotherapie

der Psychiatrischen Psychothera- pie (+ 73,7 v. H.)

auch in der öffentlichen, medien- bezogenen Beeinflussung des all- gemeinen Krankheitsbewußtseins und des Erwartungsdenkens über eine umfassendere Versorgung begründet ist, wird untersucht werden müssen.

Auch das Verhalten der Ärzte be- darf einer fachbezogenen und motivalen Erörterung, besonders hinsichtlich der Ermangelung ei- ner speziellen Gebührenregelung für psychotherapeutische Inter- ventionen im somatomedizini- schen Bereich.

O

Die Ergebnisse der Datenerhe- bung vermitteln drei Grunder- kenntnisse:

I> Der Bedarf an psychodiagno- stischen und psychotherapeuti- schen Interventionen steigt offen- bar auch im somatisch orientier- ten Bereich der Medizin in einem unerwarteten Umfang an. Nur ei- nen künstlich gesteigerten, nicht in den sich wandelnden Bewußt- seinsstrukturen der Patienten selbst gelegenen Bedarf anzu- nehmen, erscheint angesichts der erhobenen Daten willkürlich und gewagt.

Eine Steigerungsrate bis zu 74 v. H. der Leistungshäufigkeit läßt sich wohl kaum allein durch den Arzt manipulieren.

über die am besten strukturierten Weiterbildungs-Institutionen - zeigte in der kassenärztlichen Versorgung die relativ geringste Steigerungsrate (+ 30,4 v. H.) in den vergangenen fünf Jahren. Es bedürfte der Klärung, ob die Indi- kation für eine RPt zu eng gestellt wurde oder ob die Therapierbar-

keit in der ambulanten Praxis sich asymptotisch einer Grenze nähert oder, schließlich, ob das Thera- pieangebot einfach noch zu be- grenzt ist. Der Gruppenvergleich der drei untersuchten Psy- chotherapieformen legt die Frage nahe, ob den Therapeuten der RPt - über die Krankenbehand- Eine Beschränkung psychi-

scher Interventionen auf die psy- chotherapeutische Praxis ent- sprechend weitergebildeter Ärzte, auch in deren Koalition mit nicht- ärztlichen Therapeuten, scheint nicht möglich zu sein, weil der An- teil der Arztgruppe I (Somato-Me- dizin) an der psychotherapeuti- schen Versorgung mit teilweise fast 40 v. H. unerwartet hoch ist.

Die als Kernzone der Psy- chotherapie anzusehende RPt - sie verfügt über die längste Erfah- rung in der psychotherapeuti- schen Krankenbehandlung und

(8)

Ambulante Psychotherapie

Medizin aufkündigt und ihre ernst zu nehmende Anwendung für de-

ren Patienten beendet.

• Die psychodiagnostische und psychotherapeutische Interven- tion in der ärztlichen Praxis bedarf der fachlich begründeten Begren- zung. Ein bis zwei psychodiagno- stische Leistungen pro Behand- lungsfall und die auf einige Zwan- zig-Minuten-Sitzungen einge- schränkte psychotherapeutische Intervention — eine ausreichende Schulung des Arztes durch Wei- terbildung vorausgesetzt — wür- den der Regelsituation der ärzt- lichen Praxis bereits Genüge tun können.

Eine länger dauernde und syste- matisch angewandte Psycho- therapie dürfte dem nicht speziell geschulten Arzt nicht zuzumuten sein.

• Die Leiden der Patienten und die engagierte Bereitschaft vieler Ärzte sollten Anlaß sein, die ärzt- liche Psychotherapie unter dem Eindruck des ermittelten Daten- materials neu zu bedenken und die immer noch gelähmte Halb- seite der medizinischen Praxis zu aktivieren.

Die ärztliche Psychotherapie be- darf der Bejahung durch die Ver- sorgungssysteme. Der Arzt aber sollte ermutigt werden, sich mit Entschiedenheit an der „Patholo- gie der Gesamtperson" zu orien- tieren und seine ärztliche Identität mit psychotherapeutischer Kom- petenz neu auszustatten.

Literatur beim Verfasser

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Franz Rudolf Faber Clemens-August-Klinik Postfach 11 20

2846 Neuenkirchen/Oldb.

LA-MED-Befragung

Ihr Urteil ist erneut gefragt!

In den kommenden Wo- chen befragt die Ar- beitsgemeinschaft LA- MED, in der die über- regionalen und die re- gionalen medizinischen Zeitschriften zusam- mengeschlossen sind, erneut die Ärzte zu ih- rem Leseverhalten.

Falls Sie zu den reprä- sentativ ausgewählten Ärzten gehören, die vom Untersuchungsinstitut IVE um ein Interview ge- beten werden, bitten wir Sie herzlich um Ihre be- reitwillige Mitwirkung.

Verlag, Redaktion und Herausgeber des DEUT- SCHEN ÄRZTEBLATTS sind sehr daran interes- siert zu erfahren, wie Sie unser Informationsange- bot einschätzen und nutzen. Zur weiteren Verbesserung unserer Zeitschrift sind wir auf Ihr Urteil darüber ange- wiesen, wie unsere. Ar- beit bei Ihnen „an- kommt". Sie werden den Nutzen daraus zie- hen!

Vielen Dank für Ihre Mitarbeit.

Ihr

Deutscher Ärzte-Verlag

lung innerhalb ihres Indikations-

bereiches und über die Weiterbil- dung ihrer eigenen Kandidaten hinaus — die Aufgabe zufallen kann, einen noch größeren Teil zur Qualifizierung ärztlicher Psy- chotherapie, auch in der APt und in der PPt, beizutragen.

Das Konzept des Michael Balint von der Umsetzung psychoanaly- tischer Erkenntnisse in die ärzt- liche Praxis könnte bewährte und neue Wege weisen.

O Eine Regelung der Psy- chotherapie darf sich nach dem Ergebnis des Gruppenvergleichs nicht auf die RPt beschränken, sondern muß auch die anderen Therapieformen berücksichtigen, diese definieren und deren An- wendung in der ärztlichen Praxis regeln.

• Die Legitimation der psycho- diagnostischen und psychothera- peutischen Interventionen in der ärztlichen Praxis setzt voraus, daß die interessierten und engagier- ten Ärzte sich für ihre psy- chotherapeutische Aufgabe nach dem heutigen Stand der Wissen- schaften vorbereiten und schulen lassen.

Diese Weiterbildung bedarf der klar definierten Regelung durch ein an Theorie und Praxis orien- tiertes Programm, das berufsbe- gleitend realisierbar sein muß.

O Nicht die Streichung psy- chotherapeutischer Positionen für weite Bereiche der Medizin löst die Probleme unserer psycho- sozialen Versorgung. Wenn die Anwendung der psychiatrischen Gebührennummern der Psychia- trie und der Allgemeinmedizin vorbehalten werden soll (wofür es gute Gründe gibt), müßte für die ärztliche Praxis eine andere psy- chodiagnostische und psy- chotherapeutische Gebührenpo- sition geschaffen werden — mög- lichst bevor man die Anwendung psychiatrischer Positionen für sehr wesentliche Bereiche der

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