• Keine Ergebnisse gefunden

Archiv "Datenschutz in der ärztlichen Praxis" (02.07.1982)

N/A
N/A
Protected

Academic year: 2022

Aktie "Archiv "Datenschutz in der ärztlichen Praxis" (02.07.1982)"

Copied!
8
0
0

Wird geladen.... (Jetzt Volltext ansehen)

Volltext

(1)

Aufsätze •Notizen

Heft 26 vom 2. Juli 1982

Datenschutz in der ärztlichen Praxis

Gustav Osterwald*)

Referat bei der Arbeitstagung

des Plenums des 85. Deutschen Ärztetages in Münster

Eine Übersicht über die verschiedenen Bereiche und Möglichkeiten der Daten- nutzung und des Datenschutzes in der ärztlichen Praxis gab Dr. Gustav Oster- wald (Oldenburg) in seinem Referat zum Tagesordnungspunkt 1 des 85. Deut- schen Ärztetages Foto: Bohnert-Neusch

Es liegt Ihnen ein Thesenpapier mit Empfehlungen zur Beachtung der ärztlichen Schweigepflicht bei der Verarbeitung personenbezo- gener Daten in der ärztlichen Be- rufsausübung vor, das die Grund- lage meines Referates bildet. Sie wollen deshalb den Begriff „ärztli- che Praxis" so verstehen, daß hiermit der gesamte Bereich der ärztlichen Berufsausübung ge- meint ist und angesprochen wer- den soll.

Das Thesenpapier wurde von ei- nem Arbeitskreis erstellt, dem vor- zusitzen ich die Ehre hatte.

Ärztliche Schweigepflicht und Da- tenschutz greifen aufgrund der immer stärker gewordenen Ab- hängigkeit des einzelnen Bürgers von den Einrichtungen unseres sozialen Rechtsstaates so weit in- einander über, daß ich sie in die- sem Referat nebeneinander, zum Teil sogar gleichzeitig, abhandeln muß. Der Sozialstaat bietet seinen Bürgern ein noch vor wenigen Jahrzehnten nicht gekanntes Maß an Schutz vor den Wechselfällen des Lebens; er nimmt ihnen aber auf der anderen Seite einen Teil der individuellen Freiheit, indem er die Gewährung von Soziallei- stungen von der Hergabe persönli- cher Daten abhängig macht.

Im Gesundheitsbereich fallen die- se Daten dort an, wo der Bürger zum Patienten wird oder sich sei- ne Berechtigung für die Inan- spruchnahme von Sozialleistun-

gen nach den Spielregeln der so- zialen Sicherung attestieren las- sen muß, nämlich beim Arzt. So sind wir Ärzte in eine Situation ge- raten, in der es immer schwieriger wird, die intime Patient-Arzt-Be- ziehung von äußeren Einflüssen freizuhalten, wobei auch der Ge- setzgeber durch Meldepflichten im Interesse der Allgemeinheit auf diese persönliche Beziehung be- reits in erheblichem Umfange ein- gewirkt hat. Diese Schwierigkeiten haben sich durch einen nahezu umfassenden Einsatz der elektro- nischen Datenverarbeitung so sehr verstärkt, daß viele Ärzte sich in ihrer eigentlichen Tätigkeit durch eine überwuchernde Sozial- bürokratie bereits behindert se- hen. So wird das Anliegen ver- ständlich, der Deutsche Ärztetag möge durch Verabschiedung ei- ner Empfehlung den vielen betrof- fenen Ärzten eine Entscheidungs- hilfe geben, die diese dann im In- teresse der Patienten anwenden können.

Nur wenn der Patient sicher sein kann, daß sein Arzt über das ihm Anvertraute Schweigen bewahrt, kann er sich ihm mit seinen ge- sundheitlichen oder persönlichen Problemen anvertrauen. Nur wenn der Arzt um die sozialen und psy- chischen Umstände einer Erkran-

*) Dr. med. Gustav Osterwald, Arzt für Hals-, Nasen-, Ohrenkrankheiten, Oldenburg, ist Präsident der Arztekammer Niedersachsen und zugleich Vizepräsident der Bundesärz- tekammer

Ausgabe B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 26 vom 2. Juli 1982 51

(2)

kung und die eventuellen Vorer- krankungen seines Patienten weiß, sind die wesentlichen Vor- aussetzungen für eine wirksame ärztliche Hilfe gegeben. Deshalb ist die Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht seit jeher eine der wesentlichen ethischen Grundsät- ze ärztlicher Berufsausübung.

Offenbarung nur nach Zustimmung

Die ärztliche Schweigepflicht dient dem Schutz des Patienten- geheimnisses. Eine Offenbarung dieses Patientengeheimnisses durch den Arzt kann deshalb grundsätzlich nur mit der Zustim- mung des Patienten erfolgen. Je- de Auflockerung dieses Grundsat- zes muß das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient und da- mit die Basis für wirksame ärztli- che Hilfe gefährden. Dieses Prin- zip gilt auch für die Einführung gesetzlicher Meldepflichten im In- teresse der Allgemeinheit und die im Konfliktfall notwendige Rechts- güterabwägung.

Der Datenschutz bezweckt mit sei- ner gesetzlichen Regelung die Si- cherung in Dateien erfaßter Perso- nenangaben auf Richtigkeit und Vollständigkeit und deren Schutz vor Vernichtung, Verfälschung, unbefugtem Zugriff Dritter und mißbräuchlicher Verwendung.

Ebenso wie die ärztliche Schwei- gepflicht dient er dem Schutz der Privatsphäre. Für den Arzt ergibt sich die Notwendigkeit, Schweige- pflicht und Datenschutz bei seiner Tätigkeit in Einklang miteinander zu bringen, indem

> einerseits der Arzt dasjenige, was er aufgrund seines Vertrau- ensverhältnisses zum Patienten geheimhalten muß, auch unter datenschutzrechtlichen Gesichts- punkten nicht preisgeben darf,

> andererseits dem Arzt das nach dem Recht der Schweige- pflicht befugte Offenbaren des Pa- tientengeheimnisses nicht nach dem Recht des Datenschutzes ver- boten werden kann.

Deshalb setzen die Datenschutz- gesetze, soweit sie medizinische Daten betreffen, die Anforderun- gen an die befugte Weitergabe personenbezogener Daten mit den Anforderungen an die ärztliche Schweigepflicht gleich; sie erle- gen diese Anforderungen auch denjenigen Personen und Stellen auf, die von einem Arzt befugt per- sonenbezogene Gesundheitsda- ten erhalten haben, wie etwa die Sozialversicherungsträger. Nur so kann der Schutz des Patientenge- heimnisses auch bei einer recht- mäßigen Datenweitergabe durch den Arzt in allen Phasen der Da- tenverarbeitung erhalten bleiben.

Unverzichtbar ist dabei eine stren- ge Zweckbindung des Datenemp- fängers bei der Datenverarbeitung an die ursprüngliche Zweckset- zung, unter der ihm oder bereits einem Vorempfänger diese Daten von einem Arzt übermittelt worden sind. Das bedeutet, daß der Emp- fänger diese Daten ohne Zustim- mung des Patienten nicht für an- dere Zwecke verwenden darf, als sie vom übermittelnden Arzt be- stimmt worden sind.

Die Verpflichtung des Arztes zur Wahrung des Patientengeheimnis- ses gilt auch in seiner Beziehung zu anderen Ärzten oder zu Ange- hörigen anderer Gesundheitsbe- rufe, das heißt, daß auch unter Schweigepflichtigen die Schwei- gepflicht bestehenbleibt, es sei denn,

> der Patient hat ausdrücklich oder stillschweigend seine Einwil- ligung in die Weitergabe von Da- ten, zum Beispiel in einem Team behandelnder Ärzte oder an nach- oder vorbehandelnde Ärzte, ge- geben

> oder Assistenzärzte oder Ange- hörige der medizinischen Assi- stenzberufe werden im Verantwor- tungsbereich eines Arztes tätig, der dann auch

> — von höchstpersönlich anver- trauten Geheimnissen abgesehen, über die Einhaltung der Schweige-

pflicht durch seine Mitarbeiter zu entscheiden hat.

Das Patientengeheimnis muß auch gegenüber Personen ge- wahrt werden, die, weil sie in einer Behörde, einem Krankenhaus oder anderen öffentlichen Einrich- tungen tätig sind, zur Amtsver- schwiegenheit verpflichtet sind.

Die Amtsverschwiegenheit kann in keinem Fall die ärztliche Schwei- gepflicht ersetzen, denn letztere -ist an die Person des Arztes ge-

bunden und gilt gegenüber jeder- mann, auch gegenüber dem Dienstvorgesetzten. Die Amtsver- schwiegenheit dagegen gilt nur im Verhältnis einer Behörde oder Dienststelle gegenüber Dritten, nicht jedoch innerhalb dieser Be- hörde.

Ratschläge für die ärztliche Praxis

Nach dieser Auflistung einiger Grundsätze zum Thema befasse ich mich nun mit den Auswirkun- gen des vorgelegten Thesenpa- piers auf einzelne Bereiche ärztli- cher Berufsausübung.

Der niedergelassene Arzt wird in seiner Praxis mit einer Vielzahl von Auskunftsersuchen überzo- gen, die von Versicherungen, Krankenkassen, Arbeitgebern, Be- hörden oder anderen Stellen an ihn gerichtet werden. Seine Hono- rarabrechnung geht in der Regel nicht an den Patienten selbst, son- dern über die Kassenärztliche Ver- einigung an die Krankenkassen, und seine Privatliquidation wird oft unter Zuhilfenahme der Privat- ärztlichen Verrechnungsstelle er- stellt, um dann vom Patienten der privaten Krankenversicherung oder der Beihilfestelle vorgelegt zu werden. Dadurch wird eine grö- ßere Zahl nichtärztlicher Personen mit Patientendaten bekannt.

Der niedergelassene Arzt muß vor allem dafür Sorge tragen, daß sei- ne Mitarbeiter in der Praxis ausrei- chend über die Bestimmungen der Schweigepflicht informiert und in regelmäßigen Zeitabständen auch

52 Heft 26 vom 2. Juli 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B

(3)

überwacht werden. Auskünfte an Dritte dürfen nur durch ihn selbst oder in seinem ausdrücklichen Auftrag durch einen Mitarbeiter erteilt werden.

Krankengasch ichten und Patien- tenunterlagen müssen in der Pra- xis so aufbewahrt werden, daß ein unberechtigter Zugriff Dritter und eine mißbräuchliche Verwendung unmöglich sind. Dazu gehört z. B., daß die Patientenkarteien außer- halb der aktuellen Zugriffsnotwen- digkeit verschlossen gehalten werden müssen.

Wenn die Abrechnung der Privatli- quidationen über eine Privatärztli- che Verrechnungsstelle erfolgt, ist der Patient darüber in sachge- rechter Weise zu informieren.

Grundsätze für die Datenübermittlung

ln einigen Arztpraxen werden be- reits EDV-Anlagen eingesetzt, bei denen die Bestimmungen des Da- tenschutzgesetzes im Sinne der organisatorischen und techni- schen Datensicherung streng ein- gehalten werden müssen.

Vor jeder Auskunftserteilung ge- genüber einem Dritten muß vom Arzt sorgfältig geprüft werden, ob eine wirksame Entbindungserklä- rung des Patienten vorliegt, ob ge- setzliche Meldepflichten oder im Einzelfall ein höherwertiges Rechtsgut die AuskunftserteilunQ ohne Einwilligung des Patienten rechtfertigen.

Vor der Weitergabe von Informa- tionen über Patienten an anfra- gende Personen oder Institutio- nen sollten vom niedergelassenen Arzt folgende Grundsätze beach- tet werden:

(> Erklärungen des Patienten in

allgemeinen Geschäftsbedingun- gen von Versicherungen oder auf gesonderten Formularen von Be- hörden, mit denen vorbehandeln- de Ärzte pauschal von der Schwei- gepflicht entbunden werden sol- len, rechtfertigen eine Auskunfts-

erteilung durch den Arzt nur dann, wenn sie ganz offensichtlich im Interesse des Patienten, z. B. zur Begründung eines von diesem selbst gestellten Antrages, liegen.

Hat der Arzt Zweifel, ob sich der Patient über die Tragweite seiner Entscheidung und den Umfang der von ihm geforderten Informa- tion im klaren ist, so muß er eine aktualisierte und auf ihn persön- lich ausgestellte Entbindungser- klärung des Patienten verlangen.

(> Grundsätzlich rechtfertigen

Auskunftsersuchen öffentlicher Stellen, wie zum Beispiel Polizei, Versorgungseinrichtungen, So- zialhilfestellen, Krankenkassen, Rentenversicherungsträger, eine entsprechende Auskunftsertei- lunQ durch den Arzt nicht schon deswegen, weil sie von Amts we- gen erfolgen. Auch gegenüber öf- fentlichen Stellen und Institutio- nen besteht für den Arzt die:

Schweigepflicht, soweit keine ge- setzliche Mitteilungsverpflichtung vorliegt. Wenn eine gesetzliche Mitteilungspflicht nicht besteht, darf die Auskunft nur nach Entbin- dung von der Schweigepflicht durch den Patienten oder- im be- sonderen Einzelfall- zur Wahrung eines höherwertigen Rechtsgutes erfolgen.

(> Wenn sich ein Patient unter

Vorlage des Berechtigungsschei- nes eines Sozialversicherungsträ- gers in die Behandlung eines Arz- tes begibt, unterwirft er sich damit den Bestimmungen der Sozialver- sicherung und erklärt so schlüssig seine Zustimmung in die Weiter- gabe derjenigen Daten, die vom Leistungsträger zur Abrechnung und Überprüfung der vom Arzt er- brachten Leistungen benötigt werden.

Nur in diesem Umfange und für diesen Zweck ist dann die Weiter- gabe von Angaben und Unterla- gen über die Krankheit des Patien- ten und die zu ihrer Diagnose und Therapie erbrachten Leistungen gerechtfertigt. Damit verbietet sich die Weitergabe von Arztbrie- fen oder anderen Aufzeichnun-

gen, die dem internen ärztlichen Informationstausch oder als Ge- dächtnisstütze des Arztes dienen, an den Sozialleistungsträger.

Alle Angaben, die nicht zur Über- prüfung der Leistungspflicht be~

nötigt werden, sondern die z. B.

zur Geltendmachung von Scha- densersatzansprüchen und für an- dere Zwecke gefordert werden, bedürfen einer ausdrücklichen Entbindung von der Schweige- pflicht durch den Patienten.

Auskünfte gegenüber dem Ver- trauensärztlichen Dienst sind auch ohne Einwilligung des Versi- cherten insoweit gerechtfertigt, als die Krankenkasse diese Aus- künfte zur Überprüfung ihrer Lei- stungspflicht benötigt.

Der Patient hat das Sagen

Ich habe schon ausgeführt, daß die Schweigepflicht des Arztes grundsätzlich auch gegenüber seinen Kollegen besteht. Im Rah- men einer Behandlungskette, in der der Patient zur Abklärung der Diagnose oder zur Mit- und Wei- terbehandlung an einen anderen Arzt überwiesen wird, kann davon ausgegangen werden, daß der Pa- tient mit der Weitergabe der erfor- derlichen Informationen unter den vor- und nachbehandelnden Ärz- ten einverstanden ist, weil dies in der Regel in seinem Interesse ge- schieht und weil er nicht aus- drücklich widerspricht. Wenn sich aus der Art der Daten oder aus anderen Umständen Zweifel an der Zustimmung des Patienten er- geben, muß sein Einverständnis für die Weitergabe der Informatio- nen an den vor- oder nachbehan- delnden Arzt eingeholt werden.

..,.. Träger des Patientengeheim- nisses ist nur der Patient selbst.

Auch die Information seiner Ange- hörigen bedarf daher grundsätz- lich seiner Zustimmung, auf die nur dann verzichtet werden darf, wenn die Information der Angehö- rigen ganz offensichtlich im Inter- esse des Patienten I iegt. [>

Ausgabe B DEUTSCHES ARZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 26 vom 2. Juli 1982 55

(4)

Ich betone noch einmal: das Ver- trauen eines Patienten in die Ver- schwiegenheit seines Arztes wird nur dann erhalten bleiben, wenn jedes Offenbaren geheimhal- tungspflichtiger Tatsachen gegen- über Dritten von der Zustimmung des Patienten abhängig ist. Abge- sehen von den wenigen im öffent- lichen Interesse gesetzlich gere- gelten Mitteilungspflichten, muß jedoch für den Arzt auch die Mög- lichkeit gegeben sein, zur Wah- rung eines höherrangigen Rechts- gutes — unter Umständen sogar gegen den Willen des Patienten — sein Schweigen zu brechen. Für diese ärztliche Entscheidung müs- sen sehr strenge Kriterien ange- legt werden. Im konstruierten, aber durchaus realistischen Fall, bei der Feststellung von Verkehrs- untauglichkeit, rechtfertigt nur ei- ne konkrete Gefährdung anderer Personen die Meldung an die Stra- ßenverkehrsbehörde. Die mögli- che Eigengefährdung des Patien- ten reicht für die Durchbrechung der Schweigepflicht nicht aus, es sei • denn, infolge alters- oder krankheitsbedingter Einschrän- kung seiner Willensfähigkeit ist er nicht in der Lage, seine Angele- genheit selbst wahrzunehmen.

Zum Komplex „Schweigepflicht und Datenschutz im Kranken- haus":

In der stationären Krankenhausbe- handlung tritt die Institution Kran- kenhaus gegenüber dem Patien- ten als Vertragspartner auf. Da- durch wird jedoch die Verpflich- tung des Krankenhausarztes zur Wahrung der Schweigepflicht nicht beeinträchtigt. Der Kranken- hausträger argumentiert dem Krankenhausarzt gegenüber oft damit, daß er zur Amtsverschwie- genheit verpflichtet sei und des- halb der Arzt ihm das Patientenge- heimnis anvertrauen könne.

Ich habe schon an früherer Stelle ausgeführt, daß die ärztliche Schweigepflicht durch die Amts- verschwiegenheit nicht ersetzt werden kann. Die Schweigepflicht des Krankenhausarztes besteht

vielmehr auch gegenüber anderen Krankenhausbediensteten, soweit sie nicht als seine berufsmäßig tä- tigen Gehilfen in die Schweige- pflicht einbezogen sind. Da im Krankenhaus die ärztliche Be- handlung in aller Regel durch ein Team aus Ärzten und Hilfsperso- nal erfolgt und innerhalb dieses Teams zur Sicherung des Behand- lungserfolges ein Informations- austausch erfolgen muß, darf man dieses Behandlerteam, soweit es die Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht betrifft, als eine Einheit ansehen. Allerdings hat der Arzt, dem ein Patient höchst- persönlich etwas anvertraut, dar- über Schweigen zu bewahren.

Organisatorische Voraussetzungen

Aus dem Gesagten ergibt sich, daß der Krankenhausarzt bezüglich der Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht grundsätzlich die gleichen Pflichten wie ein nieder- gelassener Arzt hat, er muß jedoch zusätzlich folgende Besonderhei- ten beachten:

Da die ärztliche Schweigepflicht im Krankenhaus auch gegenüber der Krankenhausverwaltung und den Organen des Krankenhausträ- gers besteht, muß durch geeigne- te organisatorische und techni- sche Maßnahmen gewährleistet sein,

> daß eine strenge Abgrenzung der in die Schweigepflicht einbe- zogenen Patientenunterlagen von den Abrechnungsunterlagen der Krankenhausverwaltung erfolgt,

1> daß der Zugang zu den der Schweigepflicht unterliegenden Patientenunterlagen nur der Arzt beziehungsweise seine berufsmä- ßig tätigen Gehilfen haben

> und daß die Weitergabe perso- nenbezogener Informationen aus den Patientenunterlagen an den Krankenhausträger nur in dem Umfang erfolgt, in dem diese zur Abrechnung der Krankenhauslei- stung erforderlich sind.

Der Krankenhausträger hat gegen- über dem Sozialleistungsträger die Verpflichtung übernommen, Auskünfte über Krankenhauspa- tienten zu erteilen, soweit sie der Überprüfung der Leistungspflicht des Kostenträgers dienen. Dies bedeutet keine Entbindung des Krankenhausarztes von seiner persönlichen Schweigepflicht. Er muß auch in solchen Fällen prü- fen, ob bei weitergehenden Infor- mationsanforderungen seine Ent- bindung von der Schweigepflicht durch den Patienten wirksam er- folgt ist oder ob zumindest eine sich aus dem Versicherungsver- hältnis des Patienten schlüssig er- gebende Einwilligung in die Ertei- lung der angeforderten Auskünfte vorliegt.

Die im Krankenhaus tätigen Be- rufspsychologen, Sozialarbeiter und Krankenhausseelsorger un- terliegen einer eigenständigen be- ruflichen Schweigepflicht. Ein gegenseitiger Informationsaus- tausch mit den Ärzten muß des- halb durch Einwilligung des Pa- tienten gedeckt sein. Von dieser Einwilligung des Patienten ist aus- zugehen, wenn Psychologen und Sozialarbeiter in das Behand- lungsteam integriert sind und un- mittelbar mit dem Patienten in Kontakt stehen. Am Krankenhaus tätige Laienhelfer müssen aus- drücklich zur Wahrung des Pa- tientengeheimnisses verpflichtet werden, wenn sie im Rahmen der ärztlichen Betreuung eingesetzt sind.

In der Mehrzahl der Fälle werden mehrere Patienten in einem Kran- kenzimmer untergebracht. Schon diese Tatsache führt zu einer Ver- letzung der Intimsphäre. Es darf nicht zusätzlich zu einer Aushöh- lung des Patientengeheimnisses dadurch kommen, daß das ärztli- che Gespräch mit den Patienten nur im Beisein der anderen Kran- ken geführt wird. In jedem Kran- kenhaus muß die Möglichkeit be- stehen oder geschaffen werden, mit den Patienten ohne Gegen- wart anderer Personen vertraulich zu sprechen.

56 Heft 26 vom 2. Juli 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe B

(5)

Auch die betriebsärztliche Tätig- keit hat ihre eigenen Probleme mit der Wahrung der ärztlichen Schweigepflicht. Nach dem Ar-

beitssicherungsgesetz sind zwar

Betriebsärzte bei der Anwendung ihrer arbeitsmedizinischen Sach- kunde weisungsfrei und nur ihrem ärztlichen Gewissen unterworfen und damit an die Regeln der ärztli- chen Schweigepflicht gebunden, aber in der Praxis zeigt sich doch häufig ein beträchtlicher Druck nichtärztlicher Interessenten und Institutionen auf die Betriebsärzte mit dem Ziel, die ärztliche Schwei- gepflicht aufzuweichen.

Deshalb müssen die über die Ar- beitnehmer im Betrieb geführten Gesundheitsakten unter Verant-

wortung des Betriebsarztes so

aufbewahrt werden, daß ein unbe- rechtigter Zugriff Dritter ausge- schlossen ist. Aus diesen ärztli- chen Unterlagen darf der Betriebs- arzt Auskünfte nur dann erteilen, wenn er vom Arbeitnehmer von der Schweigepflicht entbunden wurde oder aber eine gesetzliche Vorschrift besteht, die eine Offen- barungspflicht beinhaltet. Dies gilt selbstverständlich besonders ge- genüber dem Arbeitgeber und dem Betriebsrat, aber auch gegen- über der Betriebskrankenkasse und der Berufsgenossenschaft als gesetzliche Unfallversicherung.

Arbeitsmedizin und Prävention

Die gesetzlich vorgeschriebenen arbeitsmedizinischen Vorsorgeun- tersuchungen und Einstellungs- untersuchungen dienen zum ei- nen dem vorbeugenden Gesund- heitsschutz der Arbeitnehmer und sollen zum anderen dem Arbeitge- ber eine Grundlage für seine Ent- scheidung über die Beschäftigung eines Arbeitnehmers an einem be- stimmten Arbeitsplatz, seine Wei- terbeschäftigung an diesem Ar- beitsplatz oder seine Eignung für einen anderen Arbeitsplatz liefern.

Wenn sich ein Arbeitnehmer in Kenntnis dieser Zielsetzung einer solchen arbeitsmedizinischen Un-

tersuchung unterzieht, willigt er

damit stillschweigend in die Wei-

tergabe des Untersuchungsergeb- nisses an den Arbeitgeber ein.

Diese Einwilligung berechtigt je- doch den Betriebsarzt nicht, die erhobenen medizinischen Einzel- befunde ohne ausdrückliche Ein- willigung des Arbeitnehmers wei- terzugeben, und er sollte ihn zu einer solchen Einwilligung auch nicht ermutigen oder veranlassen. Für eine erfolgreiche betriebsärzt- liche Betreuung des Arbeitneh- mers ist die Zusammenarbeit mit dessen Hausarzt und ein gegen- seitiger Informationsaustausch der Ärzte von großem Wert für die Gesunderhaltung des Arbeitneh- mers. Grundsätzliche Vorausset- zung für einen solchen Informa- tionsaustausch ist aber die Entbin- dung des Betriebsarztes bzw. des Hausarztes von der Schweige- pflicht durch den betroffenen Patienten oder Arbeitnehmer. Aus- nahmen können sich lediglich aus gesetzlich verankerten Melde-

pflichten oder aus der Pflicht des

Arztes zur Rechtsgüterabwägung ergeben.

Besondere Aufmerksamkeit ist am Platze, wenn in einem Betrieb eine eigene Betriebskrankenkasse be- steht. ln diesem Falle muß durch geeignete organisatorische und technische Maßnahmen gewähr- leistet sein, daß die Führung der Gesundheitsakten unter der Ver- antwortung des Betriebsarztes streng getrennt bleibt von den Versicherungsakten der Betriebs- krankenkasse und ein gegenseiti- ger Datenaustausch nur nach Ent- bindung des Betriebsarztes von der Schweigepflicht bzw. nach der Entbindung der Betriebskranken- kasse von ihrer Amtsverschwie- genheitspflicht erfolgt.

Für die Weitergabe personenbezo- gener Gesundheitsdaten an die Berufsgenossenschaft gibt es ein- deutige gesetzliche Regelungen im Rahmen der Meldung von Be- rufskrankheiten im Interesse des Arbeitnehmers. Vom Unfallversi-

cherungsträger verfolgte For- schungsvorhaben dürfen nicht mit personenbezogenen Arbeitneh- merdaten durchgeführt werden, ohne daß eine Einwilligung der Betroffenen eingeholt wurde. ln der Regel kann die epidemiologi- sche Forschung über Ursachen von Erkrankungen am Arbeitsplatz mittels anonymisierter Daten er- folgen.

..". Deshalb sind auch die im Ent- wurf eines Arbeitsschutzgesetzes vorgesehenen Meidepflichten und -befugnisse zu Forschungszwek- ken abzulehnen.

Arbeiten mehrere Betriebsärzte in einem arbeitsmedizinischen Dienst zusammen, so ist unter ih- nen ein Informationsaustausch nur in dem Umfang gerechtfertigt, wie es die kontinuierliche Betreu- ung der Arbeitnehmer erfordert.

Das gleiche gilt für den Einsatz von Assistenzpersonal in der ar- beitsmedizinischen Betreuung.

Auch im

öffentlichen Dienst

Auch im öffentlichen Dienst hat es häufig Schwierigkeiten bei der An- wendung der ärztlichen Schweige- pflicht gegeben, besonders in den Bundesländern, wo die Gesund- heitsämter kommunalisiert und disziplinarisch den Hauptverwal- tungsbeamten unterstellt wurden. Schweigepflicht und Amtsver- schwiegenheit sind nicht gegen- einander austauschbar, und des- halb besteht ohne jeden Zweifel auch im öffentlichen Dienst eine Schweigepflicht des beamteten Arztes gegenüber seinem Dienst- herrn. Daher dürfen die vom be- amteten Arzt geführten Gesund- heitsakten keineswegs dem direk- ten Zugriff des Dienstherrn offen- stehen. Der beamtete Arzt ist we- gen seiner Schweigepflicht gehal- ten, die notwendigen organisatori- schen und technischen Maßnah- men zu treffen, die einen unbefug- ten Zugriff Dritter auf diese Akten ausschließen. Bei der Wahrneh- mung gesetzlicher Aufgaben kann

58 Heft 26 vom 2. Juli 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe B

(6)

es notwendig sein, daß der beam- tete Arzt Mitteilungen über ärztli- che Untersuchungen an den Dienstherrn oder an andere befug- te Stellen abgeben muß. Diese Mit- teilungen müssen sich auf das Un- tersuchungsergebnis beschrän- ken und dürfen keine Einzelbefun- de beinhalten. Dasselbe gilt grundsätzlich auch bei Amtshil- feersuchen anderer öffentlicher Stellen, soweit es sich nicht um die Beauftragung als gerichtlich bestellter Sachverständiger zur Erstellung eines ärztlichen Fach- gutachtens handelt.

Konfliktpunkt:

Die Forschung

Bei den Beratungen im Arbeits- kreis zur Erstellung des Thesenpa- piers kam es zu eingehenden Dis- kussionen über die Frage der ärzt- lichen Schweigepflicht in der me- dizinischen Forschung.

Hier bewegen wir uns als Ärzte zwischen zwei Polen, nämlich ein- mal - und, wie ich meine, ganz vorrangig -der Wahrung des Pa- tientengeheimnisses als funda- mentale ärztliche Verpflichtung und zum anderen der Notwendig- keit, für die medizinische For- schung, die dem allgemeinen Wohl dienen soll, die notwendigen Daten zur Verfügung zu stellen.

Sie finden in der These 7 des Pa- piers den Satz: "Forschungsvor- haben sind kein höherwertiges Rechtsgut als der Geheimnis- schutz des Individuums." Diese Feststellung erscheint mir wichtig für die bei der Planung und Durch- führung von wissenschaftlichen Forschungsvorhaben notwendige Abwägung über Art und Umfang der Datenerfassung.

..,.. Grundsätzlich dürfen in der medizinischen Forschung perso- nenbezogene Daten nur aufgrund gezielter wissenschaftlicher Fra- gestellungen verarbeitet werden. Dabei darf ~ie Datenerfassung und die Datenspeicherung nur in dem Umfang erfolgen, der zur Er- reichung des Forschungszieles unbedingt erforderlich ist. Die ge-

speicherten Daten können wissen- schaftlich und rechtlich unbe- denklich nur für diejenigen Zwek- ke verwendet werden, für die sie gezielt erhoben worden sind. Die Verwendung von Daten für andere als die ursprünglichen Erhebungs- zwecke ist wissenschaftlich nur dann vertretbar, wenn die neue Fragestellung mit dem Entste- hungszusammenhang der Daten vergleichbar ist. ln jedem Falle ist eine ungezielte Erhebung und Speicherung von Daten, nur um sie für später zu bestimmende Zwecke zur Verfügung zu haben, strikt abzulehnen.

Die Übermittlung personenbezo- gener Daten durch den behan- delnden Arzt an einen anderen Arzt oder an eine Forschungsein- richtung zum Zwecke der medizi- nischen Forschung unterliegt vor- rangig dem Gebot der ärztlichen Schweigepflicht. Datenschutz- rechtliche Vorschriften rangieren hierbei an zweiter Stelle. Dement- sprechend dürfen personenbezo- gene Daten grundsätzlich auch zum Zwecke der medizinischen Forschung nur mit Zustimmung der betroffenen Patienten oder Probanden an Forschungseinrich- tungen weitergegeben werden.

Die Weitergabe personenbezoge- ner Daten an Forschu ngseinrich- tungen ist ohne ausdrückliche Einwilligung grundsätzlich nicht zu rechtfertigen. Es wird sich nicht vermeiden lassen, daß der Arzt mit dieser Frage in Konfliktsituationen gerät, in denen er nach seinem ärztlichen Gewissen eine Güterab- wägung zwischen den Individual- rechten der Patienten und der Be- deutung des angestrebten For- schungszieles für die Allgemein- heit vornehmen muß. Dabei hat er die volle Verantwortung für sein Handeln zu tragen.

Bei der Verarbeitung nicht perso- nenbezogener anonymisierter und insbesondere statistischer Daten wird die ärztliche Schweigepflicht nicht tangiert und auch den daten- schutzrechtlichen Vorschriften Genüge getan. Die Anonymisie-

rung der Daten muß jedoch so sorgfältig durchgeführt werden, daß keine Rückschlüsse auf be- stimmte Personen möglich sind und daß die Wiederherstellung des Personenbezuges nur mit ei- nem unverhältnismäßig hohen Aufwand erfolgen könnte.

Gesetzliche Melderegelungen

Lassen Sie mich nur noch einige Ausführungen zu den gesetzli- chen Melderegelungen machen, durch die der Gesetzgeber die ärztliche Schweigepflicht bereits aufgelockert hat. Es gibt schon gesetzliche Regelungen, zum Bei- spiel das Bundesseuchengesetz, durch welche der Arzt verpflichtet oder berechtigt ist, bestimmte Un- tersuchungsergebnisse oder Er- krankungen an eine staatliche Stelle zu melden. Ohne Zweifel wird für die von dieser Mitteilungs- pflicht betroffenen Personen das Vertrauensverhältnis zwischen Pa- tient und Arzt bereits gestört. Wir Ärzte müssen uns deshalb dage- gen wenden, daß durch neue ge- setzliche Mitteilungsregelungen dieser Prozeß fortgeführt wird, wie z. B. im Entwurf des Arbeits- schutzgesetzes, wenn nicht ganz gewichtige Gründe im Interesse des Gemeinwohles dies rechtfer- tigen.

Ich nannte bereits die Meldepflicht nach den Bestimmungen des Seu- chengesetzes, die zweifellos auch aus der Sicht der Ärzteschaft ge- rechtfertigt ist. Sehr zu rückhal- tend ist jedoch die Einführung ei- ner gesetzlichen Mitteilungs-

pflicht für Behinderungen und

Kindesmißhandlungen zu beurtei- len, weil hier keine unmittelbare und konkrete Gefahr für die Allge- meinheit oder einzelne besteht und weil sie die Betroffenen bzw. Erziehungsberechtigten aus Furcht vor der Meldepflicht von einem dringend erforderlichen Arztbesuch abhalten könnte. Miß- handelte Kinder würden in einem solchen Fall mit Sicherheit kaum noch in ärztliche Behandlung kommen. Gerade beim Problem

Ausgabe B DEUTSCHES ARZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 26 vom 2. Juli 1982 59

(7)

der Kindesmißhandlungen ist es aber die Aufgabe des Arztes zu prüfen, ob nach gewissenhaf- ter Rechtsgüterabwägung eine Durchbrechung der Schweige- pflicht zum Schutze des Kindes gerechtfertigt ist.

Bei der Beantragung von Sozial- leistungen durch Sozialversicher- te, die nach dem Gesetz eine Mit- wirkungspflicht bei der Informa- tion des Leistungsträgers haben, die auch eine Zustimmung in die Erteilung der erforderlichen Aus- künfte durch Dritte und damit auch durch behandelnde Ärzte umfaßt, ist es keineswegs notwen- dig, zugunsten der Sozialversiche- rungsträger noch weitergehende Mitteilungspflichten für die Versi- cherten gesetzlich einzuführen. Es muß vielmehr jedem Versicherten freistehen, entweder seiner Mit- wirkungspflicht durch die Ertei- lung einer entsprechenden Ent- bindungserklärung von der ärztli- chen Schweigepflicht nachzu- kommen oder aber auf eine von ihm beantragte Sozialleistung zu verzichten, wenn er Informationen aus seiner Privatsphäre nicht er- teilen will. Dies ist sein gutes Recht.

Patientengeheimnis auch nach dem Tode

Es ist nicht allgemein bekannt, daß das Patientengeheimnis auch nach dem Tode sowohl des Pa- tienten als auch nach dem Tode des schweigepflichtigen Arztes weiter geschützt ist. Daraus ergibt sich, daß der Arzt nach dem Tode des Patienten auch dessen Ange- hörigen gegenüber zur Verschwie- genheit verpflichtet bleibt, es sei denn, daß eine Auskunft an die nächsten Angehörigen und Erben dem mutmaßlichen Willen des Verstorbenen entspricht. Außer- dem besteht die Verpflichtung des Arztes zur Wahrung der Schweige- pflicht auch nach seinem eigenen Tode fort und muß auch von dem, der die Patientenunterlagen aus seinem Nachlaß oder von ihm selbst erlangt hat, gewahrt wer- den. Aus den beiden genannten

Verpflichtungen ergeben sich häufig Schwierigkeiten, wenn Ver- sicherungsträger nach dem Tode des Patienten oder des Arztes Aus- künfte von der Stelle verlangen, die die Patientenunterlagen in Verwahrung hat. Es ist die Aufga- be der Ärztekammer, sachverstän- dige Hilfe bzw. Mitwirkung für eine die Schweigepflicht einhaltende Aufbewahrung von Patientenun- terlagen zu gewähren.

Die automatisierte Datenverarbei- tung stellt besondere Anforderun- gen an die Schweigepflicht. So- weit die gesetzlichen Regelungen zum Datenschutz sich mit der Zu- lässigkeit der Weitergabe von per- sonenbezogenen Patientendaten befassen, besteht praktisch die gleiche Situation wie bei den An- forderungen an die ärztliche Schweigepflicht. Dies gilt auch beim Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung in der Arztpra- xis oder im Krankenhaus zur Spei- cherung von Patientenunterlagen.

Beim Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung muß jedoch der Arzt in ganz besonderem Maße darauf achten, daß die in den Da- tenschutzgesetzen und in den er- gänzenden Verwaltungsvorschrif- ten gestellten Anforderungen an die technische Datensicherung und an die Maßnahmen zur Ver- hinderung eines unberechtigten Zugriffs Dritter sowie einer miß- bräuchlichen Verwendung gespei- cherter Daten unter seiner Verant- wortung erfüllt werden. Bei einer Beschäftigung von mehr als fünf Mitarbeitern in der Datenverarbei- tung ist ein interner Datenschutz- beauftragter zu bestellen.

Wenn der Arzt personenbezogene Patientendaten an öffentliche oder private Stellen befugt weiter- gegeben hat, so endet damit seine ärztliche Schweigepflicht. Das Be- dürfnis des Patienten auf Schutz seiner Privatsphäre ist damit je- doch noch keineswegs beendet.

Der Patient muß vielmehr erwarten können, daß auch diejenigen Stel- len, die von einem Arzt entweder mit seiner Einwilligung oder auf-

grund gesetzlicher Vorschriften oder in Wahrung eines höherran- gigen Rechtsgutes personenbezo- gene Angaben über ihn erhalten haben, das Patientengeheimnis ebenso wahren wie der Arzt. Dabei muß der Patient zwar akzeptieren, daß an die Stelle der ärztlichen Schweigepflicht eine Amtsver- schwiegenheit der empfangenden Behörde tritt, die im erforderli- chen Umfang einen Informations- austausch innerhalb dieser Behör- de zuläßt.

Zweckbestimmung beachten!

Es muß jedoch bei der Verarbei- tung derart sensibler personenbe- zogener Gesundheitsdaten durch alle öffentlichen Stellen zur Wah- rung der grundrechtlich geschütz- ten Privatsphäre gewährleistet sein, daß die Zweckbestimmung, unter der sie diese Daten von ei- nem Arzt oder durch den Versi- cherten selbst erhalten haben, streng eingehalten wird und eine Datenverarbeitung zu anderen Zwecken von der vorherigen Zu- stimmung des Patienten abhängig gemacht wird. Die Datenspeiche- rung personenbezogener Patien- tendaten muß auf das unbedingt zur eigenen Aufgabenerfüllung notwendige Maß begrenzt werden.

Die Auskunftserteilung über per- sonenbezogene Patientendaten gegenüber anderen Stellen oder gegenüber dem Patienten selbst muß unter Verantwortung eines Arztes erfolgen, der die Auswir- kungen dieser Auskunftserteilung auf die Privatsphäre bzw. auf eine mögliche Gesundheitsgefährdung des Patienten selbst beurteilen kann.

Die gespeicherten personenbezo- genen Patientendaten müssen so- fort gelöscht werden, wenn sie zur Aufgabenerfüllung nicht mehr er- forderlich sind, und sie müssen sofort berichtigt werden, wenn sich ihre Unrichtigkeit bzw. ihre Veränderung durch zwischenzeit- liche neue Untersuchungen her- ausstellt.

60 Heft 26 vom 2. Juli 1982 79. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe B

(8)

Die gespeicherten personenbezo- genen Patientendaten müssen nach einer bestimmten Frist für die weitere Verwendung gegen- über Dritten gesperrt werden. Auf Amtshilfeersuchen anderer öffent-

licher Stellen darf nur in begrün- deten Einzelfällen und nur im un- bedingt erforderlichen Ausmaß Auskunft erteilt werden. Nur wenn die vorgenannten Anforderungen erfüllt werden, ist nach meiner Auffassung ein wirksamer Schutz des Patientengeheimnisses trotz Abhängigkeit des einzelnen von Sozial- und Versicherungsleistun- gen gewährleistet und damit das angesichts dieser Abhängigkeiten nicht mehr voll wirksame Instru- ment der Einwilligungserklärung zu stützen.

Es gehört zur der Eigenart unseres Berufes, in schwierigen Situatio- nen Ermessensentscheidungen treffen zu müssen. Dies ist — wenn Sie so wollen — Glanz und Elend der ärztlichen Tätigkeit. So kön- nen wir Ihnen mit dem vorgelegten Thesenpapier auch keine Richtli- nien vorlegen, aus denen Sie für jede Situation die richtige Verhal- tensweise ablesen können. So, wie bei der Betreuung unserer Pa- tienten, deren Wohl die Richt- schnur unseres Handelns ist, müs- sen wir die ärztliche Schweige- pflicht ganz als ein Grundrecht an- sehen, das die sich vertrauensvoll an uns wendenden Menschen uns gegenüber haben. Diesem Grund- recht räume ich einen so hohen Rang ein, daß ich ihm immer den Vorrang geben würde vor jeder gesetzlichen Regelung. Die vor- nehmste Pflicht des Arztes ist es, Schaden von seinem Patienten ab- zuwehren. Dazu gehört auch, den Patienten vor unnötigen und un- gerechtfertigten Eingriffen in sei- ne Privatsphäre zu bewahren.

Wenn wir das Ansehen der Ärzte- schaft und das Vertrauen der Be- völkerung in unseren Berufsstand erhalten wollen, müssen wir jede Anstrengung unternehmen, der drohenden, immer stärker wer- denden Aushöhlung der ärztli- chen Schweigepflicht entgegen-

zuwirken.

SPD-BUNDESPARTEITAG

Über 1100 Anträge aus den Orts-, Kreis- und Bezirksverbänden so- wie aus Arbeitskreisen und vom Vorstand hatte sich der Bundes- parteitag der SPD vom 19. bis zum 23. April in München zur Erledi- gung vorgenommen. Nur knapp die Hälfte davon schaffte man, weil es außerordentlich schwer fiel, sich in der Beschäftigungspo- litik und in der „Außen-, Friedens- und Sicherheitspolitik" soweit zu einigen, daß tragfähige Mehrhei- ten zustande kamen.

Selten in der jüngeren Geschichte haben sich die Sozialdemokraten so sehr selbst im Wege gestanden wie in der ausführlichen wirt- schafts- und sozialpolitischen De- batte um die Beschäftigungspoli- tik. Eine selbstzerfleischende Dis- kussion allerdings hatte der Bun- deskanzler schon vorab verhin- dert, indem er der Partei das Recht zuerkannte, in ihrer Meinungsbil- dung und in ihren Forderungen weiter zu gehen und weiter zu pla- nen, als in der Koalitionsregierung mit den Freien Demokraten in praktische Politik umgesetzt wer- den kann.

War damit der Antagonismus zwi- schen Partei und Regierung mo- mentan entschärft, so tat sich um so stärker der Widerstand ökono- mischer Zusammenhänge gegen- über dem wirtschafts- und sozial- politisch Gewollten der Basis auf.

Die Partei kann nach ihrem Selbst- verständnis Strukturkrisen und in- ternationale Abhängigkeiten der Wirtschaftsentwicklung nicht ak- zeptieren. Wolfgang Roth, offen- bar neuer wirtschaftspolitischer Chefdenker der Partei, griff des- halb Willy Brandts Wort vom

„Neokonservativismus" auf und formte daraus das Angriffsziel: die

„Neokapitalisten".

Wolfgang Roth charakterisierte die von der SPD zu bekämpfende Ideologie so: „Für die Neokapitali- sten gibt es zwei Ursachen für die Beschäftigungskrise. Der Faktor Kapital wird zu niedrig und der Faktor Arbeit wird zu hoch ent- lohnt. Eine überhöhte Lohnquote einerseits und die zu hohe Staats- beziehungsweise Sozialleistungs- quote andererseits haben den In- vestitionsfonds unserer Volkswirt- schaft geplündert. Volkswirtschaft ist das System von einfachen kom- munizierenden Röhren. Was hier fehlt, muß dort zu viel sein. Somit ist in dieser Ideologie logisch: wer Löhne und Staatsleistung zurück- drängt, bringt die Investitionstätig- keit wieder nach oben." Roth zeig- te sich allerdings bereit zuzuge- ben, daß nicht etwa die gegenteili- ge Ansicht die für die SPD zu ver- tretende sei. Auf alle Fälle aber müsse der Staat sehr viel stärker in seiner lenkenden Rolle gesehen werden.

Das beschäftigungspolitische Kon- zept der SPD lautet nach diesem Parteitag eindeutig: mehr Staat.

Im Leitantrag des Vorstandes, in den der Parteitag deutliche Kritik an der Geldpolitik der Bundes- bank einfügte, heißt es daher:

„Konjunkturpolitisch hat auch der Staat Verantwortung für eine aus- reichende Nachfrage zu tragen.

Öffentliche Investitionen und Aus- gaben dürfen nicht prozyklisch er- folgen und in Zeiten schwacher Wirtschaftsentwicklung gesenkt werden."

Kompromisse gibt es nach Ansicht der Partei auch nicht auf dem Be- reich der sozialen Sicherung. Im beschlossenen Leitantrag des Vorstandes heißt es dazu: „Wir setzen auf den sozialen Frieden in unserem Land, der auf einem ho-

Die „Partei der Arbeit" will Steuern und Staatsverschuldung erhöhen

Ausgabe B DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 79. Jahrgang Heft 26 vom 2. Juli 1982 61

Referenzen

ÄHNLICHE DOKUMENTE

Sowohl nach Aristoteles, der Ethik aus der Sicht der Vollendung des Menschen als Einzelindividuum in der Ge- meinschaft sieht, wie nach Thomas von Aquin, für den die Ethik

Wenn ich mindestens vier Jahre als approbierter Arzt in meinem Fachbereich tätig war, kann ich die Niederlassung beantragen: eine verlockende Perspektive, die sich mir dann mit

krankungen vorliegen und die Schnellteste auf Hämoglobin, Leuko- zytenesterase, Albumin, Nitrit und Glukose negativ ausfallen, kann hier- auf beim Screening verzichtet wer- den

In allen anderen Fällen, in denen ärztliche Entscheidung (Handeln oder auch „nur" Bera- tung und Verordnung) zu einer Be- einträchtigung der Fahrtauglichkeit geführt hat,

Im Zusammenhang mit der in den letzten Jahren intensiver gewor- denen Diskussion über den Einsatz dieser Präparate überhaupt und über einige der dabei verwandten

Das Ziel ist es, dem Arzt, der mit Krankheitserregern umgeht, den Verantwortungsbereich überschau- bar zu machen und ihm anhand der gesetzlichen Regelungen Hilfen zu geben,

Indes: Die Sorgfalts- Arzneimittel verordnen pflicht gebietet es, daß der oder alternative Therapie- Arzt den Patienten nach konzepte erwägen.. Unab- den Grundsätzen der Not-

Das von der Kassenärztlichen Bundesvereinigung im Septem- ber 1984 vorgeschlagene soge- nannte Hausarzt-Modell, das eine mindestens dreijährige praktische berufliche