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Archiv "Harnwegsdiagnostik in der ärztlichen Praxis" (04.06.1993)

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Harnwegsdiagnostik in der ärztlichen Praxis

Harnuntersuchungen sind das wichtigste diagnostische Instrument in der Beur- teilung von Erkrankungen der Niere und der ableitenden Harnwege. Schnell- teste für Hämoglobin, Granulozytenesterase, Nitrit, Albumin und Glukose ge- nügen als Screening. Beim Verdacht einer renalen Erkrankung sind Sediment- untersuchung (Zylinder, Epithelien) und der immunchemische Nachweis von Albumin und a1 -Mikroglobulin sinnvolle Basisuntersuchungen. Eine differen- ziertere Analyse der Harnproteine gibt Hinweise auf Ort und Ausmaß der Nie- renschädigung. Der akute Harnwegsinfekt sollte durch eine kulturelle Keim- zahlbestimmung (Eintauchnährböden) gesichert werden. Nur bei therapieresi- stenten chronischen und/oder rezidivierenden Infekten ist eine genaue mikro- biologische Charakterisierung unverzichtbar.

Fritz Boege l ,

Hanneliese Schmidt-Rottee und Jürgen E. Scherberich 3

ür die Früherkennung, Ver- laufsbeobachtung und Thera- piekontrolle von Erkrankun- gen der Niere und der ablei- tenden Harnwege stellt der Harn das unmittelbarste Probenmaterial dar.

Erkrankungen dieses Organsystems verlaufen regelhaft symptom- und beschwerdearm und sind bei Diagno- sestellung oft schon weit fortgeschrit- ten. Auch mit Hilfe regelmäßig kon- trollierter Serumparameter (zum Beispiel Kreatinin) lassen sich Nie- renerkrankungen erst spät erkennen.

Ihre Frühdiagnostik und damit die Gelegenheit zur rechtzeitigen thera- peutischen Intervention gelingt vor allem über die differenzierte Harn- analyse. Die Palette der Scree- ningmethoden muß durch spezielle Untersuchungsverfahren ergänzt werden, damit sämtliche sich im Harn manifestierenden Frühsympto- me mit der nötigen Sensitivität erfaßt werden können. Neuere analytische Laborverfahren ermöglichen darüber hinaus richtungweisende Daten hin- sichtlich der möglicherweise zugrun- deliegenden Nierenerkrankung. Im folgenden wird ein aktueller Über- blick über die Diagnostik renaler und postrenaler Erkrankungen aus dem Harn gegeben.

'Medizinische Poliklinik (Direktor: Prof. Dr.

med. Klaus Wilms) sowie

2lnsfitut für Hygiene und Mikrobiologie (Vorstand: Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jür- gen Heesemann), Bayerische Julius-Maxi- milians-Universität Würzburg;

3Abteilung für Nephrologie, Zentrum der Inneren Medizin (Geschäftsführender Di- rektor: Prof. Dr. med. Wilhelm Schoeppe), Johann-Wolfgang-Goethe-Universität

Frankfurt am Main

Harndiagnostische Schnellteste

Klassische Nachweisreaktionen für Harnbestandteile (nach Fehling, Legal, Griess, Wohlgemuth, Ober- meier, Sulkowitch, Esbach, Heller usw.) sind in der medizinischen Pra- xis weitgehend durch Schnellteste (Teststreifen) verdrängt, bei denen alle Komponenten der farbstoffge- koppelten Nachweisreaktionen in ei- ne trockene saugfähige Matrix inte- griert sind. Die Reaktion wird durch Harnkontakt ausgelöst. Die Farbver- änderung kann mit bloßem Auge (durch Vergleich mit einer Farbska- la) oder reflexoptometrisch ausge- wertet werden (12). Durch abgestuf- te Bewertung der Farbintensität ge- lingt eine (semi-)quantitative Inter- pretation des Reaktionsergebnisses.

Meist sind verschiedene Reaktions- zonen zu Mehrfachteststreifen kom- biniert. In der Nieren- und der Harn- wegsdiagnostik wichtige Schnelltest- Parameter sind:

1. Granulozytenesterase:

Dieses Teststreifenfeld wird üb- licherweise mit „Leukozyten" be- zeichnet. Nachgewiesen wird jedoch eine intrazelluläre Esteraseaktivität, die ausschließlich in neutrophilen

Granulozyten und Histiozyten vor- kommt. Mitreaktionen mit Esterase aus Lymphozyten, Bakterien, Sper- matozoen und Epithelzellen sind nicht bekannt. Da auch Esteraseakti- vität aus bereits lysierten Zellen er- faßt wird, gelingt der Nachweis noch mehrere Stunden nach der Harnge- winnung, wenn mikroskopisch oft keine intakten Granulozyten mehr nachweisbar sind. In frisch gelasse- nem Harn wurden sehr gute (>90 Prozent) Übereinstimmungen zwi- schen zytochemisch und mikrosko- pisch erhobenen Befunden erzielt (10). Die Empfindlichkeit reicht aus,

um

normale von suspekten und von eindeutig pathologischen Werten ab- zugrenzen (19).

2. Hämoglobin/Myoglobin:

Der Test weist die peroxidati- sche Wirkung von Hämoglobin und Myoglobin nach. Obwohl das Test- streifenfeld häufig mit „Blut" bezie- hungsweise „Ery" gekennzeichnet ist, kann prinzipiell nicht zwischen Hä- maturie, Hämoglobinurie und Myo- globinurie unterschieden werden. Je- doch können auch in gealterten Harnproben Spuren von Blut erfaßt werden, die dem mikroskopischen Nachweis entgehen würden, wenn die Erythrozyten bereits lysiert sind.

Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 22, 4. Juni 1993 (29) A1-1653

(2)

Tabelle 1: Leitproteine Proteinurie- Form

Markerproteine Vermehrt ausgeschie- den:

primäre sekundäre Glo- merulopathien:

• Glomerulonephritis (GN)

• Systemerkrankungen

• Amyloidose, etc.

• Streß, Fieber glomerulär

ohne Grö- ßenselektion

a2-Makroglobulin IgG

IgM Albumin

• Diabetische Ne-

phropathie (Stadium I)

• minimal change GN

• paraneoplastisch

• Hypertonie, etc.

glomerulär mit Größen- selektion

Albumin (isoliert)

a 1-Mikroglobulin L-Ketten (polyklonal) (32-Mikroglobulin

• Pyelonephritis (bak- teriell)

• interstitielle Nephritis

• toxische Nephropa- thie

• Analgetika-Nephro- pathie

• Fanconi-Syndrom tubulär

Hämoglobin (dimere) Myoglobin

L-Ketten (monoklonal, Bence-Jones-Proteine)

intravasale Hämolyse Rhabdomyolyse Plasmozytom

(x/X-Quotient verscho- ben)

prärenal

postrenal a2-Makroglobulin Apolipoprotein Al

Postrenale Blutung (Albumin-Quotient ver- schoben)

Tamm-Horsfall-Mukopro- tein

sekretorisches IgA

Schutzproteine:

bei Verminderung Harnwegsinfektneigung Die Sensitivität des Testes reicht bis

fast an den Normalbereich. Durch diesen Test wurde die Früh- erkennung von Mikrohämaturien er- heblich verbessert (29).

3. Proteinnachweis durch Indikatorfehler:

Von allen Plasmaproteinen, die bei Nephropathien vermehrt mit dem Harn ausgeschieden werden (Albu- min, Transferrin, IgG, (3 2-Mi- kroglobulin usw.), weist dieser Test fast ausschließlich Albumin nach.

Die häufig verwendete Bezeichnung

„Gesamteiweiß" oder „Gesamtprote- in" ist irreführend, da zum Beispiel IgG, Transferrin oder [3 2-Mikroglo- bulin nur zu 10 bis 25 Prozent erfaßt werden und Bence-Jones-Proteine auch in hohen Konzentrationen nicht zu einer Verfärbung des Reaktions- feldes führen. Aber auch die Sensiti- vität für Albumin reicht nicht aus, um geringfügig erhöhte Konzentrationen (Mikroalbuminurie) zu erfassen (5).

Ein positiver Befund deutet meist auf eine fortgeschrittene Nephropathie hin und muß ernst genommen wer- den. Spezialteststreifen mit verbes- serter Sensitivität, zum Beispiel zur Überwachung der Mikroalbumin- urie, werden neuerdings angeboten und sind hilfreich in der Eigenkon- trolle von Diabetikern (28). Soweit sie auf dem Indikatorfehlerprinzip beruhen, sind sie jedoch zum Nach- weis anderer Proteine als Albumin ungeeignet.

4. Nitrit:

Die meisten nephro-/uropatho- genen Keime reduzieren im Harn vorhandenes Nitrat zu Nitrit. In Ab- wesenheit von Bakterien wird bei normaler gemüsehaltiger Ernährung ausschließlich Nitrat mit dem Harn ausgeschieden, da das toxische Nitrit in der Leber rasch oxidiert wird (Ausnahme: Früh- und Neugebore- ne). Nitrit ist daher ein „endogener Indikator" für die bakterielle Besied- lung des Harntraktes. Die für die bakterielle Nitritbildung notwendi- gen Inkubationsbedingungen sind vor allem in der Harnblase gegeben.

Kontaminationen der Harnprobe mit Umweltkeimen und vor allem eine

längere Aufbewahrung vor der Ana- lyse führen zu falsch-positiven Resul- taten.

Der Test ist nur interpretierbar, wenn er in ganz frischen Harnproben durchgeführt wird. Aus der Reakti- onsintensität kann nicht auf die Keimkonzentrationen geschlossen werden, da Nitratgehalt und Blasen- verweildauer des Harns schwanken

(20). Der semiquantitative Nitrit- nachweis kann die kulturelle Keim- zahlbestimmung nicht ersetzen, ist isoliert betrachtet nicht geeignet, ei- nen Harnwegsinfekt ausnahmslos auszuschließen und sollte nur zusam-

men mit der Harnkultur und der Leukozytenzahl bewertet werden (13). Der Test fällt falsch-negativ aus:® bei fehlender Nitratausschei- dung.(8); 0 bei Besiedlung mit nicht nitrifizierenden Keimen, und 0 wenn bei sehr hohen Keimzahlen das Nitrit weiter zu elementarem Stick- stoff reduziert wird (20).

5. Wasserstoffionen- Konzentration:

Der pH-Wert des Harns schwankt beim Gesunden zwischen pH 4 (Fleischnahrung) und pH 8 (ve- A1 -1656 (32) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 22, 4. Juni 1993

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Tabelle 2: Harnproteine, Analyseverfahren

Verfahren Anwendung Vorteile Nachteile

Standard-Streifentest (Indikatorfehlermethode)

Screening Erfaßt nicht: tubuläre Prote-

inurie, Bence-Jones-Protein- urie, Mikroalbuminurie schnell

einfach billig Spezialteststreifen gezielte Suche

Mikroalbuminurie

schnell einfach

Erfaßt nicht: tubuläre Prote- inurie

Bence-Jones-Proteinurie qualitative Immun-

schnelltests

(z. B. Latex-Schüttel- test)

gezielte Suche nach:

—Mikroalbuminurie

— tubulärer Proteinurie

relativ schnell

kein apparativer Auf- wand

Erfaßt nicht: Bence-Jones-Pro- teinurie;

Probendurchsatz gering Gesamtproteinbestim-

mung

Screening,

Verlaufsbeobachtung

automatisierbar quantitative Analyse

je nach Methode unterschiedli- ches Proteinspektrum erfaßt.

Keine Differenzierung der Pro- teinurie

immunchemische Einzelproteinbestim- mung

(quantitativ)

Differenzierung einer Proteinurie

automatisierbar quantitative Analyse Erfassung der wesentli- chen Proteinuriefor- men

teuer

apparativ aufwendig

keine Erfassung des gesamten Proteinspektrums

SDS-PAGE Differenzierung einer Proteinurie

Molekülgrößen-orien- tierte Erfassung aller Harnproteine

Krankheitsgruppen- spezifische Muster

nicht quantifizierbar zeitintensiv

Befundung notwendig

Immunelektrophorese, Immunfixation

Sicherung einer Bence- Jones-Proteinurie

Referenzmethode zum Nachweis monoklona- ler Leichtketten

nicht quantifizierbar zeitintensiv

teuer

keine Insensitiv, zeitaufwendig, schlecht quantifizierbar, schwer interpretierbar obsolet

Zonenelektrophorese (Proteinfärbung)

getarische Ernährung) und zeigt eine zirkadiane Rhythmik (nach dem Es- sen leicht alkalisch, sauerste Werte nach null Uhr). Da für den Harn-pH kein eindeutiger Referenzbereich be- stimmbar ist, kann dieser Parameter nur im Verlauf und in Zusammen- schau mit anderen Befunden bewer- tet werden (13). Ein über den Tag anhaltend alkalischer Harn (pH >7) kann bei fleischhaltiger Kost auf eine bakterielle Besiedlung des Harntrak- tes (bakterielle NH 4-Produktion)

hinweisen und/oder, bei gleichzeiti- gem Vorliegen einer hyperchlorämi- schen metabolischen Azidose, eine hereditär verminderte renale Säu- reexkretion anzeigen. Bei anhaltend

saurem Harn-pH ist an metabolische oder respiratorische Azidosen, eine relative Säurestarre (bei idiopathi- scher Harnsteindiathese) oder an Urogenital-TB (bei steriler Pyurie, Erythrozyturie) zu denken.

Mikroskopische Beurteilung

des Harnsedimentes Es ist umstritten, ob die Test- streifenanalyse die mikroskopische Sedimentbegutachtung vollständig ersetzen kann. Wenn keine klini- schen und/oder anamnestischen Hin- weise auf Nieren- oder Harnwegser-

krankungen vorliegen und die Schnellteste auf Hämoglobin, Leuko- zytenesterase, Albumin, Nitrit und Glukose negativ ausfallen, kann hier- auf beim Screening verzichtet wer- den (35). Die einfache Hellfeld- analyse des Harnsediments hat bei den quantitativen Bestimmungen von Erythrozyten und Leukozyten kaum Vorteile gegenüber den Teststreifen.

Die mikroskopische Beurteilung von Bakterien ist ohne Gramfärbung nicht sehr zuverlässig und muß durch kulturelle Schnellteste ergänzt wer- den. Die morphologische Beurtei- lung von Erythrozyten, Zylindern und Epithelien kann jedoch zusätzli- che Hinweise auf die Lokalisation Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 22, 4. Juni 1993 (35) A1-1659

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KD

1 2 3 4 5 6 8

200 —

116 — 92 — 66 —

45 —

31—

21—

14 —

Abbildung: SDS-PAGE Proteinuriemuster: Proteinuriemuster bei verschiedenen Formen von Nierenerkrankungen: 1 = Normalbefund (minimale Albumin- urie); 2 = inkomplette tubuläre Proteinurie (PU); 3 und 4 = komplette tubuläre PU; 5 = selektive glomeruläre PU ; 6 = glomerulotubuläre PU (Misch- typ) ; 7 = unselektive glomeruläre PU ; 8 = schwere unselektive glomeruläre PU und tubuläre PU (Mischtyp). Die Muster 2 bis 4 sind typisch für interstitielle Nephropathien, Fanconi-Syndrom, Plasmozytomniere, die PU-Profile 5 bis 8 typisch für Glomerulopathien, zum Beispiel: 5 = frühe Form der diabetischen Nephropathie, Stadium I der epimembranösen Glomerulonephritis (1:10-Verdünnung), bzw. der Steroid-sensitiven „Lipoidnephrose". 6 bis 8 = proliferative Glomerulonephritiden, renale Beteiligung bei Systemerkrankungen (SLE, M. Wegener, Goodpasture Syndrom, Amyloidose). 5 = Molekulargewichts-Standard (KD = Kilo-Dalton) ; SDS-Polyacrylamid Flachgel-Elektrophorese, Gelgradient 5 bis 20 Prozent (31).

von Krankheitsgeschehen (renal/

postrenal) geben und damit Schlüs- selbefunde für die Diagnose liefern:

1. Zylinder:

Hyaline Zylinder entstehen auch unter physiologischen Bedingungen bei lokaler Harnstase im distalen Tu- bulus und den Sammelröhrchen aus Tamm-Horsfall-Glykoprotein als Matrixsubstanz. Die diagnostische Bedeutung der Zylinder liegt darin, daß sie Einschlußpräparate von gleichzeitig im Nierentubulus vor- handenen partikulären Harnbestand- teilen bilden, deren renale Herkunft damit gesichert werden kann. So können Leukozytenzylinder bei eitri- ger Entzündung der Nierentubuli und Erythrozytenzylinder bei akuten Glomerulonephritiden auftreten.

Der Einschluß von Epithelzellen und

Fettkörnchen spricht für eine schwe- re strukturelle (toxische oder hypoxi- sche) Schädigung des Tubulusepi- thels. Im Rahmen einer Proteinurie lagern sich Plasmaproteine als feine Granula in hyaline Zylinder ein und können diese vollständig zu Wachs- zylindern umbilden, die an ihrer ge- lappten und stark lichtbrechenden Kontur erkennbar sind.

2. Erythrozyten:

Bei positivem Ausfall des Hä- moglobinschnelltestes ist nur durch die Sedimentbegutachtung zwischen einer Hämo-/Myoglobinurie (Ery- throzytenzahl normal) und einer Hä- maturie (Erythrozyten[schatten]zahl vermehrt) zu unterscheiden. Anhand der Erythrozytenmorphologie läßt sich die Lokalisation der Blutung (re- nal/postrenal) feststellen. Erythro-

zyten glomerulären Ursprungs unter- scheiden sich morphologisch von sol- chen postrenaler Herkunft. Man spricht von dysmorphen glomerulä- ren im Gegensatz zu eumorphen postrenalen Erythrozyten (18). Da jedoch auch eumorphe Erythrozyten im Harn in verschiedenen Degene- rationsformen auftreten können (Echinozyten, Schatten usw.), gelingt die Unterscheidung nur mit viel Übung.

3. Epithelien:

Plattenepithelien der Harnröhre fallen im Rahmen der physiologi- schen Zellmauser an und sind übli- cherweise in größeren Mengen vor- handen. Man kann sie an ihrer Grö- ße, polygonen Randbegrenzung und der Kern/Plasma-Relation leicht von den sehr viel kleineren, rundlichen,

A1-1660 (36) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 22, 4. Juni 1993

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Probenart Bezug Probenlagerung Anmerkungen

Streifentest Spontanurin") Volumen 4° C, dunkel, bis zu 24 h Nitritnachweis sofort 4° C, dunkel, bis zu 2 h;

bei Stabilisierung (0,1%

Thiomersal) bis zu 24 h

Für Zylinder und Epithelien:

Methylenblaufärbung.

Für Bakterien und Pilze:

GRAM-Färbung.

Sediment Spontanurin') Gesichtsfeld

Harnprotei- ne (SDS- PAGE)

Spontanurinl) relativ-% 4° C, dunkel, 2-3 Wochen Kontamination mit

Fremdproteinen vermeiden.

Harnprotei- ne (quantita- tiv)

2. Morgen- urin') od.

Sammelurin

Kreatinin, Zeit oder Vo- lumen.

4° C, dunkel, 2-3 Wochen nicht einfrieren, keine Stabilisatoren.

1. Morgen- urin')

Punktionsurin

Eintauchkultur sofort Verschickung: 4° C, dun- kel

sorgfältige Instruktion des Patienten zur Mittelstrahl- technik

Kultur Volumen

großkernigen und gelegentlich „ge- schwänzten" Urothelzellen des Uber- gangsepithels von Harnblase und Harnleiter unterscheiden, die eben- falls vereinzelt im Harn des Gesun- den auftreten. Eindeutig patholo- gisch zu bewerten sind Tubulus- epithelien. Diese haben etwa die gleiche Größe wie Urothelzellen, ei- ne runde bis isoprismatische Form und einen exzentrisch gelagerten gro- ßen runden Zellkern. Typisch sind zytoplasmatische Lipidgranula.

Tubulusepithelzellen sind kaum von Urothelzellen und kleinzelligem Vaginalepithel zu unterscheiden. Die renale Herkunft von Rundepithelien im Harnsediment ist daher nur gesi- chert, wenn zytoplasmatische Lipid- granulation oder gleichzeitig Epithel- und/oder Fettzylinder gesehen wer- den.

verbessern zwar die Darstellung von Mikroorganismen, erlauben aber nicht die Zuordnung zu grampositiv/

gramnegativ, die für die Therapie von Bedeutung ist.

5. Kristalle:

Das Auskristallisieren von im Harn gelösten Substanzen ist primär ohne sichere diagnostische Bedeu- tung. Bei bekannten Nierensteinlei- den gibt die Strukturanalyse der Harnkristalle Aufschluß über die Steinart.

Fast alle geformten Harnbe- standteile sind instabil. Alkalischer und hypotoner Urin begünstigt die Lyse von Zellen, Epithelien und die Auflösung von Zylindern. Dies kann nicht durch Kühlung oder Einfrieren und nur bedingt durch Konservie-

Schnelltests (der auch lysierte Zellen miterfaßt) zu glauben wäre, scheint die zusätzliche Gesichtsfeldauszäh- lung nur bei nephrologisch-urolo- gisch symptomatischen Patienten sinnvoll.

Kulturelle Harnanalysen

Art und Umfang mikrobiologi- scher Harndiagnostik sollte sich nach dem klinischen Bild richten:

1. Screening:

Bei unauffälliger Klinik und ne- gativen Schnelltestbefunden kann ei- ne Bakteriurie unter den oben ausge- führten Vorbehalten ausgeschlossen werden. Eine kulturelle Harnanalyse als Screening ist nicht gerechtfertigt.

Tabelle 3: Präanalytische Faktoren

1) als Mittelstrahlurin

4. Mikroorganismen:

Die Beurteilung von Mikroorga- nismen, insbesondere Bakterien, ist durch Hellfeldmikroskopie des unge- färbten Harnsedimentes kaum mög- lich. Ihre klinisch relevate morpholo- gische Kategorisierung setzt die Gramfärbung voraus, die jedoch die Beurteilung von Zylindern und Epi- thelien nahezu unmöglich macht.

Einfachere monochromatische Fär- bungen (zum Beispiel Methylenblau)

rungsstoffe (zum Beispiel 0,1 Prozent Thiomersal) aufgehalten werden.

Reproduzierbare Ergebnisse sind nur zu erwarten, wenn der Harn in- nerhalb von zwei Stunden post mictionem analysiert wird. Bei der quantitativen Zellauswertung kann es aufgrund der progredienten Lyse gegenüber den Streifentesten zu dis- krepanten Zahlenwerten für Leuko- zyten und Erythozyten kommen. Da im Zweifelsfall dem Ergebnis des

2. Akuter Harnwegsinfekt:

Bei entsprechender Klinik wird heute eine Therapie ex juvantibus be- fürwortet, da die häufigsten Erreger bekannt sind und bei nicht hospitali- sierten Patienten eine gute Empfind- lichkeit gegen „Erstlinienantibiotika"

aufweisen (14). Wenn nach zwei bis drei Tagen die Beschwerden des Pa- tienten nicht deutlich rückläufig sind, sollte ein kultureller Erregernach- weis mit Resistenzbestimmung ver-

A1 -1662 (38) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 22, 4. Juni 1993

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sucht werden (24). Teurer, jedoch im Sinne des Patienten günstiger wäre es, in jedem Falle vor Therapiebe- ginn Harnproben für die kulturelle Diagnostik und Antibiogrammerstel- lung zu asservieren. Hierdurch ist ei- ne eventuell nötige Therapieände- rung bereits nach zwei bis drei Tagen möglich. In der Praxis ist die schnelle Analyse durch standardisierte kon- fektionierte Eintauchnährböden ei- nem zeitraubenden Verschickungs- verfahren der Harnproben (sekundä- re Keimvermehrung!) vorzuziehen.

Es sollte ein Test zum Nachweis anti- bakterieller Stoffe mitgeführt werden (15), der ebenfalls in konfektionier- ter Form erhältlich ist.

Nur in Abwesenheit antibakteri- eller Wirkstoffe kann von der Zahl der koloniebildenden Einheiten auf die Harnkeimzahl rückgeschlossen wer- den (1). Für die Interpretation ist die fachgerechte Beschickung der Ein- tauchnährböden entscheidend. Häu- fige Fehler: 0 Nährbodenträger wer- den nicht vollständig eingetaucht; 0 Harnrückstand im Inkubationsbehäl- ter mit sekundärer Keimvermehrung.

Wiederholte Reinokulationen mit dieser Bakteriensuspension spiegeln falsch-hohe Harnkeimzahlen vor.

Der auf früheren epidemiologi- schen Studien (25) beruhende fixierte Begriff der „signifikanten" Bakteri- urie (105 oder mehr koloniebildende Einheiten/ml Harn) gilt nur für den akuten unkomplizierten Harnwegsin- fekt und für Mittelstrahl- oder Kathe- terharn (26). Niedrigere Signifikanz- niveaus müssen bei immunsuppri- mierten oder splenektomierten Pa- tienten sowie bei Harnwegsobstruk- tionen angesetzt werden. Eine Bakte- riurie sollte generell nur in Zusam- menschau mit reaktiven Symptomen (Dysurie, Algurie, Nierenklopf- schmerz, Leukozyturie, usw.) und un- ter Berücksichtigung der Art des Pro- benmaterials (Mittelstrahl-/Katheter- oder Punktionsurin) gewertet werden.

3. Chronisch-rezidivierende Harnwegsinfekte

vor allem von Nierentubuli und -Pyelon gehen nicht notwendigerwei- se mit einer Bakteriurie von >10 5

Keimen/ml Harn einher. Ihrer The- rapie muß eine exakte mikrobiologi-

sche und vor allem urologische Ab- klärung vorausgehen. Hier reicht die standardisierte Erregerkultur (zum Beispiel durch Eintauchnährböden) unter Umständen nicht aus, um alle möglicherweise am Krankheitsge- schehen beteiligten Erreger zu erfas- sen (zum Beispiel nicht: Tuberkulo- sebakterien, Mykoplasmen, Urea- plasmen, Gardnerellen, Anaerobier, usw.; vergl. Ref. 17). Hier sollen Nephrologen, Urologen und Mikro- biologen eng kooperieren.

4. Keimdifferenzierung und Antibiogramm:

In der Diagnostik von Harn- wegsinfekten sind epidemiologische (Identifikation des Erregers) und therapeutische Zielsetzung (Lokali- sierung des Infektionsortes und Opti- mierung der chemotherapeutischen Erregerelimination) nicht immer in Einklang zu bringen. Nach der Nähr- bodenträgerkultur sind die mischkul- tivierten Keime einzuordnen, sofern neben einem Universalnährboden auch Selektivnährböden für Entero- bakteriazeen und Pilze vorhanden sind. Zu beurteilen sind:

1. die Keimzahl

2. Mono- oder Mischkultur?

3. Ist ein bestimmter Keim der Mischkultur Verursacher des Harn- weginfektes?

Dominieren ein oder wenige Keimarten in der Kultur, reicht diese orientierende Bestimmung der Kei- me für die Auswahl des am wahr- scheinlich wirksamsten Antibioti- kums/Antimykotikums aus. Sie wird jedoch weder den Taxonomen befrie- digen, noch die Erregeridentität bei rezidivierenden und chronischen Prozessen mit der aus epidemiologi- scher Sicht nötigen Präzision sichern.

Die hierzu erforderliche biochemi- sche Keimcharakterisierung und die Überprüfung des Resistenzspek- trums (Antibiogramm) sollten dem Spezialisten vorbehalten bleiben.

Differenzierte Analytik der Harnproteine

Im Rahmen der glomerulären Plasmafiltration können die meisten Proteine aufgrund ihrer Größe

(>100.kDa) und/oder Nettoladung (Anionen, 50 bis 80.kDa) die glome- ruläre Basalmembran nicht passie- ren. Kleinmolekulare Plasmaprote- ine (MW <50k.Da) durchdringen die Basalmembran ungehindert, werden jedoch im proximalen Tubulus voll-

ständig reabsorbiert (9). Eine ver- mehrte Ausscheidung von Proteinen mit dem Harn ist das Leitsymptom der meisten Nierenerkrankungen.

Anhand der Molekülgrößenvertei- lung der ausgeschiedenen Harnpro- teine läßt sich eine renale Schädi- gung lokalisieren (Übersicht siehe Tabelle 1).

Neben renalen kommen auch prä- und postrenale Ursachen einer Proteinurie in Frage: Ein Überange- bot niedermolekularer nierengängi- ger Proteine (Hämoglobin, Myoglo- bin, Bence-Jones-Proteine) führt zur Uberlaufproteinurie. Proteine, die im unteren Harntrakt (zum Beispiel aus akzessorischen Drüsen) in den Harn sezerniert werden oder aus Lymphe, Blut oder Plasma übertre- ten, verursachen eine postrenale Pro- teinurie. Benigne Formen der Prote- inurie, die langfristig eine gute Pro- gnose hinsichtlich der renalen Funk- tion haben, sind die juvenile, die fi- xiert orthostatische, die hyperthermi- sche (Fieber-) und die sogenannte

„Belastungsproteinurie".

Die Analyse der Harnproteine mittels Streifentests bleibt unbefrie- digend (32). Die konventionelle Bi- uret-Reaktion erfaßt ein wesentlich breiteres Proteinspektrum, ist jedoch nur nach Anreicherung des Harns ausreichend sensitiv. Es gibt zur Zeit kein geeignetes Verfahren, das die Indikatorfehlermethode des Stan- dardteststreifens als Screeningme- thode ablösen könnte (23). Eine Übersicht der Analyseverfahren gibt Tabelle 2.

Liegen klinische Zeichen, ana- mnestische Hinweise oder Laborda- ten vor, die eine renale Erkrankung möglich oder wahrscheinlich ma- chen, sollte neben der Gesamtmenge der mit dem Harn ausgeschiedenen Proteine auch deren Art und Zusam- mensetzung untersucht werden. In Kenntnis beider Größen ist es mög- lich, sowohl Ort als auch Ausmaß re- naler Krankheitsprozesse abzuschät- zen. Hierfür stehen zwei Verfahren Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 22, 4. Juni 1993 (39) A1-1663

(7)

zur Verfügung: C) die molekularge- wichtsbezogene Elektrophorese von Harnproteinen (SDS-PAGE) (30, 31), Beispiele in der Abbildung; © die immunchemische Messung von Leitproteinen (7, 21).

Eine Übersicht der wichtigsten Leitproteine findet sich in Tabelle 1.

Als Marker der tubulären Protein- urie hat sich a 1 -Mikroglobulin (a i MG) bewährt, das auch im sauren Harnmilieu stabil bleibt. Die Serum- konzentrationen des a 1 MG sind rela- tiv konstant, und seine Harnausschei- dung wird im wesentlichen von der tubulären Reabsorptionskapazität bestimmt (34). Leitprotein der glo- merulären Proteinurie ist Albumin.

Zur Beurteilung der glomerulären Größenselektivität können Quotien- ten der renalen Clearance von Albu- min beziehungsweise Transferrin und IgG herangezogen werden (11).

Bei der Messung von Leitproteinen im Harn sollte eine zuverlässige Ge- samteiweißbestimmung mitgeführt werden, um zusätzlich vorhandene Proteine prärenalen Ursprungs nicht zu übersehen (5, 6).

SDS-PAGE und immunchemi- sche Leitproteinmessung liefern ver- gleichbare Ergebnisse (7), wobei die SDS-PAGE aufgrund ihrer differen- zierteren diagnostischen Aussage bei der Primärdiagnostik überlegen ist.

Die Vorteile der Einzelproteinbe- stimmung hingegen liegen darin, daß sie auf der Basis quantitativer Daten nicht nur Aussagen über die Art, son- dern auch das Ausmaß einer Prote- inurie ermöglicht.

Der Wert dieser Untersuchun- gen wird also vor allem in der Ver- laufsbeobachtung und Therapiekon- trolle liegen. Ist der Typ der Prote- inurie einmal gesichert, können für die Verlaufsbeobachtung einzelne Markerproteine ausgewählt werden (zum Beispiel a 1 -Mikroglobulin für tubuläre Erkrankungen).

Für das Praxislabor stehen technisch einfache latexverstärkte Antikörperpräzipitationsmethoden (Schüttelteste) zur qualitativen Er- fassung von Albumin und a 1 -Mikro- globulin zur Verfügung. Mit diesen gelingt es, in Ergänzung zum Stan- dardteststreifen Mikroalbuminurie und tubuläre Proteinurie sicher und schnell nachzuweisen.

Probenart, Asservation, Zeitlimits

und Bezugssysteme (Ubersicht in Tabelle 3)

1. Schnellteste und Sedimentbegutachtung:

Spontan gewonnene Mittel- strahlurine. Nitritnachweis möglichst sofort, dunkle Probelagerung bei 4° C maximal über einen Tag. Für die übrigen Teststreifenreaktionen ist die Probe bis zu 24 Stunden bei Raumtemperatur ohne Konservie- rungsstoffe haltbar. Die Herstellung, Färbung und mikroskopische Begut- achtung des Harnsedimentes sollte innerhalb von zwei Stunden abge- schlossen sein. Die geformten Be- standteile im nativen Präparat zerfal- len innerhalb von zwei Tagen auch nach Aufbringung auf den Objektträ- ger und monochromatischer Fär- bung. Grampräparate hingegen sind Wochen bis Monate stabil.

2. Kulturelle Diagnostik:

Hier bestehen Leitlinien der Fachgesellschaften (2, 15). Zusam- menfassung einiger Kernpunkte:

1. Untersuchung der ersten morgendlichen Harnportion.

2. Die Mittelstrahltechnik ist die Asservationsmethode der Wahl.

Bei Säuglingen und Kleinkindern Probengewinnung über auf die Haut aufgeklebte Sammelbeutel.

3. Die Kontaminationsrate mit (Schleim-) Hautkeimen bei Harnpro- ben aus Blasenkathetern ist nicht we- sentlich geringer als bei Mittelstrahl- urin (33). Dies setzt voraus, daß die Patienten vor der Probengewinnung genau instruiert werden. Die vor- übergehende Katheterisierung zur diagnostischen Harngewinnung birgt das Risiko einer aszendierenden Keimverschleppung und ist nur dann vertretbar, wenn die anatomischen und/oder intellektuellen Vorausset- zungen zur Mittelstrahltechnik feh- len.

4. Blasenpunktionsurin ist die ultima ratio, wenn in der Standard- technik eine eindeutige Beurteilung der mikrobiologischen Situation wie- derholt nicht gelungen ist.

5. Die meisten Keime redupli-

zieren bei Raumtemperatur inner- halb von 20 Minuten. Die Harnkultur sollte daher sofort angelegt oder die Probe bei 4° C gelagert werden.

6. Für eine Eintauchkultur soll- te der Harn in einem sauberen (nicht notwendigerweise sterilen) Einweg- gefäß aufgefangen und in dieses der Nährbodenträger eingetaucht wer- den. Der sterile Inkubationsbehälter darf nicht als Auffanggefäß für die Harnprobe dienen! Der Nährboden- träger muß nach der Beschickung sorgfältig abgetropft und an seiner Unterseite abgetupft werden, bevor er in den Inkubationsbehälter einge- bracht wird.

3. Bezugssysteme für quantitative Harnanalysen:

Quantitative Daten im Harn sind schwierig zu standardisieren, da bereits beim Nierengesunden Salzge- halt, Ionenstärke, pH-Wert, Osmola- lität und Harnvolumen intraindividu- ell um den Faktor fünf bis zehn, wenn polyurische Nierenfunktions- störungen vorliegen, bis um den Fak- tor 30 schwanken. Der Bezug auf den Ausscheidungszeitraum beziehungs- weise die Berechnung der renalen Clearance sind sehr gut standardi- sierbar, wenn die Urinsammlung mit der notwendigen Zuverlässigkeit durchgeführt wird. Konzentrations- werte im Spontanharn sind sinnvoll, wenn der Konzentriertheitsgrad des Harns bekannt ist. Dies gilt mit Ein- schränkungen für den „zweiten Mor- genurin": Er wird gewöhnlich vom nüchternen Patienten als die zweite Tagesportion unter relativ standardi- sierten Bedingungen gewonnen (27).

Eine verbesserte Standardisierung von Meßergebnissen aus dem Spon- tanharn (System der ersten Wahl) läßt sich erreichen, indem man auf die Kreatininkonzentration im Harn bezieht (16, 21).

4. Stabilität von Harnproteinen:

Struktur und Immunreaktivität der Plasmaproteine können sich im Harnmilieu durch Denaturierung, Sulfhydrylaustauschreaktionen und Proteolyse ändern (3, 4). Die Stabili- tät der einzelnen Proteine ist unter- schiedlich. Die Probe darf nicht ein-

A1-1666 (42) Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 22, 4. Juni 1993

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gefroren oder durch chemische Zu- sätze stabilisiert werden (22). Bei dunkler Lagerung im Kühlschrank treten während der ersten Woche keine relevanten Verluste für Albu- min, IgG, Transferrin, a 1 -Mikroglo- bulin und Gesamtprotein auf. Eine Ausnahme bildet I3 2-Mikroglobulin, das im sauren Harnmilieu abgebaut wird und nur nach In-vivo-Alkalini- sierung des Harns (Bikarbonatgabe) zuverlässig bestimmt werden kann.

Diagnostischer Stufenplan

1. Screening

Bei klinisch/anamnestisch unauffälli- gen Patienten genügt die Analyse des frischen zweiten Morgenurins auf Hä-

moglobin, Granulozytenesterase, Nitrit, Albumin und Glukose mittels Standardteststreifen. Wenn diese Reaktionen negativ ausfallen, ist zu- mindest eine schwere Erkrankung von Niere und/oder ableitenden Harnwegen unwahrscheinlich.

2. Weitere Basisdiagnostik 2.1. Verdacht/Hinweise auf renale Erkrankung/Beteiligung:

2.1.1 Im Harnsediment sollten Zylin- der und Epithelien beurteilt werden.

2.1.2 Nach vermehrter Proteinaus- scheidung sollte mit sensitiveren Schnelltesten 'gefahndet werden (zum Beispiel Latex-Schüttelteste für Albumin und a 1-Mikroglobulin).

2.2. Verdacht/Hinweise auf Hämat- urie/Hämoglobinurie :

2.2.1 Differenzierung Hämaturie/

Häm(My)oglobinurie: Überprüfen, ob Erythrozyten(schatten) vorhan- den sind.

2.2.2 Liegt eine Hämaturie vor:

Erythrozytenmorphologie, Erythro- zytenzylinder?

2.2.3 Lokalisation der Blutung: Drei- gläserprobe.

2.3 Leukozyturie, Verdacht/Hinweise

auf Bakteriurie und klinische Zei- chen eines akuten Harnwegsinfektes:

2.3.1 Therapie ex juvantibus, Gram- Präparat des Harnsediments aus Mit- telstrahlurin.

2.3.2 Bei Therapieversagen späte- stens nach drei Tagen, besser vor Therapiebeginn: Kulturelle Keim- zahlbestimmung aus erstem Morgen- urin in Mittelstrahltechnik mittels 3-fach-Eintauchnährböden (Univer- salnährboden, Selektivnährboden für gramnegative Stäbchenbakterien, Se- lektivnährboden für Pilze).

2.3.3 Beim Verdacht einer Keimas- zension: renale Beteiligung? daher:

2.3.3.1 Sclimentbegutachtung (Zy- lindereinschlüsse: Leukozyten, Fett- granulation; Rundepithelien mit zy- toplasmatischen Lipideinlagerun- gen).

2.3.3.2 Schnelltest für tubuläre Mar- kerproteine (zum Beispiel Latex- Schütteltest für a 1 -Mikroglobulin).

3. Spezielle weiterführende Harnanalytik

3.1 Proteinausscheidungsmuster (SDS-PAGE oder Leitproteine) 3.2 Keimdifferenzierung und Anti- biogramm bei chronischem/rezidivie- rendem Harnwegsinfekt. Außerdem urologische Diagnostik. Sekretori- sches IgA?

Deutsches Arzteblatt

90 (1993) A 1-1653-1667 [Heft 22]

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf das Literaturverzeichnis im Sonderdruck, anzufordern über die Verfasser.

Anschrift für die Verfasser:

Dr. med. Fritz Boege

Hauptlabor der Medizinischen Poliklinik der Universität Klinikstraße 8

W-8700 Würzburg neu: 97070

Multiresistente Tb-Bakterien in New York City

Die Autoren sammelten im April 1991 Informationen über jeden Patienten in New York City mit posi- tiver Kultur eines Mycobacterium tu- berculosis.

Von den 518 Patienten mit posi- tiven Kulturen konnten von 466 (90 Prozent) Isolate für Prüfzwecke ver- wendet werden. 33 Prozent dieser Patienten-Isolate waren gegen ein oder mehrere Antituberkulosemittel resistent, 26 Prozent der Isolate wa- ren gegen Isoniazid und 19 Prozent gegen Isoniazid und Rifampicin resi- stent. Von den 239 Patienten mit ei- ner tuberkulostatischen Therapie in der Anamnese hatten 44 Prozent Iso- late, die gegen ein oder mehrere Me- dikamente, und 30 Prozent Isolate, die gegen beide Medikamente Isoni- azid und Rifampicin resistent waren.

Bei den Patienten ohne vorherige Behandlung hatten sich die Resisten- zen gegen ein oder mehrere Medika- mente von zehn Prozent 1992 bis 1984 auf 23 Prozent im Jahr 1991 (p

= 0,003) mehr als verdoppelt. Pa- tienten, die vorher keine Behandlung erfahren hatten und mit HIV infi- ziert waren oder Drogen injizierten, zeigten häufiger resistente Isolate.

Von den Patienten mit AIDS starben mehr Patienten mit resistenten Isola- ten während des Nachuntersu- chungszeitraumes bis Januar 1982 (80 Prozent gegenüber 47 Prozent, p = 0,02). Eine Antituberkulose- Therapie in der Anamnese war der stärkste Prädiktor für die Präsenz ei- nes resistenten Organismus.

Die Autoren kommen zu der Schlußfolgerung, daß ein deutlicher Anstieg von medikamentenresisten- ter Tuberkulose in New York City zu verzeichnen ist. Bereits behandelte Patienten, jene mit HIV und Fixer haben ein höheres Risiko einer Me- dikamenten-Resistenz. lng

Frieden, T. R., et al.: The Emergence of Drug-Resistant Tuberculosis in New York City. New Engl. Journ. Med. 328 (1993) 521-526

Dr. T. R. Frieden, 125 Worth St., Box 74, New York, NY 10013, USA

Deutsches Ärzteblatt 90, Heft 22, 4. Juni 1993 (43) A1-1667

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