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Archiv "Homöopathie und ärztliche Praxis" (20.10.1977)

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Gerhard Troßmann

Die Behauptung eines Verfassers, man könne nach einer 100 Jahre al- ten homöopathischen Arzneimittel- lehre noch heute erfolgreich behan- deln, ist genauso unbegründet wie seine Behauptung, daß man auf ho- möopathische Weise überhaupt er- folgreiche Therapie betreiben könne. Dieser Verfasser meint, daß

„Schulmediziner" und Homöopa- then seit mehr als 150 Jahren anein- ander vorbeigeredet hätten. Die Ho- möopathie habe nämlich außer einer anderen Methode auch ein ganz an- deres Ziel als die „Schulmedizin".

Hier kann man ihn beruhigen. Das Hahnemann-Zitat: „Des Arztes höchster und einziger Beruf ist es, kranke Menschen gesund zu ma- chen, was man heilen nennt!" ist keineswegs eine Erleuchtung, die ausschließlich Hahnemann und sei- nen Jüngern zuteil geworden ist.

Auch die „Schulmediziner" wissen Heilerfolge zu schätzen.

Allerdings hat es die „Schulmedizi- ner" schon zu Hahnemanns Lebzei- ten stutzig gemacht, daß er gemäß seinem Verständnis des ärztlichen Auftrages eine irrsinnig hohe Ver- dünnung von Belladonna (natürlich ohne Angabe der Zusammenset- zung) als „göttliches Mittel" gegen Scharlach verhökerte. Ein anderes Mittel pries Hahnemann als sein

„neues Laugensalz" an und ver- scherbelte es ebenfalls zu Höchst- preisen. Es enthielt aber nichts an- deres als Borax in extremer Verdün- nung. Trotzdem wurde es noch im Jahre 1870 als „philosophisches Goldsalz von Hahnemann" gehan- delt. Das sind zwei Medikamente aus dem 100 Jahre alten homöopathi- schen Arzneimittelschatz.

In der besonderen Art der Arzneimit- telherstellung liegt der eigentliche Grund für die Zählebigkeit der Ho-

FORUM

möopathie: Billige Substanzen wer- den in größter Verdünnung als teure Medikamente verkauft. Hier ist der uralte Traum der Alchemisten in Er- füllung gegangen, hier wurde end- lich der Stein der Weisen gefunden, mit dem man aus Dreck Gold ma- chen kann!

Die „Schulmediziner" reden nicht an der Homöopathie vorbei, sie ver- gleichen lediglich die Ergebnisse.

Wenn der Verf. bekennt: „Ich selber habe Antibiotika und Sulfonamide stets abgelehnt.", dann darf man als

„Schulmediziner" doch wohl fra- gen, ob er ebenso konsequent auf Krankenhauseinweisungen verzich- tet hat. Das ist nämlich die einzige Alternative für Ärzte, denen die ei- genhändige Tötung von Bakterien zu grausam erscheint.

Die Aversion der Homöopathen ge- gen Antibiotika und Sulfonamide ist übrigens völlig unverständlich. Hah- nemann selbst hat über Krankheit und Heilung folgendes gesagt: „Die unsichtbare krankhafte Verände- rung im Innern und der Komplex der von außen wahrnehmbaren Sympto- me sind beide wechselseitig und notwendig durcheinander bedingt;

beide bilden zusammen die Krank- heit in ihrem Umfange, das ist eine solche Einheit, daß letztere mit er- sterer zugleich stehen und fallen, daß sie zugleich miteinander dasein und zugleich miteinander ver- schwinden müssen."

Wenn also mit dem Verschwinden der Symptome auch die gesamte Krankheit beseitigt wird, warum um•

Himmels willen sollte man dann eine Angina tonsillaris nicht mit Penicillin heilen dürfen? Etwa nur, weil Peni- cillin in höchster Verdünnung keine künstliche Angina erzeugt und des- halb nicht ins homöopathische Kon- zept paßt?

Rechtfertigungsversuch der FDP

gründen muß, oder zur Kasse gebe- ten wird, wenn er nicht das billigste Präparat der Reihe rezeptiert hat.

Aber weder die Rote noch die Trans- parenzliste machen die Verträglich- keit und die Bioverfügbarkeit eines Medikaments „transparent", son- dern ausschließlich die Beobach- tungen und Erfahrung eines Arztes.

Betroffen sind — weil sie 70 Prozent der Arzneimittel innerhalb der ge- setzlichen Krankenversicherung verordnen — von diesen neuen ge- setzlichen Bestimmungen über die Arzneiverordnung in erster Linie die Allgemeinärzte, die doch angeblich gefördert werden sollen. Wieso also Mischnick zu der Meinung kommen kann: „Diese Ausgestaltung schließt Gefahren für die Arzneimittelversor- gung der Versicherten und für die Therapiefreiheit des Arztes aus", bleibt unerfindlich.

Mischnick beendet seine Ausfüh- rungen mit dem Satz: „Auf diese Weise haben wir eine individuelle li- berale Lösung gefunden." Der grö- ßere Koalitionspartner sieht das an- ders. Ich verweise auf die Ausfüh- rungen von Bundesminister Dr. Her- bert Ehrenberg vor der sozialdemo- kratischen Fachkonferenz Gesund- heit in Wiesbaden am 25. Juni 1977.

Ehrenberg zog dabei das Resümee aus der eben erfolgten Verabschie- dung des KVKG und stellte fest, daß

„die Mehrzahl der (sozialistischen, der Autor) Forderungen aus dem Zehnpunkteprogramm der SPD vom Mannheimer Parteitag 1975 inzwi- schen erfüllt" seien.

Die FDP hat bei dieser grundlegen- den, sozialistischen Umgestaltung unseres Gesundheitswesens als Er- füllungsgehilfe mitgewirkt.

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Friedrich Kolb Zweiter Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns

Mühlbaurstraße 16 8000 München 80

Homöopathie

und ärztliche Praxis

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 42 vom 20. Oktober 1977 2527

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Spektrum der Woche Aufsätze • Notizen

Homöopathie und ärztliche Praxis

Der Verfasser des gleichnamigen Ar- tikels in Heft 43/1976 regte die

„Schulmediziner" zu einem bemer- kenswerten Therapie-Vergleich an:

Man solle eine Gruppe von Diabeti- kern nur „schulmedizinisch" und die andere Gruppe nur homöopa- thisch behandeln, um dann nach Aufhören jeglicher Behandlung zu beobachten, welche Gruppe am längsten ohne Therapie auskäme, also die besten Heilerfolge zeige. Als

„Schulmediziner" wird man wohl darauf hinweisen dürfen, daß die Homöopathen bei dieser Versuchs- anordnung unverdiente Vorteile er- langen, weil bei ihrer Behandlungs- methode die insulinbedürftigen Dia- betiker schon vor dem Versuchsen- de eliminiert sind, wogegen die In- sulinbedürftigen der „schulmedizi- nischen" Gruppe ihre Empfindlich- keit gegen fehlende Therapie erst nach dem Behandlungsstopp zeigen können. Aber vielleicht möchten die Homöopathen ihre beim Menschen seit über 150 Jahren erfolglose Dia- betestherapie zunächst einmal im Tierversuch erproben? Auch für die homöopathischen Kardiaka und An- tihypertonika ließen sich bestimmt geeignete Versuchsanordnungen finden. Leider legen die Herrschaf- ten aber nicht den geringsten Wert auf Heilungen, wenn der Heilerfolg irgendwie meßbar ist.

Das sind jedoch Einzelprobleme.

Was die „Schulmediziner" ganz all- gemein und prinzipiell interessiert ist folgendes: Die Homöopathen ver- wenden Substanzen in einer Ver- dünnung, in der sie nach wissen- schaftlichen Erkenntnissen völlig wirkungslos sind. Die Homöopathen behaupten aber, daß ihre Art der Verdünnung eine „Dynamisierung"

oder „Potenzierung" der Substan- zen sei und ein mit einfachen Ver- dünnungen nicht vergleichbares Er- gebnis zeitige. Das hätten die Ho- möopathen als erstes zu belegen, daß sie mit ihren Verreibungen, Schüttel.ungen usw. etwas anderes als die gewöhnliche Verdünnung der Substanzen bewirken. Es gibt, von den Vitaminen und Hormonen angefangen bis zu den Antibiotika und modernen synthetischen Mit- teln, genügend Substanzen, mit de-

ren Hilfe man leicht entscheiden könnte, ob Potenzieren etwas ande- res ist als einfaches Verdünnen.

Solange die Homöopathie diesen Nachweis nicht erbringt, bleibt ihre Heilmittelzubereitung weiterhin im Widerspruch zu den Erkenntnissen der medizinischen, physikalischen und chemischen Wissenschaft. Die große Zahl der im Handel befindli- chen homöopathischen Spezialitä- ten beweist lediglich, daß mit diesen Mitteln eine hohe Gewinnspanne zu erzielen ist — sonst gar nichts.

Der Verfasser behauptete, die Wir- kung der homöopathischen Arznei- en bestehe in „der durch diese Arz- nei ausgelösten körpereigenen Ab- wehr. Und nur dieses sollte man un- ter Heilung verstehen." Die „Schul- mediziner" setzten dagegen nur chemische Reize und benutzten le- diglich die Abwehrreaktionen des Körpers auf diese Reize.

Kann der Verfasser den „Schulmedi- zinern" erkären, wogegen die Ho- möopathen die körpereigene Ab- wehr bei Zuckerkrankheit, Gicht und anderen Stoffwechselkrankheiten, bei Vergiftungen aller Art und bei den altersbedingten degenerativen Erkrankungen mobilisieren wollen?

Kann er sagen, welche Abwehrreak- tionen gegen Arzneien die „Schul- medizin" bei Substitutionsbehand- lungen oder antibiotischer Therapie oder bei der Digitalisierung provo- ziert und zu Heilungszwecken ben ützt?

Der Verfasser fragte: „Was heißt nun überhaupt ‚Wirkung' einer Arznei?"

Unter Wirkung versteht die wissen- schaftliche Medizin bekanntlich alle wahrnehmbaren oder sonst erkenn- baren Effekte der Arzneimittel. Ef- fekte, die nicht wahrnehmbar oder erkennbar sind, können weder Grundlage einer Diskussion sein, noch sind sie geeignet,den psychi- schen Vorgang auszulösen, den man Erfahrung nennt und auf den die Homöopathen und andere Au- ßenseiter so großen Wert legen.

Solche Behauptungen von Wirkun- gen, die lediglich auf der prästabi-

lierten Harmonie von Dümmlichkeit und Unwiderlegbarkeit aufgebaut sind, solche „Wirkungsnachweise"

muß die „Schulmedizin" allerdings ablehnen.

Der Verfasser bezweifelte zum Schluß die Wirksamkeit der „schul- medizinischen" Behandlungsme- thoden, weil nichts auf ein Absinken des Arzneimittelkonsums hinweise und ergo auch nicht viel geheilt wor- den sein könne. Glaubt er denn wirklich, daß eine wirksame Thera- pie auch Neuerkrankungen verhin- dern kann? Glaubt er etwa, daß es Knochenbrüche nur deshalb gibt, weil die Gipsverbände nichts taugen?

Anschrift des Verfassers:

Dr. med. Gerhard Troßmann Obermedizinalrat

Max-Matheis-Straße 21 8390 Passau

ZITAT

Selbstverwaltung

Wer sich — zu Recht — über die Lebensfremdheit der Ent- scheidungen mancher staatli- cher Behörden und Gerichte erregt, kann nicht wollen, daß zum Beispiel die innere Ord- nung des ärztlichen Berufs, die Gestaltung und Kontrolle der Weiterbildung und der da- mit verbundenen Qualifizie- rungen, die Fortbildung, die Berufsaufsicht über die Ärzte und ähnliche Fachfragen den Politikern oder bestenfalls be- amteten Ärzten bei staatlichen Behörden überlassen wer- den ..." Jeder Berufsangehö- rige hat die Chance, im Rah- men der demokratischen Spielregeln an diesen Ent- scheidungen mitzuwirken.

Gerhard Vogt, Geschäftsfüh- rer in der Ärztekammer Nord- rhein, im „Rheinischen Ärzte- blatt", Heft 14/1977

2528 Heft 42 vom 20. Oktober 1977 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Referenzen

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