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Archiv "Ärztliche Psychotherapie: Stiefkind der Medizin" (22.06.2001)

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V

or 75 Jahren hätten die Differenzen innerhalb der Psychotherapie fast den Gründungskongress der Allge- meinen Ärztlichen Gesellschaft für Psy- chotherapie e.V. (AÄGP) verhindert.

Meinungsdispute aufgrund verschiedener Schulen und der Führungsanpruch ein- zelner Gruppen verzögerten den Kon- gress. Dabei war das Ziel damals, eine einheitliche Interessenvertretung der ärzt- lichen Psychotherapeuten zu gründen.

Von den psychiatrischen Berufsverbän- den fühlten sie sich nicht mehr vertreten.

„Wir sind heute weiter von dem Ziel der Einheit entfernt als vor 75 Jahren“, sagte Prof. Dr. med. Klaus Lieberz, 2.

Vorsitzender der AÄGP, anlässlich des Jubiläumskongresses in Berlin. Inzwi- schen gebe es mehr als 600 verschiedene Psychotherapien und auch berufspoli- tisch eine „unübersehbare Vielzahl an Grüppchen“. Fachlich hält er diese Dif- ferenzierung für sinnvoll, „um die Spreu vom Weizen zu trennen“. Berufspolitisch dagegen sei die Integration notwendig.

Die AÄGP ist die Lobby der Psycho- somatik in der Medizin. Die „Seele in der Medizin“ dürfe nicht zu

kurz kommen, fordert der erste Vorsitzende Univ.-Prof.

Dr. med. Dr. phil. Wolfgang Tress. Die psychischen An- teile einer Erkrankung sol- len in der Hektik des Me- dizinbetriebs wahrgenom- men und mit einem bio- psycho-sozialen Krank- heitsverständnis behandelt werden. Im Laufe der 75 Jahre hat sich die AÄGP beispielsweise dafür einge- setzt, dass der Facharzt für Psychotherapeutische Me- dizin eingeführt wurde oder dass Fachärzte Kom- petenz in psychosomati-

scher Grundversorgung erwerben kön- nen. Der Erwerb der Fachkunde werde von Hausärzten allerdings immer noch zu wenig in Anspruch genommen, ob- wohl dem ärztlichen Gespräch eine große Bedeutung in der Erkennung psy- chischer Erkrankungen zukomme, be- dauerte Dr. med Rita Kielhorn, Fachärz- tin für Allgemeinmedizin, AÄGP. Im Bereich der Kassenärztlichen Vereini- gung (KV) Berlin beispielsweise hätten nur 50 Prozent der Allgemeinmedizi- ner/Internisten die Fachkunde in Psycho- somatischer Grundversorgung erworben – dagegen 90 Prozent der Gynäkologen.

Mit drei weiteren rein ärztlich-psy- chotherapeutischen Berufsverbänden (Textkasten)haben sich die rund 1 300 Psychosomatiker der AÄGP zur Ar- beitsgemeinschaft Ärztliche Psychoso- matik und Psychotherapie zusammen- geschlossen. Gemeinsam mit den neun Fachgesellschaften, die im Februar den Kooperationsvertrag unterzeichneten, spricht die AÄGP – nach eigenen An- gaben – heute für rund 7 000 Kliniker und Niedergelassene.

Die Psychotherapie hat einen schwe- ren Stand in der Medizin. „Der Boden der Medizin ist für uns immer ein steini- ger gewesen, und er wird noch steini- ger“, betonte Prof. Dr. med. Sven Olaf Hoffmann, Klinik für Psychosomatische Medizin der Universität Mainz. Um ei- ne weitere Isolierung zu verhindern, dürften die Psychotherapeuten sich nicht zu weit von der somatischen Medi- zin entfernen, das heißt sie müssen ihr medizinisches Wissen pflegen. Zwin- gend notwendig sei auch die ständige schulenübergreifende psychotherapeu- tische Weiterbildung: Grundlage müsse ein „personeninteressiertes Herange- hen“ sein, keine Selektion der Patien- ten nach der einmal erlernten Technik.

Konkurrenz der Psychologen

Gegenüber den psychologischen Psy- chotherapeuten fühlen sich die ärztli- chen Psychotherapeuten benachteiligt.

„Die Sicherung der Psychologen ist durch das Psychotherapeutengesetz weiter fortgeschritten, als die Sicherung der Ärzte“, beklagte Hoffmann. Ver- ständnis für die psychologischen Kolle- gen wecken, wollte der Pädagoge Prof.

Dr. Jürgen Körner, Institut für Sozial- und Kleinkinderpädagogie der Freien Universität Berlin. Die Psychologen hätten zwar sehr von der „Professionali- sierung der Ärzte profitiert“, doch die Abhängigkeit von den Strukturen der KVen – Niederlassungsbeschränkung, EBM und GOÄ – hätten sie sich so nicht vorgestellt. „Wir sind ziemlich naiv gewesen“.

Körner appellierte an die Gemeinsamkeiten der Psychotherapie; schließ- lich lägen die Wurzeln der Psychologie in der Philo- sopie. Von diesen der Ethik verpflichteten Wur- zeln dürften sich Ärzte und Psychologen gerade in einer Zeit „zweckratio- nellen und wertenfremde- ten Handelns“ nicht ent- fernen. Beide Berufe könnten voneinander ler- nen und die Schwierigkei- ten „zusammen durchste- hen“. Petra Bühring P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 98½½½½Heft 25½½½½22. Juni 2001 AA1659

Ärztliche Psychotherapie

Stiefkind der Medizin

Die Allgemeine Ärztliche Gesellschaft für Psychotherapie feierte 75-jähriges Jubiläum. Die Lobby der Psychosomatiker setzt sich für eine „Medizin mit Seele“ ein.

Kooperierende Verbände:

❃Vereinigung psychotherapeutisch tätiger Kassenärzte (VPK)

❃Deutsche Gesellschaft für Psychotherapeutische Medizin (DGPM)

❃Berufsverband der Fachärzte für Psychotherapeutische Medizin e.V.

(BPM)

Fachgesellschaften im wissenschaftlichen Beirat der AÄGP (seit Februar 2001):

❃Akademie für Sexualmedizin

❃Deutsche Gesellschaft für psychosomatische Frauenheikunde

❃Arbeitskreis psychosomatische Dermatologie, Sektion der Deutschen Der- matologischen Gesellschaft

❃Deutsche Balint-Gesellschaft

❃Deutsche Gesellschaft für Ärztliche Hypnose und Autogenes Training

❃Ärztliche Gesellschaft für Gesprächspsychotherapie

❃Ärztliche Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Gesellschaft für Individual- psychotherapie

❃Deutsche Gesellschaft für Ärztliche Verhaltenstherapie

❃Verein Ärztlicher Gestaltpsychotherapeuten e.V.

❃Arbeitskreis für psychosomatische Urologie in der Deutschen Gesellschaft Textkasten

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