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inschneidende Struktur- veränderungen im Ge- sundheitswesen kündigte der stellvertretende SPD-Frak- tionsvorsitzende Rudolf Dreßler für den Fall einer Regierungs- übernahme durch die Sozialde- mokraten an. Dreßler sitzt auch einer Arbeitsgruppe vor, die in dem viel diskutierten und wei- terhin ominösen Programm„Fortschritt '90" das Kapitel
„Umbau des Sozialstaates" ver- fertigt hat. Die gesundheitspoli- tische Passage jenes noch unfer- tigen Kapitels lautet: „Bei der Strukturreform des Gesund- heitswesens geht es der Arbeits- gruppe vor allem um die Über- prüfung der unsozialen Folgen der Blümschen Gesundheitsre- form, der Durchsetzung der Prä- vention, der Verringerung der hohen Kosten für Arzneimittel mit Hilfe eines Arzneimittelin- stituts, der Prüfung einer Pflichtversicherung (unter Ein- schluß der Beamten/Beihilfe- Problematik) sowie um den Ab-
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*e viele Ärzte waren 1848/49 Abgeordnete der Nationalversamm- lung in der Frankfurter Paulskir- che? Im Deutschen Ärzteblatt, Heft 20, in dem über den jüng- sten Deutschen Ärztetag in Ber- lin berichtet wurde, stand in ei- nem Zitat aus der Begrüßungs- ansprache des Vizepräsidenten des Deutschen Bundestages, Dieter Julius Cronenberg MdB, daß es 234 Ärzte gewesen seien.
Das ist eine „Falschmeldung", die allein zu Lasten der Ärzte- blatt-Redaktion geht. Ein sim- pler Tippfehler wurde bis zum Druck nicht bemerkt: Cronen- berg hatte 23 . (in Worten: drei- undzwanzig) Ärzte genannt
Dr. med. Adolf Luchmann, Leitender Medizinaldirektor a. D. (Boppard), der uns als er- ster auf den Fehler aufmerksam machte, schrieb: „Es entspricht den Tatsachen, daß eine große Zahl Ärzte nicht nur mit der Re- volution sympathisierte, sondern auch — wie in Baden und der Pfalz — aktiv teilnahm. In der Paulskirche befanden sich unter
SPD
Einstiege oder Ausstiege
bau der Beitragssatzungsunter- schiede zwischen den Kassen."
Das ist vage genug. Da wird zu viel „geprüft" und zu wenig gewollt und der prospektive Wähler somit im Unklaren gelas- sen. Halbwegs konkret ist allen- falls die Ankündigung, ein Arz- neimittelinstitut (unter welcher Trägerschaft?) zu schaffen. Laut Dreßler soll es Aufgabe eines solchen Institutes sein, eine Po- sitivliste für Arzneimittel aufzu- stellen.
Ergänzend hat Dreßler fer- ner angekündigt, daß sich seine Arbeitsgruppe auch mit einer Reform der Arzthonorierung — Einführung einer diagnoseunab-
Freiberufler
Ärzte in der Paulskirche
den 573 Volksvertretern nur 15 Mediziner." Luchmann berief sich hierbei auf das im Siedler- Verlag erschienene Werk von Heinrich Lutz „Zwischen Habs- burg und Preußen — Deutsch- land 1815-1866".
Die Ärztezahl „23" findet sich in dem jüngst im Deutschen Arzteblatt (Heft 27) besproche- nen Buch von Klaus Füßmann (Institut für Geschichtskultur, Bochum), „Freiberufler in der Politik", das im Frühjahr zum 40jährigen Bestehen des Bun- desverbandes der Freien Berufe im Comdok-Verlag erschienen ist. Füßmann stützte sich auf Hans Ulrich Wehler: „Deut- sche Gesellschaftsgeschichte", 2.
hängigen Fallpauschale — be- schäftigen will. Bisher hatte sich die SPD für das Gegenteil aus- gesprochen, nämlich ein Lei- stungskomplexhonorar, was nichts anderes ist als eine dia- gnoseabhängige Pauschale. Was also?
Eine weitere Kostprobe: Es bedürfe eines „Einstiegs" in die Pflegesicherung, sagt die SPD;
die Formulierung klingt nach Blüm. Auch der Betrag von 6,5 Milliarden DM, der für den SPD-Einstieg angesetzt wird, ist mit Blüms Einstiegskosten iden- tisch. Die SPD tut in „Fort- schritt '90" freilich so, als gebe es diesen Einstieg (via GRG) gar nicht, und man fragt sich nun, ob die SPD aus dem Blüm- schen Einstieg aussteigen oder dem noch eins draufsetzen will.
Wer aber soll dann zahlen?
Genug der Unklarheiten — die SPD-Kommission sollte sich ihr Programm noch einmal vor- nehmen und genau sagen, was sie eigentlich will. NJ Band, C. H. Beck Verlag, 1987.
Dort ist im Zusammenhang mit Freiberuflern von 23 Ärzten die Rede.
Der Bielefelder Strukturhi- storiker Wehler gilt als einer der bedeutendsten Kenner der deut- schen Geschichte im 19. Jahr- hundert; er legt mit seiner Ge- sellschaftsgeschichte ein epo- chales Werk vor. „Trotzdem ist es natürlich merkwürdig", so Klaus Füßmann dazu, „daß die Zahlen zwischen Lutz und Weh- ler schwanken, und wenn Sie in den entsprechenden Band der Verfassungsgeschichte von E. R.
Huber schauen, werden Sie wahrscheinlich noch ganz ande- re Zahlen finden. Da Wehler aber ein ungemein akribisch ar- beitender Historiker ist, schenke ich ihm mein Vertrauen. Es wä- re aber sicher nötig, die 23 Ärzte einmal namentlich kenntlich zu machen. Erst dann hat man Ge- wißheit."
Wäre das nicht vielleicht mal eine kleine, aber feine Auf- gabe für einen deutschen Medi- zinhistoriker? roe
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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT
Dt. Ärztebl. 86, Heft 31/32, 7. August 1989 (1) A-2181