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Archiv "Kleine Brötchen, viele Ärzte" (17.06.1983)

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Die Information:

Bericht und Meinung NACHRICHTEN

Arbeitnehmer:

Roboten für Vater Staat?

Wie Leistungsbereitschaft und Er- werbsstreben durch Abgaben und Steuern ,.bestraft" werden, rech- nete das unabhängige Institut für Wirtschaftsforschung (ifo-lnstitut) in München kürzlich vor. Der Vor- sitzende der Deutschen Angestell- ten-Gewerkschaft (DAG), Her- mann Brandt, Hamburg, nahm die ,.Hiobsbotschaft" zum Anlaß, ge- gen die kontiskatarische Schröp- fu ng zu protestieren:

..,.. 1982 verdienten die Arbeitneh- mer insgesamt 15,2 Milliarden DM mehr als 1981. Die Finanzämter, die Kranken-, Renten- und Arbeits- losenversicherung sowie die Kir- chen haben davon 11,6 Milliarden DM abgeschöpft. ln diesem Jahr wird von einem Mehrverdienst von 11,7 Milliarden DM die schier un- glaubliche Summe von 10,11 Mil- liarden DM an öffentlichen Abga- ben ,.abzuzweigen" sein. Diese düsteren Perspektiven kommen- tieren die Wirtschaftsforscher zu- treffend: ,.Bei dem bestehenden, die Zumutbarkeitsgrenze über- schreitenden Belastungsniveau bedeutet dies keinen Auftrieb für die Leistungsbereitschaft" EB

Arbeitslosigkeit schadet Gesundheit

Negative Auswirkungen der Ar- beitslosigkeit auf die Gesundheit des Menschen hält die· Bundesver- einigung für Gesundheitserzie- hung, Bann, für unbestreitbar. in einer Resolution bietet sie allen staatlichen und freien Institutio- nen, die mit Arbeitslosen zu tun haben, ihre Dienste an. Nach An- sicht der Bundesvereinigung kommt es dabei mehr auf individu- elle Beratung, Förderung von Selbsthilfeinitiativen und lnitiie- rung von Forschungsvorhaben zu diesem Fragenkomplex als auf bloße gesundheitsbezogene Infor-

mationen an. WZ

TAGUNGSBERICHT

Kleine Brötchen, viele Ärzte

Aus dem berufspolitischen Seminar des Grado-Kongresses

Weil die großen Problemfelder der Sozialpolitik- die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit und die Krise der gesetzlichen Rentenversicherung -zusammenhängen und auch ihre Verbindungswege zur (derzeit nicht problembeladenen) gesetzli- chen Krankenversicherung haben, reizen sie einfach zum Verschie- ben der Lasten. Prof. Dr. Hans J. Sewering, BÄK-Vorstandsmitglied und Präsident der bayerischen Landesärztekammer, der sich auf dem berufspolitischen Seminar des Grade-Kongresses der Bun- desärztekammer am 30. Mai damit auseinandersetzte, hält freilich das von Bundesarbeitsminister Dr.

Norbert Blüm unermüdlich propa- gierte Prinzip, alle Zahlungen, die Lohnersatzfunktion hätten, bei- tragspflichtig zu machen, für kon- struktiv und geeignet, willkürli- chen Verschiebungen zu begeg- nen, wenn auch einige Maßnah- men der neuen Bundesregierung immer noch nach "Verschiebe- bahnhof" aussähen. Anlaß gebe derzeit wieder einmal die Renten- versicherung. Sewerings Analyse: Die Rentenversicherung, dyna- misch ausgerichtet, ist auf stetig fließende, ja wachsende Beiträge angelegt. Arbeitslosigkeit, Null- wachstum und demographische Veränderungen lassen das aber nicht mehr zu. Abstriche von der Dynamik sind inzwischen still- schweigend gemacht worden. De facto haben sich zum Beispiel die Parteien mit der Nettoanpassung der Renten zufriedengegeben. Auch redet niemand mehr von der großen Rentenreform; sie sollte ei- gentlich 1984 kommen, doch dazu fehlt heute einfach das Geld. Die Rentenversicherung ist, würde sie nach privatwi rtschaftl ichenG rund- sätzen beurteilt, praktisch zah- lungsunfähig. Um sie halbwegs über Wasser zu halten, wäre an sich eine Erhöhung des Beitrags

auf zumindest 19 Prozent nötig. Die Bundesregierung kann sich al- lerdings nur zu einem Beitragssatz von 18,5 Prozent entschließen; sie hofft damit einstweilen über die Runden zu kommen, weil nämlich

die · Rentenversicherung, wieder

einmal, um einige kleinere Ausga- benpakete entlastet werden soll.

Und belastet wird, wieder einmal, die gesetzliche Krankenversiche- rung, indem ihr zum Beispiel die stationäre Tuberkulosefürsorge übertragen werden soll (eine Aufli- stung der geplanten Maßnahmen in Heft 23/1983).

Versorgungswerke:

Was hat Blüm versprochen?

Von der Krise der Rentenversiche- rung könnten die Ärzte nicht nur über den Umweg gesetzliche Krankenversicherung betroffen sein; die völlig gesunden ärztli- chen Versorgungswerke kommen bei Plänen zur Rentensanierung leider immer wieder ins Gespräch.

Auch in Grado gab es aus dem Publikum besorgte Fragen. Der Hauptgeschäftsführer der Bun- desärztekammer, Prof. J. F. Valrad Deneke, berichtete von einem Ge- spräch mit Bundesarbeitsminister Blüm. Dieser habe versichert, die Versorgungswerke nicht antasten zu wollen. Allerdings habe Blüm anläßlich der Vertreterversamm- lung der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung, unmittelbar vor dem 86. Deutschen Ärztetag im Mai, auf Fragen nach der Zukunft der Versorgungswerke sehr aus- weichend geantwortet. Blüms Ausweichen deute möglicherwei- se einen Gesinnungswandel an.

Im Hause des Bundesarbeitsmini- sters sei früher ohnehin schon er- wogen worden, auch die Versor- gungswerke der freien Berufe zur Rentensanierung heranzuziehen. [>

24 Heft 24 vom 17. Juni 1983 80. Jahrgang DEUTSCHES ARZTEBLATT Ausgabe A

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Die Information:

Bericht und Meinung

Zukunftsvision oder Alptraum Karikatur: Schwalge

Eine unmittelbare Gefährdung der Versorgungswerke durch den Ge- setzgeber ist freilich nicht zu se- hen. Zunächst wird man sich auf das Versprechen, die Werke der freien Benne erhalten zu wollen, verlassen dürfen. Was aber, wenn die Bundesregierung den Begriff

„freie Berufe" eng auslegt und die angestellten Ärzte zukünftig gene- rell an die gesetzliche Rentenver- sicherung verweist? Bekanntlich können die angestellten Ärzte bis- her zu Beginn ihrer Berufstätigkeit für die Versorgungswerke optie-

ren. Das ist in § 7 des Angestell- tenversicherungsgesetzes garan- tiert. Professor Sewering hatte großen persönlichen Anteil daran, diese Wahlmöglichkeit für die jun- gen Ärzte zu eröffnen. Wird ein Bundesarbeitsminister, um neue Zugänge zur Rentenversicherung zu schaffen, diese Wahlmöglich- keit beschneiden? Auf diese Frage konnte in Grado niemand eindeu- tig antworten; wahrscheinlich weiß auch der Bundesarbeitsmini- ster derzeit noch keine Antwort.

Sie wird auch von der politischen

Konstellation abhängen; sprich:

Wie weit wird der CDU-Arbeitsmi- nister auf die Unterstützung der SPD angewiesen sein, wenn es darum geht, die Rentenversiche- rung langfristig zu konsolidieren?

Die SPD hat mehrfach, zuletzt noch durch den Sozialexperten Eugen Glombig, gefordert, die Versorgungswerke dürften nicht außen vor bleiben.

Honorare: Mindestens Ausgleich für die Geldentwertung

Die von der Rentenversicherung auf die Krankenkassen zukom- menden neuen Belastungen dürf- ten von den Kassen bei den an- stehenden Honorarverhandlungen mit den Kassenärzten vorgebracht werden. Allerdings werden die Kassen auch mit erheblichen zu- sätzlichen Einnahmen, beispiels- weise durch die Zwölftelung der Sonderzahlungen, rechnen kön- nen. Nach Ansicht von Professor Sewering werden die zusätzlichen

Einnahmen sogar die Neubela- stungen überschreiten. Dennoch würden die Verhandlungen, die am 1. Juli beginnen sollen, hart werden, meint er. Sewering, der auch Vorsitzender der Kassenärzt- lichen Vereinigung Bayerns ist, zu den Kollegen: Die Kassenärzte müßten heute mit „kleineren Bröt- chen" zufrieden sein als in frühe- ren Jahren. Beim Honorarzuwachs gehe es heute „um Größenord- nungen, die wir früher für undenk- bar hielten". Als Markierungs- punkte sieht Sewering die voraus- geschätzte Grundlohnentwick- lung von 3,5 Prozent sowie den Tarifabschluß im öffentlichen Dienst. Dr. Josef Schmitz-Formes, der 2. Vorsitzende der Kassenärzt- lichen Bundesvereinigung, bekräf- tigte in Grado den festen Willen der KBV, die „Stillhaltepolitik"

jetzt zu beenden. Man müsse die Investitionsmöglichkeiten der freien Praxis erhalten. Schmitz- Formes über das honorarpoliti- sche Ziel: „Uns geht es um eine Punktwertsteigerung, die in etwa der Geldentwertung folgt."

Ausgabe A DEUTSCHES ÄRZTEBLATT 80. Jahrgang Heft 24 vom 17. Juni 1983 25

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Die Information:

Bericht und Meinung Berufspolitisches Seminar

„Pflichtweiterbildung"?

Ausführlich setzte sich Sewering auf dem berufspolitischen Semi- nar in Grado mit dem Hauptthema des diesjährigen Deutschen Ärzte- tages auseinander: der kontrover- sen Diskussion um Ausbildung und „Pflichtweiterbildung". Auf dem Ärztetag, Mitte Mai in Kassel, seien zwei Themen miteinander verquickt worden: die Probleme aus der zu erwartenden Nach- wuchswelle sowie Sorgen und Wünsche der Allgemeinärzte.

Künftig sei mit mindestens 12 000 neu approbierten Ärzten alljähr- lich zu rechnen. Das folge aus den deutschen Medizinstudentenzah- len. Voraussichtlich werde die Zahl sogar größer sein, da viele Deutsche im europäischen Aus- land Medizin studierten, allein in Italien 800 bis 1000 (pro Jahr- gang!). Den Absolventenzahlen stehen jedoch nach heutigem Stand lediglich 5500 Stellen in Krankenhäusern zur Verfügung.

Dieses Mißverhältnis hat auf dem Ärztetag zu der Forderung ge- führt, die Stellen im Krankenhaus zu teilen. Sewering lehnte das ab, weil eine geregelte Krankenver- sorgung und eine halbwegs den vorgeschriebenen Zeiten folgende Weiterbildung bei Stellenteilung praktisch unmöglich werde. Sewe- ring wörtlich: „Die Patienten sind keine Weiterbildungsobjekte".

Sewering äußerte auch Zweifel an der Forderung, die Zahl der Medi- zinstudenten mittels Änderung der Kapazitätsverordnungen zu redu- zieren. Eine solche Änderung kön- ne sich nicht allein auf die Medizin beziehen; die Länderregierungen müßten die anderen Fächer gleich behandeln. Welcher Politiker, fragte Sewering, habe aber den Mut, so weitgehende Eingriffe zu vertreten? Einstweilen müßten sich studierwillige Abiturienten und Medizinstudenten mit der Er- kenntnis anfreunden, daß ein ab- geschlossenes Studium nicht gleich auch einen Arbeitsplatz ga- rantiere.

Die Nachwuchswelle hat auch die Forderung nach einer „Pflichtwei-

terbildung" wieder akut werden lassen. Auf dem Ärztetag in Kassel ist darüber tagelang diskutiert worden (dazu die ausführliche Be- richterstattung in Heft 21/1983).

Die Allgemeinärzte hoffen zudem, via „Pflichtweiterbildung" mehr Nachwuchs an voll weitergebilde- ten Ärzten für Allgemeinmedizin zu bekommen und den prakti- schen Arzt auf diese Weise beseiti- gen zu können. Sewering setzte sich in Grado mit solchen Forde- rungen eingehend auseinander, unwidersprochen — mit Ausnahme seitens seines bayerischen Vize- präsidenten, des Allgemeinarztes Dr. Hermann Braun. Sewering erinnerte daran, daß die Zulas- sung zum Beruf (Approbation) auf Bundesrecht, die Weiterbildung hingegen auf Landesrecht beruhe.

Die Approbation berechtige zur vollen Berufsausübung, ohne Ein- schränkung. Die Weiterbildung baue auf der Approbation auf; sie sei freiwillig und gleichsam ein

„Angebot an den Arzt". Eine

„Pflichtweiterbildung" würde die Approbation entwerten. Mit Län- derrecht könne aber Bundesrecht nicht derart ausgehöhlt werden.

Möglich sei freilich die Einführung einer Eignungszeit für Kassenärz- te; diese könne über die Reichs- versicherungsordnung vom Bund eingeführt werden, gelte selbst- verständlich aber nur für die kas- senärztliche Versorgung. Für die Eignungszeit könnten keine de- taillierten inhaltlichen, sondern le- diglich gewisse zeitliche Vorga- ben gemacht werden.

Auch auf den Entwurf einer Richt- linie aus der Brüsseler EG-Kom- mission, der auch auf dem Ärzte- tag eine erhebliche Rolle spielte (und der inzwischen schon wieder geändert wurde), kam Sewering zu sprechen. Darin wird vorge- schlagen, auf die Universitätsaus- bildung eine zweijährige „Weiter- bildung" zu setzen. Sewering wies darauf hin, daß in den übrigen EG- Ländern keine begriffliche Tren- nung zwischen Ausbildung und Weiterbildung gemacht wird und der EG-Richtlinienentwurf schon deshalb nicht im deutschen Sinne

als Vorschlag für eine Weiterbil- dung interpretiert werden darf. Mit dem Sinn des EG-Entwurfs wäre es — so fassen wir jetzt Sewerings ausführliche Argumentation zu- sammen — zum Beispiel vereinbar, im Anschluß an die theoretische Hochschulausbildung eine zwei- jährige praktische Zeit (sei es

Medizinalassistentenzeit, sei es Pflichtassistentenzeit) zu setzen und dann die Approbation zu er- teilen.

Plädoyer für den praktischen Arzt

Sewering ließ für eine solche Lö- sung Sympathien erkennen. Er glaubt, auf diese Weise werde sich die zur Zeit noch prekäre Nach- wuchssituation im Bereich der All- gemeinmedizin nachhaltig verbes- sern — allerdings im Sinne der

„praktischen Ärzte". Sewerings Ausführungen in Grado kamen ei- nem Plädoyer für den praktischen Arzt gleich. Er verwies auf eine Studie des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung, bei der die Bevölkerung und die allge- meinmedizinisch tätigen Ärzte über das Problemfeld „Prakti- scher Arzt/Allgemeinarzt" reprä- sentativ befragt wurden. Danach unterscheidet sich der praktische Arzt im Ansehen der Bevölkerung nicht von dem Allgemeinarzt — so- fern die Bevölkerung mit dem Be- griff „Arzt für Allgemeinmedizin"

überhaupt etwas anzufangen weiß. Denn der praktische Arzt be- sitzt einen ungleich größeren Be- kanntheitsgrad als der Allgemein- arzt. Aus der Ärztebefragung er- gibt sich, daß das Leistungsspek- trum sowohl des praktischen Arz- tes als auch des Allgemeinarztes praktisch identisch ist und daß sie im Fallwert zum Beispiel völlig gleich liegen. Für den Allgemein- arzt, so folgt aus der ZI-Studie, so- weit Sewering sie referierte, habe es sich im Grunde also kaum ge- lohnt, eine allgemeinmedizinische Weiterbildung zu absolvieren, weil sich seine Akzeptanz nicht von der des praktischen Arztes unterschei- de. NJ 26 Heft 24 vom 17. Juni 198380. Jahrgang DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Ausgabe A

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