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Archiv "Gesundheitspolitik in der CSU: Wie steht es um Seehofers Basis?" (06.12.1996)

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ie traditionell zahlreichen Gä- ste, für die diesmal sogar ein großer Ballsaal kaum aus- reichte, hatten ihn mit verhal- tenem Beifall begrüßt. Jetzt sahen sie sich von ihm zum Rätseln genötigt.

Wo lag der Akzent seines Orakels?

Beim „letztenmal“? Beim „ich“? Bei

„diesem Kreis“?

Und was sollten sie von seiner Erklärung halten, „risikobereites Handeln sei besser als risikoloses Nichthandeln“, wenn sie im Kontext erfuhren, daß „mit den Methoden der Vergangenheit die Finanzierungspro- bleme des Gesundheitswesens nicht zu lösen“ seien? Und auf welche Scheibe zielte der Pfeil, daß diejeni- gen, die Gelder zu verwalten haben,

„nicht mit gutem Beispiel vorange- hen“?

Schmerzhafte Tritte gegen das Schienbein Daß Seehofer trotz schmerzhaf- ter Schienbeintritte, die er austeilte, auch nach dieser Rede wieder den ge- wohnten Unisonobeifall einheimste, konnte nicht über weiterwirkende Verunsicherungen hinwegtäuschen.

Deutlich erkennbar wurde jedenfalls, daß die Basis, auf die sich der smarte Macher jahrelang unangefochten stützen konnte, kein erratischer Block mehr ist. Zwar hatte der Vorsit- zende des Arbeitskreises, Professor Dr. med. Wolfgang Pförringer (Mün- chen), in seiner Einladung verspro- chen, „unser aller gemeinsame Inter- essen in der bewährten Form auch weiterhin vertreten“ zu wollen, doch

weder für die gemeinsamen Interes- sen noch für die bewährte Form zeig- ten sich ermutigende Ansatzpunkte.

Sogar an eingeschworenen und be- währten christsozialen Mitkämpfern nagten diesbezüglich erkennbar Zweifel.

Offenbar unempfindlich gegen solche Anwandlungen, sandte der Mi- nister seine gewohn-

ten Schockwellen aus. Das Fazit des Präsidenten der Bun- desärztekammer, Dr.

med. Karsten Vilmar, er habe einen Kon- sens aller Beteiligten allenfalls im vorpoli- tischen Raum orten können, ergänzte Seehofer mit dem massiven Vorwurf, die Politik habe über- haupt den Grund- konsens verloren:

„Das Problem sind nicht mehr die Pro- bleme, sondern die Art, wie die Proble-

me behandelt werden.“ Den Vorsit- zenden der Kassenärztlichen Bundes- vereinigung, Dr. med. Winfried Schor- re, versicherte er seines Einverständ- nisses mit dessen Forderung nach mehr Spielraum für die Selbstverwal- tung von Ärzten und Krankenkassen, fügte aber im gleichen Atemzug hinzu:

„Die Politik kann nicht mehr tun als den Rahmen setzen. Machen müssen Sie es. Tun Sie’s, tun Sie’s!“

Da Pförringer nur die beiden

„Spitzenmediziner“ ans Rednerpult gebeten hatte, konnten die Vertreter

anderer Ressorts des Gesundheitswe- sens ihre Sorgen und Nöte erst später in kleinen Gruppen erörtern. Dort fragte man auch freimütiger als im of- fiziellen Teil des Abends, ob Horst Seehofer für die CSU nach seinen jüngsten Ankündigungen und Akti- vitäten noch immer „Unser Mann in Bonn“ bleiben könne. Dort wurde auch debattiert, wie schwer die Ein- wände wiegen, die gegen die jüngste Entwicklung in seiner eigenen Partei vorgebracht werden, und auf welche Schildträger er wohl zählen könne, wenn der gesundheitspolitische Wind über kurz oder lang Sturmstärke er- reichen sollte.

Anlaß, solche Fragen zu stellen, bot sich allenthalben, und deren Be- gründungen fielen ungewohnt dra- stisch aus. Die geldfressenden „Wer- bemätzchen“ der Krankenkassen bei- spielsweise habe sich der Minister selbst eingebrockt, indem er ihnen bei fortbestehendem Leistungskatalog die Konkurrenzspielwiese aufschloß.

Praxiskliniken seien eine „Schnapsidee“, solange das Kranken- hauswesen weder strukturell noch fi- nanziell konsolidiert ist. Noch höhere Ei- genbeteiligungen an den Arzneimittelko- sten seien „Idiotie“, weil sie dazu führen können, daß viele Bürger den Arzt überhaupt nicht mehr oder nur noch in Notfällen aufsuchen.

Und das sogenann- te „Notopfer“ von zwanzig Mark für die Substanzerhaltung der Krankenhäuser werde, wenn es in die richtigen Töpfe gelangen soll, mehr Verwaltungsaufwand als Nutzen produzieren.

Das Phänomen, daß sich am Schlußbeifall für Seehofer außer un- beirrt mitstreitenden Parteifreunden auch kurz vorher noch wütende und aufgebrachte Kritiker beteiligten, zum Beispiel streikbereite niederge- lassene Ärzte, ließ sich leicht er- klären: Genüßlich hörten die Gäste zu, wie der „Demosthenes aus Ingol- stadt“ alle Register seiner Redekunst A-3237

P O L I T I K AKTUELL

Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 49, 6. Dezember 1996 (21)

Gesundheitspolitik in der CSU

Wie steht es

um Seehofers Basis?

„Fünf Jahre ist immer nur über Geld geredet worden. Dies ist das letztemal, daß ich in diesem Kreis über Geld rede!“ So sibyllinisch eröffnete Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer seine Rede auf dem Jahresempfang des Gesundheitspolitischen Arbeitskrei- ses der Christlich-Sozialen Union Bayerns in München (GAP).

Stellte sich in München der gesundheitspoli- tischen Basis: „Freund Horst“.Foto: Aevermann

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zog: sanft und schroff, schmeichelnd und brüsk, werbend und verurtei- lend, abwehrend und attackierend.

Erst nach diesem Hörschmaus kehr- ten sie in die eigenen Denkbahnen zurück, um dann sich und andere zu fragen, ob der Gesundheitsminister ein Populist sei oder nicht. In der Wolle gefärbte CSU-Mannen beant- worteten diese Frage übrigens mit ei- nem glatten „Nein“, Kritiker aller Schattierungen schwankten zwischen einem vorsichtigen „Schon möglich“

und einem entschiedenen „Ja“.

Noch einig in der Ablehnung des SPD-Rezepts, durch Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze die unbe- streitbar nötigen zusätzlichen Gelder lockerzumachen, schieden sich bei Mitgliedern und Wählern der CSU ei-

nerseits und den Partei-Officials an- dererseits die Geister an der Frage, ob

„Freund Horst“ unangefochten der richtige Mann am richtigen Platz sei.

Bejaht wurde sie von Münchner und Bonner CSU-Parlamentariern, Fraktionsstrategen, heimatlichen Mi- nisterialen und Kräften der Gesund- heitsverwaltung. Selbst wenn Politi- ker und Beamte – oft zögernd – ein- räumten, „nicht mit allem einverstan- den zu sein, was der Seehofer macht“, ließen sie doch keinen Zweifel daran, daß sich der Minister auf sie verlassen kann: „Wir stehen hinter ihm“, „Ein Mißtrauensvotum oder so was wird es von unserer Seite nicht geben.“

Kam die Rede auf die vordem schon einmal heiß gehandelten Spe- kulationen, ob „Freund Horst“ wohl

noch andere, höhere politische Wei- hen erwarten könne, so gab es meist eine seltsam stereotype Antwort: „Er ist ein guter Rechner, das qualifiziert auch für andere Aufgaben.“ Aber als Gesundheitsminister wolle man ihn ja gar nicht missen.

Auf dem 60. Parteitag der CSU in München verurteilte die Politregie den guten Rechner zum Schweigen.

Das Thema „Gesundheit“ kam im Programm überhaupt nicht vor, zum Strukturgesetz gab es weder Reden noch Anträge oder Entschließungen.

Nicht einmal vom Arbeitskreis II –

„Vorfahrt für Reformen und Innova- tionen“ – wurden Glück und Leid des Bundesgesundheitsministers (und stellvertretenden Parteivorsitzenden)

erwähnt. Kurt Gelsner

A-3238

P O L I T I K AKTUELL

(22) Deutsches Ärzteblatt 93,Heft 49, 6. Dezember 1996

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