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Archiv "Budget-Ablösung: Jetzt geht es um die Glaubwürdigkeit" (22.02.2002)

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ahrelang haben die Ärzte gegen das Arzneimittel-Budget und den stets drohenden Kollektivregress ge- kämpft. Was kaum jemand zu hoffen wagte, trat mit dem Ministerwechsel im Bundesgesundheitsministerium ein. An- fang letzten Jahres kündigte Ulla Schmidt das Ende von Budget und Kol- lektivregress an – sehr zum Ärger der Krankenkassen, die mit beidem gut ge- lebt hatten. Dabei war im Rahmen der Kollektivhaftung die stolze Summe von drei Milliarden DM aufgelaufen, die mit der Entscheidung der Ministerin mit einem Mal vom Tisch war.

Seit dem 1. Januar ist das Arznei- mittelbudget-Ablösungsgesetz in Kraft, und die gemeinsame Selbstverwaltung von Ärzten und Krankenkassen hat be- reits grundlegende Vereinbarungen für eine sinnvollere Steuerung der Arznei- mittelausgaben getroffen. Ende Januar haben sich die Kassenärztliche Bundes- vereinigung (KBV) und die Spitzenver- bände der Krankenkassen auf Rahmen- vorgaben geeinigt, die das Ausgaben- volumen für Arzneimittel 2002 auf knapp 38 Milliarden DM festsetzen.

Bereits seit dem Sommer verhandelten auf regionaler Ebene die Kassenärztli- chen Vereinigungen (KVen) mit den Landesverbänden der Krankenkassen über Zielvereinbarungen, um weitere Wirtschaftlichkeitsreserven vor allem bei Analogpräparaten, Generika oder umstrittenen Arzneimitteln auszu- schöpfen und die Pharmakotherapiebe- ratung der Ärzte zu verbessern. Mithin könnten eigentlich alle zufrieden sein.

„Unsere Bilanz kann sich sehen las- sen“, sagt Dr. med. Leonhard Hansen, zweiter Vorsitzender der KBV und im Vorstand zuständig für Arzneimittelfra- gen gegenüber dem Deutschen Ärzte-

blatt. Die Mär von der „schwächeln- den“ Selbstverwaltung werde mit die- sen Ergebnissen eindeutig widerlegt.

Dennoch droht Ärger von verschiede- nen Seiten. So warnte der Vorsitzende der KV Hessen, Dr. med. Hans-Frie- drich Spies, vor einem Schmusekurs mit den Kassen und der Politik. Spies hält das in der Rahmenvereinbarung festge- setzte Arzneimittel-Ausgabenvolumen für zu knapp bemessen. Es gebe darin keinen Spielraum für Innovationen.

Realistische Kalkulation

„Das Ausgabenvolumen ist realistisch kalkuliert“, hält Hansen dagegen. Er räumt allerdings ein, dass alle Sparre- serven genutzt werden müssen, um die Ausgabengrenze einzuhalten. „Wir ha- ben eine harte Nuss zu knacken. Aber es steht auch der Beweis unserer Glaubwürdigkeit als Selbstverwaltung auf dem Spiel“, meint der stellvertre- tende KBV-Vorsitzende. Berechnungs- grundlage für das Ausgabenvolumen seien die Ausgaben im Jahr 2000 gewe- sen, wobei man sich mit den Kassen auf einen Steigerungsfaktor von 4,5 Pro- zent für 2002 geeinigt habe. Angesichts der drastischen Ausgabensteigerungen im letzten Jahr ergibt sich daraus aller- dings, dass die Ärzte 2002 gegenüber dem Vorjahr für rund 1,8 Milliarden DM (–4,61 Prozent) weniger Arznei- mittel verordnen dürfen. „Wir haben die Möglichkeit, diese Einsparungen zu realisieren“, ist Hansen überzeugt und verweist auf das Arzneimittel- Sparpaket. Die Einsparungen daraus sowie aus der neuen Festbetragsverord- nung habe man in die Berechnung des Ausgabenvolumens 2002 einbezogen.

In den Rahmenvorgaben heißt es dazu, die Vertragspartner erwarten, dass die Arzneimittelausgaben allein durch die Absenkung der Festbeträge und die Anhebung des Rabattes, den die Apo- theken den gesetzlichen Krankenkas- sen einräumen müssen, um 2,2 Prozent entlastet werden. „Die Hälfte fällt uns in den Schoß. Den Rest müssen wir sel- ber erwirtschaften“, sagt Hansen dazu.

Sparpotenzial sieht er vor allem bei den Analogpräparaten, die im Vergleich zu Generika zwar drastisch teurer seien, häufig aber nur einen geringen thera- peutischen Zusatznutzen hätten. Auch über den sinnvollen Einsatz der Aut- idem-Regelung lasse sich Geld sparen.

Bereits jetzt deute sich an, dass die Her- steller von Generika aus Furcht vor Umsatzeinbrüchen ihre Preise senkten.

Zwar sieht Hansen die Regelung aus ärztlich-therapeutischer Sicht nach wie vor kritisch. Verordne der Arzt aber im unteren Preisdrittel, könne der Apo- theker nicht substituieren. „Diese Mög- lichkeit sollten wir unbedingt nutzen“, appelliert der KBV-Vize an die Ärzte.

Genau hier liegt jedoch die Krux.

Zurzeit fehlt den Ärzten noch der Preisüberblick. Zum einen muss der Bundesverband der Betriebskranken- kassen, der bei den Spitzenverbänden in Sachen Arzneimittel federführend ist, noch die Substitutionsgruppen fest- legen und die Preisdrittel fixieren. Zum anderen fordert Hansen: „Wir brau- chen für unsere Praxissoftware diesel- ben Informationen wie die Apotheker.

Sonst läuft diese Aut-idem-Variante ins Leere.“ Die Apotheker können über die Lauer-Taxe alle für die Abgabe von Arzneimitteln notwendigen Informa- tionen, darunter auch die Preise, abru- fen. Um diese Forderung umzusetzen – nach Hansens Vorstellungen sollte das zum 1. April der Fall sein –, benötigten die Ärzte politische Rückendeckung.

Erste positive Signale aus dem Bundes- gesundheitsministerium ließen hoffen.

Beim leidigen Thema „Datenliefe- rungen“ setzt auch wieder die Kritik aus den Reihen einiger KVen an. So ließ der Vorsitzende der KV Bayerns, Dr. med. Axel Munte, verlauten, bei den dortigen Vertragsärzten herrsche Unklarheit, wie die Ausgaben für Arz- neimitel effektiv gesteuert werden sol- len. Die Rahmenvereinbarung von P O L I T I K

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A470 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 8½½½½22. Februar 2002

Budget-Ablösung

Jetzt geht es um die Glaubwürdigkeit

Die gemeinsame Selbstverwaltung von Ärzten und Kranken- kassen hat sich in Rekordzeit auf Rahmen- und Ziel-

vereinbarungen geeinigt. Aber hinter den Kulissen brodelt es.

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KBV und Kassen sei dafür nur bedingt geeignet. Besonders problematisch sei, dass die Kassen die geforderte Liefe- rung arztbezogener Daten als Steue- rungsinstrument ablehnten. Der Vorsit- zende der KV Nord-Württemberg, Dr.

med. Werner Baumgärtner, schlug – diesmal in seiner Funktion als Vorsit- zender der dortigen Vertragsärztlichen Vereinigung – in dieselbe Kerbe: „Wenn die Krankenkassen in diesem Jahr den KVen keine arztbezogenen Zahlen lie- fern, können die Einsparziele bundes- weit nicht erreicht werden.“ Die Rah- menvereinbarung sieht vor, dass die Kassen arztbezogene Zahlen ab 2003 liefern. Baumgärtner hält das für „ab- surd“, weil die Ärzte dann auch in die- sem Jahr wieder „nur über den Daumen gepeilt“ ihre Ausgaben

für Arzneimittel über- blicken könnten.

„Wir haben Daten“, setzt KBV-Vize Hansen solchen Argumenten ent- gegen. Der Eindruck, die KVen seien nicht bereit, Verantwortung für die Steuerung der Arzneimit- tel-Ausgaben zu über- nehmen, müsse unbe- dingt vermieden werden.

In den KVen existierten Daten, die sie in die Lage versetzten, Beratungs- schwerpunkte zu bilden.

Beispiel GKV-Arznei- mittel-Schnellinformati- on (GAmSi): Seit sich die Kassen im September 2000 auf eine bundeswei- te kassenartenübergrei- fende Zusammenführung aller Verordnungsdaten geeinigt haben, wertet das Wissenschaftliche In- stitut der AOK rund eine Milliarde anonymisierte Verordnungen pro Jahr aus. Acht Wochen nach Monatsende stehen den Krankenkassen Analysen für alle KVen sowie ein Überblicksbericht zur Verfügung. Seit Oktober 2001 gehen die Berichte monatlich auch an die KVen. Mithilfe dieses Sy-

stems, so Hansen, könne man bereits jetzt jedem Arzt einen vergleichenden Überblick über seine Verordnungs- struktur verschaffen, der sich an den Kriterien der Zielvereinbarungen ori- entiere. Das System sei allerdings ver- besserungsbedürftig. Darum müsse man sich jetzt auf ein Anforderungs- profil für die Datenlieferungen der Kas- sen einigen, die die KVen dann für die Ärzte aufbereiten. „Das Konzept für die Datenlieferung wollen wir Anfang März unter Dach und Fach haben“, sagt Hansen. Es sei jedoch nicht realistisch, dass die Kassen diese Aufgabe „von heute auf morgen“ bewältigten. Darum habe man sich in der Rahmenverein- barung auf einen Zeitraum bis zum 1. März 2003 geeinigt. Funktioniert das

System erst, können die KVen die Ver- tragsärzte gezielt und individuell über ihre Verordnungen informieren. Soll- ten die Ausgaben aus dem Ruder lau- fen, kann zügig gegengesteuert werden.

„Jeder Arzt sollte in seinem Bereich schauen, wo er rationeller verordnen kann“, appelliert Hansen aber auch an seine Kollegen. Folgt man dem KBV- Vize, wollen KBV und KVen die Ver- tragsärzte dabei nach Kräften und ef- fektiver als in der Vergangenheit unter- stützen. Der Bundesausschuss der Ärz- te und Krankenkassen wolle beispiels- weise für die umsatzstärksten Analog- präparate eine Kosten-Nutzen-Analyse bereitstellen und – unterstützt von der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft – Therapieempfehlungen abgeben. „Wir wollen Trend-Informationen lie- fern, Problembereiche analysieren und eine sachliche Informations- politik zu Aut idem be- treiben.“ Unterstützung für diese Bemühungen fordert Hansen aber auch von den Kassen. Schließ- lich trage man seit der Ablösung des Budgets ge- meinsam die Verantwor- tung für die Steuerung der Arzneimittelausga- ben.

„Nach dem Kollektiv- regress heißt es jetzt, kol- lektivverantwortlich zu therapieren.“ Denn, wer unwirtschaftlich verord- ne, müsse zur Rechen- schaft gezogen werden.

Dabei hält Hansen Ein- sparungen ohne Qualitäts- einbußen für möglich.

Sein Fazit: „Wir haben kein Budget mehr. Wenn wir das Ausgabenvolu- men nicht einhalten, fällt nicht automatisch ein Fallbeil. Wir haben dann die Gelegenheit, inner- halb der gemeinsamen Selbstverwaltung den Mehrbedarf zu analysie- ren.“ Für Hansen ein Er- folg der KBV-Verhand- lungen. Heike Korzilius P O L I T I K

Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 8½½½½22. Februar 2002 AA471

´ Tabelle ´

Zielvereinbarungsvolumen für Arzneimittel 2002 nach KVen

Arzneimittel- Voraussichtliche Zielvereinbarungsvolumen Kassenärztliche ausgaben- Ausgaben 2001*

Vereinigung volumen 2002 in

in DMin DMin DMProzent

Bayerns 5 061 092 423 5 293 563 654 232 471 231 4,39 Berlin 1 793 466 811 1 843 237 660 49 770 849 2,70 Brandenburg** 1 241 000 000 1 314 233 484 73 233 484 5,57

Bremen 345 396 996 357 956 887 12 559 891 3,51

Hamburg 903 598 743 907 057 494 3 458 751 0,38

Hessen 2 570 810 543 2 711 036 573 140 226 030 5,17 Koblenz 658 777 391 696 601 930 37 824 539 5,43 Mecklenburg-Vorpom. 995 194 924 1 054 239 982 59 045 058 5,60 Niedersachsen 3 467 285 066 3 679635 538 212 350 473 5,77 Nordbaden 1 279 510 392 1 344 404 221 64 893 829 4,83 Nordrhein 4 561 581 703 4 692 536 201 130 954 499 2,79 Nord-Württemberg 1 497 584 537 1 589 302 633 91 718 096 5,77 Pfalz** 642 693 435 674 315 332 31 621 897 4,69 Rheinhessen 266 063 528 272 937 897 6 874 369 2,52 Saarland 541 624 461 572 722 516 31 098 055 5,43 Sachsen 2 388 372 3892 555 215 628 166 843 2396,53 Sachsen-Anhalt 1 442 258 154 1 554 050 413 111 792 259 7,19 Schleswig-Holstein 1 201 445 677 1 227 888 979 26 443 302 2,15 Südbaden** 809801 227 832 104 814 22 303 587 2,68 Südwürttemberg 720 471 278 770 111 404 49640 126 6,45 Thüringen 1 335 780 278 1 408 641 020 72 860 742 5,17

Trier 234 670 709253 309626 18 638 918 7,36

Westfalen-Lippe 4 017 836 256 4 206 232 406 188 396 150 4,48

Ges. Bundesgebiet 37 976 316 922 39 811 336 293 1 835 019 372 4,61

* Berechnet auf der Grundlage der ABDA-Schnellinforniationen ** zum Ausgabenvolurnen 2002 siehe § 1 Nr. 4

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