A70 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 3⏐⏐16. Januar 2009
P O L I T I K
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as KV-System in Bayern hat die Talsohle erreicht“, konsta- tierte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Bay- erns (KVB), Dr. med. Axel Munte, bei der außerordentlichen Vertreter- versammlung am 10. Januar in Mün- chen. Gleichwohl zeigte sich Munte optimistisch: „Ich bin sicher, dass wir einen Aufstieg vor uns haben und dabei weiterkommen werden.“Die Zuversicht schöpft Bayerns KV-Chef aus der einmütigen Unter- stützung durch die gesamte Vertre- terversammlung und die Gemein- schaft Fachärztlicher Berufsverbän- de in Bayern. Sie alle wollen mit vereinten Kräften aus dem politisch verursachten Tief herauskommen und für eine bessere Zukunft kämp- fen – „bis an die Grenzen dessen, was das Gesetz uns erlaubt“, so Munte. Bei diesem Kampf, appel- lierte Munte, sollten die Berufsver- bände vorangehen und den Spiel- raum nutzen, über den eine ärztliche Körperschaft nicht verfüge. Die KVB werde sie dabei voll unterstützen.
Nicht herauskaufen lassen
Es komme jetzt vor allem darauf an, fuhr Munte fort, dass sich die fach- ärztlichen Berufsverbände nicht wie der Hausärzteverband von der AOK aus der Solidarität herauskauften und vom Vertragsarzt zum AOK- Arzt oder zum Arzt einer anderen Krankenkasse ummodeln ließen – zu Zuständen, wie sie vor 1931 und damit vor der Gründung der KVen in Deutschland Realität waren. Beson- ders schmerzen KV wie Facharzt- verbände das Vorgehen der AOK, die Ende letzten Jahres plötzlich ihre Ausschreibung für einen Hausarzt- vertrag nach § 73 b SGB V zurück- zog und wenige Tage später einen Abschluss mit dem Bayerischen Hausärztevertrag ankündigte. Der soll zwar erst ab dem 1. April 2009 inKraft treten, in Teilen aber schon ab dem ersten Quartal dieses Jahres.
Die AOK hatte die Aufkündigung der Ausschreibung unter anderem damit begründet, dass die Angebote der Bewerbergemeinschaft aus KVB und einigen Verbänden „zu unwirt- schaftlich“ gewesen seien. KVB- Vorstand Dr. med. Gabriel Schmidt akzeptiert diese Argumentation nicht:
„Wir lagen finanziell mit unserem Angebot ähnlich wie der jetzige Ver- tragsabschluss mit dem Hausärzte- verband.“ Zudem habe die AOK in ihren Ausschreibungsbedingungen einige Voraussetzungen gefordert, die sie im nun abgeschlossenen Ver- trag schlichtweg ignoriert habe. Die finanzielle Besserstellung der Haus- ärzte im AOK-Vertrag finde zwar seine Anerkennung, aber er verlange gleiche Bedingungen für alle.
Das Verhalten der Krankenkas- sen, vor allem der AOK gegenüber der Vertretung der Vertragsärzte in den Schiedsamtsverhandlungen über die vertragsärztliche Vergütung, hat die KVB-Führung ganz beson- ders enttäuscht. Sie hätten sich allen Anträgen der KVB nach regionalen Lösungen widersetzt und auf voll- ständige Übernahme der bundesweit einheitlichen Vorgaben gedrungen.
Die Bekanntgabe der Fallwerte im Regelleistungsvolumen hat dann zu großer Aufregung innerhalb der Ärz- teschaft und zu Unverständnis in der Öffentlichkeit geführt. Während nahe- zu alle Fachgruppen feststellen muss- ten, dass trotz des Zuwachses von 6,3 Prozent der Gesamtvergütung bei ihnen weniger Honorar landete als 2008, betonte die AOK im Verein mit den anderen Krankenkassen, dass aufgrund ihrer Mehrzahlungen für jede Praxis 1 000 Euro mehr im Monat herauskommen müssten.
„Wo fließt das Geld hin?“, lautete die öffentlich immer wieder gestellte Frage. Die KVB habe schon Ende
November klargestellt, führte Munte aus, dass insgesamt mehr Geld für die niedergelassenen Vertragsärzte und -psychotherapeuten zur Verfügung stehe, aber bei einzelnen davon nichts ankommen werde. „Die harten Ver- werfungen werden das System belas- ten. Das beruht darauf, dass mittler- weile der Bund bestimmt, was und wie verteilt wird.“ Bis heute verfüge die KV über keine validen Zahlen.
Das Regelleistungsvolumen sei nur ein Teil des Gesamthonorars – ein Honoraranteil, der jedoch je Praxis und Fachgruppe sehr unterschiedlich hoch ausfalle. Wer Verlierer und wer Gewinner der Umverteilung sei, werde erst die Abrechnung des ersten Quartals im Juli dieses Jahres zeigen.
Das Geld wird nicht gebunkert
Um den Kollegen bis dahin mehr Klarheit zu geben, habe die KVB Si- mulationsrechnungen angestellt und Rechenhilfen im Internet angeboten, doch all dies könne keine 100-pro- zentige Aussage liefern. Auf jeden Fall würden die Abschlagszahlungen auf dem Niveau des Vorjahrs weiter- laufen: „Das Geld kommt an. Es wird nicht gebunkert. Aber wir können die Verteilung der Gesamtsumme nicht darstellen.“ An die Politik richtete der erzürnte KVB-Chef die Warnung:„Wir werden nicht länger als Kon- kursverwalter arbeiten. Entweder wir bekommen eine Chance oder wir werden einen anderen Weg gehen.“
Zunächst einmal gehen Bayerns Ärzte, angeführt von der KVB, am 4. Februar in einem Schweige- marsch von der Bayerischen Staats- kanzlei zu einer Protestveranstal- tung im Münchener Löwenbräukel- ler. Sie setzen in ihrem Protest nicht zuletzt auf den neuen bayerischen Gesundheitsminister, Markus Söder (CSU), der sich öffentlich zum KV-
System bekannt hat. n
Klaus Schmidt