A 1526 Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 109|
Heft 31–32|
6. August 2012 In der Massen-tierhaltung wer- den häufig Antibioti- ka eingesetzt. Sind diese wichtig für die Humanmedizin, darf das künftig verboten werden.
Foto: dapd
Der ärztliche Bereitschaftsdienst und der Notarztdienst in Bayern stehen nach Ansicht der dortigen Kassen- ärztlichen Vereinigung kurz vor dem Kollaps. In einer dring lichen Vertre- terversammlung Ende Juli machte
deren Vorsitzender, Dr. med. Wolf- gang Krombholz, in erster Linie die unzureichende Vergütung für die Situation verantwortlich. Die Kran- kenkassen verfügten derzeit über KASSENÄRZTLICHE VEREINIGUNG BAYERNS
Bereitschaftsdienst vor dem Kollaps
sehr viel Geld, steckten es jedoch nicht in die ärztliche Versorgung.
Einen echten Honorarzuwachs habe es in Bayern seit Jahren nicht gege- ben. Die mangelnde Vergütung ma- che den Arztberuf für junge Medi - ziner unattraktiv. Der da- durch entstehende Nach- wuchsmangel wirke sich nicht nur in der Regel - versorgung, sondern auch in der Versorgung außer- halb der Sprechstunden- zeiten aus. Ohne tiefgrei- fende Reformen sei der Bereitschaftsdienst nicht mehr flächendeckend auf- rechtzuerhalten.
Die Vertreterversammlung hat deshalb eine grundsätzliche Um- strukturierung des Bereitschafts- dienstes gefordert. Dazu gehören nach den Worten von Krombholz
die Begrenzung des verpflichten- den Dienstalters auf 62 Jahre, die Reduzierung der jetzt 481 allgemei- nen Dienstgruppen auf 177 sowie die Steigerung der Zahl der Bereit- schaftsdienstpraxen von 69 auf 109.
Dazu seien Honoraranpassungen notwendig sowie ökonomisch kal- kulierte Wegepauschalen. Der Stun- densatz im Bereitschaftsdienst liege zurzeit bei durchschnittlich 17,50 Euro. Krombholz hält dagegen ei- nen Stundensatz von 25 Euro für notwendig. Die Vertreterversamm- lung betonte jedoch, die Ärzte seien nicht in der Lage, diese Strukturre- formen aus eigenen Mitteln zu fi- nanzieren. Sie forderte deshalb von den Krankenkassen eine ange- messene Honorarangleichung, rea- le Sachkostenerstattung sowie eine Anschubfinanzierung für mehr Be- reitschaftsdienstpraxen. KS Die Zahl der Be-
reitschaftsdienst- praxen soll in Bayern von 69 auf 119 steigen.
Foto: dpa
Das Bundesministerium für Ernäh- rung, Landwirtschaft und Verbrau- cherschutz (BMELV) soll künftig dazu ermächtigt werden, Antibio- tika, die für die Humanmedizin von Bedeutung sind, in der Tier- haltung zu verbieten. Das geht aus dem Entwurf eines „Sech - zehnten Gesetzes zur Änderung des Arzneimittelgesetzes“ aus dem BMELV hervor. Bislang kann der Tierarzt im Einzelfall darüber ent- scheiden, ob bestimmte Antibioti- ka umgewidmet, also abweichend von ihrer Zulassung, zur Behand- lung kranker Tiere eingesetzt wer- den dürfen.
„Die Umwidmung bestimmter Antibiotika kann die Entstehung und Ausbreitung von Resistenzen fördern, zum Beispiel die Umwid- mung der für die Humanmedizin wichtigen Gruppen der Fluorchi- nolone und Cephalosporine“, heißt es in dem Gesetzentwurf. Die An- wendung dieser Antibiotika stehe im Zusammenhang mit der Ent - stehung des Resistenzphänomens VERBRAUCHERSCHUTZ
Weniger Antibiotika in der Tierhaltung
ESBL („extended spectrum β-Lac - tamases“).
Mit der Änderung des Arznei- mittelgesetzes will das Verbrau- cherschutzministerium den Einsatz von Antibiotika bei der Haltung von Tieren reduzieren und einen verant- wortungsvolleren Umgang mit An- tibiotika in der Tierhaltung fördern, um die Entstehung von Resistenzen zu minimieren. Zudem soll die An-
wendung von Antibiotika bei Tieren besser überwacht werden.
Konkret will das Ministerium die Einhaltung bestimmter Vorgaben der Packungsbeilagen mittels einer Rechtsverordnung vorschreiben und damit die Therapiefreiheit der Tier- ärzte begrenzen. Ihnen will das Mi- nisterium künftig auch vorschreiben können, ein sogenanntes Antibio- gramm zu erstellen oder erstellen zu lassen, mit dem die Empfindlichkeit von Bakterien bestimmt werden kann. Auf diese Weise könne die In- fektion mit dem wirksamsten Anti- biotikum behandelt werden, heißt es in dem Gesetzentwurf.
Darüber hinaus will das Minis- terium künftig vorschreiben, dass bestimmte Antibiotika nur durch den Tierarzt selbst angewendet werden dürfen, zum Beispiel wenn sie „wiederholt in erheblichem Umfang nicht bestimmungsgemäß gebraucht werden“ oder wenn sie innerhalb eines Betriebs über- durchschnittlich häufig angewandt
wurden. fos