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ie geplante und mit Spannung er- wartete Diskussion mit Florian Gerster, dem Sozialminister von Rheinland-Pfalz, einem erklärten Geg- ner des „KV-Monopols“, als Höhe- punkt des Kassenärztetags Nordwürt- temberg musste leider ausfallen: Der SPD-Politiker konnte keinen Rückflug aus den USA bekommen, ließ er mittei-len. Dafür stellten sich der Medizinöko- nom und einer der Berater von Bundes- gesundheitsministerin Ulla Schmidt, Professor Dr. med. Karl Lauterbach, Köln, und der Vorsitzende des AOK- Bundesverbandes, Dr. jur. Hans Jürgen Ahrens, dem Streitgespräch mit dem KBV-Vorsitzenden Dr. med. Manfred Richter-Reichhelm und dem Vor- sitzenden der KV Nordwürttemberg, Dr. med. Werner Baumgärtner. Dieser warf der Politik vor, die Kassenärztli- chen Vereinigungen unter permanen- ten Druck zu setzen und sie letztlich über die Disease-Management-Pro- gramme (DMP) aushebeln zu wollen.
Ahrens wie Lauterbach bestritten, dass es bei den DMP darum gehe, die KVen abzuschaffen. „Wir Kassen wollen den Sicherstellungsauftrag nicht über- nehmen“, versicherte der Vorsitzende des AOK-Bundesverbandes. Aber er
forderte eine flexiblere Vertragspolitik der Körperschaften ein. „Wir wollen gern mit Ärzten Verträge machen, aber nicht unbedingt mit der KV.“
Lauterbach, Mitglied im Sachver- ständigenrat für die Konzertierte Akti- on im Gesundheitswesen, sagte, dass KBV und KVen voll an den DMP betei- ligt werden: „Fast 95 Prozent des DMP- Geschäfts werden über die KVen laufen, aber sie können keine Bestandsgarantie bekommen, dass das auch in fünf Jahren noch so ist.“ Er wies dar- auf hin, dass die KBV sogar noch vor den Kran- kenkassen mit ei- genen DMP-Vor- schlägen und Mo- dellen an die Politik und die Öffentlich- keit herangetreten war.
Richter-Reichhelm bestätigte, dass es einen kollektiven Rahmenvertrag zwi- schen KBV und Krankenkassen zu DMP geben werde, dass die KBV aber auch Vorschläge für Einzelverträge ausarbei- ten werde. Er warnte davor, die ärztli- chen Körperschaften und das Kollektiv- vertragssystem an die Wand zu fahren:
„Dann können wir sehr frankophil wer- den, so frankophil, dass wir streiken!“
In einer solchen Situation entfalle nämlich die Friedenspflicht, die die Kas- senärztlichen Vereinigungen für den Si- cherstellungsauftrag auferlegt bekom- men hätten. Richter-Reichhelm forderte in Stuttgart die versammelten Kollegin- nen und Kollegen auf, sich auf den Ernstfall vorzubereiten, alternative Auf- fang-Strukturen aufzubauen und in der Schublade bereitzuhalten. Klaus Schmidt
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A478 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 99½½½½Heft 8½½½½22. Februar 2002 P O L I T I K
Kassenärztetag Nordwürttemberg
„Frankophil streiken“
Richter-Reichhelm und Baumgärtner halten
die KVen nicht für Auslaufmodelle. Beide plädieren aber für alternative Strukturen für den „Ernstfall“.
Werner Baumgärtner Manfred Richter-Reichhelm
Foto: Eberhard Hahne Foto: Bernhard Eifrig