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Archiv "Konzertierte Aktion fordert leistungsfähiges Gesundheitswesen für ganz Deutschland" (15.11.1990)

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fahren. Das Gutachten selbst sollte den Beweis dafür erbringen, daß ei- ne direkte Inanspruchnahme von Psychologen in der Psychotherapie keineswegs erhebliche Mehrkosten für die Krankenkassen verursachen würde. Zu diesen möglichen Kosten wird in den Eckwerten freilich über- haupt nichts gesagt. In der Tat ist es unvorstellbar, woher die Mittel kom- men sollen, nachdem der Gesetzge- ber den Grundsatz der Beitragssatz- stabilität in der gesetzlichen Kran- kenversicherung festgeschrieben hat.

Die Kassenärztliche Bundesver- einigung trifft vor allem aber auch der mit den Eckwerten unterschwel- lig vermittelte Eindruck, als leide die Qualität der ambulanten psychothe- rapeutischen Versorgung unter dem Mangel an einer gesetzlichen Rege- lung zur Berufsausübung nichtärztli- cher Psychologen. In anderen Wor- ten: Das seit vielen Jahren im Rah- men der gesetzlichen Krankenversi- cherung (für die das Bundesarbeits- ministerium zuständig ist) praktizier- te Delegationsverfahren zwischen Ärzten und psychologischen Psy- chotherapeuten scheint dem Bun- desgesundheitsministerium offen- sichtlich nicht für hinreichende Qua- lität zu bürgen.

Doch genau dies hatten und ha- ben KBV und Kassenverbände im Sinn, indem sie mit den vertraglichen Vereinbarungen hohe Anforderun- gen an die Qualifikation von Arzt und Psychotherapeut stellen.

Schwerpunkt in der Zusammenar- beit von Arzten und nichtärztlichen Psychotherapeuten ist nämlich eine sinnvolle Aufgabenteilung, die sich auf die sehr unterschiedliche Ausbil- dung beider Berufsgruppen gründet.

Nach Aussage des Koalitionspa- piers spricht der „ganzheitliche Cha- rakter von Gesundheit und Krank- heit" für eine selbständige und ei- genverantwortliche Tätigkeit der Psychologen. Das ist ein Wider- spruch in sich selbst. Entsprechend ausgebildete Psychologen sind nach, Auffassung der Ärzteschaft durch- aus in der Psychotherapie heilkun- dig, aber ausschließlich in dieser.

Wird also der beschworene „ganz- heitliche Charakter von Gesundheit und Krankheit" in ihrem Falle auf das rein Psychische begrenzt? JM

Die Konzertierte Aktion im Ge- sundheitswesen sieht es als wichtig- ste Aufgabe an, die gesundheitliche Versorgung in den neuen Bundes- ländern so rasch wie möglich an das Versorgungsniveau im bisherigen Bundesgebiet heranzuführen und den westdeutschen Versorgungs- strukturen anzupassen — „ohne hier vorhandene Mängel zu übertragen".

So steht es in einer Erklärung, die die Konzertierte Aktion am 5. No- vember 1990 verabschiedet hat. In der Konzertierten Aktion, sind rund 80 Vertreter der sogenannten „Be- teiligten des Gesundheitswesens"

versammelt. Welche „Mängel" im bundesdeutschen Gesundheitswesen gemeint sind, wird in der Erklärung nicht gesagt.

Dem Gesundheitswesen im bis- herigen „anderen Teil" Deutsch- lands wird in derselben Erklärung der Konzertierten Aktion zwar das erwartungsgemäß schlechte Zeugnis ausgestellt. Doch werden auch Strukturen erwähnt, deren Weiter- entwicklung im Interesse der Patien- ten geprüft werden müsse, zum Bei- spiel im Bereich der Prävention oder beim Funktionsverbund in der ge- sundheitlichen Versorgung, sprich:

räumliche und fachliche Nähe ärztli- cher Versorgung, medizinische Re- habilitation und Prävention.

Ähnlich klang auch eine Passage in der einleitenden Rede von Bun- desarbeitsminister Dr. Norbert Blüm über die Polikliniken in der früheren DDR. Blüm hob bei der Gelegenheit die Vorteile der Kooperation hervor und empfahl sie für die bisherige Bundesrepublik. Zunächst bekräftig- te der Minister freilich, daß laut Ei- nigungsvertrag die Polikliniken le-

diglich für fünf Jahre zugelassen werden. Danach entschieden die Zu- lassungsausschüsse im Benehmen mit den Ländern, ob diese Einrich- tungen weiter gebraucht würden.

Blüm mahnte sodann, die Diskussion über die Umgestaltung der Versor- gungsstrukturen dürfe nicht mit ideologischen Scheuklappen geführt werden. „Vor allem sollten wir", so Blüm laut Redemanuskript, „mit den Ärzten und anderen Beschäftigten im Gesundheitswesen der früheren DDR diskutieren und nicht über sie.

Wir sollten Möglichkeiten eröffnen, daß die Ärzte und ihre Mitarbeiter positive Elemente ihrer bisherigen Tätigkeit bewahren können." Als Vorteile führte Blüm die bessere Auslastung von medizinisch-techni- schen Geräten, die Möglichkeiten zum kollegialen Erfahrungsaus- tausch und das Angebot vielfältiger diagnostischer und therapeutischer Leistungen unter einem Dach an.

Die Konzertierte Aktion mahnte den weiteren Aufbau von Selbstver- waltungseinrichtungen in den neuen Ländern an und forderte Entstaatli- chung und Dezentralisierung durch Förderung freiberuflicher und selb- ständiger Tätigkeit. Zu den Poliklini- ken heißt es ferner in der Erklärung:

„Bei der Umwandlung von Poliklini- ken und Ambulatorien müssen Eng- pässe in der ambulanten Versorgung durch überstürzten Abbau und Frei- setzung von dort Beschäftigten ver- mieden werden. Die Leistungsstruk- turen der poliklinischen Versorgung müssen unter gleichen Bedingungen im Wettbewerb eine Chance erhal- ten. Die Vertragspartner sollten da- her bei ihren Vereinbarungen über die Vergütung der von den Poliklini-

Konzertierte Aktion fordert

leistungsfähiges Gesundheitswesen für ganz Deutschland

Finanzierung während der Übergangsphase Zukunft der Polikliniken

Differenzen über die Absicherung des Pflegerisikos

A-3594 (18) Dt. Ärztebl. 87, Heft 46, 15. November 1990

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ken erbrachten Kassenleistungen für eine Übergangszeit auch zu pau- schalierten Vergütungsformen kom- men."

Zur Trägerschaft und zur Finan- zierung der Polikliniken ab 1. Januar

1991 haben sich außerdem die Spit- zenverbände der Krankenkassen und die Kassenärztliche Bundesvereini- gung in einer gemeinsamen Empfeh- lung geäußert, die von der Konzer- tierten Aktion ausdrücklich begrüßt wurde, da sie geeignet sei, bestehen- de Unsicherheiten bei den Betroffe- nen zu beseitigen. Zur Trägerschaft der Polikliniken heißt es da, im Zweifelsfall sei davon auszugehen, daß die Rechtsträgerschaft auf die Gemeinden oder die Landkreise übergegangen ist sowie (bei überörtli- chen Spezialeinrichtungen, zum Bei- spiel der psychiatrischen Versorgung) auf die neuen Länder. In aller Deut- lichkeit wird ferner die Rolle der Treuhandgesellschaft, die laut Eini- gungsvertrag die Kassenverbände und die Kassenärztliche Bundesvereini- gung zu bilden haben, zurechtgerückt.

Die Treuhandgesellschaft soll dem- nach nur in Ausnahmefällen die Trä- gerschaft ambulanter Einrichtungen übernehmen, nämlich grundsätzlich nur dort, wo der Träger entfallen ist (Beispiel: ein Unternehmen, das Konkurs gemacht hat). Bis kurz vor Beginn der Konzertierten Aktion se- gelte diese gemeinsame Erklärung auch noch unter der Flagge der kom- munalen Spitzenverbände („in Ab- stimmung"). Kurzfristig hatten die sich dann zurückgezogen, offenbar deshalb, weil sie abweichende Auf- fassungen zur Trägerschaft hatten (mehr dazu im nächsten Heft).

Außerdem wird in der gemein- samen Erklärung — nunmehr allein der Spitzenverbände der gesetzli- chen Krankenkassen und der Kas- senärztlichen Bundesvereinigung — bekräftigt, daß die bestehenbleiben- den Polikliniken sich über leistungs- gerechte Entgelte werden finanzie- ren können. Und das auch nach dem 1. Januar 1991! Gerade wegen der Unsicherheiten zum Jahreswechsel wurden ja so viele Kündigungen in der ehemaligen DDR ausgespro- chen. Nach all den Erklärungen vor und im Zusammenhang mit der Kon- zertierten Aktion dürfte gesichert

sein, daß die Polikliniken auch nach dem 1. Januar mit Abschlagszahlun- gen liquide gehalten werden und daß sie sich sodann aufgrund der er- brachten Leistungen refinanzieren können.

Entsprechendes gilt für die Krankenhäuser. Auch ihnen wurden Abschlagszahlungen zugesichert.

Minister Blüm hat außerdem ein In- vestitionsprogramm für die Kranken- häuser gefordert, ohne allerdings zu sagen, wer dafür zahlt. Eine Erklä- rung der Konzertierten Aktion, ab- gegeben von der Deutschen Kran- kenhausgesellschaft und den Kas- senverbänden, mahnt zudem eine massive öffentliche Förderung der Krankenhäuser an — innerhalb von zehn Jahren seien 30 bis 35 Milliar- den DM nötig.

Neben der „Deutschen Einheit"

standen zwei weitere Punkte auf der Tagesordnung der Konzertierten Aktion: die weitere Umsetzung des Gesundheits-Reformgesetzes sowie weitere Reformschritte. Das Auffal- lendste zu diesen Punkten ist das, was nicht gesagt und erklärt wurde.

So gibt es keinerlei Erklärungen der Konzertierten Aktion zur Umset- zung des Gesundheits-Reformgeset- zes, obwohl in Vorbereitung der Sit- zung vom 5. November eine Reihe von Erklärungsentwürfen kursiert hatten. Offensichtlich hatten sich die jeweils Beteiligten nicht auf einen Text einigen können.

Das Interessanteste an der „Er- klärung zum Bereich Pflege" ist nicht, daß die Konzertierte Aktion einmütig eine umfassende Absiche- rung bei Pflegebedürftigkeit als eine der wichtigsten sozialpolitischen Aufgaben der nächsten Legislatur- periode ansieht (das ist mittlerweile Allgemeingut), sondern die lange Li- ste der Organisationen, die Blüms

„Bausteine" für die künftige Gesetz- gebung entweder ablehnen oder sich dazu der Stimme enthalten oder sich weitere Prüfungen vorbehalten.

Blüms Vorstellungen wurden erst- mals beim Ersatzkassentag präsen- tiert. Auf den Bericht dazu in Heft 41 („Einstieg in die Pflege und Ein- stiegswinkel in die alte DDR") sei verwiesen.

Abgelehnt wurden bei der Kon- zertierten Aktion die „Bausteine"

durch die Bundesvereinigung Deut- scher Arbeitgeberverbände, die Deutsche Angestellten-Gewerk- schaft und den Verband der Privaten Krankenversicherung. Enthalten ha- ben sich die Kassenärztliche Bun- desvereinigung, die Kassenzahnärzt- liche Bundesvereinigung, der Bun- desverband der Deutschen Zahn- ärzte, der Bundesverband der Phar- mazeutischen Industrie und die Bundesvereinigung Deutscher Apo- thekerverbände. Weitere Prüfungen haben sich vorbehalten die Länder Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz. -Überlegt man nun, wer Blüms Bausteine akzep- tiert hat, so bleiben im wesentli- chen die Kassenverbände. Die kön- nen sich offensichtlich mit Blüms Grundidee, die Pflege über die Krankenversicherung abzuwickeln (nicht: zu finanzieren!), am besten anfreunden.

Ach so, da gibt es ja noch das Gesundheits-Reformgesetz. Das Bundesarbeitsministerium hätte ger- ne gesehen, wenn die Konzertierte Aktion einige noch nicht realisierte Gesetzesvorschriften — wie zum Bei- spiel die weitere Ausdehnung der Festbeträge oder die Einführung von Wirtschaftlichkeitsprüfungen und Richtgrößen — angemahnt hät- te. Das ist nicht geschehen. Im übri- gen hat Minister Blüm wieder ein- mal das Gesundheits-Reformgesetz als erfolgreich gepriesen. Das wird ihm niemand verdenken, denn sein politisches Schicksal hängt eng mit dem Erfolg der „Gesundheitsre- form" zusammen; in Kürze sind Bundestagswahlen, und da sind Er- folge gefragt.

Die Leistungsträger im Gesund- heitswesen, die sich einen Tag vor der Konzertierten Aktion getroffen hatten, sind in der Bewertung des Gesundheits-Reformgesetzes nach wie vor mehr als zurückhaltend. Die Erfahrungsberichte der Selbstver- waltung in allen Leistungsbereichen fallen nach wie vor kritisch aus, stel- len sie fest. Vor allem der leidige und von Blüm auch vor der Konzer- tierten Aktion wieder hartnäckig verfochtene Grundsatz der Beitrags- satzstabilität ist nach Auffassung der Leistungsträger auf Dauer nicht durchzuhalten. NJ Dt. Ärztebl. 87, Heft 46, 15. November 1990 (19) A-3595

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