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Archiv "Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen: Kosmetische Korrekturen am Gesundheits-Reformgesetz?" (24.06.1991)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Entscheidende Kurskorrekturen in. der Gesundheitspolitik sind von der CDU/CSU-FDP-ge- führten Bundesregierung kaum zu erwarten. Atmosphärische Entspannung im Dialog der Kon- trahenten kennzeichnete die Ple- nardebatte bei der Frühjahrsta- gung der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen am 6. Juni im Maternushaus zu Köln. Die Ta- gung, erstmals unter Leitung der neu amtierenden Bundesge- sundheitsministerin Gerda Has- selfeldt (CSU), mußte in zehn Thesen zur amtlichen Gesund-

G

leichwohl bezeichnete Mini- sterin Hasselfeldt die Ge- sundheitsreform als einen wichtigen Schritt in die richtige Richtung, die durch eine zweite Etappe, die Organisations- und Strukturreform der Krankenkassen, ergänzt und vollendet werden müsse.

Um Mäkeleien der Verbände vorzu- beugen, betonte die Ministerin, die Gesundheitsreform habe sich „in al- len wesentlichen Teilen bewährt und als notwendig erwiesen". Eine „Re- form der Reform" werde daher nicht stattfinden. Vom Grundsatz der Bei- tragssatzstabilität dürfe auch in Zu- kunft nicht abgewichen werden.

Überlagert würden die Fortführung der „Gesundheitsreform" und die Re- vision des Krankenhausrechtes von den kräftezehrenden Überleitungs- und Anpassungsmaßnahmen im Ge- sundheitswesen der fünf neuen Bun- desländer. Die Forderungen der Kon- zertierten Aktion wurden in zwei Ent- schließungen auf den „kleinsten ge- meinsamen Nenner" gebracht.

Frau Hasselfeldt kündigte an, daß sie eine Kabinettsentscheidung über eine Novelle zum SGB V bis

heitspolitik zur Kenntnis nehmen, daß am Blüm-Kurs der politisch motivierten Kostendämpfung, der Beitragssatzstabilisierung und der weiteren Ausschöpfung von Rationalisierungspotentialen festgehalten werden soll. Dage- gen kontrastieren die Stand- punkte der Repräsentanten der Spitzenverbände im Gesund- heitswesen sowohl im Grundsatz als auch im Detail, auch was die Notwendigkeit und Dringlichkeit einer Revision des „Gesund- heits-Reformgesetzes" (Sozial- gesetzbuch V) betrifft.

zum Ende der Sommerpause anstre- be. Bis dahin sollen nach Maßgabe der Koalitionsabsprache (vom Fe- bruar dieses Jahres) einzelne Be- stimmungen überprüft und gegebe- nenfalls neu gefaßt werden. Die No- velle soll sich nicht auf Grundsätzli- ches erstrecken, sondern darauf ach- ten, ob die Prinzipien der Sozialver- träglichkeit und Praktikabilität ein- gehalten werden.

Qualitätssicherung, Festbetragskonzept ...

Im übrigen drängt Gerda Has- selfeldt darauf, daß die noch brach- liegenden Paragraphen des „Ge- sundheitsreform-Gesetzes" zügig an- gewandt und durch die Selbstverwal- tung ausgeschöpft werden. Nicht zu- letzt hat der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesund- heitswesen im Jahresgutachten 1991 darauf hingewiesen, daß von den ins- gesamt 307 Paragraphen des SGB V bisher lediglich ein Drittel in die Pra- xis umgesetzt werde. Die Ministerin forderte die Leistungserbringer auf,

sämtliche Einsparpotentiale auszu- schöpfen, um ein möglichst hohes Qualitätsniveau der medizinischen Versorgung zu sichern, die Gesund- heitsvorsorge auszubauen und stabi- le Beiträge der gesetzlichen Kran- kenversicherung zu garantieren.

Bei der Weiterentwicklung des

„Gesundheitsreform-Gesetzes" ste- hen aus der Sicht der Ministerin fünf Aufgaben im Vordergrund:

> Ausbau von Maßnahmen zur Qualitätssicherung in der ambulan- ten ärztlichen und zahnärztlichen Versorgung sowie im Krankenhaus- sektor;

> Einführung einer wirksamen Zahnprophylaxe bei Kindern und Ju- gendlichen;

> rasche Umsetzung des Fest- betragskonzeptes für Arznei- und Hilfsmittel (das „Herzstück" der Blümschen Gesundheitsreform);

> Schaffung von mehr Trans- parenz der Leistungen und Kosten für Ärzte und Versicherte sowie

> verbesserte Wirtschaftlich- keitsprüfung in der ambulanten und stationären Versorgung.

Zum Teil kontrovers, mehrheit- lich aber zustimmend ist die Frage erörtert worden, ob das SGB V im Bereich der Selbstbeteiligung bei Arzneimitteln außerhalb der Festbe- tragsregelung (die zum 1. Januar 1992 einsetzen soll) „nachgebessert"

werden soll. Immerhin sind heute nicht die erwarteten 60 bis 80 Pro- zent des GKV-Arzneimittelmarktes durch Festbetragsregelungen erfaßt worden, sondern lediglich 30 bis 35 Prozent, so daß soziale Härten ent- stehen könnten, wenn für 70 Prozent des Arzneimittelsektors Zuzahlun- gen bis zu 15 DM geleistet werden müßten. Die Krankenkassen plädie- ren deshalb für eine Verschiebung der Termine auf den 1. Januar 1994 (bei eventuell auf zehn Prozent re- duziertem Selbstbehalt).

Am weitesten ging der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Deren stellvertretende Vorsitzende, Ursula Engelen-Kefer, forderte die völlige Aufhebung der 15prozentigen Zu- zahlung ab 1992. Als eine „struktu- relle Verbesserung der Arzneimittel- versorgung" bezeichnete die DGB-

Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen

Kosmetische Korrekturen am Gesundheits-Reformgesetz?

Dt. Ärztebl. 88, Heft 25/26, 24. Juni 1991 (21) A-2233

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Vertreterin die Einführung von Posi- tiv-Listen und/oder die Aufnahme direkter Preisverhandlungen zwi- schen Krankenkassen und der phar- mazeutischen Industrie (ein Vor- schlag, der vom DGB und den Kran- kenkassen-Spitzenverbänden bereits im Vorfeld zur GRG-Reform venti- liert wurde, aber von der Pharmain- dustrie mit Rückendeckung des Bun- deskartellamtes, Berlin, abgelehnt wurde).

Wollte Ministerin Hasselfeldt auch ein grundsätzliches Einver- ständnis sowohl der gesetzlichen Krankenkassen als auch der Lei- stungserbringer zum Grundsatz der Beitragsstabilität festgestellt haben, so waren die Statements und die Re- solution der Verbände im Gesund- heitswesen dazu eindeutig: Das

„starre Festhalten an dem politi- schen Ziel der Beitragsstabilität" sei

„im besonderen Maße fragwürdig", da die demographische Entwicklung und der medizinische Fortschritt mit weiter verbesserten Möglichkeiten in Diagnostik und Therapie zu einer weiteren Verteuerung im Gesund- heitswesen führen müßten. Die überbordende Bürokratie und das Übermaß an Kontrollen müßten aus dem GRG eliminiert werden.

Defizit befürchtet

Tatsache ist, und darauf weist ei- ne Entschließung hin: Im ersten Quartal 1991 stiegen die Leistungs- ausgaben der Krankenkassen je Mit- glied um 8,4 Prozent, wohingegen die beitragspflichtigen Einnahmen („Grundlohnsumme") nur um 3,3 Prozent wuchsen. Dies führte zu ei- nem (rechnerischen) Defizit von mehr als 1,8 Milliarden DM im er- sten Quartal 1991. Gleichwohl geht die Konzertierte Aktion davon aus, daß die gute Konjunktur anhält und damit die günstige Entgeltentwick- lung zu einer Entlastung der Kran- kenkassen führen wird.

• Besorgt äußerte sich die Kon- zertierte Aktion über die nicht gera- de rosige Finanzlage der Kranken- kassen in den fünf neuen Bundeslän- dern. Deren Finanzlage hänge eben- falls von der Prosperität der Wirt- schaft in Ost-Deutschland und damit

Einseitige Sparopfer

. . . „Kein anderer Leistungs- bereich in der gesetzlichen Kran- kenversicherung als der ambu- lante ärztliche Sektor hat die Aus- wirkungen des Grundsatzes der Beitragssatzstabilität unvergleich- lich stark zu spüren bekommen.

Im Gegenteil werden zum Bei- spiel im Krankenhausbereich stei- gende Arztzahlen, notwendige ta- rifliche Verbesserungen im Pfle- gebereich und steigende Investi- tionen durch technischen Fort- schritt im Rahmen des Selbstko- stendeckungsprinzips selbstver- ständlich bei der Pflegesatzfest- setzung berücksichtigt, ohne daß einer daraus resultierenden über- proportionalen Kostenentwicklun- gen der Grundsatz der Beitrags- satzstabilität entgegengehalten werden kann."

Dr. med. Ulrich Oesingmann, Erster Vorsitzender der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung, vor der Konzertierten Aktion am 6. Juni 1991.

der Einkommensentwicklung ab.

Andererseits entsteht ein Druck auf die Kassenetats dadurch, daß Zah- lungen und Abschlagszahlungen an die Leistungserbringer für volle zwölf Monate zu leisten sind, wohin- gegen die Beitragseinnahmen nur in elf Monaten eingehen werden. Die Konzertierte Aktion forderte die Bundesregierung auf, zu prüfen, ob der gesetzlichen Krankenversiche- rung im Gebiet der fünf neuen Län- der Rückzahlungen aus der An- schubfinanzierung erlassen werden können.

Die Vorgabe des Einigungsver- trags, auch in den neuen Bundeslän- dern ausgeglichene Haushalte bei ei- nem Beitragssatz von 12,8 Prozent (im Jahr 1991) zu erreichen, wird von der Konzertierten Aktion als

„gesetzliche Orientierungsmarke"

eingestuft. Die Tarifabschlüsse und die Einkommensentwicklung der Ar- beitnehmer gleiche sich schneller an das Niveau der übrigen Bundeslän- der an, so daß schon in Kürze der Beitragssatz floaten könnte.

Die Beitragsfinanzierung der ge- setzlichen Krankenversicherung sei ein konstitutives und gestaltendes Element der Selbstverwaltung auch in den fünf neuen Bundesländern.

• Bei der Organisations- und.

Finanzreform der Krankenversiche- rung, die offenbar erst Mitte der Le- gislaturperiode in Angriff genom- men werden soll, solle die Kassen- wahlfreiheit der Arbeiter ausgebaut werden, so Frau Hasselfeldt. Die er- weiterte Kassenwahlfreiheit könne nur dann realisiert werden, wenn strukturelle und risikobedingte Bei- tragssatzunterschiede bei den Kran- kenkassen und Kassenarten zumin- dest angeglichen werden. Es müsse ein praktikabler Ausgleich der Risi- kostrukturen insbesondere für Grundlöhne und mitversicherte Fa- milienangehörige gefunden werden.

Jedenfalls dürften der Risikoaus- gleich und die Angleichung der Bei- tragssätze nicht zu Lasten des Eigen- interesses der Krankenkassen an ei- nem möglichst wirtschaftlichen Ge- baren gehen.

Die Ministerin will hier es nicht bei einigen Retuschen an der Kas- senwahlfreiheit der Arbeiter und schon gar nicht bei den schon jetzt im Gesetz vorgesehenen Möglichkei- ten zum kasseninternen Ausgleich auf Landes- und Bundesebene belas- sen. Am gegliederten System der ge- setzlichen Krankenversicherung und der Kassenautonomie soll nicht ge- rüttelt werden.

Der kostenexpansive Kranken- haussektor, so scheint es, wird auch unter Ministerin Hasselfeldt nicht an die Kandare genommen. Lediglich eine „stromlinienförmige" Weiter- entwicklung des Krankenhausrech- tes unter Einbau von mehr markt- wirtschaftlichen Elementen (Abtei- lungspflegesätze; mehr obligatori- sche Sonderentgelte) wird in Aus- sicht gestellt.

Energisch will die Ministerin mit Unterstützung der Verbände etwas unternehmen, um die Situation der Pflegeberufe zu verbessern. Mit ei- nem Polieren am Image des Pflege- personals möchte Frau Hasselfeldt es keinesfalls bewenden lassen, viel- mehr sollen auch Aus-, Weiter- und Fortbildungsprogramme, Umschu- lungsmaßnahmen und strukturelle Vorhaben (Verordnung über An- haltszahlen im Pflegebereich) in Gang gesetzt werden, um die „Zen- tralschaltstelle Pflege" vor einem Kollaps zu bewahren. HC

A-2234 (22) Dt. Ärztebl. 88, Heft 25/26, 24. Juni 1991

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