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Archiv "Angeborene Immunität: Eine konzertierte Aktion" (14.02.2014)

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A 266 Deutsches Ärzteblatt

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Heft 7

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14. Februar 2014

J

ahrzehntelang richtete sich das Interesse der Forscher vor- nehmlich auf das erworbene, „adap- tive“ Immunsystem, das in der fort- währenden Auseinandersetzung mit Antigenen spezifische zelluläre Ab- wehrmechanismen entwickelt hat.

Es bildet molekulare Antikörper und besitzt ein immunologisches Ge- dächtnis. In Gang gesetzt werden die komplexen Abwehrstrategien allerdings von einem zweiten (und stammesgeschichtlich älteren) Me- chanismus, dem der angeborenen Immunabwehr. Seine Komponen- ten (polymorphkernige Leukozy- ten, natürliche Killerzellen und Ma- krophagen) sind stets abrufbereit und bilden gewissermaßen die erste Verteidigungslinie im Kampf gegen Infektionserreger.

Um die Erforschung des angebo- renen Immunsystems haben sich un- ter anderem Ralph M. Steinman, Bruce A. Beutler und Jules A. Hoff- mann verdient gemacht. Sie wurden 2011 zusammen mit dem Nobelpreis ausgezeichnet. Hoffmann und Beut- ler identifizierten im angeborenen Immunsystem bestimmte Antigen- Rezeptoren (Toll-Like Receptors), die körperfremde Signale aufnehmen und Entzündungsreaktionen starten.

Mitwirkung einer Vielzahl von Mediatoren und Botenstoffen

Steinman beschrieb mit den dendriti- schen Zellen eine weitere zentrale Komponente des angeborenen Im- munsystems, die von hoher Wichtig- keit für die Aktivierung der adap - tiven Immunabwehr ist. Jede Im-

munantwort auf virale und bakte - rielle Erreger ist letztlich das Ergeb- nis einer konzertierten Aktion bei- der Systeme unter Mitwirkung ei- ner Vielzahl von Mediatoren und Bo- tenstoffen.

Auf dem „North Regio Day on Infection“, der vom Helmholtz-Zen- trum für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig ausgerichtet wur- de, ging es um die Frage, wie In - fektionserreger das angeborene Im- munsystem modulieren, um dessen Abwehrstrategien außer Kraft zu setzen. „Auch die Interaktionen zwischen angeborenem Immunsys- tem, körpereigener Mikroflora und exogenen Noxen beziehungsweise eindringenden Krankheitserregern sind ein großes Forschungsthema“, erläuterte Dr. Till Strowig, Leiter ANGEBORENE IMMUNITÄT

Eine konzertierte Aktion

Im Zentrum des frühen Abwehrgeschehens steht das Inflammasom, ein Multiproteinkomplex in Makrophagen und neutrophilen Granulozyten.

Yersinia pseudotu- berculosis ruft Darm- erkrankungen hervor.

Circa 90 Prozent aller Infektionen werden durch die angeborene Immunabwehr erfolg- reich bekämpft.

Foto: HZI/M. Rohde

M E D I Z I N R E P O R T

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Deutsches Ärzteblatt

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14. Februar 2014 A 267 der Nachwuchsgruppe „Mikrobiel-

le Immunregulation“ am HZI.

„Nur wenn wir die Funktions- weise des angeborenen Immunsys- tems wirklich verstehen, können wir Infektionskrankheiten künftig bekämpfen“, sagte Prof. Melanie Brinkmann, Leiterin der Nach- wuchsgruppe „Virale Immunmodu- lation“ am HZI.

Im Zentrum des frühen Abwehr- geschehens steht das Inflammasom, ein Multiproteinkomplex in Makro- phagen und neutrophilen Granulo- zyten, das als Sensor des Infektge- schehens fungiert. Wird das Inflam- masom etwa durch bakterielle Zell- strukturen stimuliert, wird mittels Caspase-Aktivierung und nachfol- gender Interleukin-Freisetzung eine Entzündungsreaktion in Gang ge- setzt mit dem Ziel, die potenziell krankmachenden Bakterien zu eli- minieren.

Wie aber reagiert das Inflamma- som auf die immense Menge an Bakterien, Eukaryoten und Archae- en, die als zelluläre Lebewesen den Darm besiedeln und eine gesunde Darmfunktion sicherstellen? Mit et- wa 100 Trillionen Zellen besitzt die intestinale Mikrobiota zehnmal mehr Zellen als der menschliche Organismus. Die Zusammensetzung

dieser gewaltigen Zellmassen hängt unter anderem von der genetischen Ausstattung des Wirtsorganismus und von der Ernährungsweise ab.

Aber auch wiederholte antibioti- sche Behandlungen oder Interaktio- nen mit dem Immunsystems kön- nen die Darmflora nachhaltig ver- ändern, so Strowig. „Ist das emp- findliche immunologische Gleich- gewicht zwischen bakteriellen Sym- bionten, Commensalen und Patho- bionten anhaltend gestört, kommt es zu chronischen Entzündungsre- aktionen.“ Es wird vermutet, dass sie in ursächlichem Zusammen- hang mit Krankheiten wie Morbus Crohn, Colitis ulcerosa und Reiz- darmsyndrom, aber auch mit Stoff- wechselstörungen wie dem meta- bolischen Syndrom oder der Adipo- sitas stehen.

Inflammasome steuern Entzündungsreaktionen

Im Tiermodell konnten die Braun- schweiger Wissenschaftler nun zei- gen, dass entzündliche Reaktionen im Dickdarm tatsächlich durch eine Aktivierung des angeborenen Im- munsystems ausgelöst werden. Des- sen Überwachungssystem, die In- flammasome, verfügt über soge- nannte NOD-like-Rezeptoren, die

(ähnlich den eingangs erwähnten Toll-Like-Rezeptoren) als Antigen- Detektoren fungieren. Bei gentech- nisch modifizierten Mäusen mit ei- nem Defekt im angeborenen Im- munsystem (Caspase-1-Defizienz) fiel die entzündliche Reaktion nach DSS (Dextran-Sulfat-Sodium)-indu- zierter Kolitis deutlich geringer aus als bei Kontrolltieren vom Wildtyp.

Allerdings hatten die Defekt- Mäuse eine veränderte Mikroflora.

Dies scheint darauf hinzuweisen, dass dem angeborenen Immunsys- tem eine wichtige Funktion für die Aufrechterhaltung einer gesunden Darmmikroflora und bei der Kon- trolle von Entzündungsreaktionen zukommt. Der Stellenwert des ange- borenen Immunsystems und insbe- sondere der Inflammasome im Zu- sammenhang mit chronisch-ent- zündlichen Darmerkrankungen soll nun weiter in Braunschweig unter- sucht werden, auch im Hinblick auf mögliche präventive beziehungswei- se therapeutische Konsequenzen.

Dr. med. vet. Beate Grübler

Neben dem Helmholtz-Zentrum für Infektionsfor- schung wurde das Treffen koordiniert von der Ot- to-von-Guericke-Universität Magdeburg, der Medi- zinischen Hochschule Hannover, der Technischen Universität Braunschweig, dem Forschungszen- trum TWINCORE in Hannover und dem Robert- Koch-Institut in Wernigerode.

Seit Urzeiten versuchen enteropathogene Bakterien die Immunabwehr ihrer Wirtsorga- nismen auszutricksen. Über ein besonders ausgeklügeltes System verfügen bestimmte Stämme von Yersinia pseudotuberculosis, einem Hauptverursacher von Darminfektio- nen. Sie produzieren in großem Maßstab den sogenannten Cytotoxic Necrotizing Factor (CNFγ). Diesem Toxin wurde bis dato keine große Beachtung geschenkt, zumal nicht alle Yersinia-Stämme das Molekül herstellen. Ein Team um Prof. Dr. rer. nat. Petra Dersch, Lei- terin der Abteilung Molekulare Infektionsbio- logie am HZI, nahm CNFγ nun genauer unter die Lupe.

„Bakterien stellen nur Moleküle her, die ih- nen nutzen. Daher hat uns interessiert, wozu Yersinia CNFγ benötigt“, erläuterte Dersch das Vorhaben. Die Gruppe arbeitete mit gen- technologisch hergestellten Bakterienstäm-

men, deren CNFγ-Produktion blockiert war.

Diese Knockout-Stämme konnten bei infi - zierten Mäusen keine Darminfektionen hervor- rufen und beeinträchtigten auch nicht die Im- munreaktion der Tiere. Das ist insofern er- staunlich, da die Bakterien durchaus über weitere Strategien für die Wirtsinvasion verfü- gen. So exprimieren sie etwa große Molekül- komplexe, mit denen sie zelltoxische Substan- zen in Immunzellen schleusen. Damit dies ef- fektiv funktioniert, scheint der untersuchte Yersinien-Stamm allerdings zusätzlich CNFγ zu benötigen.

Das kleine Molekül stellt die Weichen in Richtung Infektion, indem es einen „molekula- ren Schalter“ umlegt. Es handelt sich dabei um kleine Rho-GTPasen, die enzymatische Ereig- niskaskaden, wie etwa Veränderungen des Zell- skeletts, in Gang setzen, was den Yersinien die Zellinvasion erleichtert. Auch die Apoptose von

Immunzellen wird durch eben diese Rho- GTPasen eingeleitet. Mit dem Molekülkomplex CNFγ besitzen bestimmte Yersinien-Stämme offenbar ein potentes Werkzeug, um die Im- munreaktion des Wirtorganismus – insbeson- dere die durch Makrophagen und NK-Zellen vermittelte unspezifische Immunantwort – effektiv zu unterdrücken.

„Wir haben einen cleveren Schachzug von Yersinia pseudotuberculosis aufgedeckt. Mit CNFγ braucht das Bakterium nur ein einzelnes Protein, das die Zelle so aktiviert, dass der bakterielle Injektionsapparat effektiver arbeiten kann“, kommentiert Dersch. Diese Injektions- apparate (Injektosome) sind womöglich auch ein interessantes therapeutisches Target, um bakterielle Infektionen einzudämmen. grue

PLoS Pathog. 2013; 9(11): e1003746. doi: 10.1371/

journal.ppat.1003746. Epub 2013 Nov 7.

BAKTERIUM CONTRA IMMUNSYSTEM

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