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Archiv "Konzertierte Aktion: Tragbare Kompromisse" (06.12.1979)

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Herhstetzupg Konzertier. Akte,

Praktische Ausbikfung verbessern Arzneimittetforschung sichern ,„ • Gesundheitsberatung ausbaten

Seito 3227

Redaktion:

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DEUTSCHE S ÄRZTEBLATT

Ärztliche Mitteilungen

Herausgeber: Bundesärztekammer und Kassenärztliche Bundesvereinigung

Konzertierte Aktion:

Tragbare

Kompromisse

Themen der Herbstsitzung:

Vorbereitungszeit für Kassenärzte, ärztliche Ausbildung.

Arzneimittelmarkt, pharmazeutische Forschung.

Gesundheits-Vorsorge in der Krankenversicherung

Schon fünfmal hat jetzt die Konzertierte „Aktion im Gesundheitswe- sen" getagt, jedesmal unter Vorsitz von Bundesarbeitsminister Dr.

Herbert Ehrenberg. Bei der Eröffnung der Herbstsitzung am 22.

November hob der Minister hervor: „Hierzulande ist es üblich, 10er- Zahlen als ein festliches Ereignis zu begehen; wenn dies richtig ist, so haben wir heute zumindest einen halben Anlaß, über unsere bisherige gemeinsame Arbeit zufrieden zu sein." Mit diesen Worten gab Ehrenberg den Startschuß zu der mit zwei Tagen längsten, aber auch lebhaftesten Sitzung der Konzertierten Aktion.

Im Gegensatz zur Frühjahrssitzung, die unter dem gesetzlichen Auftrag zur Abgabe von Empfehlungen zur Veränderung der kassen- ärztlichen Gesamtvergütungen und zur Weiterentwicklung der Arz- neimittelhöchstbeträge steht, werden in der Herbstsitzung Struktur- fragen des Gesundheitswesens diskutiert.

Die Vorbereitung der Frühjahrssitzung oblag — und dies wird in Zukunft hoffentlich so bleiben — den unmittelbar Betroffenen, also den Kassenärzten und Krankenkassen. Bei der Diskussion um Struk- turfragen unseres Gesundheitswesens fühlen sich dagegen mehr oder weniger alle Mitglieder berufen, ihre (vorgefertigten) Beiträge einzubringen oder zu verlesen; kontroverse Diskussionen sind die Folge. Wenn es dennoch möglich war, auch die diesjährige Herbst- sitzung der Konzertierten Aktion erfolgreich zu gestalten, so lag dies wiederum an der guten Vorbereitung der Sitzung durch die unmittel- bar Betroffenen, insbesondere die Ärzte und Krankenkassen.

Den Auftakt bildete der Bericht der Bundesregierung über die Wei- terbehandlung der Empfehlungen der Konzertierten Aktion vom Herbst 1978 zur Überprüfung der Approbationsordnung und der

Heft 49 vom 6. Dezember 1979 3227

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Zulassungsordnung für Ärzte.

Staatssekretär Prof. Dr. Hans Ge- org Wolters vom Bundesministe- rium für Jugend, Familie und Ge- sundheit berichtete über die Arbeit der „Kleinen Kommission zu Fra- gen der ärztlichen Ausbildung und der künftigen Entwicklung im Be- reich des ärztlichen Berufsstan- des". Diese hatte vom Februar bis August 1979 Empfehlungen ent- wickelt mit dem Ziel, die prakti- sche Ausbildung der Medizinstu- denten zu verbessern. Umstritte- ner Kernpunkt ist der Vorschlag der Kommission, im Anschluß an das bisherige Studium — also nach dem Staatsexamen, aber vor der Approbation — eine einjährige Pra- xisphase einzuführen, in welcher der junge Mediziner unter Anlei- tung und Aufsicht praktische Er- kenntnisse und Erfahrungen so- wohl im Krankenhaus als auch in freier Praxis sammeln soll. Aller- dings müsse geklärt werden, so Wolters, ob ausreichende Ausbil- dungsplätze für diese einjährige Praxisphase zur Verfügung stün- den. Zu diesem Zweck vergibt das Bundesarbeitsministerium ein Forschungsvorhaben. Mit aus die- sem Grund wird weitere wertvolle Zeit verstreichen, bevor eine ge- setzgeberische Umsetzung der Empfehlung erwartet werden kann. In dieser Legislaturperiode, so Wolters, sei eine Entscheidung des Gesetzgebers nicht mehr möglich. Wolters machte im übri- gen in seinem Bericht deutlich, daß eine nicht unerhebliche Min- derheit in der „Kleinen Kommis- sion" sich für eine zweijährige Assistentenzeit ausgesprochen habe.

Die Staatssekretärin im Bundesmi- nisterium für Arbeit und Sozialord- nung, Frau Anke Fuchs, nahm an- schließend zu dem Prüfantrag der Konzertierten Aktion an das Bun- desarbeitsministerium Stellung,

„welche Möglichkeiten vorüber- gehend bestehen, zur kassenärzt- lichen Versorgung nur diejenigen Ärzte zuzulassen, die eine ange- messene (etwa zweijährige) prakti- sche Berufserfahrung als Assi- stent im Krankenhaus und in freier

Praxis nachweisen". Die Stellung- nahme, die in einer Tischvorlage schriftlich fixiert war, dürfte zwi- schen den beiden Bundesministe- rien für Arbeit und Sozialordnung sowie Jugend, Familie und Ge- sundheit bis zur letzten Minute umstritten gewesen sein. Jeden- falls betonte Ehrenberg, in dieser Frage sei innerhalb der Bundesre- gierung „die Meinungsbildung noch nicht abgeschlossen". Be- kanntlich hatte das Bundesmini- sterium für Arbeit und Sozialord- nung im Gegensatz zum Bundes- ministerium für Jugend, Familie und Gesundheit in der „Kleinen Kommission" für eine zweijährige Assistentenzeit plädiert.

Sowohl die Ausführungen von Frau Fuchs als auch die Tischvor- lage brachten keine wesentlich neuen Erkenntnisse. Allerdings legte sich das Arbeitsministerium in einem Punkt fest: Im Hinblick auf die zwangsläufig noch ver- streichende Zeitspanne von meh- reren Jahren, bis sich eine Ände- rung im Ausbildungsrecht auswir- ken kann, muß eine Zwischenlö- sung gefunden werden. Vom BMA wurde vorgeschlagen, im Rahmen der EG-Richtlinien — Ärzte eine von der derzeitigen Rechtslage abweichende Regelung zu erwir- ken. Dazu heißt es in dem vorge- legten Papier:

„Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) würde sich für eine solche Lösung ein- setzen und hat deshalb die not- wendigen Gespräche mit den be- teiligten Bundesressorts aufge- nommen. Jedenfalls soll noch im Jahre 1980 eine Regelung getrof- fen werden. Allerdings werden von der Kassenärztlichen Bundesver- einigung realisierbare Vorschläge dazu erwartet, in welcher Weise die für die kassenärztliche Tätig- keit notwendige praktische Be- rufserfahrung erworben werden soll.

Der BMA geht davon aus, daß für den Erwerb der praktischen Be- rufserfahrung eine 12- bis 15mo- natige Tätigkeit im Krankenhaus,

eine sechsmonatige Tätigkeit bei Kassenärzten und eine drei- bis sechsmonatige Tätigkeit im öf- fentlichen Gesundheitsdienst ein- schließlich des betriebsärztlichen Dienstes erforderlich sein sollte."

Vorbereitungszeit auf die Kassenpraxis: Eile geboten Dr. Kurt Friede, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Be- triebskrankenkassen, machte in seiner Antwort (Auszüge auf Seite 3236), welche mit der Ärzteseite vorher besprochen war, den Un- mut der Spitzenverbände der Krankenkassen und der Ärzte deutlich, daß ein Jahr nutzlos ver- strichen sei. Nunmehr sei absolute Eile geboten, die Lösung des Pro- blems aktiv anzugehen. Im Hin- blick auf die weiterhin steigende Zahl von Medizinstudenten und die daraus resultierende Qualitäts- verschlechterung der ärztlichen Ausbildung sprach sich Friede im Namen der Spitzenverbände der Krankenkassen für eine zweijähri- ge praktische Ausbildung im Kran- kenhaus, in der freien Praxis und im öffentlichen Gesundheitsdienst aus.

Der Verlauf der weiteren Diskus- sion zu diesem Tagesordnungs- punkt war durch die einhellige Auffassung aller Beteiligten ge- kennzeichnet, bis zur Novellierung der Ausbildungsordnung eine Zwi- schenlösung in dem Sinne anzu- streben, daß Kassenarzt nur derje- nige werden kann, der eine zwei- jährige Assistentenzeit sowohl im Krankenhaus, im öffentlichen Ge- sundheitsdienst wie aber auch in der freien Praxis absolviert hat. Ei- ne solche Zwischenlösung biete die Möglichkeit, die schwierigen Fragen der Ergänzung der Medizi- nerausbildung um praktische In- halte in Ruhe ohne Zeitdruck dis- kutieren zu können.

Schon im Dezember wird seitens der Bundesregierung anläßlich ei- nes Treffens der Gesundheitsmini- ster der EG-Staaten in Dublin die Frage der Ausnahmeregelung

3228 Heft 49 vom 6. Dezember 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Die Information:

Bericht und Meinung Herbstsitzung der Konzertierten Aktion

Emp. fe . hlungen zum ArzneimiHelbe· reich

darauf hinzuwirken, daß die .Be- dingungen für forschende·

pharmazeutische Unternehmen verbessert werden. Dazu<sollte geprüft werden, inwieweit bei-"

spielsweise eine·· Verlängerung des Patentschutzes·• und eine Verstärkung indirekter ' For:..:

0

Die Verfügbarkelt wirksamer Arzneirriittef leistet einen we- si:mtlichen Beitrag zu der in der Bundesrepublik Deutschland vornandenen modernen und leistungsfähigen Gesundheits,.

versorgt,mg. Andererseits wer- den Arzneimittel zunehmend als Problemlöser. für schlecht- hin alle Störungen des Wohlbe- findens betrachtet und einge- setzt. Es ... sollte durch gezielte .Maßnahmen auch der Gesund-

heitsaufklärungverstärkt ,11uf ei- nen überlegten· und gesund- . h.eitsbewußten . Umgang mit

Arzneimitteln hingewirkt wer- den. Auf die Gefahren einer Arzneimittelgewöhnung und Arzneimittelsucht sollte dabei ebenso hingewiesen werden wie auf die Gesundheitsgefah- ren, die mit einer unsac~gemä­

ßen Anwendung verbunden sein können.

8

Die Solidargemeinschaft der Sozialversicherten 'darf unbe~

schadet des Wirtschattlich- keitsgebots gemäߧ 368 c·RVO nur mit so.lchen Kosten belastet werden, die aus der Verord- nung von Arzneimitteln entste- hen, deren therapeutische Wirksamkeit gesichert ist. Ent- sprechendes gilt für die Privat- patienten und ihre Versicher- tengemeinschaften.

Die bestehende Eigenbeteili- g.ung der· Versicherten an den Ausgaben für Arzneimittel soll- te auf ihre Auswirkungen auf die Verordnungswünsche der Versicherten und die Verschrei- bungspraxis der Ärzte im.cHin- blick auf Packungsgrößen überprüft .werden.

Durch die. Schaffung therapie- gerechter Packungsgrößen für medizinische Indikationsgebie- te sollte dem Arzneimittelver- brauch und einer unsachgemä-

7 BenAnwendung von Arzneimit- teln entgegengewirkt werden.

Die Vereinheitlichung der Pak- kungsgrößen trägt darüber hin- aus zu einer verbesserten Markttransparenz und zur Ko- stendäcmpfung bei.

8

Eine gezielte, therapiege- rechte.und dem Gebot der Wirt- schaftlichkeit Rechnung tra- gende,;also verantwortungsbe- wußte Arzneimittelverordnung durch den Arzt setzt voraus, daß

..,. dem Arzt eine im Aufbau einheitliche, umfassende Über- sicht über die verordnungsfähi- gen Arzneimittel unter Berück- sichtigung von Qualität und Preis an die Hand gegeben wird;

..,. die Produktwerbung der pharmazeutischen Industrie auf

· eine systematisch aufgebaute und objektive Information des Arztes über die therapeutischen Eigenschaften. und uner- wünschte Wirkungen von Arz- neimitteln ausgerichtet wird;

..,. dem Arzt durch die hierfür zuständigen ärztlichen Organi- sationen ausreichende Fortbil- dungsmöglichkeiten auf dem Gebiet der Arzneitherapie unter besonderer Berücksichtigung von Therapiegerechtigkeit und Wirtschaftlichkeit geboten werden,

8

Um wirksame, dem jeweili- gen Stand der wissenschaftli- chen Erkenntnis entsprechen- de Arzneimittel zur Verfügung stellen' zu können, muß die pharmazeutische Industrie auf- wendige Forschungsanstren- gungen unternehmen. Da For- schung von Unternehmen am effizientesten im Wettbewerb miteinander betrieben wird, ·ist

schungsförderung möglich, sind.

Weshalb

keine Senkung , der Mehrwertsteue~:?

Ergänzend zu der.. oben· doku- mentierten Empfehlung der Konzertierten Aktion l')aben die Bundesverbände der Ortskran~

kenkassen, der Betriebskr"an~

kenkassen, der lnnungsl<ran-, kenkassen und der Landwirt- schaftlichen Krankenkassen, die Bundesknappschaft; der Verband der Angestellten:-Kran7 kenkassen e. V., .der Verband der privaten Krankenversiche~

rung, die Kassenärztliche Bun- desvereinigung, die Bundesärz- tekammer, der Bundesverband der Pharmazeutischen ' Indu- strie sowie die Arbeitsgemein- schaft der Berufsvertretungen deutscher Apotheker in einer gemeinsamen Presseerklärung festgestellt:

"Die Spitzenverbände der Kran- kenkassen, der Ärzte, der Phar- mazeutischen Industrie und der Apotheker halten, eine Reduzie- rung des Mehrwertsteuersatzes für Arzneimittel in Anpassung an die Regelungen in den ande- ren EG-Mitgliedstaaten für un- erläßlich. Sie bedauern, daß hierüber in der t;ierbstsitzung der , Konzertierten· ·Aktion mit den Vertretern der Bundesre- gierung und der Länder keine Einigung zu erzielen war. Dies gilt um so mehr, als durch e.ine solche Maßnahme der Staat selbst zu einer erhebl.ichen Re- duzierung der Ausgaben der Krankenversicherung beitragen

könnte."

0

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 49 vom 6. Dezember 1979 3229

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sondiert werden. Dies versprach jedenfalls Staatssekretär Wolters.

Bundesarbeitsminist~r Ehrenberg zeigte sich hinsichtlich eines Er- folges des Vorstoßes in Brüssel recht zuversichtlich; er unterstrich das Gewicht, welches der Bundes- republik Deutschland in der EG zukommt.

Der Vorsitzende der Kassenärztli- chen Bundesvereinigung, Dr. Hans Wolf Muschallik, äußerte sich be- friedigt darüber, daß einhellig eine zweijährige Vorbereitungszeit be- fürwortet wurde. Er begrüßte im Namen der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung den Vorstoß in Brüssel, forderte aber auch dazu auf, andere Lösungsmöglichkei- ten für den Fall zu suchen, daß einer Ausnahmeregelung seitens der anderen EG-Partner nicht zu- gestimmt würde.

Unter Hinweis auf die meisten an- deren EG-Länder, in denen Vorbe- reitungszeiten vor dem Tätigwer- den im Rahmen der jeweiligen So- zialversicherung vorgeschrieben sind - zuletzt hat Frankreich eine zweijährige Pflichtweiterbildung eingeführt-, soll eine Dokumenta- tion über die jeweiligen Regelun- gen der anderen EG-Länder erar- beitet und der Konzertierten Ak- tion vorgelegt werden.

ln der Frühjahrssitzung 1980 der Konzertierten Aktion wird dieses Thema wiederum behandelt wer- den. Die Mitglieder erwarten dann einen Bericht seitens der Bundes- regierung über die unternomme- nen Schritte.

.,... Für die Ärzteschaft wird die Be- handlung der Empfehlung der Konzertierten Aktion vom Herbst 1978 ein wichtiger, wenn nicht so- gar der wichtigste Gradmesser da- für werden, inwieweit die Konzer- tierte Aktion auch seitens der Bun- desregierung ernstgenommen wird. Die allseits für notwendig ge- haltene Kostendämpfung im Ge- sundheitswesen wird entschei- dend davon abhängen, ob es in Zukunft gelingt, die Qualität der ambulanten kassenärztlichen Ver-

sorgung zu erhalten. Dazu bedarf es einer schnellen politischen Ent- scheidung: ln einem ersten Schritt muß eine Vorbereitungszeit von zwei Jahren als Assistent im Kran- kenhaus und in freier Praxis als Voraussetzung für eine Tätigkeit als Kassenarzt wieder eingeführt werden.

Arzneimittel: Ein Katalog von Empfehlungen

Zum Tagesordnungspunkt "Fra- gen der Arzneimittelversorgung"

war in monatelanger Vorarbeit ein Katalog von Empfehlungen zwi- schen den Spitzenverbänden der Krankenkassen, dem Bundesver- band der Pharmazeutischen Indu- strie, der Apotheker- und Ärzte- schaft abgestimmt worden. Der Entwurf war sorgfältig abgewogen worden, was allerdings zur Folge hatte, daß nicht jede gefundene Formulierung zum besseren Ver- ständnis der Aussagen beitrug. Entscheidend war letztlich aber die Übereinkunft zwischen den unmittelbar Betroffenen über wichtige Grundsätze zum Arznei- mittelbereich. Deren Umsetzung bedarf weiterer intensiver Gesprä- che und Verhandlungen der Be- troffenen.

ln das Thema führte der Vorsitzen- de des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie, Max Tiefenbacher, ein. Er unterstrich einleitend das Interesse des Bun- desverbandes an einer gesunden, ja starken Krankenversicherung:

"Die pharmazeutische Industrie

bejaht das System der sozialen Krankenversicherung. Dieses Sy- stem muß leistungsfähig bleiben. Es ist wert, aufrechterhalten und fortentwickelt zu werden."

Allerdings machte Tiefenbacher auch keinen Hehl aus seiner Sorge über die Maßnahmen - insbeson- dere im Zusammenhang mit dem KVKG -zu denen es in den letzten zwei Jahren gekommen sei: Da- durch sei ein Klima geschaffen worden, welches einer erfolgrei- chen Forschung abträglich sei.

3230 Heft 49 vom 6. Dezember 1979 DEUTSCHES ARZTEBLATT

Schon heute sinken, so Tiefenba- cher, die Forschungs- und Ent- wicklungskosten der pharmazeuti- schen Industrie, eine besorgniser- regende Entwicklung, die von je- dem politisch Verantwortlichen auch als solche erkannt werden sollte.

Im Namen der Spitzenverbände wies der Vertreter des Bundesver- bandes der Ortskrankenkassen, Willi Heitzer, auf die Verpflichtung der Träger der gesetzlichen Kran- kenversicherung hin, den Versi- cherten nur solche Leistungen zu gewähren, die ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sind. Diese Verpflichtung gilt auch für den Arznei mittelbereich. Drei Strukturprobleme warf Heitzer in die Debatte:

CD

Es werde ein nicht unerhebli- ches Ausmaß an Arzneimitteln an- geboten, für die ein wissenschaft- licher Nachweis ihrer therapeuti- schen Wirksamkeit offenbar fehle;

der Arzt sei überfordert, die Spreu vom Weizen zu trennen.

0

Es bestünden beachtliche Zweifel, ob der hohen Verord- nungshäufigkeit eine entspre- chende Effektivität und Effizienz gegenüberstehe.

®

Die vergleichsweise große Zahl der in der Bundesrepublik Deutschland angebotenen Arznei- mittel und die häufigen Änderun- gen im Angebot erschwerten nach wie vor eine im Interesse des Pa- tienten erforderliche Therapie- transparenz für Arzneimittel.

ln diesem Zusammenhang stellte Heitzer die Frage nach einer aktu- ellen lnformationsstelle, wie sie beispielsweise im Liefmann-Keii- Gutachten aus dem Jahre 1972 ge- fordert wurde. Die anschließende Diskussion brachte ein breites Spektrum an Meinungen zutage;

das reichte von der Feststellung, Wadenwickel seien besser als ein Medikament, bis hin zur Forde- rung einer Positivliste und einem unabhängigen Informationsinsti- tut Auf den Vorwurf, die Ärzte grif-

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22. und 23. November,

Gustav-Heinemann-Haus, Bonn

Während der Herbstsitzung 1979 der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen. Bild oben: Ein Blick in die Mitte des Saales;

dem vorsitzenden Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, Dr. Herbert Ehrenberg, direkt gegenüber plaziert waren wiederum die „Bänke" der Ärzte und der Krankenkassen. Bild rechts: Staats- sekretärin Frau Anke Fuchs gibt ihrem Minister gerade einen Hinweis; rechts neben ihr Staatssekretär Prof. Dr. med. Hans Georg Wolters, Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit. Bilder unten links und unten rechts: Vertreter von Bundesländern, Krankenversicherungsverbänden, Sozialpartner- Spitzenorganisationen, Apothekerschaft und Krankenhausträ- gern Fotos (7): J. H. Darchinger

Die Information:

Bericht und Meinung Herbstsitzung der Konzertierten Aktion

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT Heft 49 vom 6. Dezember 1979 3231

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fen heute fast automatisch zum Rezeptblock, erwiderte der Präsi- dent der Bundesärztekammer, Dr.

Karsten Vilmar, daß für die heute bestehenden Therapieformen klar abgrenzbare Indikationsstellun- gen gegeben seien. Dabei dürfe nicht übersehen werden, daß sich gerade für den Einsatz von Arznei- mitteln durch die Erfolge der For- schung in den letzten Jahren viele neue Indikationen ergeben haben.

Andererseits führten manche Le- bensgewohnheiten zum notwendi- gen Dauereinsatz von Arzneimit- teln, etwa Abführmitteln, welche ohne weiteres eingespart werden könnten, wenn der einzelne in Er- kenntnis der Eigenverantwortung für seine Gesundheit sich entspre- chend gesundheitsbewußter ver- halten würde.

Reduzierung der

Mehrwertsteuer: Differenzen mit den Regierungsvertretern Wie fast vorauszusehen war, mel- deten die Vertreter der Bundesre- gierung, insbesondere der Bun- desarbeitsminister, wie aber auch die Vertreter der Länder gegen- über dem Empfehlungsvorschlag, den Mehrwertsteuersatz für Arz- neimittel zu reduzieren, erhebliche Bedenken an.

Selbst die Kompromißformel, die Möglichkeit der Reduzierung des Mehrwertsteuersatzes für Arznei- mittel zu prüfen, fand keine Ein- stimmigkeit im Plenum: dieser Punkt wurde daher schließlich aus dem Empfehlungstext (Wortlaut Seite 3229) gestrichen.

Die Haltung der Bundesregierung in dieser Frage ist um so bedauer- licher, als in allen anderen EG-Mit- gliedstaaten Arzneimittel mit ei- nem reduzierten Mehrwertsteuer- satz besteuert werden. Der Staat hätte mit dieser Maßnahme selber einen Beitrag zur Kostendämp- fung im Gesundheitswesen leisten können. Dies gilt um so mehr, als der Staat derzeit doppelt kassiert:

zum einen nimmt er durch die Preiserhöhung im Arzneimittelbe- reich mehr Steuern ein, zum ande-

ren kassiert er zusätzlich durch die Erhöhung des Mehrwertsteuersat- zes um einen Prozentpunkt ab 1.

Juli dieses Jahres.

Die Spitzenverbände der Kranken- kassen, der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie, die Apotheker- und Ärzteschaft haben die Haltung der Bundesregierung und der Länder in dieser Frage bedauert und ihre Auffassung über die Notwendigkeit der Redu- zierung des Mehrwertsteuersatzes für Arzneimittel in einer Presseer- klärung der Öffentlichkeit Nach- druck verliehen (Wortlaut Seite 3229).

Ansonsten wurde der vorgelegte Empfehlungsentwurf mit nur klei- nen redaktionellen Änderungen angenommen. Der Vorschlag des Vertreters des Bundesforschungs- ministeriums, die Bedingungen für die forschenden pharmazeuti- schen Unternehmen durch eine Verstärkung der direkten For- schungsförderung zu verbessern, wurde verworfen: Direkte For- schungsförderung bedeute direk- ten Einfluß des Staates auf Inhalt und Umfang der Forschung. Die Konzertierte Aktion sprach sich hingegen für eine indirekte For- schungsförderung, also den Weg der Steuererleichterung für for- schende pharmazeutische Unter- nehmen, aus.

Wenn man die von der Konzertier- ten Aktion zum Tagesordnungs- punkt „Arzneimittelversorgung"

abgegebenen Empfehlungen wer- tet, so ist erst einmal ein Erfolg für die pharmazeutische Industrie, speziell für forschende Firmen, festzustellen. Aber auch für die Ärzte können sich die Empfehlun- gen positiv auswirken. Angesichts der Vielfalt von Arzneimittellisten, die wegen ihrer Vielzahl nicht zur Transparenz auf dem Arzneimittel- markt beitragen, sondern im Ge- genteil den Arzt zu verwirren dro- hen, ist die von der Konzertierten Aktion erhobene Forderung nach einer im Aufbau einheitlichen, um- fassenden Übersicht über die ver- ordnungsfähigen Präparate für die

Kassenärzte von großer Bedeu- tung. Es bleibt zu hoffen, daß diese Anregung vom Gesetzge- ber möglichst bald aufgegriffen wird.

Darüber hinaus könnte auch die Empfehlung, die pharmazeuti- schen Firmen sollten im Rahmen ihrer Produktwerbung die Infor- mationen nicht nur systematisie- ren, sondern auch objektiver ge- stalten, für die Ärzteschaft eine be- grüßenswerte Erleichterung brin- gen. Die Kassenärztliche Bundes- vereinigung wird jedenfalls ihre Gespräche mit der pharmazeuti- schen Industrie intensivieren.

Der zweite große Tagesordnungs- punkt, der gleichfalls zwischen den Spitzenverbänden der Kran- kenkassen und der Ärzteschaft sorgfältig vorbereitet und zu dem nicht nur ein gemeinsamer Emp- fehlungsentwurf, sondern auch umfangreiche Materialien des Zentralinstituts für die kassenärzt- liche Versorgung in der Bundesre- publik Deutschland vorgelegt wor- den waren, betraf das Thema „Ge- sundheitsvorsorge". Im Vorberei- tenden Ausschuß war das Thema bewußt auf den Bereich der ge- setzlichen Krankenversicherung beschränkt worden. Diese Einen- gung des Themas wurde zwar von Länderseite beanstandet, erwies sich im Hinblick auf die Abgabe einer Empfehlung durch die Kon- zertierte Aktion insgesamt aber als vorteilhaft.

Vorsorge: Stärkung

der Eigenverantwortlichkeit In seinem Einleitungsreferat (Wortlaut Seite 3239) forderte der Vorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Dr. Hans Wolf Muschallik, die Stärkung der Ei- genverantwortlichkeit des einzel- nen für seine Gesundheit. Nach Auffassung Muschalliks haben alle Bemühungen um eine unter ethi- schen, politisch-sozialen und öko- nomischen Aspekten bessere und effizientere Erhaltung und Förde- rung der Gesundheit, zu denen auch Aufklärung, Information,

3232 Heft 49 vom 6. Dezember 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Die Information:

Bericht und Meinung Herbstsitzung der Konzertierten Aktion

Empfehlung zur Gesundheitsvorsorge in der gesetzlichen Krankenversicheruug

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Vorbeugung und Krank- heitsfrüherkennung sind fester Bestandteil einer modernen Gesundheitssicherung. Die in den Leistungskatalog unserer gesetzlichen Krankenversiche- rung eingeführten Vorsorge- und Früherkennungsmaßnah- men haben sich insgesamt be- währt. Selbstverständlich be- dürfen sie der ständigen. wis- senschaftlichen Überprüfung und Weiterentwicklung; dazu gehört auch die Überprufung, von Altersgrenzen. Vordringlich ist das Bemühen, die Inan- spruchnahme dieser Program- me zu verbessern.

Bei den Krebsfrüherkennungs- maßnahm,en ist vorrangig eine Konsolidierung der kurativen Versorgungskette von der Frühdiagnostik bis hin zur Nachsorge und Rehabilitation.

Oie Aufklärung über die Lei- stungsfähigkeit dieser Pro- gramme sollte daran orientiert sein, daß sie das Auftreten von Krebs nicht verhindern können, aber die therapeutischen Aus- sichten der Betroffenen verbes- sern.

f) Gesundheit ist individueller Besitz, aber auch soziales Gut.

Die Erhaltung der Gesundheit der Bevölkerung ist abhängig von gesundheitsgereGhten Le- bens- und Arbeitsbedingungen und der Stärkung der Eigenver- antwortung des einzelnen für seine Gesundheit. Gesund-

Verstärkung der epidemiologi- schen Grundlagenforschung und die kontrollierte Entwicklung von Interventionsansätzen gehören, eines zur unabdingbaren Voraus- setzung für den gewünschten Er- folg: Verhütung von Krankheit auch durch den Betroffenen.

heitsvorsorg~ muß infolgedes- sen sowohl die Beseitigung der Ursachen gesundheitsschädi- gender Lebens-, ArQeits- und l)mweltbedingungen als auch die Beeinflussung individuellen Gesundheitsverhaltens zum Ziele haben.

..,. Zur Beeinflussung des indi- viduellen Gesundheitsverhal~

tens gehören maßgeblich . so- wohl die persönliche Beratung des Versicherten durch den Arzt seiner Wahl als auch prak- tikable Handlungsangebote, wobei von der sozialen Kran- kenversicherung verstärkt. Auf- · gaben zu erfüllen sind.

..,. Die Maßnahmen zur Unfall- verhütung im Verkehr, im Haus- halt, am Arbeitsplatz und in der Freizeit haben·. einen hohen · Aufwand-Nutzen-Effekt. Dafür· sind verstärkte Bemühungen erforderlich. Bedeutende An- strengungen sind . ferner ge:.

rechtfertigt und notwendig bei Maßnahmen zur Eindämmung.

des Zigarettenrauchans sowie des Mißbrauchs von Alkohol; Orogen und Tabletten. Die För- derung körperlicher Bewegung und einer gesundheitsbewuß- ten Ernährung. sind wichtige präventivmeditinische Anlie- gen. Wesentliche Aufgaben lie- gen ferner auf derp Gebiet der genetischen Beratung und der Familienplanung. ln den Kreis •· der Überlegungen sollten ebenso Impfprogramme einbe- zogen werden. ·

Muschallik weiter: "Wenn Ge- sundheit mit an der Spitze des Wünschenswerten steht und vom Arzt erwartet wird, daß er sich nicht nur um die Wiederherstel- lung der Gesundheit, sondern glei- chermaßen auch ihre Erhaltung und Förderung bis ins hohe Alter

..,. der: Einbind~ng einer an begründeten Ma~s~äben orien-· ·r

tierten Gesund~eitsbild.ung ~n

das Leben aHer0BevölkeruAgs·

gruppen, insbesondere der Heranwachsenden; 1iegt die. größte Chance, gesundheitsge.., rechtes Verhalten\ zur Selbst- verständlichkeit W,erden · zu lassen.

..,. Die Aufgaben können nur in Zusammenarbeit un'd · Arbeits- teilung ·aller für die Prävention Verantwortlichen' durqhgeführt · werden .. Oie in Einzelbereichen bereits bestel')enqen' Gemein- samkeiten sollten aufgegriffen und ausgeweitet werden. Auch der öffentliche Gesundheits- dienst hat wesentliche Bedeu- tung für die Ver~tärkung "und

V~rbesserung präventiver Maß~

nahmen im· Gesundheitsbe- reich.

8

Erst das Vorh~pdensein ge- sicherter wissenschaftlicher Gn.lndlagen schafft pie Voraus- ·

· setzung~n für erfolgverspre- ch.ende Programme .... der Ge- sundheitsvorsorge im Rahrneh der gesetzlichen .. Krankenversi- cherung. . Epidemiologi~che

Fon;>chungen, die Wirkung von Umwelt-. Arbeits- und Lebens- bedingungen auf die Gesund- heit untersuchen, sind verstärkt· durchzuführen. . ~a~nahrnen, die;.die Veränderung~der :per- sönlichen ·Lebensbedingungen· und des Gesun.dhei.tsverhaltens zum Ziele haben, müssen vorab in Modellversuchenunter klarer Zielsetzung; mit Zeitlicher und räumlicher Abgrenzung und unter wissenscha!tJich kon!rot- lierten: Bedingungen bei ihrer Durchführung und Auswertung überprüft werden.

0 "

hinein bemüht, dann muß auch der einzelne Bürger das Seine da- zu beitragen, krankmachende Faktoren frOhzeitig zu erkennen und auszuschalten."

Muschallik unterstrich mit seinen Ausführungen, die insbesondere

DEUTSCHES ARZTEBLATT Heft 49 vom 6. Dezember 1979 3233

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Während einer Beratungspause (von links): Frau Dr. Monika Wolf-Mathies, Gewerk- schaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr; Dr. Franz Oldiges, Bundesver- band der Ortskrankenkassen; Fritz Tervooren, Bundesverband der Innungskran- kenkassen

von Arbeitgeberseite voll geteilt wurden, den Standpunkt der Ärz- teschaft, wonach in Kenntnis der personalen Patient-Arzt-Bezie- hung der persönlichen Verantwor- tung des einzelnen in unserem Ge- sundheitssystem besondere Be- deutung zukommt. Er stellt damit jedoch nicht in Abrede, daß auch die Beseitigung der Ursachen ge- sundheitsschädigender Lebens-, Arbeits- und Umweltbedingungen im Rahmen der Gesundheitsvor- sorge ein wichtiger, ja gegebenen- falls sogar gleichrangiger Faktor ist. Muschallik kündigte im Sinne des Empfehlungsvorschlages der Krankenkassen und Ärzte, wonach zur Beeinflussung des individuel- len Gesundheitsverhaltens maß- geblich die persönliche Beratung des Versicherten durch den Arzt seiner Wahl gehört, einen ersten Modellversuch noch für das Jahr 1980 an. Er äußerte die Zuversicht, daß alle Kassenarten sich an die- sem Versuch beteiligen werden.

Auf die Kassenärzte kommt mit ei- ner generellen Einführung der Ge- sundheitsberatung keine völlig neue Aufgabe zu. Krankheitsver- hütung gehörte stets zu ihren Pflichten. Dennoch werden sich die Kassenärzte stärker als bisher auf diese Aufgabe konzentrieren müssen. Noch bleibt Zeit, sich die

Grundlagen einer erfolgverspre- chenden Gesundheitsberatung bewußt zu machen.

Zur Vorsorge nahm für die Spit- zenverbände der Krankenkassen der Geschäftsführer des Bundes- verbandes der Innungskranken- kassen, Fritz Tervooren, Stellung.

Er betonte die Einsicht der Kran- kenkassen und ihrer Verbände in eine umfassende Gesundheitsvor- sorge. Tervooren wies auch auf die Verantwortlichkeit des einzel- nen für seine Gesundheit hin;

durch sein persönliches Verhalten bestimme jeder weitgehend den Grad seines Wohlbefindens. Zum vorgelegten Empfehlungstext er- läuterte Tervooren darüber hinaus die Haltung der Spitzenverbände:

„Andererseits wollen wir aber auch zum Ausdruck gebracht wis- sen, daß und wie sehr die Gesund- heit des einzelnen von äußeren Umständen, wie zum Beispiel den Berufs-, Arbeits- und Umweltbe- dingungen, abhängig sein kann.

Daran wiederum läßt sich gerade- zu zwangsläufig ablesen, daß Ge- sundheitsvorsorge nicht eine Auf- gabe der gesetzlichen Kranken- versicherung allein sein kann."

„Gesundheitsvorsorge" — so Ter- vooren weiter — „im Sinne einer

individuellen Beeinflussung heißt zunächst einmal, den Menschen in seinem Lebenskreis, in seiner Fa- milie und im Beruf, anders gesagt, in seiner gesamten privaten und beruflichen Sphäre zu sehen und ihm darauf abgestimmte Ratschlä- ge und Handlungshinweise zu ge- ben. Die Vorlage geht davon aus, daß sich dieser Aufgabe nicht nur die Ärzte zu widmen haben, son- dern daß insofern auch die gesetz- liche Krankenversicherung in Ak- tion zu treten hat."

Für die Gesundheitsministerkon- ferenz brachte Staatssekretär Nel- les, Nordrhein-Westfalen, einen Empfehlungsentwurf in die Bera- tung der Konzertierten Aktion ein.

Dieser Empfehlungstext wurde noch durch Vorstellungen der kommunalen Spitzenverbände er- gänzt. Nach Auffassung der Ge- sundheitsministerkonferenz ist die Schaffung gesundheitsgerechter Lebens- und Arbeitsbedingungen entscheidende Voraussetzung für den Erfolg individueller Gesund- heitserziehung und -beratung. Der öffentliche Gesundheitsdienst ha- be wesentliche Bedeutung für die Verstärkung und Verbesserung präventiver Maßnahmen im Ge- sundheitsbereich, wobei nach Meinung der kommunalen Spit- zenverbände darüber hinaus dem öffentlichen Gesundheitsdienst ei- ne Koordinierungs- und Pilot- funktion zukomme.

Gemeinsam mit den Spitzenver- bänden der Krankenkassen, aber auch mit den Vertretern des Deut- schen Gewerkschaftsbundes, ins- besondere Alfred Schmidt (der nicht als BdO-, sondern als DGB- ,Vertreter in der Konzertierten Ak- tion saß), konnten die Länderver- treter in der Konzertierten Aktion zur weitgehenden Übernahme des Empfehlungsvorschlages von Ärz- ten und Krankenkassen bewogen werden. In einer Ergänzung zu ih- rer Vorlage wurde zum Ausdruck gebracht, daß nicht nur eine Zu- sammenarbeit aller Verantwortli- chen in der Gesundheitsvorsorge geboten ist, sondern selbstver- ständlich auch der öffentliche Ge-

3234 Heft 49 vom 6. Dezember 1979 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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Die Information:

Bericht und Meinung Herbstsitzung der Konzertierten Aktion

sundheitsdienst wesentliche Be- deutung für die Verstärkung und Verbesserung präventiver Maß- nahmen im Gesundheitsbereich hat (Wortlaut der Vorsorge-Emp- fehlung Seite 3233).

Ehrenberg gab schließlich (unab- hängig von der Vorsorge-Empfeh- lung) die Absicht bekannt, die Möglichkeiten für eine Herabset- zung der Altersgrenze für Frauen bei der Krebsfrüherkennung von 30 auf 20 Jahre prüfen zu lassen;

auch Vorsorgemaßnahmen, so Eh- renberg, zur Abwendung der als

„Grüner Star" bezeichneten Au- genkrankheiten sollten geprüft werden. Aus ärztlicher Sicht kann diese Ankündigung von Ehren- berg nur begrüßt werden.

Die Konzertierte Aktion befaßte sich weiter mit der zahnmedizini- schen Prophylaxe. Obwohl zwi- schen Zahnärzten und Kranken- kassen gleichfalls zahlreiche Vor- gespräche stattgefunden hatten, war eine Einigung über einen Empfehlungsvorschlag nicht zu- stande gekommen. Die Geister schieden sich letztlich an der Fra- ge, ob Prophylaxemaßnahmen im zahnmedizinischen Bereich noch einer Erprobung in Modellversu- chen bedürfen. Während die Zahnärzte die sofortige Einfüh- rung von Prophylaxemaßnahmen forderten, beharrten die Kranken- kassen auf der Durchführung von Modellversuchen. Ohne große Dis- kussion wurde von den Mitglie- dern der Konzertierten Aktion ein Empfehlungstext vorgelegt und vom Bundesarbeitsministerium gebilligt:

„Die Konzertierte Aktion im Ge- sundheitswesen unterstreicht die Bedeutung einer‘ wirksameren Prophylaxe im zahnmedizinischen Bereich. Sie nimmt zustimmend zur Kenntnis, daß die Spitzen- verbände der gesetzlichen Kran- kenversicherung und die Kassen- zahnärztliche Bundesvereinigung baldestmöglich gemeinsame Vor- schläge für die Entwicklung geeig- neter Prophylaxemaßnahmen er- bringen wollen."

Thema kommender Beratungen:

Humanität im Krankenhaus Der letzte Tagesordnungspunkt galt der Vorbereitung der Herbst- sitzung 1980, insbesondere dem Bericht über den Stand der Vorbe- reitungen zum Thema „Humanität im Krankenhaus". Schon im Vor- bereitungsausschuß war über letz- teren Themenvorschlag sehr lan- ge, aber ergebnislos diskutiert worden.

Die Deutsche Krankenhaus-Ge- sellschaft und die Gesundheitsmi- nisterkonferenz hatten die Be- handlung dieses Themas zum ge- genwärtigen Zeitpunkt abgelehnt.

Prof. Dr. Werner Müller, Hauptge- schäftsführer der Deutschen Kran- kenhaus-Gesellschaft, forderte nunmehr in der Konzertierten Ak- tion die Ausweitung der Diskus- sion über die Humanität auf den gesamten Bereich der Gesund- heitsversorgung. Genau hier stieß er auf den Widerstand der Ärzte- schaft: Wenn es schon nicht mög- lich war, die öffentliche Diskus- sion um die Humanität im Kran- kenhaus kurzfristig zu beenden (eine Diskussion, die der rhein- land-pfälzische Sozialminister Dr.

Gölter zutreffend mit den Worten charakterisierte: „Wir reden uns direkt in die Krise hinein"), so wä- re es geradezu töricht, jetzt das gesamte Gesundheitswesen in die Krise reden zu lassen.

Der Hauptgeschäftsführer der Bundesärztekammer, Prof. J. F.

Volrad Deneke, machte schließlich den Vorschlag, den Vorberei- tungsausschuß mit der Formulie- rung des Themas zu beauftragen.

In bilateralen Gesprächen zwi- schen allen Beteiligten, so Dene- ke, sollten Schwerpunkte festge- legt werden und zur präzisen For- mulierung des Themas in die Ar- beit des Vorbereitungsausschus- ses einfließen. Die Konzertierte Aktion wird in ihrer Frühjahrssit- zung über die endgültige Formu- lierung des Themas entscheiden.

Im Namen der Spitzenverbände formulierte der Vorsitzende des

Verbandes der Angestellten-Kran- kenkassen, Hans Katzbach, schon einige Schwerpunkte:

D die verbesserte Information des Patienten über die Notwendigkeit und den Grund des Krankenhaus- aufenthalts

I> die Überprüfung der persona- len, räumlichen und organisatori- schen Voraussetzungen für einen angemessenen Sterbebeistand I> die verbesserte Kommunikation des Krankenhauspersonals

> die Verbesserung der Rahmen- bedingungen für den Kranken- hausaufenthalt von Kindern.

Auf dieser Grundlage ließe sich er- folgreich diskutieren. Eine allge- meine Humanitätsdebatte birgt dagegen die Gefahr, daß alle, ge- wollt oder ungewollt, aneinander vorbei reden.

• Der Verlauf und die erzielten Ergebnisse der diesjährigen Herbstsitzung der Konzertierten Aktion geben aus der Sicht der Ärzte keinen Anlaß zu besonderer Hochstimmung, zu viele Fragen sind offengeblieben. Dennoch ist festzuhalten, daß viele Vorschläge der Ärzte sich in den Empfehlun- gen wiederfinden. Für die Ärzte- schaft zeigte sich erneut die zwin- gende Notwendigkeit, Sitzungen der Konzertierten Aktion sorgfältig vorzubereiten. Dazu gehört auch die Abstimmung mit den Spitzen- verbänden der Krankenkassen.

Gemeinsam mit den Vertragspart- nern lassen sich viele Vorstellun- gen realisieren. Ein Weg, der aller- dings im vorhinein Kompromißbe- reitschaft erfordert.

Welchen Wert die Empfehlungen für die tägliche Arbeit haben kön- nen, muß abgewartet werden. Die Ärzteschaft muß die Pause bis zur nächsten Sitzung der Konzertier- ten Aktion nutzen. Allerdings bleibt nicht zu viel Zeit: schon für Ende März 1980 ist die nächste Sitzung dieses Gremiums vorge- sehen. Dr. Eckart Fiedler

Kassenärztliche Bundesvereinigung Haedenkampstraße 3 5000 Köln 41

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