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Archiv "Konzertierte Aktion: Vorwiegend Seelenmassage" (28.11.1984)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Aktuelle Politik

Konzertierte Aktion:

Vorwiegend Seelenmassage

E

ine „rasende" Kostenlawine (Blüm) hat bei der jüngsten Konzertierten Aktion im Ge- sundheitswesen wieder einmal die Entwicklung medizinischer Orientierungsdaten an den Rand der Tagesordnung ge- drückt. Immerhin konnte der Präsident der Bundesärztekam- mer, Dr. Karsten Vilmar, zu spä- ter Stunde das Thema noch dar- legen. Und immerhin hat Bun- desarbeitsminister Dr. Norbert Blüm zu Beginn der Aktion am 14. November, das wachsende Unbehagen „an einer reinen Geldpolitik, die als Gesundheits- politik ausgegeben wird", kon- statiert und zugestanden, daß auch der medizinische Fort- schritt seinen Preis habe. Aller- dings müsse dieser Fortschritt aus den vorhandenen Mitteln fi- nanziert werden; das gehe nicht ohne Umstellung und Sparen an anderen Stellen. Wann und wo solche Prioritäten gesetzt wer- den sollen — das freilich ist auch nach dieser Konzertierten Ak- tion weiterhin offen.

Beitragssatzstabilität ist nach wie vor der erste Punkt des so- zialpolitischen Glaubensbe- kenntnisses, das da lautet: Die Lohnnebenkosten dürfen nicht weiter steigen. Da die Renten- versicherung schon Sorgen auf- kommen läßt, darf die Kranken- versicherung auf keinen Fall die Nebenkosten noch zusätzlich belasten. Das aber droht: Blüm fürchtet jedenfalls, das Jahr 1984 könnte zu einem negativen Rekordjahr für die gesetzliche Krankenversicherung werden.

Einem Grundlohnzuwachs von knapp drei Prozent stünde ein Ausgabenanstieg von über acht Prozent gegenüber. Die drohen- den Beitragssatzerhöhungen wirkten wie „drei kalte Du- schen" auf jede wirtschaftliche

Die „Kostendämpfung"

wird fortgesetzt. Die Kon- zertierte Aktion im Ge- sundheitswesen hat eine gemeinsame Erklärung verabschiedet, die zwar nichts enthält, was nicht schon eingeleitet wäre, aus der aber deutlich ge- nug hervorgeht, daß mit dem Auslaufen der Hono- rarvereinbarungen Mitte 1985 von den Kassenärz- ten wieder einiges verlangt wird, und daß bis dahin zumindest mit viel See- lenmassage zu rechnen ist.

und soziale Besserung. Zum ei- nen werde der Preisstabilitätsre- kord des Jahres 1984 gefährdet, zum zweiten der Erfolg der Steuerreform geschmälert und zum dritten der sich zaghaft an- bahnende beschäftigungspoliti- sche Aufschwung im Keim er- stickt. Blüm forderte daher alle Beteiligten eindringlich auf, mit allen ihnen zu Gebote stehen- den Mitteln die Kostenflut un- verzüglich einzudämmen.

Verbal hielt sich der Bundesar- beitminister vor der Konzertier- ten Aktion merklich zurück. Ihm war sichtlich an einem guten Kli- ma und einem vorzeigbaren — wenn auch noch so minimalen —

Ergebnis des Bonner Treffens gelegen. Im Vorfeld der Konzer- tierten Aktion waren aus dem Bundesarbeitministerium da weitaus markigere Worte ge- drungen: Die Sitzung werde ei- ne Zäsur bringen, der Worte sei- en genug gewechselt; mit dem Gesetzgeber wurde gedroht.

Schriller waren die Begleittöne des DGB: Die „Leistungsanbie- ter" wollten „den Versicherten über höhere Beiträge noch mehr Geld aus der Tasche zie- hen", tönte die Propaganda aus Düsseldorf.

Eine Zäsur bedeutete die Sit- zung allenfalls insoweit, als diesmal ohne Öffentlichkeit ge- tagt wurde. Die gesamte Presse war, nicht zuletzt auf Betreiben des Ministeriums, ausgeschlos- sen. Welch ein Erfolg. Gegen- über den „Beteiligten des Ge- sundheitswesens" allerdings kann das Ministerium schon deshalb im Augenblick nicht auf den Putz hauen, weil es in Sa- chen Krankenhausfinanzierung keine Erfolge vorweisen kann.

Zwar hat Blüm seinen Gesetz- entwurf bis in den Bundestag hineingebracht, aber die Bun- desländer — allen voran Bayern — tun alles, um ihn zu torpedieren.

Und noch in einem weiteren Punkt ist von Erfolgen vorerst nicht mehr die Rede: Bei den Arzneimittelausgaben. Auch hierzu waren aus dem Bundes- arbeitsministerium vor kurzem noch drohende Worte zu hören, etwa in dem Sinn, wenn sich Krankenkassen und Pharmain- Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 48 vom 28. November 1984 (17) 3557

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Konzertierte Aktion

dustrie nicht einigten, dann müsse wohl der Gesetzgeber ran. Nun, der Gesetzgeber will heute offensichtlich nicht so recht. In der Konzertierten Ak- tion wurde das Thema Pharma- preise auffällig blande behan- delt, und das einzig Handfeste, was herauskam und in der ge-

meinsamen Erklärung festge- halten ist, war die Forderung nach einer Preisvergleichsliste.

Die aber ist ohnehin schon be- schlossene Sache und in Arbeit

— wenn auch nicht im Bundesar- beitsministerium.

Die gemeinsame Erklärung der Konzertierten Aktion ist erst nach dreistündigen Geburtswe- hen zustande gekommen. Kas- senärzte und Kassen hatten zwar vorher versucht, ein ge- meinsames Papier zustandezu- bringen; dazu war es aber bei dem Zeitdruck, unter denen die Beratungen zum Schluß stan- den, nicht mehr gekommen. Der Bundesarbeitsminister hatte deshalb vorsorglich ein eigenes Papier vorbereitet, das nach mühsamen Verhandlungen die Zustimmung der Beteiligten fand (siehe Seiten 3559/3560).

Daß in der Diskussion über den vom Bundesarbeitsministerium ursprünglich vorgelegten Ent- wurf für die Kassenärzte ent- scheidende Akzentverschiebun- gen, ja Verbesserungen durch- gesetzt werden konnten, lag mit an den unmißverständlichen Aussagen des Ersten Vorsitzen- den der Kassenärztlichen Bun- desvereinigung, Dr. med. Hans Wolf Muschallik. Er lehnte er- neut eine Revision der laufen- den Honorarverträge strikt ab — unterstützt übrigens auch von Kassenseite. Willi Heitzer, Vor- standsvorsitzender des Bundes- verbandes der Ortskrankenkas- sen: „Ein Eingriff in die laufen- den Verträge entspricht nicht unseren Vorstellungen einer verläßlichen Partnerschaft."

Entscheidend dürfte schließlich Muschalliks Hinweis auf die sich

deutlich abflachende Ausgaben- entwicklung im ambulanten Sektor gewesen sein. Nach den bisher vorliegenden Abrech- nungsergebnissen der Kassen- ärztlichen Vereinigungen wird der Ausgabenzuwachs bei den Ersatzkassen im 3. Quartal 1984 nur noch bei drei bis allenfalls vier Prozent liegen. Ein Eingrei- fen in die laufenden Verträge wäre also schon deshalb nicht gerechtfertigt.

Meldungen

von der „Beitragsfront"

Eine Reihe gesetzlicher Kran- kenkassen beabsichtigt, die Beitragssätze zu erhöhen — un- geachtet der Tatsache, daß die

Beitragsbemessungsgrenze zum 1. Januar 1985 erneut (von 3900 DM auf 4050 DM Brutto- monatsverdienst) angehoben wird. Mindestens 105 Kranken- kassen sollen bereits bei den Aufsichtsbehörden Beitrags- satzanhebungen angemeldet haben.

Von den 155 Innungskranken- kassen wollen 33 zu Beginn oder im Laufe des nächsten Jahres ihre Beiträge erhöhen.

Davon würden rund ein Drittel der Pflichtmitglieder betroffen.

Bei den Betriebskrankenkas- sen sollen etwa 10 Prozent (et- wa 80 Kassen) betroffen sein.

Die Sätze sollen bis zu einem Prozentpunkt angehoben wer- den. Derzeit beträgt der durch- schnittliche Beitragssatz 11,45 Prozent.

Zum Auftakt der „Konzertier- ten Aktion im Gesundheitswe- sen" blieben die Sprecher der

Krankenkassenspitzenverbän- de bei ihrer bereits im Sommer dieses Jahres geäußerten Ver- mutung, daß per Jahresende 1984 ein Gesamtdefizit in der Krankenversicherung in Höhe von etwa vier Milliarden DM entstünde. EB

Muschallik hat aber auch keinen Zweifel daran gelassen, daß die Kassenärztlichen Vereinigun- gen und die Kassenärztliche Bundesvereinigung weiterhin auf die Kassen- und Vertragsärz- te in Richtung kostenbewußten Verhaltens einwirken werden.

Allerdings lehnte er Kosten- dämpfung als „Solonummer"

der Kassenärzte entschieden ab. Dr. Muschallik: „Wir müssen uns gemeinsam darum bemü- hen, Versicherte und Ärzte zu Verbündeten in der Kosten- dämpfung zu machen. Dieses Vorhaben kann aber nicht gelin- gen, wenn man den Kassenarzt allein an den Pranger stellt mit dem Hinweis, er habe den Schlüssel zu 70 Prozent der Aus- gaben der Krankenkassen. Ich habe vollstes Verständnis für die starke Verbitterung, die entspre- chende Vorwürfe und Forderun- gen beispielsweise nach Ver- tragsrevision unter den Kassen- ärzten ausgelöst haben. Sie sind es leid, zum alleinigen Prügel- knaben der Kostendämpfung gemacht zu werden."

Die gemeinsame Erklärung ent- hält folglich auch, was den am- bulanten Sektor angeht, nicht allein Appelle an die Kassenärz- te. Auch die Kassen werden, wenn auch noch vorsichtig for- muliert, dazu angehalten, ihre Versicherten zu Kostenbewußt- sein anzuhalten. In diesem Zu- sammenhang kam in der Kon- zertierten Aktion die von Kas- senärzten immer wieder geäu- ßerte Klage zur Sprache, ört- liche Krankenkassen torpedier- ten Kostendämpfungsbemühen des Kassenarztes, indem sie auf eigene Faust Patienten etwa Heil- und Hilfsmittel bewilligten (dazu auch die Dokumentation in Heft 47: „Wie Kassen Kosten machen und dabei kostenbe- wußte Ärzte desavouieren").

Sowohl Muschallik wie auch ver- schiedene Krankenkassenver- treter haben in der Konzertieren Aktion das gemeinsam von den Spitzenverbänden der Kranken- 3558 (18) Heft 48 vom 28. November 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Konzertierte Aktion

Gemeinsame Erklärung zur Ausgabenentwicklung in der gesetzlichen Krankenversicherung

1.

—Das Stabilitätsziel der Frühjahrsemp- fehlungen der Konzertierten Aktion im Gesundheitswesen ist nicht erreicht worden.

—Um den Trend zu Beitragssatzsteige- rungen in der gesetzlichen Krankenver- sicherung zu stoppen, sind Maßnahmen erforderlich, die bei den Ursachen des Ausgabenanstiegs ansetzen. Notwendig ist eine längerfristige Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung unter Berücksichtigung von medizinischen und wirtschaftlichen Orientierungsdaten und Vorschlägen zur Rationalisierung, Erhöhung der Effektivität und Effizienz im Gesundheitswesen.

—Die Selbstverwaltungen der Kranken- versicherung und ihrer Vertragspartner müssen kostentreibenden Ursachen durch vertragliche Maßnahmen begeg- nen. Soweit Beitragssatzstabilität mit den vertraglichen Möglichkeiten nicht erreichbar ist, muß durch Veränderung der gesetzlichen Rahmenbedingungen erreicht werden, daß weiteren Auftriebs- tendenzen wirksam begegnet werden kann.

—Die Steuerung der sogenannten Ärz- teschwemme und die Sicherung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der ärzt- lichen Versorgung haben Vorrang. Die Bundesregierung wird in der Frühjahrs- sitzung 1985 ihre Vorstellungen dazu zur Diskussion stellen.

—Die Reform der Krankenhausfinanzie- rung ist dringlich. Die gleichgewichtige Einbeziehung des Krankenhausbereichs in die Kostendämpfung ist eine Bedin- gung für den Erfolg der Kostendämp- fung in den übrigen Versorgungsberei- chen, wie auch umgekehrt. Das Kran- kenhausfinanzierungsgesetz aus dem Jahre 1972 ist deshalb beschleunigt mit dem Ziel zu novellieren, verstärkte An- reize zu einer wirtschaftlichen Lei- stungserbringung zu setzen. Die Beteili- gung der Krankenhäuser und Kranken- versicherung ist zu stärken.

— Die Krankenkassen sollen die Versi- cherten über die wirtschaftlichen Alter- nativen bei der medizinischen Versor- gung und über eigenverantwortliche Ge- sundheitsvorsorge verstärkt unterrich- ten, damit die Versicherten Leistungen der Krankenkassen verantwortungs- und kostenbewußter in Anspruch neh- men.

11.

Folgende Maßnahmen sind dringlich:

1. Die von den Herstellern unabhängige Beratung der Kassenärzte über die wirt- schaftliche und therapeutisch zweckmä- ßige Verordnung von Arzneimitteln durch die Kassenärztlichen Vereinigun- gen ist zu verbessern und die wirtschaft- liche Verordnungsweise sicherzustellen.

Kassenärztliche Vereinigungen und Krankenkassen müssen die dafür not- wendige Transparenz schaffen.

Für die wirtschaftliche Verordnung von Arzneimitteln ist die Preisvergleichsliste des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen baldmöglichst zu erwei- tern. Soweit die Transparenzkommis- sion bereits Markttransparenz geschaf- fen hat, kann darauf aufgebaut werden;

die Transparenzkommission soll ihre Arbeit beschleunigen und mit dem Bun- desausschuß Ärzte und Krankenkassen abstimmen.

Krankenkassen und Pharma-lndustrie werden aufgefordert, ihre Gespräche fortzusetzen mit der Zielsetzung, wirk- same flankierende Maßnahmen über Rahmenbedingungen des Arzneimittel- marktes herbeizuführen.

Über den Stand der eingeleiteten Maß- nahmen soll bis zur Frühjahrssitzung 1985 berichtet werden.

2. Leistungen für Zahnersatz, die über das medizinisch Notwendige hinausgehen, dürfen nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung fi- nanziert werden. In diesem Zusam-

menhang ist die Abgrenzung zwi- schen einer vollwertigen wirtschaft- lichen zahnmedizinischen Versor- gung und aufwendigeren Leistungen neu zu bestimmen.

Im Bereich der zahnärztlichen Versor- gung sind umgehend neue Bewertun- gen der Leistungen insbesondere auch unter Berücksichtigung der Ent- wicklungen in den letzten Jahren vor- zunehmen.

Hierüber ist in der Frühjahrssitzung 1985 zu berichten.

3. Die zahnmedizinische Prophylaxe in Schulen und Kindergärten (Grup- penprophylaxe) muß dauerhaft und flächendeckend eingeführt werden.

Krankenkassen und Zahnärzte haben Maßnahmen eingeleitet. Die Koope- ration mit den Ländern muß gesichert sein. Die Bundesregierung wird bis zur Frühjahrssitzung 1985 prüfen, welche flankierenden gesetzlichen Maßnahmen dazu angezeigt sind.

4. Krankenkassenverbände und Kas- senärztliche/Kassenzahnärztliche Vereinigungen müssen im Rahmen der laufenden Verträge über die Ver- gütung der ärztlichen und zahnärzt- lichen Leistungen auch weiterhin prü- fen, ob und welche zusätzlichen Ver- einbarungen notwendig sind, um den Empfehlungen der Konzertierten Ak- tion im Gesundheitswesen zu ent- sprechen.

5. Bei allen neuen Vereinbarungen und Verträgen sollen die Vertrags- partner einen Ausgabenüberhang des Jahres 1984 mit dem Ziel der Bei- tragssatzstabilität berücksichtigen.

6. Der notwendige Abbau nicht er- forderlicher Krankenhausbetten wird fortgesetzt. Die Länder werden in der Frühjahrssitzung 1985 ihre Vorstel- lungen dazu darlegen.

7. Die Kassenärztlichen Vereinigun- gen müssen zusammen mit den Krankenkassen Regelungen über ei- nen sinnvollen und wirtschaftlichen Einsatz von medizinisch-technischen Großgeräten in der kassenärztlichen

Ausgabe A 81. Jahrgang Heft 48 vom 28. November 1984 (19) 3559

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

Konzertierte Aktion

Versorgung schaffen und entspre- chend steuernde Vergütungsregelun- gen treffen. Dabei ist eine Abstim- mung mit der stationären Versorgung vorzunehmen. In der Frühjahrssit- zung 1985 soll über den Sachstand berichtet werden.

8. Die Krankenkassen werden prü- fen, wie durch mehr Preiswettbewerb unter den Erbringern zahntechnischer Leistungen sowie von Heil- und Hilfs- mitteln die Wirtschaftlichkeit verbes- sert werden kann.

9. Krankenkassen und Leistungser- bringer müssen ihre Liefervereinba- rungen und Abrechnungsverfahren so gestalten, daß Mißbräuche ausge- schlossen sind.

Die gesetzliche Krankenversicherung bedarf der längerfristigen Konsolidie- rung unter Berücksichtigung medizi- nischer und ökonomischer Orientie- rungen. Dafür ist ein Konzept zur Weiterentwicklung der Gesundheits- politik erforderlich. Der Bundesmini- ster für Arbeit und Sozialordnung wird zusammen mit den Beteiligten Vorschläge mit dem Ziel erarbeiten, die gesundheitliche Versorgung unter Einbeziehung des medizinischen Fortschritts sicherzustellen und dabei die finanzielle Entwicklung der ge- setzlichen Krankenversicherung den Erfordernissen der Sozial- und Wirt- schaftspolitik anzupassen.

Aufgabe dabei ist es, das Ziel der Bei- tragssatzstabilität vor dem Hinter- grund

—vorhandener Überversorgung und Wirtschaftlichkeitsreserven,

—partiell noch vorhandener Versor- gungsdefizite,

—der Notwendigkeit verbesserter Steuerungsinstrumente bei Versi- cherten, Leistungserbringern und Krankenkassen

zu erreichen.

kassen und der Kassenärzt- lichen Bundesvereinigung ge- tragene Konzept für eine Neu- orientierung der Bedarfspla- nung angesprochen und den Bundesarbeitsminister aufge- fordert, eine entsprechende Ge- setzesvorlage auszuarbeiten.

Muschallik wies drauf hin, daß sich jährlich rund 6 Prozent neue Kassenärzte niederließen.

Im ersten Halbjahr 1984 habe der Nettozugang 3,5 Prozent be- tragen. Setze sich diese Dyna- mik fort, dann würden sich bis zum Jahresende rund 4100 Kas- senärzte neu niedergelassen ha- ben — ein Bruttozugang von 6,8 Prozent. Und diese neuen, zu- meist jungen Kassenärzte arbei- teten nach anderen medizini- schen Vorstellungen als man- cher gestandene Kassenarzt.

Der Leistungsumfang neuer Kassenärzte liege in den ersten Jahren ihrer Tätigkeit bis zu 50 Prozentpunkte höher als bei Ärzten am Ende ihrer kassen- ärztlichen Tätigkeit. „Wenn es nicht gelingt", so der Vorsitzen- de des Verbandes der Angestell- ten-Krankenkassen, Karl Kaula,

„den Arztstrom zu drosseln, so muß die ärztliche Honorierung pauschaliert, das heißt, neu hin- zukommende Ärzte müssen aus einem gedeckelten Honorartopf zu Lasten der Gesamtheit der Kassen- und Vertragsärzte be- zahlt werden."

Dr. Muschallik betonte freilich, daß die Arbeitsweise der jun- gen, von den Krankenhäusern kommenden Ärzte nicht schlichtweg als unwirtschaftlich bezeichnet werden darf: „Medi- zinische Standards werden nicht von den Kassenärztlichen Vereinigungen sondern von den Universitätskliniken und den Krankenhäusern gesetzt und diese Standards sind zumeist von der Technik geprägt." Er wies nachdrücklich darauf hin, daß eine solche moderne Medi- zin grundsätzlich Fortschritt und Verbesserung der ambulanten Versorgung und damit Gewinn für den Patienten bedeute. Ganz

im Sinn der von der Ärzteschaft immer wieder geforderten medi- zinischen Orientierungsdaten sprach Muschallik von einer drit- ten Revolution in der Medizin — nach der Entdeckung der Rönt- genstrahlen, nach Sulfonami- den und Antibiotika.

Aufgabe für Politiker:

Prioritäten setzen

Den Einfluß des medizinischen Fortschritts auf die Kosten des Gesundheitswesens erläuterte, anhand markanter Beispiele, Dr.

Karsten Vilmar. Als Unterlage für die Erarbeitung „medizinischer Orientierungsdaten" wurde der Konzertierten Aktion zudem ein Gutachten des Zentralinstituts für die kassenärztliche Versor- gung vorgelegt. Es enthält auch eine Darstellung der arbeits- marktpolitischen Bedeutung des Sektors „ärztliche Versor- gung". Die Ausarbeitung des Zentralinstituts wird Gegen- stand weiterer interner Beratun- gen zwischen Krankenkassen und Kassenärzten sein mit dem Ziel, daraus (zusammen mit Aus- arbeitungen etwa des wissen- schaftlichen Beirates der Bun- desärztekammer) eine Empfeh- lung für eine der nächsten Sit- zungen der Konzertierten Ak- tion zu entwickeln.

Die medizinischen Orientie- rungsdaten bleiben also im Ge- spräch — hoffentlich auch unter Politikern. Denn Sie sind ge- fragt, wenn tatsächlich, wie von Blüm angedeutet, Prioritäten gesetzt werden sollen. „Das ist nämlich eine politische Ent- scheidung und nicht Aufgabe des einzelnen Arztes bei der Be- handlung der Patienten", erin- nerte Dr. Vilmar. „In gemeinsa- mer Anstrengung ist ideologie- frei auf dem Boden wissen- schaftlicher Erkenntnisse die Versorgung aller Kranken und wirklich Hilfsbedürftigen zu si- chern und der dafür notwendige Konsens aller Beteiligten zu er- arbeiten." EF/DÄ

3560 (20) Heft 48 vom 28. November 1984 81. Jahrgang Ausgabe A

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