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Archiv "1. Deutscher Kassenärztetag: Klares Votum für das Alternativkonzept der KBV" (18.09.1992)

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DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

1. Deutscher Kassenärztetag

Klares Votum für das

Alternativkonzept der KBV

Die Kassenärzte wollen sich aktiv in die parlamentarische Mei- nungsbildung über das Gesundheits-Strukturgesetz einschalten.

Mit großer Mehrheit gab die außerordentliche Vertreterversamm- lung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung am 9. September in Bonn dem KBV-Vorstand grünes Licht für konkrete Verhandlungen mit der Politik. Grundlage dieser Gespräche soll ein vom KBV- Vorstand erarbeitetes Konzept sein, mit dem die Kassenärzte eine Vielzahl alternativer Regelungen zum Seehofer-Gesetz unterbrei- ten. Daß Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer die Verbitte- rung und die Bereitschaft zum Widerstand der rund 90 000 nieder- gelassenen Ärzte trotz aller Verhandlungsbereitschaft nicht unter- schätzen sollte, machte unterdessen der 1. Deutsche Kassenärzte- tag im Anschluß an die Vertreterversammlung deutlich. Nahezu 2000 Ärzte aus allen Teilen Deutschlands demonstrierten dabei ih- ren festen Willen, allen unzumutbaren Reglementierungen durch das Gesundheits-Strukturgesetz entschieden entgegen zu treten.

enn Bundesgesundheitsmi- nister Horst Seehofer bei der Verabschiedung seiner Gesetzespläne mit einer in sich zer- strittenen Ärzteschaft kalkuliert ha- ben sollte, dann dürfte ihm späte- stens jetzt klar sein: Diese Rechnung geht nicht auf. Nach dem ersten bun- desweiten Kassenärztetag an diesem 9. September in Bonn steht fest: Die Kassenärzteschaft spricht sich ge- schlossen gegen weite Teile des Ge- setzentwurfs aus, und sie steht hinter dem Alternativkonzept des KBV- Vorstandes.

Der Tag in Bonn begann mit Pfiffen und Buh-Rufen. Sie galten dem Mann, der nach eigenen Wor- ten den Dialog auf breiter Basis sucht und sich dann doch nicht blik- ken ließ. Seehofer hatte seine Teil- nahme am Kassenärztetag kurzfristig abgesagt — aus fadenscheinigen Gründen, wie die empörten Ärzte fanden. Doch auch ohne den Mini- ster absolvierte sowohl die Vertre- terversammlung am Vormittag wie auch der Kassenärztetag am Nach- mittag ihr Arbeitspensum wie ge- plant.

Zunächst ging es um die Frage:

Totale Verweigerung oder konstruk- tive Gegenvorschläge? Anders als der Hartmannbund wandten sich die Delegierten nach eingehender Dis- kussion gegen die bedingungslose Ablehnung des Gesetzentwurfs. Die Kassenärzte, so der Tenor, wollen nicht tatenlos zusehen, wie über ihre Köpfe hinweg beraten und beschlos- sen wird. Im Gegenteil: Wenn in die jetzt beginnenden parlamentari- schen Beratungen des Gesundheits- Strukturgesetzes noch ärztliche Standpunkte einfließen sollen, dann nur aufgrund entsprechender Vor- schläge der Ärzte selbst.

Grundlegende Stellungnahmen zu dem Seehofer-Gesetz hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung schon unmittelbar nach dem Be- kanntwerden der sogenannten Eck- punkte der erneuten Reform abge- geben. Die Kritik blieb zwar nicht völlig ohne Reaktion, denn im Re- gierungsentwurf kam es bereits zu ei- nigen Änderungen. Doch wesentli- che Einwände der Kassenärzte sind nach wie vor nicht beseitigt. Auf der Grundlage eines Alternativkonzep-

tes des KBV-Vorstandes soll das nun anders werden (siehe dazu:

„Das Alternativkonzept: Wesentliche Punkte").

Das Konzept fand in der Ver- treterversammlung eine deutliche Mehrheit. Einzig und allein bei der Frage nach einer Altersgrenze für Kassenärzte entschieden die Dele- gierten gegen die Vorstandsvorlage.

Während die Vorlage Seehofers Zwangspensionierungsplänen (Aus- laufen der Kassenzulassung mit 65 Jahren) eine flexiblere und differen- zierte Altersgrenze entgegen setzen wollte, lehnte die Vertreterversamm- lung jede Altersgrenze ab.

Kassenärzte

verhandlungsbereit

Alles in allem: Die KBV- Vorschläge für alternative Regelun- gen zum Gesundheits-Strukturgesetz zielen auf strukturelle Verbesserun- gen bei einem auf drei Jahre befri- steten Sparprogramm. Die Vorschlä- ge wenden sich gegen die Entmündi- gung der Selbstverwaltung von Ärz- ten und Krankenkassen und die Ver-

hinderung jeder Entwicklungsmög- lichkeit der ambulanten Versorgung durch starre Budgetierung. Sie be- rücksichtigen zudem die gewünschte Förderung der hausärztlichen Ver- sorgung, ohne zugleich die fachärzt- liche Versorgung zu beeinträchtigen.

Die Kassenärzteschaft, so das Fazit der außerordentlichen Vertre- terversammlung, zeigt sich auf der Grundlage konkret ausformulierter Positionen verhandlungsbereit. Al- lerdings: Illusionen über nun etwa sanfter gestimmte Kassenärzte darf sich Bundesgesundheitsminister See- hofer keineswegs hingeben. Denn der Kassenärztetag am Nachmittag zeigte, wie explosiv die Stimmung unter den niedergelassenen Ärzten tatsächlich ist.

Sie kamen allein und in großen Gruppen, mit Transparenten und Argumenten: rund 2000 Kassenärzte aus allen Regionen der Bundesrepu- blik. Horst Seehofer hätte aus erster Hand erfahren können, was in den letzten Wochen und Monaten das Faß zum Überlaufen brachte: „Nicht die Einkommenssituation ist ent- scheidend dafür", betonte Oesing- mann. „Die Ursache ist vielmehr das Dt. Ärztebl. 89, Heft 38, 18. September 1992 (19) A1-3011

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ständig wachsende Maß an Regle- mentierungen durch den Gesetzge- ber. Der Kassenarzt fühlt sich auf Schritt und Tritt gegängelt, er emp- findet diese Reglementierungen als schikanös."

Oesingmann richtete gleich eine ganze Reihe von Appellen an den Bundesgesundheitsminister:

• Steigern Sie den Unmut der Kassenärzte über ein Übermaß an Bürokratie nicht noch mehr!

• Belassen Sie der Selbstverwal- tung von Ärzten und Krankenkassen den Handlungsspielraum, den sie be- nötigt!

• Geben Sie dem Grundsatz

„soviel ambulant wie möglich" eine echte Chance und behindern Sie das nicht durch noch mehr Budgetierun- gen!

„Unter den Kassenärzten in den neuen Bundesländern geht die Angst um' — Dr.

med. Detlef Wamhoff, 2. Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Thüringen, schilderte die Sorgen speziell der Kolle- gen und Kolleginnen in Ostdeutschland angesichts der Bonner Reformpläne.

• Lassen Sie den Gedanken ei- ner Kollektivhaftung der Kassenärz- te für ein bestimmtes Ausgabenvolu- men der Krankenkassen für die Arz- nei- und Heilmittelversorgung end- gültig fallen!

• Schaffen Sie nicht nur ein Sparprogramm für drei Jahre, son- dern auch die Voraussetzungen da- für, daß in diesen drei Jahren Struk- turverbesserungen durchgeführt werden können!

• Erhalten Sie insbesondere das Vertrauen der Kassenärzte in den

fünf neuen Bundesländern in die Zu- sagen der Bundesregierung!

Oesingmanns Rede erhielt lang anhaltenden, donnernden Beifall.

Ebenso der Beitrag von Dr. Karsten Vilmar, dem Präsidenten der Bun- desärztekammer. Oesingmann und Vilmar ließen keinen Zweifel daran, daß die Ärzteschaft die gemeinsa- men Ziele geschlossen vertritt. In beiden Reden wurden die Sorgen der Ärzte um ihre berufliche Zu- kunft deutlich.

Sorgen, die in den neuen Bun- desländern noch zusätzlich an Ge- wicht gewinnen, denn „unter den Kassenärzten der neuen Länder geht die Angst um", wie Dr. Detlef Wam- hoff stellvertretend für seine rund

16 000 Kollegen sagte. „Angst um die Existenz!"

Wamhoff zu dem Gesetzent- wurf: „Wir haben am eigenen Leib erfahren, daß staatlicher Dirigismus zu keiner Verbesserung der medizi- nischen Betreuung führt und auch keinen Pfennig Einsparungen be- wirkt, im Gegenteil!"

Die Kassenärzte in Ost und West, das machte der Tag in Bonn deutlich, sind nicht bereit, staatli-

Nicht nur der Ge- sundheitsminister fehlte, sondern auch jeglicher CDU/CSU-Bun- destagsabgeord- nete. Dafür kamen (von links nach rechts): Dr. Dieter Thomae, Dr. Bru- no Menzel, beide FDP, Prof, Dr.

Martin Pfaff, Dr. R.

Werner Schuster, beide SPD,

Eine Gesamthaftung der Kas- senärzte für die Einhaltung eines be- stimmten Arznei- und Heilmittel- budgets wird abgelehnt. Im Fall ei- nes solchen Budgets wird vorgeschla- gen, daß die KBV und die Spitzen- verbände der Kassen

— mit der Pharmazeutischen In- dustrie einen Defizitausgleich durch zeitlich befristete Absenkung von

Aufmerksam verfolgten auch zahlreiche Vertreter der Medien das Referat Dr. med.

Ulrich Oesingmanns. Der Erste Vorsitzen- de der Kf3V wurde dafürvon den Kassenärz- ten mit „standing ovations" bedacht.

chen Dirigismus hinzunehmen. Sie sind aber bereit, über bessere Wege zu verhandeln. Horst Seehofer, der eine außergewöhnliche Gelegenheit zum Dialog versäumte, sollte dies er- kennen. JM/th

Herstellerabgabepreisen aushandeln können,

— das Budget dann aussetzen, wenn andere Vereinbarungen (zum Beispiel verschärfte Richtgrößen- prüfung, erfolgreiche Beratung der Kassenärzte) zu wirksamen Einspa- rungen geführt haben.

Von folgenden Vorschlägen er- wartet die KBV Einsparungen in der

Alternativkonzept: Wesentliche Punkte

A1-3012 (20) Dt. Ärztebl. 89, Heft 38, 18. September 1992

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Gefüllte Saalreihen, gefüllte Empore: Rund 2 000 Ärzte und Ärztinnen waren aus dem gan- zen Bundesgebiet nach Bonn gereist, um ihren Protest gegen das Gesundheits-Struktur-

gesetz zu verdeutlichen. Fotos (5): Bernhard Eifrig

Demonstranten, die man gern in den Saal ließ: Ärz- te aus Hessen und Rheinland-Pfalz protestierten mit großen Transpa- renten gegen die derzeitige Ge- sundheitspolitik.

Am Rednerpult:

Dr. med. Karsten Vilmar, Präsident der Bundesärzte- kammer.

von Seehofer gewünschten Größen- ordnung, die ein Budget von vorn- herein überflüssig machen würden:

Die bestehende Negativliste sollte erweitert, die Anforderungen an die Bildung von Festbeträgen erleichtert werden. Hierzu könne die Arznei- mittelkommission der Deutschen Ärzteschaft Vorschläge unterbrei- ten. Sogenannte „Konsensuskonfe- renzen", besetzt mit Sachverständi- gen der medizinischen und pharma- kologischen Wissenschaft und Pra- xis, könnten zudem Empfehlungen für eine therapiegerechte und wirt- schaftliche Arzneiverordnung der Ärzte erarbeiten.

Zum Punkt „Vergütungsver- einbarungen" hat die KBV eine Rei- he von abweichenden Vorstellungen entwickelt. So wird eine Koppelung der Arzthonorare an den Zuwachs der GKV-Einnahmen nur unter fol- genden Bedingungen akzeptiert:

—Ausgangszeitraum ist das Jahr 1992, nicht 1991.

— Die Vergütungen der haus- ärztlichen Versorgung und des am- bulanten Operierens bleiben ausge- nommen, sofern entsprechende Ein- sparungen in der Arzneimittelversor- gung oder bei der Krankenhausbe- handlung nachgewiesen werden.

— Gesetzlich vorgeschriebene Präventionsmaßnahmen bleiben un- berührt.

— Neue Untersuchungs- und Be- handlungsmethoden werden nur noch dann in die kassenärztliche Versorgung eingeführt, wenn dafür Geld außerhalb des Budgets zur Verfügung steht.

spiel im Fall von Leistungskomplex - honoraren nach Rentnern und All- gemeinversicherten zu differenzie- ren.

Starre Verhältniszahlen für die Zulassung gefährden nach Mei- nung der KBV die Qualität der kas- senärztlichen Versorgung. Statt des- sen sollte zum Beispiel zwischen hausärztlichem und fachärztlichem Bedarf unterschieden werden. Bei der Festlegung von Überversorgun- gen müsse die Kompetenz des Bun- desausschusses erweitert werden. Er soll über die Zuordnung von Gebie- ten in die haus- bzw. fachärztliche Versorgung entscheiden.

Im Fall von Wirtschaftlich- keitsprüfungen aufgrund von Richt- größenvereinbarungen hält es die Kassenärztliche Bundesvereinigung für sinnvoll, diese mit der bestehen- den Durchschnittswertprüfung zu verbinden. So soll ein „heilloses Durcheinander verschiedener Prüf- systeme" vermieden werden. Bei Prüfungen aufgrund von Richtgrö- ßen-Überschreitungen sollte die Be- ratung des Arztes im Vordergrund stehen. Weitergehende Wirtschaft- lichkeitsprüfungen sollten nur erfol- gen, falls die Beratung erfolglos war bzw. die Fachgruppendurchschnitts- werte um einen festgelegten Satz

überschritten werden, ohne daß für

die Praxis irgendwelche Besonder- heiten geltend gemacht werden kön-

nen.

— Die Ausgaben für die kassen- ärztl iche Versorgung in den neuen Ländern werden nicht budgetiert.

Die kassenärztliche Versor- gung ist in eine hausärztliche und fachärztliche Versorgung zu glie- dern. Allerdings sollten Inhalt, Um- fang und Abgrenzung beider Berei- che gemeinsam von KBV und Kran- kenkassen bestimmt werden und nicht vom Gesetzgeber. Der Grund- satz der freien Arztwahl muß nach den Vorstellungen der KBV erhalten bleiben.

Darüber hinaus sollen jeweils unterschiedliche Vergütungsrege- lungen mit den Krankenkassen ge- troffen werden können, um die haus- ärztliche Tätigkeit gezielt zu fördern.

So denkt die KBV daran, zum Bei-

Dt. Ärztebl. 89, Heft 38, 18. September 1992 (21) Ar3013

Referenzen

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