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it der neuen Regelung ist sinnvolle Forschung im Interesse der Pati- enten möglich, aber es sind stren- ge Regeln zum Schutz der Versuchsper- sonen beschlossen worden, insbesonde- re bei nicht einwilligungsfähigen Perso- nen, das heißt bei Kindern oder geistig behinderten Menschen.“ So wertet der Europaparlamentarier Dr. med. Peter Liese (CDU) die neue EU-Richtlinie über klinische Prü-fungen von Arznei- mitteln, die das Par- lament in Straßburg am 12. Dezember fast einstimmig ver- abschiedet hat. Am 14. Dezember stimmte auch der Rat der EU- Gesundheitsmi- nister zu.
Die Richtlinie sieht unter ande- rem vor, dass die Versuchspersonen schriftlich in die Teilnahme an einer klinischen Prüfung einwilligen müssen.
Eine Gentherapie, die die Keimbahn
verändert, darf nicht durchgeführt wer- den. Um mit einer klinischen Prüfung beginnen zu können, reicht künftig das Votum der Ethik-Kommission aus, wenn die zuständigen Behörden kei- ne Einwände erheben. Die Genehmi- gungsfrist soll in allen EU-Staaten höch- stens 60 Tage betragen. Zudem sieht die Richtlinie Ausnahmeregelungen vor, um unbürokratisch nichtkommerzielle Forschung zu ermöglichen, das heißt Forschung, an der die Industrie kein In- teresse hat (siehe dazu DÄ 49/2000).
Drei Jahre hatten das Parlament und der Ministerrat um eine Einigung ge- rungen. „Es gibt nur zwei Wermuts-
tropfen in diesem ansonsten guten Kompromiss“, sagte Liese bei der ab- schließenden Lesung. So habe sich der Ministerrat in der Frage der Fristen un- nachgiebig gezeigt. Das Parlament hat- te ursprünglich für ehrenamtlich arbei- tende Ethik-Kommissionen längere Entscheidungsfristen vorgeschlagen als für staatliche Behörden. Am Wider- stand fast aller Mitgliedstaaten schei- terte darüber hin- aus die Forderung, dass der Leiter ei- ner klinischen Prü- fung in jedem Fall ein Arzt sein muss.
Schwierig gestal- teten sich die Ver- handlungen vor al- lem bei der Frage, unter welchen Be- dingungen Forschung an nicht einwilli- gungsfähigen Men- schen durchgeführt werden kann. Der Ministerrat hatte zunächst beschlos- sen, sich auf die Bioethikkonventi- on des Europarates zu berufen und die Entscheidung den Mitgliedstaaten zu überlassen. Das ging dem Parlament nicht weit genug. Der Kompromiss un- terscheidet nun zwischen erwachsenen nicht Einwilligungsfähigen und Kin- dern, deren Stoffwechsel sich erheblich von dem Erwachsener unterscheidet.
Dies führt dazu, dass man Ergebnisse aus klinischen Prüfungen an Erwachse- nen oft nicht übertragen kann. Die Richtlinie sieht nun vor, dass klinische Prüfungen an Kindern prinzipiell mög- lich sind. Jedoch muss der gesetzliche Vertreter einer solchen Prüfung nicht nur zustimmen. Er muss den mutmaßli- chen Willen des Kindes berücksichtigen
und kann seine Zustimmung jederzeit zurückziehen. Für nicht einwilligungs- fähige Erwachsene gelten strengere Standards. Hier darf eine klinische Prü- fung nur durchgeführt werden, wenn angenommen werden kann, dass das Medikament einen Nutzen für den Pati- enten hat.
Auch die Grünen-Abgeordnete Hil- trud Breyer zeigte sich zufrieden mit dem Kompromiss. Deren Fraktion hat- te die Diskussion besonders kritisch be- gleitet. Bei der Abschluss-Debatte sag- te sie: „Die Richtlinie stellt sicher, dass es auf europäischer Ebene kein ethi- sches Dumping geben wird.“
Uneins über Tabak-Richtlinie
Nicht einigen konnten sich Ministerrat und Parlament über die EU-Tabak- richtlinie. Zwar stimmte man in wesent- lichen Punkten überein: So sollen ab 2004 die Höchstwerte für den Teerge- halt in Zigaretten auf zehn Milligramm gesenkt werden. Der Nikotingehalt soll ein Milligramm, der Kohlenmonoxid- gehalt zehn Milligramm nicht über- schreiten. Außerdem sollen die Rau- cher mit größeren Warnhinweisen auf den Zigaretten-Schachteln auf die Ge- fahren des Rauchens aufmerksam ge- macht werden. Eine Einigung scheiter- te jedoch, weil der Rat die Forderung des Parlaments ablehnte, Begriffe wie
„light“ oder „mild“ weiter zuzulassen, wenn diese Teil eines Markennamens sind. Die EU-Gesundheitsminister wol- len solche „irreführenden“ Begriffe ganz untersagen. Die Minister lehnten zudem ein Verbot des Zusatzmittels Ammoniak in Zigaretten ab. Sie halten es nicht für hinreichend bewiesen, dass Ammoniak die Abhängigkeit fördert.
Jetzt suchen beide Gremien in einem Vermittlungsverfahren nach einem Kompromiss. Heike Korzilius P O L I T I K
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A3468 Deutsches Ärzteblatt½½½½Jg. 97½½½½Heft 51–52½½½½25. Dezember 2000
Klinische Prüfungen
Einigung nach drei Jahren
Europa-Parlament und Ministerrat haben sich auf einheitliche Regelungen für klinische Prüfungen von Arzneimitteln verständigt.
Das Europäische Parlament hat einen Sitz in Straßburg und einen weiteren in Brüs- sel. Der Neubau in Straßburg wurde im letzten Jahr fertig gestellt und hat rund zwei Milliarden DM gekostet.
Foto: Europaparlament