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Archiv "Klinische Infektiologie: Strategien und Nutzen des Antibiotika-Managements" (12.02.1999)

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ie Notwendigkeit eines ratio- nalen Umgangs mit Antibioti- ka wird seit vielen Jahren dis- kutiert. Die Analyse des Antibiotika- gebrauchs im Zusammenhang mit der Dynamik der Resistenzentwicklung ist von weitreichender Bedeutung für die Erhaltung einer effizienten Infek- tionstherapie in der Zukunft. Darüber hinaus verursacht der inadäquate Ein- satz von Antibiotika hohe Kosten in- folge vermeidbarer Nebenwirkungen und schlechterer Therapieergebnisse.

Da die klinische Infektiologie in Deutschland bisher nicht als eigen- ständiges Fach in Forschung und Leh- re etabliert werden konnte, sind in der Forschungstätigkeit, der studenti- schen Ausbildung und der ärztlichen Weiterbildung erhebliche Defizite entstanden. An einigen deutschen Universitätskliniken wird nun seit eini- gen Jahren – neben Ansätzen zur Ver- besserung der Lehre – versucht, diese Defizite zumindest im Bereich der Krankenversorgung auszugleichen. So haben Infektiologen, klinisch orien- tierte Pharmazeuten, Pharmakologen, Mikrobiologen und Krankenhaushy- gieniker in interdisziplinären Arbeits- gemeinschaften begonnen, Antibioti- ka-Hauslisten zu erstellen, therapeuti- sche Leitlinien zu erarbeiten und in- fektiologische Konsiliardienste oder Antibiotika-Beratungen anzubieten.

Die Effizienz dieser Bemühungen wurde anläßlich wissenschaftlicher Veranstaltungen in Ulm, Köln und Berlin überprüft. Analysen des Anti- biotikaverbrauches wurden in den ver- gangenen Jahren von verschiedenen Universitätsklinika vorgenommen.

Wie Dr. Winfried V. Kern berichtete, ist es am Universitätsklinikum Ulm ge- lungen, durch ausführliche Leitlinien,

Konsiliardienste, flexible Sonderre- zeptregelungen und Fortbildung die Kosten für Antibiotika über inzwi- schen mehr als sieben Jahre kontinuier- lich zu reduzieren – trotz Kostensteige- rungen in allen sonstigen Bereichen.

Der Internist und Infektiologe machte jedoch klar, daß einfache Kostenanaly- sen nicht ausreichen.

So sei es in dieser Zeit durchaus zu einem Mehrverbrauch von Anti- biotika gekommen. Anhand einer 1994 durchgeführten Untersuchung an vier baden-württembergischen Universitätskliniken wurde deutlich, daß die vergleichende Analyse von Rohdaten zu Antibiotika-Kosten zu irreführenden Schlüssen führen kann.

Hier wurden teilweise erhebliche Un- terschiede im Spektrum der verordne- ten Antibiotika beobachtet.

Getrennte Analyse jedes Fachbereichs empfohlen

Allerdings, so Kern, glichen sich die Kosten pro Pflegetag in einigen Disziplinen nach Berücksichtigung multipler Patientenvariablen an, in anderen Bereichen klafften sie auch unter Berücksichtigung dieses Patien- ten-„Mix“ weit auseinander. Nur eine solch differenzierte Analyse der Be- sonderheiten des Krankengutes er- laubt es, bei hohem Verbrauch von Antibiotika Vermutungen auf unsach- gemäßen Gebrauch und bevorzugte Anwendung teurer Präparate durch bestimmte Ärzte anzustellen.

Externe Qualitätskontrollen, wie sie von der Landesärztekammer durchgeführt werden, sind, wie Mat- thias Felsenstein (Landesärztekam- mer Baden-Württemberg, Stuttgart)

hervorhob, nur für die interne Diskus- sion von Problemen in einer Klinik und als Denkanstoß für Änderungen geeignet. Die Beurteilung einer Qua- lität der Klinik – beispielsweise an- hand der Statistiken zur Neugebore- nensterblichkeit oder der Sepsisfälle – sei ein unzulässiger Gebrauch der Da- ten externer Qualitätskontrollen.

Nach der Erfahrung von Mat- thias Brumhard (Krankenhausapo- theker in Gießen) ist bis 1993 vor allem bei den Glykopeptidantibiotika ein enormer Mehrverbrauch entstan- den; seither ist der Verbrauch jedoch stabil geblieben. Der Pharmazeut be- tonte, daß aufgrund der großen Un- terschiede im Arzneimittelverbrauch jedes klinische Fach getrennt analy- siert werden sollte.

Die Tendenz zu deutlichem Mehrverbrauch von Antibiotika, ins- besondere von Glykopeptiden und Fluorochinolonen, bestätigte auch Dr.

Martin Theisohn (Köln). Ähnlich den Erfahrungen in Ulm konnte er nach- weisen, daß sich der stetig steigende Antibiotikaverbrauch nach Etablie- rung einer Kommission und Erstel- lung von Leitlinien reduzierte. Er wies darauf hin, daß Beurteilungen zum Antibiotikaverbrauch grundsätzlich auch auf Pflegetage bezogene Men- genanalysen und nicht reine Kosten- analysen sein müssen.

Dr. A. Widmer (Basel) empfahl den deutschen Infektiologen, mit Kli- nikverwaltungen unter Hinweis auf solche Optionen Investitionen für ei- ne kostengünstige Qualitätsverbesse- rung zu vereinbaren. Prof. Matthias Schrappe (Köln) machte ebenfalls deutlich, daß es eine klare Argumen- tation für klinische Infektiologie wie auch Klinikhygiene sowohl auf der Ebene der Qualitätssicherung als auch Kosteneinsparung gibt, man je- doch mit dieser Argumentation sehr viel zielgerichteter auf ärztliche und kaufmännische Klinikdirektion zuge- hen müsse.

Bei den meisten verordnenden Ärzten besteht kaum Tendenz, so der Tenor auf den Symposien, sich ohne entsprechende Beratung und Inter- vention an therapeutische Leitlinien und Therapiestandards zu halten. Ei- nes der wichtigsten Anliegen ist da- her, für Konsiliardienste und Leitlini- enerstellung und -anpassung entspre- A-336 (28) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 6, 12. Februar 1999

P O L I T I K MEDIZINREPORT

Klinische Infektiologie

Strategien und Nutzen des Antibiotika-Managements

Durch das Angebot von Therapie-Leitlinien, Hauslisten und infektiologischen Konsiliardiensten können Kliniken die Behandlung mit Antibiotika optimieren und Kosten sparen.

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chende personelle Kapazitäten zu schaffen. EDV-Systeme und Leitlini- en online, wie teilweise in Köln und Ulm verfügbar, so Schrappe, könnten hier eine Hilfe darstellen, vermindern allerdings nicht den Personalbedarf und ersetzen nicht das Konsil.

Wie Prof. Henning Breithaupt (Gießen) und Frau Dr. Heike von Baum (Heidelberg) in vielen Jahren konsiliarischer Tätigkeit erlebten, wird eine Beratung zu Therapie und Diagnostik von Infektionskrankheiten gerne in Anspruch genommen. Ein weitgehend ignoriertes Problem sei

aber, daß solche Beratungen zum großen Teil von engagierten Speziali- sten als freiwillige Zusatzleistung in der Freizeit erbracht werden und bis- her keine Honorierung erfahren ha- ben. Auch die rechtlichen Aspekte solcher Beratungen anstelle eines formal etablierten Konsiliardienstes durch einen klinischen Facharzt mit Schwerpunktweiterbildung sind nicht ausreichend geklärt.

Nach einer Studie von Dr. Eva S.

Dietrich (Freiburg) erhalten mehr als 20 Prozent aller Krankenhauspatien- ten eine inadäquate Antibiotikathera- pie; weitere 20 Prozent wurden mit Antibiotika mit zu breitem Wirkungs- spektrum behandelt. Ein weiteres Pro- blem war die unzureichende Nutzung der mikrobiologischen Diagnostik. In

einer prospektiven Studie wurden die Antibiotikaverordnungen in einer in- ternmedizinischen Abteilung regi- striert und im Hinblick auf adäquate oder nicht adäquate Verordnung – wie Wahl der Substanz, Dosierung, Appli- kationsmodus und Therapiedauer – kritisch überprüft.

In einer zweiten Phase wurde konsiliarisch interveniert und die nachfolgende Entwicklung beobach- tet. Die inadäquaten Verordnungen gingen im Verlaufe der konsiliari- schen Intervention um etwa die Hälf- te auf 25 Prozent signifikant zurück.

Dabei wurden auch Einsparungen bei den Arzneimittelkosten erzielt. Wie Frau Dietrich einräumte, geht der

„Lerneffekt“ solcher Maßnahmen allmählich wieder verloren, wenn sie nicht regelmäßig wiederholt werden.

Dietrich kam zu dem Schluß, daß ein hoher Bedarf an infektiologischer Weiterbildung bei den Ärzten besteht.

Zu ähnlichen Ergebnissen ge- langte Dr. S. Lemmen (Aachen) in einer prospektiven Studie: Hierbei wurden 23 Prozent inadäquate bezie- hungsweise optimierbare Therapien gezählt. Durch Etablierung eines klinisch-infektiologischen Konsiliar- dienstes konnten sowohl die Qualität der Behandlung verbessert als auch die Antibiotikakosten um 16 Prozent reduziert werden.

Dr. Harald Seifert (Köln) stellte eine in Deutschland bisher einmalige Studie vor, nach der durch infektiolo- gischen Konsiliardienst im Falle posi- tiver Blutkulturen nicht nur Arznei- mittelkosten gespart werden können, sondern auch ein besseres Behand- lungsergebnis erzielt wurde. Man muß sich allerdings vorstellen, daß weit mehr als 50 Prozent aller Verordnun- gen ohne mikrobiologisch gesicherte Diagnose vorgenommen werden. Im Bereich der empirischen Therapie- entscheidungen ist sehr viel klinische Erfahrung im Konsiliardienst nötig, sind aber auch erhebliche Qualitäts- verbesserungen und Kosteneinspa- rungen möglich.

Kern ergänzte die Diskussion um den Aspekt mikrobieller Resistenz- entwicklung. Hier existieren sehr gute Studien aus verschiedenen europäi- schen Ländern, wonach Antibiotika- Management tatsächlich die Resi- stenzsituation günstig beeinflussen kann. Man dürfe jedoch nicht zu lange warten mit einer geregelten Antibioti- ka-„Politik“, so Kern.

In einigen Fällen von langsam sich entwickelnder, endemischer Er- regerresistenz sei es mit kurzfristigen Projekten nicht mehr gelungen, die Si- tuation zu verbessern – ein Hinweis, daß positive Effekte einer funktionie- renden klinischen Infektiologie und Krankenhaushygiene nicht allein in der Kategorie Verbesserung, sondern mehr noch in der Kategorie Problem- vermeidung (und auch Kostenvermei- dung) gesehen werden sollten.

Wenig Diskussion gab es um den geschätzten Personalbedarf eines Tausend-Betten-Hauses für einen ef- fektiven infektiologischen Konsiliar- dienst. Von 1 000 Krankenhauspati- enten, so Kern, erhielten 400 Patien- ten Antibiotika. Bei mindestens 100 dieser Patienten sei die Therapie inad- äquat oder optimierbar.

Für diese meist schwerkranken Patienten sind zwei bis drei Konsulta- tionen pro Woche erforderlich, ent- sprechend einer Konsultationszeit von 50 bis 75 Stunden. Um die weiteren Aufgaben der Aus- und Weiterbil- dung der Ärzte und des Pflegeperso- nals wahrzunehmen und klinische Stu- dien durchzuführen, sind mindestens drei bis fünf Personalstellen erforder- lich. Dr. med. E. Gabler-Sandberger A-338

P O L I T I K

(30) Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 6, 12. Februar 1999

MEDIZINREPORT

Pseudomonas aeruginosa gehört zu den Problemkeimen in den Kliniken. Das Bild zeigt den Erreger nach einer Behandlung mit einem Cephalosporin bei 28 000facher Vergrößerung. Foto: Hoffmann-La Roche

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