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Archiv "Zukünftige Aufgaben der KVen/KBV: „Mehr Beratung – dann kommen die Ärzte auch“" (14.05.2004)

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s ist unangenehm, in die Zange ge- nommen zu werden. In dieser Posi- tion befindet sich zurzeit die Kas- senärztliche Bundesvereinigung (KBV).

Die rot-grüne Bundesregierung hat ihre Kompetenzen mit dem GKV-Moderni- sierungsgesetz eingeschränkt und ihr eine Organisationsstrukturreform vor- geschrieben (DÄ, Heft 15/2004). Gleich- zeitig werfen innerärztliche Kritiker der KBV vor, sich zu sehr wie ein Aus- führungsorgan des Gesetzgebers und zu wenig wie eine starke Interessenvertre- tung der niedergelassenen Ärzte zu ver- halten. Das kritisieren vor allem die Sprecher von Parallelorganisationen wie Medi oder ärztlichen Genossen- schaften. Medi wirbt derzeit offen- siv um Mitglieder (siehe Textkasten).

Dr. med. Manfred Richter- Reichhelm, Erster Vorsit- zender der KBV, ist gleich- wohl überzeugt, dass KBV und KVen eine Zukunft haben. Diese Auffassung vertrat er im Redaktionsge- spräch mit dem Deutschen Ärzteblatt*.

Zwar sei ein „Gewichts- wechsel“ innerhalb der ge- meinsamen Selbstverwal- tung von Ärzteschaft und Krankenkassen eingetreten, weil die Kassen nach der Reform mehr Mitsprache- und Entscheidungsbefug- nisse besäßen. Das habe allerdings Licht- und Schat- tenseiten, findet Richter- Reichhelm. „Die Schatten-

seite ist, dass die Macht der Kassenärzte etwas eingeschränkt ist, die Lichtseite, dass sich die Krankenkassen jetzt nicht mehr aus einer gemeinsamen Verant- wortung stehlen können.“ Wer zum Beispiel mit entscheidet über Honorar- verteilungsmaßstäbe, kann hinterher nicht mehr sagen, das Geld werde falsch unter den Kassenärzten verteilt. Rich- ter-Reichhelm ist überzeugt, dass es auf die KVen und die KBV ankommt, um aus der jetzigen Konstellation das Beste zu machen (siehe auch „Nachgefragt“).

Dass sie Gestaltungsmöglichkeiten eingebüßt haben, liegt nach Meinung des KBV-Vorsitzenden auch an haus- gemachten Fehlern. Einer davon: „Wir haben Angebote an die Politik überwie- gend unter dem Druck durch die Politik

gemacht.“ Ein zweiter: „Uneinigkeit unter Ärzten und Psychotherapeuten ist der allergrößte Fehler gewesen.“

Man müsse sich außerdem die Kritik der Hausärzte gefallen lassen. Was heu- te per Gesetz zur hausärztlichen Versor- gung festgelegt ist, hätte man als Kas- senärzteschaft längst realisieren kön- nen. Neben inhaltlichen Fehlern haben ärztliche Organisationen auch taktische Fehler begangen. In den Konflikten habe jede Gruppe ihre Interessen eigen- mächtig bei Politikern und im Bundes- gesundheitsministerium vertreten, erin- nert Richter-Reichhelm. Damit wurde

„sehr deutlich gemacht, dass die Ärzte untereinander wie auch Ärzte und Psychotherapeuten leicht zu teilen sind“.

An einem anderen Punkt verteidigt er die Arbeitsweise der letzten Jahre allerdings vehement: Wenn ihm vorge- halten wird, KBV und KVen würden im Gegensatz zu Zusammenschlüssen wie Medi als Körperschaften zu willfährig Gesundheitspolitik umsetzen. „Ich tue alles, um ein schlechtes Gesetz zu ver- hindern“, betont der KBV-Vorsitzende.

„Aber wenn ein Gesetz da ist, muss ich es als Bürger dieser Republik erfüllen.“

Das gelte im Übrigen auch für Gewerk- schaften. Ihn wurmt es, dass politische Verhandlungserfolge klein geredet werden, und das auch noch von Mitstreitern. „Wer hätte gedacht, dass wir den Kollektivregress und das Arzneimittelbud- get wegbekommen?“ erin- nert er. Am vermeintlichen Kampfeswillen der ärztli- chen Basis hat er zudem Zweifel, seit er in der Berli- ner KV ganz bestimmte Erfahrungen gemacht hat.

Anfang 2003 kehrten die Kollegen vom groß an- gekündigten Dienst nach Vorschrift aus Protest gegen damalige Gesundheitsre- formpläne der Bundesregie- rung schnell zum Praxis- alltag zurück.

Dass sich die Ärztinnen und Ärzte an der Basis an- dererseits Einigkeit und ein gemeinsames Agieren wün- schen und deshalb Organisa- tionen wie Medi manchem als attraktive Alternative zu P O L I T I K

Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2014. Mai 2004 AA1377

Zukünftige Aufgaben der KVen/KBV

„Mehr Beratung – dann kommen die Ärzte auch“

Dr. med. Manfred Richter-Reichhelm, Vorsitzender von KBV und KV Berlin, zu Dienstleistungen für die Kollegen, taktischen Fehlern und Zukunftschancen für die KVen.

„Alle wollen faire Rahmenbedingungen“

„Es ist an der Zeit, mit einer Stimme zu sprechen. Sich geschlossen gegen die er- zwungene Bürokratisierung der ärztlichen Tätigkeit zu wehren. Auf gleicher Höhe mit den Mächtigen im Gesundheitswesen zu verhandeln.“ Mit solchen Slogans wirbt Medi Deutschland, die Arbeitsgemeinschaft der deutschen Medi-Verbünde, derzeit in einer mehrteiligen Anzeigenserie um neue Mitglieder. Geschaltet wer- den Texte beziehungsweise Buttons im Deutschen Ärzteblatt, der Ärzte Zeitung, der Ärztlichen Praxis und dem Internetportal facharzt.de.

Was die Anzeigenschaltung kostet, will der Medi-Deutschland-Vorsitzende Dr.

med. Werner Baumgärtner, zugleich Vorsitzender der KV Nordwürttemberg, nicht sagen. Was damit erreicht werden soll, schon:„Wir wollen Medi bekannt machen.

Wir haben noch weiße Flecken auf der Landkarte.“ Derzeit sind nach eigenen An- gaben rund 12 000 Ärzte und Psychologen organisiert.

Baumgärtner betont, dass den Medi-Ärzten an Einigkeit gelegen ist: „Die Ärz- te, die bei uns mitmachen, erkennen doch, dass Fachgruppenegoismus uns nicht weiterbringt.“ Im Kern gebe es auch keine unterschiedlichen Interessen: „Alle wollen faire Rahmenbedingungen und eine faire Bezahlung.“ Dass Medi, anders als ursprünglich geplant, immer stärker zum Gegenpart der KVen werde – diesen Vorwurf bestreitet Baumgärtner. Die KVen seien doch nicht das Problem, sondern ihr körperschaftlicher Status. Zwar müsse man sich auch ohne diesen an die Ge- setze halten, aber man sei eben gegenüber den Krankenkassen anders aufgestellt.

Und noch eines ist ihm wichtig: „Man kann doch nicht so tun, als ob Medi daran schuld wäre, dass die KVen unter Druck sind.“ Rie Textkasten

* Die Fragen stellten Norbert Jachertz, Samir Rabbata und Sabine Rieser.

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KV und KBV erscheinen – das sieht der KBV-Vorsitzende schon. Seiner Ansicht nach sind sich die Medi-Mitglieder aber vor allem deshalb noch einig, weil dort nur Teile der niedergelassenen Ärzte zu- sammengeschlossen sind. Mit steigenden Mitgliederzahlen würden sich jedoch die üblichen Konflikte einstellen, vermutet Richter-Reichhelm. Das würde erst recht der Fall sein, wenn Medi sich als Ver- tragspartner der Krankenkassen etablie- ren und für Gruppen von Ärzten Verträ- ge schließen würde: „Wenn Medi einen Integrationsvertrag machte, für den aus der Gesamtvergütung Gelder ab- gezweigt werden, dann hätten sie dassel- be Problem wie wir, wenn wir als KV Interessenten an Integrationsverträgen beraten“, meint der KBV-Vorsitzende.

So weit ist es übrigens schon. Bei der KV Berlin stehen drei Berater zur Verfü-

gung, um über neue Vertragsformen zu informieren. Die Kunst dabei sei, die Beratung „KV-kompartibel“ zu ma- chen, betont Richter-Reichhelm: „Unse- re Aufgabe ist es, einerseits Konzepte zu begleiten und andererseits großen mate- riallen Schaden für die Regelversorgung zu vermeiden.“ Weder Kassen noch KVen und schon gar nicht den Patienten könne an „Rosinenpickerei“ gelegen sein. In der Beratung sieht Richter- Reichhelm die Zukunftschancen für die KVen – auch da, wo sie von Gesetzes wegen nicht ganz vorn mitverhandeln dürfen. Nicht abschließen, aber im Vor- feld von Verträgen mitmischen, lautet die Devise. Dieser Aufgabe müssten sich die KVen stellen: „Wenn sie bereit sind, zur hausarztzentrierten Versorgung, zur Integrierten Versorgung, zu Medizini- schen Versorgungszentren Beratung an-

zubieten, werden die Ärzte und Ärztin- nen auch kommen.“

Selbst ein scharfer Kritiker der ärzt- lichen Selbstverwaltung wie Prof. Dr.

med. Karl W. Lauterbach hat unlängst im Redaktionsgespräch mit dem Deut- schen Ärzteblatt erklärt, die KVen hät- ten durchaus eine Zukunft als Dienstlei- ster für die Ärzte. Sie sollten diese beim Wandel der Struktur unterstützen und den Wandel nicht blockieren. So könn- ten sie Ärzte beraten, die Netze gründen wollten oder ein Disease-Management- Programm abschließen. Zudem könnten sie Einfluss nehmen, um unsinnige Ver- sorgungsangebote zu verhindern: „Es muss nicht sechs Bonusprogramme für dieselbe Krankheit geben.“ Lauterbach hält die KVen grundsätzlich für wand- lungsfähig: „Ihre alte Rolle ist doch den bestehenden Konflikten geschuldet.“

Würden die Versorgungsstrukturen neu ausgerichtet, gäbe es auch eine neue Ausrichtung der KVen. Am Körper- schaftsstatus und der Zwangsmitglied- schaft solle man allerdings nicht festhal- ten. KVen könnten gleichwohl auch in Zukunft eine privilegierte Stellung ein- nehmen, wenn nicht sogar ein Monopol, denn: „Ein Glücksrittertum der Ärzte in den neuen Vertragsstrukturen muss man verhindern. Da muss es schon geordnet zugehen.“

Zumindest an diesem letzten Punkt dürfte Richter-Reichhelm ihm zustim- men. Der Bedarf an seriöser Beratung wächst ohne Zweifel. Längst ziehen mitunter selbst ernannte Experten in Sachen Qualitätsmanagement und Zertifizierung nach Aussage Richter- Reichhelms „wie Rattenfänger durch die Lande“. Neben den KVen haben die Kammern reagiert und jeweils eigene Programme zum Qualitätsmanagement für Niedergelassene vorgestellt. Kritik, die ärztlichen Organisationen würden so zur Verwirrung beitragen, lässt Rich- ter-Reichhelm nicht gelten. Wichtig sei, dass Kammern und KVen seriöse Mo- delle anböten. Diese könnten sich ruhig unterscheiden. Gegen Meinungsviel- falt hat er auch sonst nichts einzuwen- den: „Ich sehe das relativ entspannt, dass beispielsweise Bundesärztekam- merpräsident Hoppe niedergelassene und Krankenhausärzte vertritt, wenn es um übergeordnete Belange wie Quali- tät geht.“ Samir Rabbata, Sabine Rieser P O L I T I K

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A1378 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 2014. Mai 2004

DÄ:Sind KVen und KBV auf dem Rückzug, besonders als Interessenvertretungen der nie- dergelassenen Ärzte?

Dr. Richter-Reichhelm:

Wenn sich die KVen entspre- chend positionieren, aus der alten Struktur ausbrechen und sich den flexiblen Vertrags- strukturen zuwenden, ist das eine Chance. Die Änderung der Organisationsstruktur wird ja von vielen als Einschränkung betrachtet . . .

DÄ:. . . Sie meinen die Ver- kleinerung der Vertreterver- sammlungen und die Einset- zung hauptamtlicher Vorstän- de . . .

Dr. Richter-Reichhelm:

. . .aber das ist die Antwort der Politik auf Zickzackkurse ärzt- licher Selbstverwaltungen in der Vergangenheit. Die Ärzte- schaft ist nicht verlässlich ge- wesen. Sie sehen es am EBM.

Das alles hat die Politik dazu geführt zu sagen:Wir brauchen hier eine klarere Struktur, klare Entscheidungskompetenzen.

DÄ: Werden diese neuen Strukturen sich denn positiv auf die Handlungsfähigkeit der KVen auswirken?

Dr. Richter-Reichhelm:

Ja, durchaus.

DÄ:Das wird aber an der Basis sehr kritisch gesehen.

Dr. Richter-Reichhelm:

Das weiß ich. Aber die bisheri- ge Basisdemokratie, so positiv sie ist, hat Schwächen, bei- spielsweise eine verlangsamte Handlungsfähigkeit. Wenn wir bei der KBV vom Länderaus- schuss oder der Vertreterver- sammlung einmal Hü und ein- mal Hott bekommen, kann es nicht vorangehen.

DÄ:Glauben Sie, dass sich die Ärzte mit der neuen Selbst- verwaltung identifizieren wer- den? KVen sind dann eher wie Unternehmen strukturiert ...

Dr. Richter-Reichhelm:

Was ist denn die Basis? Die Basis ist der Doktor in der Pra-

xis. Dem ist es völlig wurscht, ob 50 oder 100 Leute in der Vertreterversammlung sitzen.

Für Ärzte und Psychothera- peuten ist doch entscheidend, wie effektiv die KVen arbeiten.

DÄ: Aber denen ist wohl nicht egal, ob an der Spitze der KV noch Kolleginnen und Kol- legen stehen oder nicht.

Dr. Richter-Reichhelm:

Erst einmal sitzen in der Vertre- terversammlung der KVen wei- ter Ärzte und Psychotherapeu- ten. Der Vorsitzende der VV muss ein Arzt oder Psychothe- rapeut sein. An ihnen liegt es, Ärzte oder Psychotherapeuten in den Vorstand zu wählen – oder nicht. Was jetzt als Basis dargestellt wird, die „mosert“, sind die mittleren Funkti- onsträger. Die werden in den kleineren VVen nicht mehr mit- reden können.

DÄ:Sie meinen also: Wenn die neu organisierten KVen ef- fektiv arbeiten, dann wird das die Basis mehr überzeugen als eine basisdemokratische Aus- richtung zu dem Preis, dass man lange nicht voran- kommt?

Dr. Richter-Reichhelm:

Davon bin ich überzeugt. ) Nachgefragt

Manfred Richter-Reichhelm

Foto:Bildschön

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