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A2788 Deutsches ÄrzteblattJg. 101Heft 4215. Oktober 2004
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ehr als 400 Teilnehmer aus allen Teilen Europas diskutierten in Den Haag, wie es mit der ge- sundheitlichen Versorgung der Men- schen in der inzwischen 25 Mitglieder zählenden Europäischen Union (EU) weitergehen soll. In einem Rundum- schlag handelten die Vertreter von Pati- entenverbänden, aus der Forschung und dem Versicherungswesen sowie den unterschiedlichsten Gesundheits- dienstleistungen alles ab, was auch bei EU-Kommission und Rat derzeit oben auf der politischen Agenda steht: öf- fentliche Gesundheit im europäischen Binnenmarkt, die grenzüberschreiten- de und regionale Versorgung, E-Health, Arzneimittel und Medizinprodukte so- wie die Langzeitpflege.Dabei stand von vornherein fest, dass die Quintessenz der dreitägigen Tagung nicht zur Makulatur verkommen sollte.
Tatsächlich setzte sich der informelle Rat der EU-Gesundheitsminister di- rekt im Anschluss an die Veranstaltung mit den Ergebnissen auseinander, um die weitere politische Strategie der Uni- on unter niederländischer Ratspräsi- dentschaft im Hinblick auf eine für alle Bürger des europäischen Binnenmark-
tes optimierte Gesundheitsversorgung zu beraten. Auch die Konferenzteilneh- mer in Den Haag sprachen nicht mehr nur von nationalen Versicherten- oder Patientengemeinschaften, sondern von einer europäischen Gesundheitsgesell- schaft mit konkreten Bedürfnissen und Ansprüchen.
Hierzu zählen beispielsweise eine re- gelmäßige und verbesserte Information über Qualität, Sicherheit und Kosten der Gesundheitsversorgung in den EU- Ländern sowie größere Mitbestim- mungsmöglichkeiten der Patienten über Behandlungsalternativen und ein ver- besserter Informationsaustausch zwi- schen ärztlichen und pflegerischen Fachkräften, zum Beispiel durch den europaweiten Ausbau von E-Health.
Ein Fazit der Gespräche lautet daher:
Die Kooperation zwischen den gesund- heitspolitisch Verantwortlichen in der EU sowie die Koordination der natio- nalen Gesundheitssysteme müssen wei- ter vorangetrieben werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, sei un- ter anderem eine intensive Daten- sammlung und -analyse notwendig, wie sie auch die von der EU-Kommission geforderte Offene Methode der Koor-
dinierung der Gesundheitssysteme vor- sieht, betonte die Konferenzleiterin Iris van Bennekom. Am Beispiel der grenz- überschreitenden Versorgung verdeut- lichte sie dies: „Obwohl die grenz- überschreitende Versorgung bislang noch kein Massenphänomen ist, ist es erforderlich, ein Netzwerk von grenz- nahen Versorgungsregionen zu schaf- fen und sowohl die Patientenmobilität als auch die Wanderungsbewegungen von medizinischen und pflegerischen Fachkräften systematisch zu erfassen und zu analysieren.“ Ein wachsendes Interesse bei Patienten und Angehöri- gen von Gesundheitsberufen an Koope- rationen und grenzüberschreitenden Aktivitäten belegten die zunehmende Bedeutung dieses Bereichs, erklärte Bernhard Grewin, Präsident der Stän- digen Vertretung der Europäischen Ärzte in Brüssel.
Primärversorgung zentral
Zu einem ähnlichen Ergebnis kamen die Teilnehmer auch hinsichtlich der primär- ärztlichen Versorgung: Da der Grund- versorgung ebenso wie dem Öffentli- chen Gesundheitswesen zusehends eine zentrale Rolle bei der Entwicklung der Gesundheitssysteme zukomme, müsse hierfür ein alle Mitgliedstaaten umfas- sendes Forum geschaffen werden, an dem nicht nur die gesundheitspolitisch Verantwortlichen, sondern auch Vertre- ter der Patienten- und Versichertenin- teressen teilnehmen sollten, so Benne- kom. Zudem sei es unerlässlich, private Initiativen und Finanzmittel zur Verbes- serung der Gesundheitsversorgung zu- zulassen, da viele Regierungen der EU- Mitgliedstaaten hiermit zusehends über- fordert seien. Petra Spielberg
Informeller Rat der EU-Gesundheitsminister
Am 1. Juli 2004 hat die niederländische Regie- rung die Präsidentschaft über den Rat der Eu- ropäischen Union für die nächsten sechs Mo- nate übernommen. Neben dem Bemühen um eine erfolgreiche Integration der zehn neuen Mitgliedstaaten in die Union räumen die Nie- derländer auch dem Vorantreiben der Koope- ration zwischen den EU-Ländern auf dem Ge-
biet der öffentlichen Gesundheit und der Ko- ordinierung der Gesundheitssysteme eine ho- he Bedeutung ein. Bereits vor über einem Jahr hat die niederländische Regierung daher be- schlossen, einen informellen Rat der EU-Ge- sundheitsminister einzuberufen. Bei den Tref- fen der Minister geht es vor allem darum, die wachsende Bedeutung von gesundheitlichen Aspekten und einer adäquaten Versorgung in allen Ländern des Binnenmarktes zu diskutie- ren und Vorschläge für eine politische Strate- gie auf EU-Ebene vorzubereiten. sp