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Archiv "Gesundheitswesen und Ärzte in der öffentlichen Kritik: Zehn Feststellungen zur Kritik und ihrer Funktion im Bereich der ärztlichen Versorgung" (30.10.1975)

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(1)

Die Information:

Bericht und Meinung

Neidisch aufs Arzteinkommen

der wirklich in der Mitte der einzel- nen Einkommen aller rund 50 000 Kassenärzte läge, sondern um den simplen Durchschnitt aus der Sum- me aller Einzelwerte — ein fiktiver Durchschnitt, den die Mehrzahl der Kassenärzte nicht erreicht und den nur eine Minderzahl übertrifft.

Der Staat kassiert

die Hälfte und verschweigt seinen Rebbach

Wäre das Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung doch nach dem Nettoeinkommen gefragt worden! Dann hätte Buschfort fol- gendes vorrechnen können (müs- sen?):

Von einem fiktiven Bruttoeinkom- men von 155 000 DM ist eine Ge- samtsteuerlast von 71 637 DM ab- zuziehen (Splitting in Steuerklasse 111/2).

Für seine Altersversorgung mußte der Arzt — wenn er für sich und seine Frau oder seine Witwe in etwa das erzielen will, was ein ver- gleichbarer Beamter (Besoldungs- gruppen A 15 bis A 16) an Pensi- onsbezügen zu erwarten hat — 1974 genau 27 678 DM aufwenden, gleichgültig ob für die Versor- gungseinrichtung seiner Kammer, für andere Lebensversicherungen, für Immobilien, für Rentenpapiere usw. Nach Abzug allein dieser bei- den Beträge verblieben ihm noch rund 56 000 DM im Jahr = kaum 4700 DM im Monat.

Ob ein intelligenter Mensch dem Arzt dieses Nettoeinkommen nei- det? Gewiß nicht, wenn er auch noch die außergewöhnliche Ar- beitslast und das hohe Berufsrisiko zur Beurteilung heranziehen wür- de, die den Arzt zwingen, in der Regel noch wesentlich mehr für sich und seine Familie vorzusorgen, als dies der Staat für seine Beamten tut.

Hoffen wir nur, daß nicht auch die- ses Nettoeinkommen noch den Neid des Bundestagsabgeordneten Hans-Eberhard Urbaniak erregt. DÄ

DIE GLOSSE

Amtsanmaßung

Die evangelische Akademie Tut- zing hatte relativ kurzfristig im Sep- tember für eine Tagung „Der Test am Menschen — zum Problem der Arzneimittelsicherheit" zum 10. bis 12. Oktober 1975 eine Reihe von sachverständigen Persönlichkeiten eingeladen. In der Einladung hieß es, man habe „einen begrenzten Kreis von Experten aufgefordert, um in konzentrierten Sachgesprä- chen Ergebnisse zu erarbeiten", dann wurde weiter mitgeteilt, daß u. a. bereits drei Fachleute ein- schließlich eines Vertreters des Bundesgesundheitsamtes ihre Mit- wirkung zugesagt hätten.

Mancher, der wegen anderweitiger Belastungen diese kurzfristige Ein- ladung absagen mußte, erfuhr dar- aufhin nicht nur den Ausdruck des Bedauerns der evangelischen Aka- demie Tutzing, sondern auch:

„Da unsere Tagung keine Informa- tionsveranstaltung, sondern ein Ar- beitsseminar sein soll, das auf ei- nen gutachtenähnlichen Bericht für die Bundesregierung hinauslaufen wird, wäre es sehr wichtig, die qualifizierten Fachleute der ver- schiedenen Richtungen daran zu beteiligen."

Es folgte die dringende Mahnung, wenigstens sachkundige Vertreter der Organisation zu be- nennen, der der Absagende, auf dessen persönliche Anwesenheit zunächst so sehr viel Wert gelegt wurde, angehört.

• Sollte die evangelische Akade- mie Tutzing tatsächlich einen Auf- trag der Bundesregierung haben, ihr einen gutachtenähnlichen Be- richt zu erstatten, dann kann das ganze Einladungsverfahren eigent- lich nur als skandalös bezeichnet werden. Hat sie keinen Auftrag der Bundesregierung, dann muß man sich wirklich fragen, ob hier nicht

— auch guten Willen vorausgesetzt

— mit höchst unzulänglicher Vor- bereitung so etwas wie Amtsanma- ßung stattfand.

b Ist es wirklich Sache evangeli- scher Akademien, Gutachten für die Bundesregierung zu erarbei- ten? Wenn dem so sein sollte, bleibt festzustellen: Allein die aus den Schriftwechseln bekanntge- wordene dilettantisch mangelhafte Vorbereitung der Tagung belastet die Ergebnischance mit einem „Be- handlungsrisiko", das kein Arznei- mittelforscher beim Test am Men- schen eingehen würde. FM

Der Magus aus China

oder: mit Speck fängt man Mäuse Den deutschen Ärzten flattert wich- tige Kongreßpost ins Haus: Unter zwei Sinnsprüchen aus Ost und West, umrahmt von geprägten chi- nesischen Schriftzeichen, wird dem pp. ärztlichen Publikum kundgetan, es sei nunmehr an der Zeit, die

„fundierte wissenschaftliche Aus- bildung im Akupunkturbereich" zu erwerben:

Ein Intensivseminar am Wo- chenende im Münchner Shera- ton; mit dem „Diplom" zum Aku- punkturarzt/Aurikulotherapeuten winkt die Deutsche Akademie für Akupunktur usw. (Grad' als wia der billige Jakob, der Vogelstimmen- Imitator glei' beim Eingang auf'm Oktoberfest.)

Wem das nicht genügt — die höheren ärztlichen Wei- hen, die Zusatzbezeichnung für Arztschild und Briefkopf, sie sind schon beantragt in weiser Voraus- sicht. Wer da nicht auf den Leim geht!

Die Akupunktur ist „in"; das hebt den Placebo-Effekt — natürlich auch den Umsatz. Warum auch nicht? Die Leute reißen sich dar- um, und man muß mit der Zeit ge- hen. Auch nichts gegen wohlklin- gende Titel aus dem „Gelobten Land" — der VR China. Nur den ei- genen „Zunftgenossen" sollte man solche Bären nicht aufbinden — auch nicht gegen un-bahr-e Zah- lung.

3024 Heft 44 vom 30. Oktober 1975 DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

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THEMEN DER ZEIT

Jüngst war es nun vorwiegend die mit Recht beklagte Kostenlawine im Gesundheitswesen und in der ärztlichen Versorgung, die aufs neue die Kritikflut anschwellen ließ, der wir seit Jahren gegen- überstehen.

Die Kostensteigerungen, von de- nen im übrigen alle Gesundheitssi- cherungssysteme in den verschie- denen Staaten getroffen sind, ha- ben bekanntlich ganz verschiedene Wurzeln:

I> Die Fortschritte der Medizin, ein entsprechend größeres Leistungs- angebot und dessen wachsende Beanspruchung,

I> die relative Zunahme älterer Menschen (mit entsprechend grö- ßerer Morbidität) und

I> die vermehrte Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen (auf Grund eines gewachsenen Gesundheits- bewußtseins).

Kritik an diesen Fakten ist freilich gar nicht publikumswirksam; — und darauf kommt es offenbar an.

Das können wir bei der Entdek- kung neuer Krebswundermittel ebenso beobachten, wie bei den Patentrezepten gegen die soge- nannte „Kostenexplosion", die gar keine ist, sondern eine schon seit Jahren anhaltende progressive Entwicklung.

Die Fehlvorstellungen reichen von der Allmacht des naturwissen- schaft-technischen Fortschrittes in der Medizin einerseits bis zu der Unterstellung des philosophieren- den Theologen aus Mexiko (Iwan

Illich) andererseits, der bei einem Frühjahrssymposion in Davos den

„heutigen Medizinern den Tod und das Sterben von mehr Menschen anlastete als den Krankheiten!"

Unausgegorene Behauptungen sol- cher Art sind zur Wahrheitsfindung so wenig geeignet wie bestimmte Kritiken, die sogar in den eigenen Reihen gedeihen (Beispiel „Hacke- thal", siehe dazu auch DEUT- SCHES ÄRZTEBLATT, Heft 42/

1975, Seite 2890).

Wahrscheinlich ist es aber besser, wenn wir statt einer kasuistischen Kritik-Auslese auf bestimmte Grund- funktionen und -tendenzen der öf- fentlichen Kritik an Ärzten und Ge- sundheitswesen in der Bundesre- publik eingehen. Der Übersicht hal- ber soll dies thesenartig versucht werden. Das erleichtert bei notwen- digen Gesprächen die Einordnung der Argumente.

Meine zehn Feststellungen lauten:

D Jeder normale Mensch kriti- siert, was ihm mißfällt!

(-) Kritik ist nur unter bestimmten Voraussetzungen sinnvoll!

• Kritik ist sinnwidrig, wenn sie destruktiv wirkt!

® Kritik an behebbaren Mängeln ist durchaus nötig!

• Auch im Gesundheitswesen gibt es Mängel!

® Auch Ärzte haben Schwächen

— — wie alle Menschen!

OO Über-Empfindlichkeit ist kein Zeichen von Sicherheit und Stärke!

Verallgemeinernde Kritik und Pauschalurteile stimmen fast nie!

® Hohes Ansehen nährt besonde- re Erwartungen!

Co , Ursachengerechtes Umgehen mit Kritik eröffnet neue Chancen!

Unsere Chancen sind gewiß nicht unbegrenzt; Realisten sehen jeden- falls, daß es auch „Grenzen der Medizin" (nicht nur des Wachs- tums) gibt! — Aber innerhalb die- ser Grenzen müssen wir uns sach- licher Kritik mit dem Ziel stellen, wo es Verbesserungsmöglichkeiten gibt, diese wahrzunehmen! Für ideologische Phantasievorstellun- gen sind wir zu nüchtern; auch spekulative Reformkonzepte wek- ken unser Mißtrauen, wenn sie ohne überzeugende Argumente von theoretisierenden Systemüber- windern propagiert werden. Wir ziehen der Revolution die Evolution vor. An dieser sollten wir freilich arbeiten —, vielleicht auch zusam- men mit unseren Kritikern?! Noch ist es nicht zu spät. — In diesem Sinne also:

1. Jeder normale Mensch kritisiert, was ihm mißfällt!

Fehler und Fehlentwicklungen wer- den überall riskiert, wo etwas wächst, sich entwickelt, entfaltet.

— Fehler sind geradezu ein Cha- rakteristikum menschlicher Ent- wicklungen, — etwa im Schul- und Bildungswesen, ebenso im Ge- sundheitswesen und in der Sozial- politik wie in der Wirtschaft und der Außenpolitik!

Normal ist zweifellos, daß der kri- tikfähige Bürger Fehlern und Fehl- entwicklungen begegnen will, so- bald sie ihm offenkundig werden und — — mißfallen.

Um Fehlentwicklungen auf den ver- schiedenen Sektoren zu steuern, brauchen wir sachliche, fundierte Kritik!

Gesundheitswesen und Ärzte in der öffentlichen Kritik

Zehn Feststellungen zur Kritik und ihrer Funktion im Bereich der ärztlichen Versorgung

Gerd Iversen

(3)

Die Information:

Bericht und Meinung

Gesundheitswesen in der Kritik

2. Kritik hat nur Sinn, wenn sie .••

..,. Negativa - Fehler, Dysbalan- cen, Fehlentwicklungen - mindert, ..,. Positiva - Gesundes, dynami- sche Balance, wirklichen Fort- schritt - fördert.

Maßstab für die zuverlässige Unter- scheidung von Positiva und Negati- va sollte das wohlverstandene In- teresse der Gemeinschaft sein;

hierfür hilfreich oder förderlich ist also Kritik, wenn sie der Gesund- heit der Gemeinschaft und ihrer einzelnen Bürger dient; dann ist sie sinnvoll!

3. Kritik ist sinnwidrig, wenn sie destruktiv wirkt!

Sie darf also z. B. nicht zur Durch- satzung von Gruppeninteressen die Gesundheit, die normale Entfaltung unserer Gesellschaft oder gar de-

ren Freiheit beeinträchtigen.

Unangemessene Vorteile von ein- zelnen oder Gruppen behindern den Anspruch von anderen. Auch unsachliche Kritik wirkt manchmal destruktiv, weil sie lediglich die Geduld der Kritisierten strapaziert und folglich als eine - unter Um- ständen langwierige - Belastungs- probe empfunden wird. Solche Kri- tik dezimiert Kräfte, die der Arbeit verlorengehen, wirkt also nicht produktiv, sondern destruktiv.

4. Krrtlk an behebbaren Mängeln neudeutsch Schwachstellen - des Gesundheitswesens muß nicht nur offen möglich sein - ist viel- mehr durchaus nötig!

..,. So war eine Reform des Medi- zinstudiums bezüglich seiner Struktur (Theorie/Praxis) und sei- ner inhaltlichen Schwerpunkte (Vernachlässigung von medizini- scher Psychologie, Sozialmedizin und Soziologie zugunsten von Ana- tomie oder Labormedizin) seit 50, mindestens aber 30 Jahren überfäl- lig, bevor sie jetzt - 1975 - ver- wirklicht wurde.

..,. Vielfach ließ die Zusammenar- beit zwischen Praxis und Klinik, oft sogar der im Interesse des Patien- ten selbstverständlich erscheinen- de Informations- und Gedanken- austausch zu wünschen übrig. Das führte zu einer Belastung der Pa- tienten und der Kostenträger. Die Notwendigkeit und Möglichkeiten diesbezüglicher Verbesserungen wurden wiederholt vom Deutschen Ärztetag unterstrichen.

..,. Daß der Mangel an sogen. kl.

Psychotherapie dringend behoben werden muß, haben aufmerksame Ärzte längst erkannt (und daraus Konsequenzen gezogen). Kürzlich traten auf dem Karlsruher Thera- piekongreß vier Lehrbeauftragte für Allgemeinmedizin (der Universi- täten Gießen, Hamburg, Marburg und Ulm) für eine stärkere Beach- tung psychologischer, familiärer oder sozialer Störfaktoren ein. Der Tagungspräsident unterstrich die Notwendigkeit, eines der "größten therapeutischen Lecks" zum Ver- siegen zu bringen! Über gleichsin- nige ungeduldige Klagen von war- tenden Patienten, engagierten Po- litikern und kritischen Presseleu- ten sollten wir uns also nicht wundern.

..,. Der überdurchschnittlichen Arzt- dichte in den großen Städten wie der weiter anhaltenden Spezia- lisierungstendenz begegnete das Gros der Ärzteschaft und ihrer Selbstverwaltungskörperschaften wohl zu zaghaft; entsprechende Opfer wurden anfangs nur zögernd gebracht; so schien die Freiheit des einzelnen manchmal noch un- begrenzt, während durch Regle- mentierungspläne die Freiheit des Berufsstandes schon in Frage ge- stellt war: Von Plänen zu einer Zwangsfortbildung bis zu linken und rechten Drohungen, die Beset- zung vakanter Arztstellen durch Zulassungssperren zu erzwingen.

5. Auch im Gesundheitswesen gibt es Mängel,

von denen hier nur einige ange- sprochen seien:

3026 Heft 44 vom 30. Oktober 1975 DEUTSCHES ARZTEBLA'IT

..,. durch Dysbalance zwischen An- gebot und Nachfrage nicht nur bei der Verteilung der Ärzte, sondern auch bei deren diagnostischem und therapeutischem Einsatz (so wurde in Karlsruhe nachdrücklich vor der "iatrogenen Somatisie- rung" psychogener Störungen ge- warnt).

..,. Durch gedankenlose Ausgaben bei fehlender Wirksamkeitskon- trolle ("überflüssige Diagnostik", Doppelbefunde, fehlende Qualitäts- sicherung).

..,. Auch durch ärgerliche Wartezei- ten, wo diese nicht unvermeidlich sind.

..,. Durch erhebliche Unterbeset- zung im öffentlichen Gesundheits- dienst usw.

6. Auch Ärzte haben Schwächen - - wie alle Menschen

..,. Sie müssen lange lernen und immer weiter lernen; und wenn sie auch nicht alles wissen, die Verfüh-

rung zum Besserwissen ist groß.

..,. Sie müssen überdurchschnitt- lich arbeiten - - sie verdienen ent- sprechend auch überdurchschnitt- lich; die Versuchung zu überdurch- schnittlichem Lebenszuschnitt ist naheliegend (ob im Luxuswagen, bei einer Jagd, mit einer Yacht oder ohne diese bei anderen Gele- genheiten, wie sogar Arztkinder beobachten und unbefangen kri- tisch kommentieren).

..,. Sie sind im Arbeitsalltag strapa- ziert und folglich nicht immer die personifizierte Höflich- oder Freundlichkeit, manchmal sogar

arrogant.

..,. Sie werden mit Klagen, Leid und Wünschen überhäuft; wie sollen sie immer zuverlässig unterscheiden, was begründet ist, was übertrie- ben?

..,. Sie werden manches Mal pro- voziert und häufig unsachlich kriti-

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siert; wen wundert's, wenn der eine oder andere von ihnen unangemes- sen reagiert?

7. Ober-Empfindlichkeit ist freilich kein Zeichen von Sicherheit und Stärke!

Auch wer sein Bestes tat, bleibt von Kritik ja nicht verschont; sie mag ihn empfindlich treffen, - be- rechtigt aber nicht zu Über-Emp- findlichkeitsreaktionen und un- sachlichen Gegenmaßnahmen oder gekränktem Einrasten. Schlechte Erfahrungen . mit Kritikastern müs- sen nicht zu einer Allergie gegen

"die" Presse führen oder etwa ge-

gen .. das" Fernsehen. Wenn wir differenzierte Kritik erwarten, müs- sen auch wir differenzieren. Emp- findliche Aufmerksamkeit gegen- über berechtigter Kritik sollte mit (Selbst-)Sicherheit und fachlicher Stärke - ohne Überheblichkeit - gepaart sein.

8. Pauschalurteile und verallgemei- nernde Kritik stimmen fast nie Auch zahlreiche Einzelfälle erlau- ben noch keine allgemeinverbind- lichen Schlüsse der Kritiker. - Das Gros der Ärzte fällt ja nicht auf: weder durch selbstlose ·Ein- satzbereitschaft noch durch über- durchschnittliche Arbeit, weder durch ständige Hilfsbereitschaft noch durch erstaunliche Heilungs- erfolge, die vielfach doch fast selbstverständlich erscheinen.

Die Ärzteschaft wird in der Kritik- flut dieser Jahre allzu pauschal be- und verurteilt, - während die mei- sten der vielen namenlosen Ärzte noch immer ein hohes Ansehen ha- ben, - Sozialprestige nennt man es heute.

9. Das hohe Ansehen nährt aber besondere Erwartungen,- auch im sozialen Engagement des einzelnen Arztes! Mit der Entschei- dung für seinen Beruf akzeptiert

der Arzt einen "sozialen Impera- tiv", der unbequem werden kann, weil er belastet. Aber alle Vertreter der sogenannten sozialen Berufe sind auf besondere Weise der So- zietät verpflichtet, also auch der Arzt.

10. Ein ursachengerechtes Umgehen mit Kritik eröffnet neue Chancen für Kritisierte wie für Kritiker. - ..,.. Die unsachliche Kritik ungenü- gend informierter (oder auch gar nicht fundierter) Kritiker kann ei- gentlich nicht kränken; sie sollte auf ihren Kern geprüft und sachlich berichtigt werden.

..,.. Die sachliche Kritik erheischt uneingeschränkte Aufgeschlossen- heit und baldige (!) konkrete Be- rücksichtigung, wenn praktisch ir- gend möglich.

Wenn Kritisierte von Kritikern wirk- lich konstatierte Mängel abstellen, Mißstände beheben wollen, dann kann dies sogar durch qffene oder öffentliche Kritik entscheidend er-

leichtert werden!

Voraussetzung hierfür ist aller- dings, daß

..,.. Kritiker sich für die Behebung von Mängeln und das Erschließen geeigneter Wege ebenso verant- wortlich fühlen wie für ihre Kritik und diese nicht nur wie einen Job oder aus reiner Kritiklust betrei- ben,

..,.. Kritisierte nicht nur mit Abwehr auf Kritik reagieren, wo deren sachlicher Kern Gewicht hat, ..,.. Kritiker und Kritisierte sich pri- mär nicht als feindliche Brüder, sondern die Aufgabe sehen, die es besser zu lösen gilt,

..,.. Kritisierte und Kritiker sich schließlich als Partner verstehen lernen, die vor Fragen gestellt sind, auf die wir Antworten finden müs- sen.

Bericht und Meinung

Neid auf die einen ist ein ebenso schlechter Ratgeber wie Haß auf die anderen, mag dieser im Einzel- fall auch so verständlich sein wie jener; er bringt uns nicht wei- ter.

Damit wird die Bedeutung all jener Tiraden relativiert, die

..,.. von progressiven Polit-Phan- tasten propagiert,

..,.. von halbinformierten Berichter- stattern und einseitigen Kommen- tatoren publiziert,

..,.. aus den eigenen Reihen poten- ziert wurden!

Als prototypische Beispiele hierfür mögen gelten

..,.. das Buch von Läpple über "Pro- fit durch Krankheit",

..,.. der Typ von Fernsehsendungen wie .. Der Arzt und das Geld" (am 18. 12. 1973) und "Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus" (am 8.

9. 1975),

..,.. die publizistisch-überhebliche Ak.tivität von Ärzten des Typs Hak- kethal, die sich meist aus einer Mi- schung von missionarischem Eifer, Selbstüberschätzung und vermeint- lich erlittenem Unrecht nährt.

Auch solche Kritik und ihre über- schäumenden Wellen halten uns gewiß nicht von der Arbeit ab; wir können und wollen sie indessen auch nicht ignorieren. Vielmehr sollten wir sie zum Anlaß von Ge- sprächen untereinander - - und mit unseren Kritikern nehmen!

Die durch Kritik ausgelösten Ge- spräche, die wir miteinander und mit unseren Kritikern führen, wer- den natürlich nur sinnvoll, wenn sich danach etwas ändert; das könnte dadurch erreicht werden, daß

..,.. unsere Kritiker von uns besser informiert werden und künftig über unsere Arbeit sachlicher berichten,

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Die Information:

Bericht und Meinung

Gesundheitswesen in der Kritik

..,.. die Kritik zu einer Behebung von Mängeln in unserem Gesund- heitswesen bzw. in der ärztlichen Versorgung beiträgt,

..,.. wir unsere Patienten besser in- formieren und auf diese Weise die Zusammenarbeit mit ihnen verbes- sert wird.

Als Informationshilfen stehen für die Wartezimmer der Ärzte Infor- mationsträger zur Verfügung, die noch viel intensiver genutzt werden sollten:

..,.. "medizin heute", die im DEUT- SCHEN ÄRZTE-VERLAG hergestell- te und herausgebrachte Wartezim- merzeitschrift - - sowie

..,.. Bildaushänge (oder Poster), die auswechselbar sind und mit knap- pen Texten eine Image-Pflege für den Arzt und eine Aufklärung über seine Arbeit unter dem Motto ent- halten: "Ein guter Rat von Deinem Arzt" (herausgebracht von der ge- meinsamen Informationsabteilung der Bundesärztekammer und der Kassenärztlichen Bundesvereini- gung)!

Sicher würde es nicht genügen, wenn wir auch künftig jeweils nur aus aktuellem Anlaß re-agieren würden; vielmehr sollten wir im Hinblick auf erkannte Tendenzen (für die die Kritikwelle nur ein auf- schlußreiches Symptom sein dürf- te) künftig zur Erhaltung unserer beruflichen Freiheit und des per- sönlichen Vertrauensverhältnisses zwischen unseren Patienten und uns mehr als bisher alle geeigne- ten Mittel einsetzen und vor allem die jederzeit verfügbaren "Kanä-

le" nutzen: die Wartezimmer!

Ansct'lrift des Verfassers:

Dr. med. Gerd lversen Facharzt für innere Medizin Psychotherapie

236 Bad Segeberg Bismarckallee 1

DER KOMMENTAR

"Wie laste ich

einen Tripper aus"

Der "Spiegel" fragte es, der "Spie- gel" wußte die Antwort. Und "Spie- gei"-Leser wissen es nun auch, wie sie, falls sie sich einen Tripper er- werben, von Bundesdeutschlands Dermatologen "ausgeschlachtet"

werden.

Was der "Spiegel", angeblich in- formiert durch einen leibhaftigen Dermatologen, der ungenannt blieb, zur Schande der deutschen Dermatologen zu berichten wußte?

Wir wollen hier das "Spiegei"-Fazit vorwegnehmen: "Summa summa- rum 140,15 DM. Für zweimal Hinse- hen und einen Abstrich. Gespritzt hat ja die Helferin".

Nach der Rechnung des "Spiegel"

setzt man so ziemlich alles an Gebührenordnungspositionen ein, was überhaupt in Frage kommt, unter anderem sechsmal die Ziffer 25, also eine eingehende Untersu- chung.

Letzteres allein ist schon so blöd- sinnig, daß selbst die Krankenkas- senvertreter in den Prüfungsaus- schüssen sich darüber empören müßten. Wo hat man schon erlebt, daß die Ziffer 25 beliebig oft im Ka- lendervierteljahr toleriert worden wäre? Und dann noch bei einer Er- krankung, die heute auf den Rang eines Schnupfens abgasunken ist.

Natürlich kann man alles das ma- chen, was der "Spiegel" da emp- fiehlt: Prostatamassagen, Blutun- tersuchungen, Bakterienkulturen.

Aber wer tut das schon? Dieses einmal da, jenes einmal dort, alles zusammen bei jedem Durch- schnittsfall - nein!

Wenn der Wahrheitsgehalt aller

"Spiegei"-Berichte derartig sein sollte, dann wird man demnächst im "Spiegel" darüber belehrt wer- den, der Montag sei ein Regentag, allemal, denn am Montag vor zwei Wochen habe es auch geregnet - voila.

3028 Heft 44 vom 30. Oktober 1975 DEUTSCHES ARZTEBLA'IT

Was man selbst

aus schlechten "Spiegel"·

Beispielen lernen kann ••.

Da ist man nun selber Dermatolo- ge, ist es seit bald 25 Jahren, und hat, bei schätzungsweise um die 100 Tripperbehandlungen im Jahr (es können auch mehr sein) noch niemals die Ziffer 25 eingesetzt, die

"Eingehende Untersuchung".

Da hat man im Jahr vielleicht 5- oder 6mal eineBiutagarplatte in den Brutschrank getan, bei mikrosko- pisch unklaren Fällen, und meist waren das dann auch kulturell gar keine Tripper, fielen somit aus der

ZITAT

Bequemer Defizitausgleich

"Das Krankenhausfinanzie- rungsgesetz läuft darauf hin- aus, daß einem Krankenhaus sein Defizit ersetzt wird, gleichgültig wie groß es ist.

Ein solches Gesetz muß na- türlich das Kostenmachen geradezu hervorrufen. In Ber- lin sind die Krankenhausko- sten pro Bett allein im letzten Jahr um 53 Prozent gestie- gen ... Wenn das Gesund- heitswesen so weiter wächst, wie es in den letzten fünf Jahren gewachsen ist, dann nimmt es im Jahre 2020 das gesamte Sozialprodukt in An- spruch. Wir müssen also da- mit rechnen, daß im Jahre 2010 die Deutschen in Erd- höhlen leben und Wurzeln essen, daß sie dafür aber herrliche Verwaltungspaläste und wunderschöne Kranken- häuser haben."

Professor Dr. Wolfram En- gels, Ordinarius für Betriebs- wirtschaftslehre an der Uni- versität Frankfurt/Main auf dem CSU-Parteitag am 13.9.1975

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