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Archiv "Kritik an der Bestehensregel der Approbationsordnung für Ärzte" (26.01.1978)

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9999 Medizinstudenten haben sich allein im März 1977 den nach der Approbationsordnung für Ärzte (ÄAppO) vorgesehenen bundesein- heitlichen schriftlichen Prüfungen unterzogen. 4042 Kandidaten stell- ten sich dabei der Ärztlichen Vor- prüfung, die nach den bisherigen Erkenntnissen auf dem Wege zum Arzt die schwierigste Hürde dar- stellt. Seit August 1974 wurden da- mit bereits 42 500 Examensfälle*) von den zehn Landesprüfungsäm- tern (bekanntlich unterhält die Han- sestadt Bremen kein eigenes Lan- desprüfungsamt) und dem Institut für medizinische und pharmazeuti- sche Prüfungsfragen (IMPP) in Mainz bewältigt. Wenn es bis heute trotz der allgemeinen Unruhe unter den Studenten und der partiell noch anhaltenden Kritik an der ÄAppO von 1970 bisher nicht zu Störungen der Prüfungsabläufe kam, so kann dies einmal auf die guten Vorarbei- ten seitens der staatlichen Instan- zen, zum anderen aber auch sicher darauf zurückgeführt werden, daß die Medizinstudenten bis heute nicht nur nicht von späterer Arbeits- losigkeit bedroht sind, sondern in einen Beruf streben, der nach wie vor auch materiell zu den attraktiv- sten im akademischen Bereich ge- hört.

Wer einen Blick auf die Tabellen wirft, in denen für die einzelnen me- dizinischen Fakultäten sowie sum- marisch für die Bundesländer (im folgenden Heft 5) die Ergebnisse aufgelistet sind, der kann wie in der Vergangenheit feststellen, daß in der Ärztlichen Vorprüfung nach wie vor die höchste Mißerfolgsquote zu ver-

) Inzwischen hat sich die Zahl nach dem August-Termin 1977 auf 52 000 erhöht.

zeichnen ist. So erreichten beim er- sten Anlauf in Niedersachsen fast ein Viertel der Studenten das ge- steckte Ziel nicht; auch der Mittel- wert der richtig beantworteten Fra- gen zeigt, daß sich die zentral abge- haltene Vorprüfung auf einem ernst zu nehmenden Niveau bewegt.

Inzwischen sind auch die Zahlen der Prüfungsteilnehmer beim ersten kli- nischen Abschnitt, in dessen Rah- men die Allgemeine Krankheitslehre und die Grundlagen der klinischen Medizin mit insgesamt 240 Fragen abgeprüft werden, stark angewach- sen; von den über 3800 Kandidaten fielen zwar „nur" 5,6 Prozent durch, jedoch liegt der Mittelwert der richti- gen Antworten nicht wesentlich über dem Ergebnis der Ärztlichen Vorprüfung.

Obwohl der Zweite Abschnitt der Ärztlichen Prüfung, in dem Nicht- operatives und Operatives Stoffge- biet sowie Nervenheilkundliches und Ökologisches Stoffgebiet zur Prüfung anstehen, bundesweit erst zum zweiten Mal abgeprüft wurde, scheint sich herauszuschälen, daß die Studenten die Examen desto leichter bewältigen, je „klinischer"

diese sind.

Tatsächlich stellt sich die Ausarbei- tung der Examen im klinischen Be- reich für die Prüfer schwieriger dar als die Lösung der gegebenen Fra- gen für die Studenten, wenn man nur auf die Mißerfolgsquote abstellt.

Das System der medizinischen Prü- fungen zwingt dazu, Examensfragen zu erarbeiten, die nicht nur eine kla- re und eindeutige Antwort ermögli- chen, sondern auch einer späteren gerichtlichen Nachprüfung stand- halten. Die geringe Mißerfolgsquote

im fortschreitenden klinischen Be- reich ist aber auch einsichtig mit der Tatsache zu erklären, daß der Ärztli- chen Vorprüfung bereits eine nicht zu übersehende Siebfunktion zu- kommt, wobei die hohen Anforde- rungen an die allgemeinen intellek- tuellen Fähigkeiten der Medizinstu- denten bei dem geltenden Numerus- clausus-System zu bedenken sind.

Darüber hinaus hat der in der Ärztli- chen Vorprüfung erfolgreiche Stu- dent bereits die für die klinischen Fächer erforderlichen Grundlegun- gen theoretischer Art erfahren, die ihn in die Lage versetzen, den später auf ihn zukommenden Stoff der kli- nischen Einzelfächer relativ rasch aufzunehmen und zu verarbeiten.

Ein Blick über die Grenzen unseres Landes mag dies bestätigen. Die Ex- amen des National Board of Medical Examiners in Philadelphia, die eben- falls schriftlich und zentral für die USA abgehalten werden und die in allen Ländern den Ruf eines hohen Standards genießen, deuten in die gleiche Richtung. Teil 1 dieser Ex- amen entspricht im wesentlichen der deutschen Ärztlichen Vorprü- fung, während der Teil 2 in etwa mit

unserem Ersten und Zweiten Ab- schnitt des klinischen Teils der deut- schen Examen verglichen werden kann. Gemäß einer Verlautbarung des National Board vom Mai 1977 fallen in Teil 1 des dort gegebenen Examens etwa 11 Prozent und im zweiten Teil etwa 2 Prozent der Kan- didaten durch.

Allerdings sind die erwähnten Miß- erfolgsquoten in den schriftlichen nordamerikanischen Prüfungen nicht geeignet, deutscherseits ein- deutige Rückschlüsse auf den Schwierigkeitsgrad der amerikani- schen Prüfungen zu ziehen; die Be- stehensregel in den USA wird näm- lich durch einen relativen Leistungs- standard bestimmt. Die Mißerfolgs- quote wird dort — unabhängig vom Schwierigkeitsgrad — so festgelegt, daß bei jedem Examenstermin etwa 13 Prozent der Kandidaten in den einzelnen Fächern des Teiles 1 des Examens und etwa 4 Prozent in den einzelnen Fächern des zweiten Ex- amensteiles das Ziel nicht erreichen.>

Kritik an der Bestehensregel

der Approbationsordnung für Ärzte

H.-J. Kraemer

(2)

Tabelle 1 : Ärztliche Vorprüfung März 1977

Verteilung der Rohwerte der Gesamtprüfung (300 Aufgaben) Nicht best. Mittelwert Hochschule Teil

nehmer

Standard- abweichung Abs.

Abs.

Aachen Berlin Bochum Bonn Düsseldorf Erlangen Essen Frankfurt Freiburg Gießen Göttingen Hamburg Hannover Heidelberg Homburg Kiel Köln Mainz Marburg München Uni.

Münster Regensburg Tübingen Ulm Würzburg

193,41 184,30 175,15 185,36 187,27 188,61 168,83 193,30 191,75 183,24 189,34 158,04 184,49 180,62 185,53 182,33 187,94 183,81 192,67 199,36 189,40 196,27 155,40 183,79

64,5 61,4 58,4 61,8 62,4 62,9 56,3 64,4 63,9 61,1 63,1 52,7 61,5 60,2 61,8 60,8 62,6 61,3 64,2 66,5 63,1 65,4 51,8 61,3 71

343 115 154 205 148 1 233 243 149 131 234

24 181 37 139 208 265 196 343 192 42 175 30 183

12 39 27 27 20 29 -*) 64 32 8 24 27 12 33 6 19 47 51 37 43 24 6 25 15 48

38,93 31,84 35,09 38,54 31,18 37,65 37,13 36,53 29,93 37,39 33,61 39,62 40,23 34,12 33,56 36,91 39,99 36,41 36,55 35,59 39,07 42,15 32,60 42,66 16,90

11,37 23,48 17,53 9,76 19,59 27,47 13,17 5,37 18,32 11,54 50,00 18,23 16,22 13,67 22,60 19,25 18,88 12,54 12,50 14,29 14,29 50,00 26,23

Gesamt 4042 675 16,70 186,46 62,2 37,23

*) Daten von einzelnen Kandidaten wurden nicht ausgedruckt.

Kritik an der Bestehensregel

Dies ergibt für die gesamten Ex- amen die oben erwähnten Mißer- folgsquoten. Die Amerikaner beto- nen dabei in der genannten Verlaut- barung, Teil 1 ihrer medizinischen Examen müsse als rigoros bezeich- net werden, während sie von ihrem Teil 2 erklären, er sei darauf abge- stellt, die wissenschaftlichen klini- schen Kenntnisse am Ende der Uni- versitätszeit zu überprüfen. Wenn auch, wie aufgezeigt, die amerikani- schen Bestehensregeln anders sind als die entsprechende Regelung der deutschen ÄAppO, so ist es dennoch angebracht und notwendig, in die eigene Arbeit die hier in Rede ste- henden Verhältnisse der USA einzu- beziehen, weil unsere Arbeit stets auch mit dem Blick auf die Qualität

der Medizinerausbildung im Aus- land geleistet werden muß.

In überraschend vielen anderen Ländern herrscht die Meinung vor, die englischen und amerikanischen Prüfungen seien wesentlich schwie- riger und erforderten einen deutlich höheren Wissensstand, als er von deutschen Studenten verlangt wer- de; eine Ansicht, die leider geeignet ist, viele ausländische Studenten vom Medizinstudium in der Bundes- republik abzuhalten, weil sie zum Teil mit Recht fürchten, später in ihren Heimatländern gegenüber denjenigen Kollegen benachteiligt zu werden, die ihre medizinische Ausbildung im anglo-amerikani- schen Bereich genossen haben.

Beim Anstellen solcher Vergleiche muß darüber hinaus noch darauf hingewiesen werden, daß den deut- schen Studenten im Gegensatz zu denen in anderen Ländern vom Be- ginn des Studiums an die Gegen- standskataloge als eine flankierende Hilfe zur Seite stehen; eigentlich wä- re somit anzunehmen, die deut- schen Kandidaten könnten weit un- besorgter in die Prüfung gehen als ihre ausländischen Kollegen. Wenn dies dennoch nicht der Fall ist, kann unseres Erachtens keineswegs von Prüfungsergebnissen gesprochen werden, die unsere Examen als „zu leicht" erweisen.

Aufgrund der immer engeren Ver- flechtung der Nationen im kulturel- len, technischen und wissenschaftli- chen Bereich werden wir indes auch in Zukunft nicht von einem ständi- gen Vergleichen des Standards un- serer Ausbildung mit dem in ande- ren hochentwickelten Staaten abse- hen können.

Forderungen

nach erschwerender Regelung Aufgrund der verschiedensten Be- trachtungen und Erfahrungen mit der Approbationsordnung für Ärzte ist im Zusammenhang mit der anste- henden Novelle zur ÄAppO inzwi- schen eine lebhafte Auseinanderset- zung um die Bestehensregel ent- brannt. Bekanntlich hat nach gelten- dem Recht derjenige Kandidat die schriftliche Prüfung bestanden, der mit seinem Ergebnis nicht mehr als 18 Prozent unter der durchschnittli- chen Prüfungsleistung der Prüflinge des jeweiligen Prüfungstermins im gesamten Bundesgebiet liegt oder der mindestens 50 Prozent der Fra- gen eines Prüfungstermines richtig beantwortet hat. Die sehr zahlrei- chen Gegner der jetzigen Beste- hensregel tragen vor allem vor, es sei unverantwortlich, einen ange- henden Mediziner das Studium fort- setzen zu lassen, wenn er nur die Hälfte des in der Prüfung vorgeleg- ten Wissensstoffes beherrsche;

auch ein Kandidat, der nur 50 Pro- zent der im Abschlußexamen ge- stellten Fragen richtig beantworten

190 Heft 4 vom 26. Januar 1978

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(3)

an ar - abweichung H h hl

0/0

Abs.

Abs.

Teil- nehmer

Nicht best. Mittelwert

Aachen Berlin Bonn Düsseldorf Erlangen Essen Frankfurt Freiburg Gießen Göttingen Hamburg Hannover Heidelberg Homburg Kiel Köln Lübeck Mainz Marburg München TU München Uni.

Münster Tübingen Ulm Würzburg

176,09 151,70 157,59 163,80 157,80 150,87 154,36 163,46 156,30 162,37 162,08 144,70 153,80 158,65 157,20 160,70 169,32 162,45 155,97 163,50 156,42 161,30 162,69 139,34 160,55 124

283 204 181 137 100 192 229 61 138 200 33 232 51 101 179 62 216 134 82 330 213 155 29 180

3 30 13 5 7 11 18 7 2 5 8 3 22 1 3 7 0 8 12 3 15 8 6 9 9

2,42 10,60 6,37 2,76 5,11 11,00 9,38 3,06 3,28 3,62 4,00 9,09 9,48 1,96 2,97 3,91 0,00 3,70 8,96 3,66 4,55 3,76 3,87 31,03 5,00

73,4 63,2 65,7 68,2 65,7 62,9 64,3 68,1 65,1 67,7 67,5 60,3 64,1 66,1 65,5 67,0 70,6 67,7 65,0 68,1 65,2 67,2 67,8 58,1 66,9

22,86 26,39 22,90 21,59 23,20 28,34 24,60 22,89 20,14 24,28 25,13 19,01 24,12 20,04 22,95 22,10 16,05 23,41 28,64 24,40 23,64 22,41 24,79 25,91 24,44 Gesamt 3846 215 5,59 159,10 66,3 24,43 Tabelle 2: Erster Abschnitt der ärztlichen Prüfung März 1977 Verteilung der Rohwerte der Gesamtprüfung (240 Aufgaben) müsse, könne nicht bei Anlegung ei-

nes verantwortlichen medizinischen Maßstabes als Arzt auf die Patienten

„losgelassen" werden. Neben die- sen Argumenten wird vor allem an- geführt, unter den Studenten hätten sich inzwischen geschickte Abwahl- strategien entwickelt, wobei vor al- lem die Anatomen zum Teil nicht unberechtigt fürchten, die Medizin- studenten versuchten, einen Kennt- nismangel der Anatomie mit dem leichter erlernbaren Wissen im Be- reich der Medizinischen Psycholo- gie und der Medizinischen Soziolo- gie zu kompensieren. Vor allem dem letzten Argument wird rrian bei- pflichten können: Wir müssen, wenn wir die Verantwortung des Arztes für seine Patienten ernst nehmen, zu Prüfungen gelangen, die sicherstel- len, daß der Kandidat das notwendi-

ge spezifische medizinische Basis- wissen unter allen Umständen er- lernt und mitbringt.

So sieht sich die Bundesregierung einer breiten Front derjenigen ge- genüber, die mit verschiedenen Ar- gumenten heftig und dringend eine rasche Änderung der Bestehensre- gel fordern; u. a. haben auch der Deutsche Ärztetag 1977 im Mai in Saarbrücken, der Fakultätentag im Juni in Bonn, aber auch die „Gene- ralversammlung" der medizinischen Sachverständigen beim Institut für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen im April 1977 in Mainz übereinstimmend von der Bundesrpgierung eine das Bestehen der Examen erschwerende Rege- lung gefordert. Die Hauptforderun- gen richten sich dahin, daß die Stu-

denten künftig entweder 60 Prozent aller in einem Examen gestellten Fragen oder aber mindestens 50 Prozent der in einem einzelnen Stoffgebiet gestellten Fragen richtig beantworten sollen, um die Prüfung bestehen zu können. Die Bundesre- gierung steht diesen Forderungen bisher mit gewisser Reserve gegen- über und möchte u. U. zunächst noch weitere Erfahrungen mit den vom zentralen Institut erstellten Er- gebnisanalysen sammeln.

Weil es sich hier auch nach Meinung des IMPP um eine Frage von erhebli- cher Bedeutung für unser Prüfungs- system im Bereich der Medizin han- delt, wurde von der Abteilung EDV, Statistik und Dokumentation im IMPP eine Expertise gefertigt, bei der die bisherigen Examensergeb- nisse auf ihren hypothetischen Aus- gang untersucht werden, wenn man die geschilderten Forderungen als geltendes Recht unterstellt. Die an- gestellte Berechnung zeigt, daß die jetzige Bestehensregel der ÄAppO ein außerordentlich sensibles Instru- ment ist; würde man gemäß den er- hobenen Forderungen verfahren, so würden sich in der Vorprüfung Miß- erfolgsquoten bis zu rund 41 Pro- zent und im Ersten Abschnitt bis zu 26. Prozent einstellen; überraschen- derweise hielten sich die Ergebnisse im Zweiten Abschnitt auch dann noch in einem bescheidenen Rah- men, was mit den oben gegebenen Begründungen zusammenhängen mag.

Vielleicht würden sich jedoch die hohen gedachten Mißerfolgsquoten in der Realität nicht einstellen, wenn die Studenten bei einer geänderten Bestehensregel entsprechend ange- paßte Lernstrategien entwickeln würden. Besorgniserregend sind aber sicher die Mißerfolgsquoten für die ausländischen Kandidaten, die bei der gedachten Veränderung bis zu 60 oder 70 Prozent die Hürde der Ärztlichen Vorprüfung nicht mehr überspringen würden.

Wir müssen alle für ein Überdenken der jetzigen ÄAppO und für Ände- rungen auch der Bestehensregel of- fen bleiben, wenn unsere medizini-

(4)

Nicht best. Mittelwert

Hochschule eil- an ar -

nehmer Abs. Abs. % abweichung

Aachen Berlin Bonn Düsseldorf Erlangen Essen Frankfurt Freiburg Gießen Göttingen Hamburg Hannover Heidelberg Homburg Kiel Köln Lübeck Mainz Marburg München TU München Uni.

Münster Tübingen Ulm Würzburg

394,57 352,73 375,43 369,83 363,11 374,77 359,08 381,79 352,82 359,70 383,70 311,80 371,43 363,94 367,60 395,29 376,59 362,83 380,20 356,88 368,51 379,32 374,43 363,09 374,48 81

132 122 75 117 60 75 112 44 98 60 15 157 63 48 52 27 100 71 80 229 112 88 11 82

0 3 0 0 1 0 0 0 0 1 0 1 1 0 0 0 0 0 0 2 2 0 0 0 0

0,00 2,27 0,00 0,00 0,85 0,00 0,00 0,00 0,00 1,02 0,00 6,67 0,64 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 0,00 2,50 0,87 0,00 0,00 0,00 0,00

78,9 70,5 75,1 74,0 72,6 75,0 71,8 76,4 70,6 71,9 76,7 62,4 74,3 72,8 73,5 79,1 75,3 72,6 76,0 71,4 73,7 75,9 74,9 72,6 74,9

35,87 42,35 42,89 41,85 42,98 31,14 42,38 32,95 43,20 41,19 34,53 44,81 38,49 29,74 34,34 37,20 40,43 39,41 38,30 44,68 38,29 34,24 39,42 33,47 33,09 Gesamt 2111 11 0,52 370,04 74,0 40,22 Tabelle 3: Zweiter Abschnitt der ärztlichen Prüfung März 1977 Verteilung der Rohwerte Gesamtprüfung (500 Aufgaben)

Kritik an der Bestehensregel

sche Ausbildung in der Bundesrepu- blik nicht erstarren soll. Wer aller- dings aus Gründen berufsständi- scher Sorge eine in absehbarer Zeit theoretisch denkbare Überfüllung der ärztlichen Berufe befürchtet und hierbei entweder an einen nicht mehr erträglichen Kostenanstieg in unserem gesamten Gesundheitswe- sen denkt oder die Gefahr einer Ein- kommensminderung bei ärztlicher Tätigkeit voraussieht, der sollte wis- sen, daß diese Fragen von so grund- sätzlicher Natur sind, daß deren Lö- sung nicht vom Institut für medizini- sche und pharmazeutische Prü- fungsfragen erwartet werden kann.

Es kann und sollte nicht Aufgabe des zentralen Instituts sein, über entsprechende Prüfungsbestim- mungen das Nationaleinkommen oder standespolitische Rücksichten

mit der Anzahl der approbierten Ärz- te vermittels des Prüfungsinstru- mentes in einem vernünftigen Gleichgewicht zu halten. Wollte man diese Fragen angehen, so müßte man sich wesensanderer Instrumen- te bedienen.

Wie immer die Bestehensregel in ei- ner nahen oder fernen Zukunft aus- gestaltet wird, so sollte sie aus vie- lerlei Gründen jedenfalls so formu- liert werden, daß keinesfalls die deutschen medizinischen Fakultä- ten von ausländischen Medizinstu- denten „leergefegt" werden. Die Bundesrepublik wird in den kom- menden Jahrzehnten unter ganz all- gemeinen Gesichtspunkten drin- gend darauf angewiesen sein, daß in anderen Staaten auch Führungs- kräfte vorhanden sind, die ihr Stu-

dium in 'Deutschland absolvierten.

Um einer Verwirklichung der er- wähnten unerwünschten Auswahl- strategien bereits jetzt mit einiger Effizienz entgegentreten zu können, könnte überlegt werden, ob nicht die in den einzelnen Stoffgebieten erreichten Punktwerte in den zu er- teilenden Zeugnissen ausgedruckt werden, damit der spätere Bewerber sich entsprechend seinen Einzellei- stungen ausweisen kann. Die Ent- scheidung über all diese Fragen liegt in den Händen von Bund und Ländern.

Vorverlegung der Meldetermine für das Examen

Die anstehende Novelle wird voraus- sichtlich eine Vorverlegung der Mel- determine für die Examen bringen, was von einer ganzen Reihe von Landesprüfungsämtern, vor allem aber vom zentralen Institut, begrüßt wird, weil mit dem vollen Anlaufen der ÄAppO und den ständig zuneh- menden Teilnehmerzahlen kaum er- trägliche zeitliche Engpässe ein we- nig abgemildert werden. Für die Stu- denten ist eine bedeutsame Erleich- terung vorgesehen, soweit Stoffge- biete, die bisher im Zweiten Ab- schnitt gelehrt und erst im Dritten Abschnitt geprüft werden, die Stu- denten im Praktischen Jahr unange- messen belastet haben (z. B. Spe- zielle Pathologie und Spezielle Chir- urgie); künftig werden im Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung diese Stoffgebiete in der Prüfung er- scheinen, so daß Studenten im Prak- tischen Jahr sich verstärkt dem Er- lernen ärztlichen Handelns zuwen- den können, ohne zu stark von dem Lernen von Theorie belastet zu sein.

Eine begrüßenswerte Neuerung wird voraussichtlich auch durch das Hin- zutreten der Allgemeinmedizin in den Zweiten klinischen Abschnitt er- reicht werden. Eine erste Diskus- sionsgrundlage für einen Teilkata- log Allgemeinmedizin liegt bereits vor und wird beschleunigt bearbei- tet werden müssen, um dem drin- genden Anliegen der Allgemeinme- dizin den legitimen Raum in der Ausbildung zu verschaffen. Die No-

194 Heft 4 vom 26. Januar 1978

DEUTSCHES ÄRZTEBLATT

(5)

Mit Sorge hat die Ärzteschaft fest- stellen müssen, daß in den beiden letzten Jahrzehnten Schritt für Schritt in Bund und Ländern das Ge- sundheitswesen in Abhängigkeit von der Sozialpolitik geraten ist. Das hatte zur Folge, daß jetzt wesentli- che Bestandteile der Gesundheits- politik unter der Hoheit der Sozial- politik in Arbeits- und Sozialministe- rien ressortieren. Bis nach dem 2.

Weltkrieg war die Gesundheitspoli- tik in einer Hand gewesen, und zwar von Beginn der Ministerialorganisa- tion an, was zum Beispiel für den Freistaat Bayern das Jahr 1799 war mit der bereits im Jahre 1808 folgen- den ersten wichtigen Verordnung, dem „Edikt über das Medizinalwe- sen im Königreich Bayern". Das Ge- sundheitswesen ressortierte in den Ländern sowie im ehemaligen Reich meist zusammengefaßt der inneren Verwaltung zugehörig. Nach dem 2.

Weltkrieg änderte sich das, und zwar maßgeblich beeinflußt durch die Resolution der Weltgesundheits- organisation (WHO), die da lautet:

„Gesundheit ist ein Zustand voll- kommenen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht alleine das Fehlen von Krank- heit oder Gebrechen."

Obwohl diese Resolution zwei fun- damentale Fehler enthält — der Hei- delberger Physiologe und Sozialme- diziner Schäfer erklärt sie für „prak- tisch unbrauchbar" —, nämlich die Definition der Gesundheit mit Wohl- befinden sowie die Koppelung der Gesundheit mit dem Sozialen, hat

diese WHO-Deklaration bewirkt, daß unter der Macht und dem Einfluß der Sozialpolitiker die Gesundheitspoli- tik zum Teil ganz oder auch teilwei- se, wie in Bayern, dem Sozialen un- tergeordnet wurde.

Die Ärzteschaft muß aber fordern:

„Vereinigung des gesamten Ge- sundheitswesens in eine Hand unter strikter Trennung von der Sozialpo- litik."

Um diese Forderung zu begründen, muß als erstes die Unsinnigkeit und Fehlerhaftigkeit der Deklaration der Weltgesundheitsorganisation aufge- zeigt werden.

Gesundheit wird von der WHO mit körperlichem, geistigem und sozia- lem Wohlbefinden definiert. Die Un- sinnigkeit dieser Deutung geht aus folgenden Beispielen hervor: Erhält ein schwer Krebskranker Morphium, so kann sein objektiv desolater Zu- stand in den eines subjektiv voll- kommenen Wohlbefindens über- führt werden. Der Maniker sowie der Mensch im Alkoholrausch fühlt sich phantastisch und ist doch eindeutig krank. Die eine Schwangere fühlt sich körperlich und geistig wohl und gesund, ist glücklich, während die andere sich sozial vernichtet, geistig zutiefst deprimiert und schwer krank fühlt.

Es ist also das Wort Wohlbefinden für die Erklärung des Begriffs Ge- sundheit absolut unbrauchbar und das Fehlerhafte der Vermischung velle wird nach hiesigen Informatio-

nen auch dahin wirken, daß den künftigen Studenten im Rahmen des Möglichen bereits während des Stu- diums ein Einblick in die Kostenrele- vanz und damit in die nationalöko- nomische Bedeutung ärztlichen Handelns vermittelt werden kann.

Für das zentrale Institut werden die- se insgesamt begrüßenswerten Neuerungen erhebliche Mehrarbeit bedeuten, weil die Gegenstandska- taloge so rasch wie möglich dem neuen Recht angepaßt werden müs- sen; andererseits wird dies auch vom IMPP nicht mit Bedauern gese- hen, da auf diese Weise dem ohne- hin unbegründeten Vorwurf entge- gengetreten werden kann, die ÄAppO habe in einer unerträglich starren Weise medizinische Ausbil- dung ein für allemal festge- schrieben.

Auch wenn die Novelle ergangen sein wird, dürfen alle an der Medizi- nerausbildung Beteiligten nicht ru- hen. Sie werden sämtlich aufgefor- dert bleiben, auf dem Boden gewon- nener Erfahrungen über den Tag hinaus neue Ideen zu entwickeln, die den Erfordernissen einer best- möglichen Versorgung der Bevölkj rung und den Notwendigkeiten einer rasch fortschreitenden Wissen- schaft angepaßt sind. Wir werden weiter darüber nachzudenken ha- ben, wie wir von der Abprüfung theoretischen Wissens, das sicher immer die Basis ärztlichen Könnens bilden muß, zu dem gelangen kön- nen, was die Angelsachsen unter dem Begriff des medizinischen

„problem-solving" samt praktischer Fähigkeiten verstehen.

• Wird fortgesetzt

Anschrift des Verfassers:

Dr. jur. H.-J. Kraemer Direktor des

Instituts für medizinische und pharmazeutische Prüfungsfragen Große Langgasse 8

6500 Mainz/Rhein

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und Krankheit in der Politik

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