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Archiv "Approbationsordnung für Ärzte: Mut zu unkonventionellem Neubeginn" (06.11.1998)

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ereits im Jahr 1989 forderte der Bundesrat eine Reform des Medizinstudiums in Deutschland, wobei unter anderem eine bessere Verzahnung des „vorkli- nischen“ und „klinischen“ Abschnitts, die Bevorzugung von fächerübergrei- fendem und gegenstandsbezogenem Unterricht erwähnt wurden. Es gilt aber immer noch die 7. Novelle von 1990. Wiederholt haben sich der Deutsche Ärztetag, der Medizinische Fakultätentag (MFT), die Arbeitsge- meinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und viele andere Gremien und Kommissionen mit die-

sem Thema intensiv be- schäftigt, und trotzdem ist keine grundlegende Reform erfolgt. Die Vertreter der Gesundheitsministerien der Länder stimmten einem Entwurf zu, die Vertreter der Wissenschaftministeri- en der gleichen Länder hat- ten Vorbehalte. Diese von allen Beteiligten als unbe- friedigend eingestufte Si- tuation ist weder gegenüber der Bevölkerung noch jun- gen Medizinstudenten oder Ärzten und Wissenschaft- lern im Ausland erklärbar.

Internationale Fachleute der medizinischen Ausbil-

dung reagieren mit Unverständnis und Mitleid für in der Lehre engagier- te deutsche Hochschullehrer. Nach der Bundestagswahl müssen nun eine

„konzertierte Aktion“ gestartet und kurzfristig – ohne parteipolitische oder gruppenegoistische Vorbehalte – der gesetzliche Rahmen für eine Re- form der Ausbildung zum Arzt ge- schaffen werden. Es darf nicht so viel im Detail gesetzlich geregelt werden.

Den Fakultäten müssen Freiräume gewährt werden, und unterschiedliche Wege zum gemeinsamen Ziel der ärztlichen Ausbildung auf wissen-

schaftlicher Grundlage als Ausgangs- punkt einer ärztlichen Weiterbildung müssen erprobt werden.

Oftmals wurde damit argumen- tiert, auch innerhalb der gültigen 7.

Novelle zur Approbationsordnung für Ärzte könnten mehr Integration von vorklinischen und klinischen The- men erfolgen, andere Prüfungssyste- me in Kursen eingesetzt und fächer-

übergreifend gelehrt werden. Die jah- relange Diskussion mit immer neuen Ankündigungen vom Inkrafttreten der „neuen“ Approbationsordnung für Ärzte (AO) lähmten viele Akti- vitäten der Medizinischen Fakultäten.

Bevor ein neues Medikament eingeführt wird, müssen verschiedene Phasen von kritischen Prüfungen durchlaufen werden, sonst würde es nicht zugelassen. Auch im Medizin- studium sollten nur neue Kurse und Prüfungen für alle Medizinstudenten eingeführt werden, wenn zuvor eine kritische Prüfung gezeigt hat, daß die-

se Form nachweisbar Vorteile hat.

Forschungsergebnisse aus der Grund- lagen- und der klinischen Forschung, die im Ausland erarbeitet und im Ausland publiziert wurden, werden oftmals im Grundsatz auch auf Deutschland übertragen. Das gleiche Vorgehen muß im Prinzip auch für Er- fahrungen in der medizinischen Lehre aus dem Ausland gelten.

Beim Internistenkon- greß wird sich ein Ga- stroenterologe nicht an der Diskussion um neue An- tiarrhythmika beteiligen, weil er die Literatur zu dem Thema nicht übersieht. An der Diskussion um die me- dizinische Ausbildung be- teiligen sich sehr viele, die gar nicht wissen, daß es auch zu diesem Thema in- ternationale Fachzeitschrif- ten mit harten Begutach- tungsverfahren (zum Bei- spiel Academic Medicine, Medical Teacher, Medical Education, Medizinische Ausbildung) und entspre- chende Kongresse gibt.

Im Sommer fand die „Ottawa Conference“ zur Medizinischen Aus- bildung fast ohne deutsche Teilneh- mer statt. Im September tagte die As- sociation for Medical Education in Europe (AMEE) in Prag. Nur vier Prozent aller 420 Teilnehmer kamen aus Deutschland (davon waren ein Drittel Medizinstudenten der Hum- boldt-Universität Berlin). Nur zehn Beiträge aus deutschen Fakultäten waren angemeldet. Eine solch geringe deutsche Beteiligung gibt es bei ande- ren medizinischen Fachkongressen in Europa kaum. Mit Sicherheit könnten

A-2830 (38) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 45, 6. November 1998

T H E M E N D E R Z E I T AUFSÄTZE

Approbationsordnung für Ärzte

Mut zu unkonventionellem Neubeginn

Nachdem der Versuch, das Medizinstudium grundlegend zu reformieren, in der vergangenen Legislaturperiode gescheitert ist, muß nun ein neuer Anlauf unternommen werden.

B

Reinhard Pabst

Das Medizinstudium soll in der 14. Legislaturperiode reformiert werden. Ein größerer Praxisbezug und die fächerübergreifende Vermittlung von Lerninhalten durch eine novellierte Approbationsordnung für Ärzte seien unverzichtbar, so unisono Stimmen aus dem Regierungslager. Foto: Peter Wirtz, Dormagen

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deutsche Hochschullehrer Anregun- gen bei solchen Kongressen erhalten und aktuelle Entwicklungen, zum Beispiel neue Lehr- und Prüfungs- methoden, vermehrten Einsatz elek- tronischer Medien, geänderte Curri- cula, kennenlernen. Selbstverständ- lich müssen landesspezifische Beson- derheiten wie unterschiedliche Zu- gangs- und Auswahlsysteme der Me- dizinstudenten berücksichtigt werden.

Ausbildung im Ausland

In Österreich hat ein neues Ge- setz den drei Fakultäten weitgehende Freiheiten für das medizinische Curri- culum gegeben. In der Schweiz wird voraussichtlich in wenigen Wochen ein neues Gesetz verabschiedet, das nur noch eine landesweite Prüfung vorsieht und den Fakultäten viele Freiräume auf dem Weg dahin ein- räumt. Seit dem Bericht des General Medical Council „Tomorrow’s Doc- tors“ (1993) haben fast alle britischen Medical Schools ihr Curriculum um- gestellt, oft mit nur zwei Drittel Kern- curriculum und 30 Prozent „options“.

Die dänischen Medizinischen Fakul- täten wurden von einer internationa- len Kommission evaluiert. Diese Auf- zählung könnte beliebig auf Schwe- den, Niederlande, Norwegen und außereuropäische Länder wie Austra- lien, Neuseeland, Kanada oder die USA erweitert werden. Es bestehen Pläne, auch in Europa eine Akkredi- tierung von „Medical Schools“ (wie seit Jahrzehnten in den USA üblich) einzuführen. Es besteht die Gefahr, daß deutsche Medizinische Fakultä- ten solch eine europäische Akkredi- tierung nicht erhalten könnten. Mög- licherweise würde die Teilnahme an den europäischen Austauschpro- grammen wie dem „SOKRATES“- Programm von solch einer Akkredi- tierung abhängig gemacht werden.

Bei der nächsten Tagung der AMEE 1999 in Schweden ist eines der drei Hauptthemen „Accrediting schools, curricula and teachers“. In der For- schung stellen wir uns dem internatio- nalen Wettbewerb und reichen Ma- nuskripte bei internationalen Zeit- schriften ein oder gehen damit zu Kongressen. Das sollte auch in der medizinischen Aus- und Weiterbil-

dung geschehen. Es war ein deutliches Warnsignal, als die Dekane der briti- schen Medical Schools vor einiger Zeit beschlossen haben, deutsche Me- dizinstudenten von den „Clerkships“

in den Kliniken auszuschließen. Da- bei muß man berücksichtigen, daß mit großer Wahrscheinlichkeit besonders die guten und überdurchschnittlich engagierten deutschen Studierenden ins Ausland zum Studium oder zur Fa- mulatur gehen. Oft wird eingewandt, im Ausland seien in der Regel viel ge- ringere Studentenzahlen. Dabei muß aber berücksichtigt werden, daß ein Drittel der deutschen Medizinischen Fakultäten unter 250 Studenten je Jahrgang hat, was auch in Fakultäten im Ausland vorkommt (zum Beispiel Sydney 240), und sie trotzdem „mo- derne Curricula“ haben. Auch bei der Ausbildung der Hochschullehrer in der Didaktik und Lehre kann man aus dem Ausland lernen. Es sei Dun- dee/Schottland erwähnt. Auch in Bern gibt es inzwischen ein Aufbau- studium für medizinische Lehre. Ein gutes Beispiel dafür, daß man aus dem Ausland lernen und trotzdem die Lehrmethoden an die deutschen Ver- hältnisse anpassen kann, ist das Pro- gramm der Ludwig-Maximilians-Uni- versität München gemeinsam mit der Harvard Medical School in Boston.

Evaluationen sind notwendig

Es kann sinnvoll sein, nach einem Kurs oder Seminar die Studenten nach ihrer Einschätzung dieser Unter- richtsveranstaltung zu befragen. Er- gänzt werden müssen diese Evaluatio- nen durch wiederholte Befragungen im Studium, nach Ende des Studiums und nach unterschiedlichen Phasen der Berufstätigkeit. In eigenen Befra- gungen zum Studium ergaben sich im Rückblick deutliche Unterschiede in der Bewertung der Relevanz einzel- ner Fächer für die ärztliche Tätigkeit.

Auch international gibt es noch weni- ge solcher „outcome studies“. Ein Problem besteht in der Dauer, bis genügend Ärzte ein neues Curriculum durchlaufen haben und wirklich in der Klinik oder Praxis tätig sind und da- mit erst der Erfolg einer Reform beur- teilt werden kann. Gleichzeitig müs-

sen die Studierenden schon jetzt auf eine sich völlig gewandelte Situation in der Zukunft (zum Beispiel neue Medien) vorbereitet werden. Die Me- dizinstudenten, die in diesem Winter- semester das Studium beginnen, wer- den bis etwa zum Jahr 2040 berufs- tätig sein. Der Schwerpunkt der Aus- bildung darf daher nicht auf dem Faktenlernen liegen, sondern muß sich vor allem auf die Kenntnis von Grundmechanismen, das Lernen von kritischem Denken auf wissenschaftli- cher Grundlage und Training in der Kommunikation mit den Patienten sowie der Kooperation mit anderen Berufen konzentrieren.

Appell an die Verantwortlichen

Von den meisten Beteiligten als reformfeindliche oder unsinnig erach- tete Rechtsvorschriften, wie viele Ein- zelheiten der Kapazitätsverordnung und der Approbationsordnung für Ärzte, sollten doch geändert werden können. Nach der Bundestagswahl sollte kurzfristig ein Kompromiß zwischen dem Bundesgesundheitsmi- nisterium, den Länder-Gesundheits- und Wissenschaftsministerien, dem MFT, der AWMF und der Bundesärz- tekammer zu finden sein. Dabei soll- ten nicht zuerst von allen Vorbehalte und Hürden aufgebaut werden. Die Medizinischen Fakultäten sollten in einem Wettbewerb um die besten Stu- denten und um das beste (wissen- schaftlich belegbare) Curriculum tre- ten. Vielleicht kann Deutschland dann noch gerade auf den bereits fah- renden internationalen Zug der mo- dernen medizinischen Ausbildung aufspringen. Das wären eigentlich alle Verantwortlichen den jährlich rund 10 500 neuen Medizinstudenten und den Patienten gegenüber schuldig.

Zitierweise dieses Beitrags:

Dt Ärztebl 1998; 95: A-2830–2832 [Heft 45]

Anschrift des Verfassers

Prof. Dr. med. Reinhard Pabst Zentrum Anatomie, Medizinische Hochschule Hannover

Carl-Neuberg-Straße 1 30625 Hannover

A-2832 (40) Deutsches Ärzteblatt 95,Heft 45, 6. November 1998

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