Ersatzkassen: Regionalisierung — „ein Holzweg"
nutzt. MB-Vorsitzender Dr. Frank Ulrich Montgomery hält das für „ei- ne krasse Fehleinschätzung".
Auch der zweite Vorschlag — die Kündigung von Versorgungsverträ- gen mit Kliniken durch die Kranken- kassen zu erleichtern — berücksichti- ge zu wenig, daß die Krankenkassen als wesentliche Beteiligte ja bereits ein unmittelbares Mitwirkungsrecht bei der Aufstellung der Kranken- hauspläne der Länder hätten. „Es ist schon seltsam, wenn ein Teil der Selbstverwaltung erst bei der Pla- nung mitwirkt und dann nachträglich über ein besonderes Kündigungs- recht die Möglichkeit erhält, das Er- gebnis der Planung einseitig zu sei- nen Gunsten zu verändern", erklärte Montgomery. Mit den Vorschlägen werde erneut ein Popanz aufgebaut
— der Popanz großer Wirtschaftlich- keitsreserven in den Krankenhäu- sern. In der Realität seien diese Re- serven jedoch nur marginal...
Nach Auffassung von BAK-Prä- sident Dr. Karsten Vilmar sollte über eine Eigenbeteiligung des Pa- tienten auch an den Krankenhausko- sten unvoreingenommen nachge- dacht werden. In der Vergangenheit habe der Gesetzgeber die Kranken- haus-Patienten selbst mit einer Pau- schale für die ersten 14 Tage des Krankenhausaufenthaltes belegt, die allerdings keinerlei Steuerungsfunk- tion hätte. Mit einer direkten Bezah- lung der Kosten für Verpflegung in Höhe von 9,90 DM/Tag und für Un- terbringung in Höhe von 6,23 DM/
Tag wäre jedoch niemand überfor- dert. Diese Berechnungsgrundlagen ergeben sich aus der Höhe der Sätze in der Sachbezugsverordnung in der Sozialversicherung. Für Härtefälle könnte eine soziale Abfederung vor- gesehen werden.
Mit einer derartigen Kostenum- verteilung ließen sich 2,1 Milliarden DM/Jahr für die Verpflegung und 1,3 Milliarden DM/Jahr für die Un- terkunft einsparen, die jetzt von der gesetzlichen Krankenversicherung bezahlt werden. Wenn die Gesell- schaft eine Eigenbeteiligung jedoch nicht wünsche, sollte allerdings die Diskussion um die Belastungsgren- zen oder die Beitragssatzstabilität der Krankenversicherung beendet werden. DÄ
Entschieden haben sich die Er- satzkassen-Verbände gegen eine
„umfassende Regionalisierung der Organisations- und Finanzstruktu- ren der gesetzlichen Krankenversi- cherung (GKV)" ausgesprochen.
Dies führe zu einer „Zerschlagung bundesweiter Krankenversiche- rungsträger". Zugleich widerspre- chen die Ersatzkassen dem Antrag des Landes Bayern anläßlich der jüngsten Konferenz der Arbeits- und Sozialminister der Länder, der eine Länderzuständigkeit in der Sozial- versicherung (für alle Soziallei- stungszweige einschließlich der Kranken- und Arbeitslosenversiche- rung) anmeldete.
Regionalprinzip schädigt schwache Regionen
Die Ersatzkassen prophezeien, daß das bereits bestehende „Nord- Süd-Gefälle" bei einer Regionalisie- rung der Kassenarten und regional festgelegten Beitragssätzen weiter zunehmen und um eine „Ost-West- Komponente" verschärft werde.
Wirtschaftlich schwache Regionen würden durch das Regionalprinzip benachteiligt. Das Ziel, Verwerfun- gen innerhalb der gegliederten Kran- kenversicherung zu beseitigen und die Beitragssätze innerhalb ein- und derselben Kassenart anzugleichen, würde verfehlt.
Zudem habe die Spanne der Beitragssätze in den letzten Jahren abgenommen Extrem niedrige und extrem hohe Beitragssätze beträfen nur eine verschwindend geringe Minderheit der Versicherten. Den angeblichen „Beitragskorridor" zwi- schen 8 und 15 Prozent zur Unter- stützung der Forderungen nach Re- gionalisierung heranzuziehen, gehe deshalb fehl. Die Differenz zwischen den Beitragssätzen der Angestellten- Krankenkassen einerseits und den Ortskrankenkassen andererseits be- trage unverändert 0,7 Prozentpunk- te. Innerhalb der einzelnen Kassen- arten wichen die Sätze bei den Re- gionalkassen aber immer noch um ein bis sechs Punkte voneinander
ab. Die Angestellten-Krankenkassen wiesen hingegen mit 2,1 Prozent- punkten die mit Abstand geringste Beitragsdrift aller Kassenarten auf.
Hohe Beitragssatzdifferenzen stell- ten primär ein Strukturproblem in- nerhalb der Regionalkassen dar, so das „Argumentationspapier" der Er- satzkassen-Verbände (vom Novem- ber 1991).
Die Ersatzkassen stellen sich hinter die politischen Vorgaben der Regierungskoalition (vom 17. Januar 1991), wonach im Zuge der Organi- sationsreform strukturell bedingte Beitragssatzunterschiede vornehm- lich kassenartenintern abgemildert werden sollen, ohne einen kassenar- tenübergreifenden Finanzausgleich festzuschreiben.
Eine „lupenreine" Umsetzung des Regionalprinzips bedinge für die Ersatzkassen neue Selbstverwal- tungsstrukturen. VdAK-/VEK-Ge- schäftsführer Dr. med. Eckart Fied- ler: „Die Regionalisierung bringt uns zwar nicht um, erfordert aber grund- sätzlich andere Strukturen der Kran- kenkassen und ihrer Verbände." Im Hinblick auf die Regionalisierungsge- lüste der Politiker haben die Ersatz- kassen bereits vor zwei Jahren flä- chendeckend Landesverbindungs- stellen gegründet.
Gefährdung des Versorgungsniveaus
Die Ersatzkassenverbände be- fürchten bei einer Regionalisierung nicht nur ein Auseinanderdriften der Beiträge, sondern ein gesundheits- politisch kontraindiziertes, unglei- ches Versorgungsniveau. Eine „Zer- schlagung der bundesweit agieren- den Ersatzkassen" würde das bun- desweit einheitliche Leistungsrecht auflösen — mit der Folge eines Aus- einanderdriftens der Leistungsan- sprüche zwischen den Regionen. Zu- dem: Eine umfassende Regionalisie- rung verhindere eine „medizinisch sachgerechte Bedarfsplanung". Mit- hin führe die Regionalisierung zu
„Disparitäten in der medizinischen Versorgung". HC A-4102 (22) Dt. Ärztebl. 88, Heft 47, 21. November 1991