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Deutsches Ärzteblatt 96, Heft 13, 2. April 1999 (1)
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ertrauliche Papiere neigen mitunter dazu, über kurz oder lang an die Öffentlich- keit zu dringen. In Bonner Regie- rungskreisen ist diese Erkenntnis nicht neu, sie wird nur immer wie- der neu bestätigt. Das jüngste Bei- spiel, bekanntgemacht durch einen Bonner Informationsdienst, dürfte diejenigen aufhorchen lassen, die über Monate hinweg zunehmend frustriert auf den Dialog mit Bun- desgesundheitsministerin Andrea Fischer zur „Gesundheitsreform 2000“ gewartet haben. Jetzt weiß man, daß weite Teile der Eckpunk- te aus der Feder einer Hamburger Consultingfirma stammen.Daß sich Politiker bei schwie- rigen Reformvorhaben externen Rat einholen, ist weder sensatio- nell noch skandalös. Bemerkens- wert ist es im Falle von Andrea Fi- scher aber allemal. Immerhin ha- ben Ärzte, Krankenkassen und zahlreiche Verbände aus dem Ge- sundheitswesen von Anfang an ih- re Bereitschaft erklärt, fachkundi-
ge Hilfestellung bei der Gestaltung der Gesundheitsreform zu leisten.
Die Bundesgesundheitsmini- sterin hat sich jedoch weder bei der Formulierung des Vorschaltgeset- zes noch bei der Vorbereitung der Eckpunkte mit Ärzten oder Kassen an einen Tisch gesetzt. Statt dessen war in Bonn von einem „internen Zirkel“ die Rede, der tatsächlich aber bis nach Hamburg reichte.
Dort ist die Hildebrand Gesund- heitsConsult GmbH ansässig – ge- leitet von Helmut Hildebrand und dem Chirurgen Dr. Jörg Grüber.
Während Hildebrand die hessi- schen Grünen seinerzeit bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD beraten hatte, gilt Dr. Grüber als Kenner der Krankenhausszene.
Vergleicht man nun die inzwi- schen vorliegenden Eckpunkte mit den Vorschlägen der Hamburger Agentur, finden sich viele Überein- stimmungen. Das gilt besonders für
die neue Rolle der Krankenkassen und die Verzahnung von ambulan- ter und stationärer Versorgung.
Auch in puncto Patientenrechte bewiesen die Hamburger Berater ein hohes Maß an Kreativität.
Wie groß der Einfluß der Con- sultingfirma auf die Bonner Politik tatsächlich einzuschätzen ist, wird sich an den Ergebnissen der jetzt einsetzenden Diskussion mit An- drea Fischer ablesen lassen. Kom- men die Eckpunkte im wesentli- chen durch, lohnt ein zweiter Blick auf das vertrauliche Papier. Es ent- hält nämlich Anregungen für wei- tere Reformschritte, die den Kran- kenkassen noch mehr Möglichkei- ten einräumen würden – zum Bei- spiel eigene stationäre und ambu- lante Versorgungsangebote vorzu- halten. Bei diesen wie auch bei an- deren Vorschlägen spricht die Agentur von der „zweiten Stufe der Reform“. Josef Maus
Eckpunkte zur Gesundheitsreform
Helfer aus der „Szene“
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ie Verbände der Ersatzkas- sen begeben sich mit ihrer Honorarstrategie immer mehr auf Einheitskurs. Für 1999 wurde die Losung ausgegeben, ri- goros und flächendeckend noch bestehende, zumeist kaum nen- nenswerte Vergütungsabstände zu den übrigen (Konkurrenz-)Kas- senarten weiter zu verringern.Begründet wird dieser Schritt formal und unter Rückgriff auf ju- ristische Vorgaben: Einerseits soll das jüngste Bundessozialgerichts- urteil zugunsten der Ersatzkassen lupenrein umgesetzt werden (nur alte Bundesländer), andererseits wollen die Ersatzkassen über die Honorarpolitik die für sie angeb- lich negativen finanziellen Auswir- kungen des Risikostrukturaus- gleichs (in Kraft seit 1994) teilweise auffangen. Die Ersatzkassen sehen sich durch den inzwischen mehr als
zwölf Milliarden DM ausgaben- trächtigen Umschichtungsprozeß gegenüber den Konkurrenzkassen immer mehr im Nachteil.
Eine noch interne „Rahmen- vorgabe Ärzte“ für die Honorar- politik 1999 sieht folgendes vor:
Als Obergrenze für die Vertrags- abschlüsse aller Kassenarten sol- len 1999 die Budgetvorschriften zur Ermittlung der höchst zulässi- gen Gesamtvergütungen maßge- bend sein, wie sie im GKV-Soli- daritätsstärkungsgesetz (vom De- zember 1998) enthalten sind. Die- se sollen den Ersatzkassenwün- schen zufolge dann unterschritten werden, wenn der Vergütungsab- stand nicht bereits vollständig ab- gebaut wurde oder nicht vorhan- den ist. Dies führt zu einer merkli-
chen Senkung gegenüber dem bis- herigen Vergütungsniveau. Außer- dem soll die Höchstgrenze dann unterschritten werden, wenn eine Umsetzung des BSG-Urteils nur für das Jahr 1998 erfolgte und mit- hin 1999 nicht basisrelevant ist oder eine Umsetzung noch nicht erreicht werden konnte. Nach dem BSG-Urteil (Az.: GRKa 28/96) ist die Zahl der Mitglieder nicht zu berücksichtigen, was die Ersatz- kassen aber bisher taten. Sie for- dern deshalb jetzt zuviel gezahltes Geld zurück. Fazit: Die Ersatzkas- sen begeben sich auf einen auch für sie gefährlichen Nivellierungs- kurs. Es könnte sein, daß die Ortskrankenkassen am Ende auf der ganzen Linie besser daste- hen. Dr. Harald Clade