Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 365. September 2008 A1817
P O L I T I K
D
ie Ausgaben der Krankenkas- sen für Arzneimittel sind im vergangenen Jahr um rund 1,6 Milli- arden Euro (6,4 Prozent) gestiegen.Insgesamt gaben die Kassen 28 Mil- liarden Euro für Fertigmedikamente und Impfstoffe aus. Das geht aus dem Arzneimittel-Atlas 2008 her- vor. Nach der vom Berliner IGES- Institut im Auftrag des Verbandes Forschender Arzneimittelhersteller (VFA) erstellten Studie sind die Aus- gabensteigerungen vor allem auf hohe Verordnungsmengen und auf die Erhöhung der Mehrwertsteuer zurückzuführen. So verschrieben Ärzte nach dem Arzneimittel-Atlas im vergangenen Jahr rund 35 Milli- arden Tagesdosen (DDD), 5,8 Pro- zent mehr als im Vorjahr.
Die Kassen kritisieren methodi- sche Mängel und Fehlinterpretatio- nen in der Studie. IGES-Chef Ber- tram Häussler wies dies zurück. Er betonte, die Gründe für die gestiege- nen Verordnungszahlen lägen in der verstärkten Morbidität der Bevölke- rung. Insbesondere im Bereich der großen Volkskrankheiten sei mehr verordnet worden.
„Bei zahlreichen Krankheiten ist die Steigerung des Verbrauchs zu begrüßen, da sich die Versorgung der Patienten dadurch verbessert. So hat sich die Sterblichkeit an Herz- Kreislauf-Erkrankungen in den ver- gangenen 40 Jahren mehr als hal- biert. Die Versorgung mit Arznei- mitteln hat dazu wesentlich beige- tragen“, sagte Häussler.
Auch der regionale Vergleich (Grafik) zeigt, dass die gestiegenen Ausgaben mit erhöhten Verord- nungsmengen zu erklären sind, für die medizinische Gründe ausschlag- gebend sein können. So differieren die Medikamentenausgaben zwi- schen den Bundesländern stark. Vor allem Ärzte im Osten verschreiben mehr Medikamente. In Hamburg wurden beispielsweise jedem Versi- cherten im Durchschnitt 32 Tages- dosen Lipidsenker verschrieben, während es im benachbarten Meck- lenburg-Vorpommern 52 waren. Die IGES-Wissenschaftler sehen die Ursache für die Verbrauchsunter- schiede beim Übergewicht und bei der Arbeitslosigkeit. Die Menschen in Mecklenburg-Vorpommern sind
deutlich häufiger arbeitslos und deutlich häufiger fettleibig. Beides begünstigt die Entstehung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
Unterschiede bei den Arzneimit- telausgaben der Länder konstatiert auch die aktuelle Arzneimittel-Sta- tistik der Krankenkassenverbände.
Aus ihr geht außerdem hervor, dass die Preise für Medikamente zwi- schen den Bundesländern variieren.
So kostete in Berlin eine verschrie- bene Arzneimittelpackung im Durch- schnitt rund 53 Euro und damit 23 Prozent mehr als im Bundesdurch- schnitt. Den niedrigsten Betrag je Packung verzeichnete Westfalen- Lippe mit rund 38 Euro.
In erster Linie sind die Preise für Generika im vergangenen Jahr ge- sunken. Nach dem Arzneimittel-At- las führten Rabattverträge zwischen Krankenkassen und Generikaherstel- lern 2007 zu Einsparungen von rund 330 Millionen Euro. Allerdings müssen von diesem Betrag redu- zierte Zuzahlungen in Höhe von 90 Millionen Euro abgezogen werden.
Im laufenden Jahr könnten die Kassen jedoch deutlich mehr Geld mit Rabattvereinbarungen einspa- ren. So startete die AOK Anfang Au- gust eine neue Rabattrunde. Dabei schrieben die Ortskrankenkassen 64 Wirkstoffe europaweit aus. Diese Wirkstoffe erzielten im vergange- nen Jahr ein Umsatzvolumen von zusammengenommen 2,3 Milliar- den Euro. Doch werden die Kon- trakte nichts daran ändern, dass die Kassen auch in diesem Jahr mehr Geld für Medikamente ausgeben müssen als im Vorjahr. Die Ausga- ben für Arzneimittel sind nach An- gaben der Bundesvereinigung Deut- scher Apothekerverbände von Janu- ar bis Juni 2008 um 5,4 Prozent ge-
stiegen. I
Samir Rabbata
ARZNEIMITTEL
Ärzte im Osten verschreiben mehr
Die Arzneimittelausgaben sind im vergangenen Jahr trotz zahlreicher Rabatt-
vereinbarungen zwischen Kassen und Industrie deutlich gestiegen. Dies lag auch daran, dass Ärzte mehr Präparate verschrieben haben. Ob zu Recht oder nicht, ist umstritten.
GRAFIK
Pro-Kopf-Ausgaben unterscheiden sich deutlich zwischen den KV-Regionen (in Euro) 500
400
300
200
100
0
369 371 373 374 386 391 392 393 394 394 401 425 453 456 463 463 471 473 + 104 Quelle:IGES Arzneimittel-Atlas 2008
Bayerns Schleswig-Holstein Hessen Westfalen-Lippe Niedersachsen Rheinland-Pfalz Brandenburg Nordrhein Bremen Baden-Württemberg Bundesdurchschnitt Hamburg Saarland Thüringen Sachsen-Anhalt Sachsen Berlin Mecklenburg-Vorpommern