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Archiv "Patientenverfügung: Nicht in Deutschland" (15.05.2009)

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Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 20⏐⏐15. Mai 2009 A987

B R I E F E

tung des befruchteten Eies in der Gebärmutter“ (Köbler 1995, http://www.koeblergerhard.de/der wbhin.html) . . . Jedem medizini- schen Thema, über das im DÄ refe- riert wird, gebührt ein professionel- ler Umgang; das medizinisch-mora- lisch-politisch hochsensible Thema Schwangerschaftsabbruch sollte hier keine Ausnahme darstellen. Die Ver- wendung einer korrekten Terminolo- gie ist dafür eine absolut notwendige Voraussetzung.

Dr. med. Waltraut Merz, M.Sc.,Universitätsklinikum Bonn, Abteilung für Geburtshilfe und Pränatale Medizin, Sigmund-Freud-Straße 25, 53105 Bonn

PATIENTENVERFÜGUNG

Selbst der bestinfor- mierte Arzt kann sich schwertun, für sich als Patienten ei- ne Entscheidung zu treffen (DÄ 13/2009:

„Teil der ärztlichen Kunst“ von Matthias Loebe und DÄ 3/

2009: „Hochkomplex und individuell“ von Charly Gaul und Jürgen Helm sowie die Leserbriefe in DÄ 11/2009).

Missverständnisse ausräumen

. . . Herrn Professor Loebe vom Methodist DeBakey Heart and Vas- cular Center in Houston ist zu danken, dass er die Umstände, die zu De- Bakeys Operation führten, ausführ- lich aus der Perspektive des Beteilig- ten schildert und dabei Missver- ständnisse ausräumt, die sich durch die reduzierte Darstellung in der

„New York Times“ eingestellt haben.

Leider haben uns bei der Abfassung des Artikels keine weiteren Quellen zur Verfügung gestanden. Da eine klare Willensäußerung DeBakeys wohl nicht erkennbar war, verwahrt sich Professor Loebe zu Recht gegen unsere Aussage, die Operation müsse als Körperverletzung und als gravie- render Verstoß gegen das Selbstbe- stimmungsrecht des Patienten ge- wertet werden. Der Vorwurf des „na- turalistic fallacy“, den die Professo- ren Borasio und Frick in ihrem Le- serbrief gegen unsere Diskussion des nunmehr zum Teil fiktiven Falles er- heben, beruht auf einer verkürzten

Interpretation unserer differenzierten Argumentation. Nicht der glückliche Ausgang der Operation, sondern der in dem Beispiel erkennbare Prozess des Abwägens und die dabei vorge- brachten Argumente, die der Kom- plexität der Situation gerecht wurden, führten uns zu der letztlich positiven Wertung dieses in vielerlei Hinsicht besonderen Falles. Nach wie vor bleibt für uns fraglich, ob eine (im- mer auch verallgemeinernde) gesetz- liche Regelung zur Verbindlichkeit von Patientenverfügungen tatsäch- lich zur Wahrung der individuellen Patienteninteressen beitragen und den verantwortlichen Ärztinnen und Ärzten in solch komplexen Entschei- dungssituationen helfen kann.

Literatur bei den Verfassern

Dr. med. Charly Gaul,Neurologische Klinik, Universitätsklinikum Essen, Hufelandstraße 26, 45147 Essen

PD Dr. med. Jürgen Helm,Institut für Geschichte und Ethik der Medizin, Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Ernst-Grube-Straße 40, 06097 Halle/Saale

Nicht in Deutschland

Leider entspricht der Artikel von Matthias Loebe in wichtigen Punk- ten nicht dem deutschen Recht. In Texas mag es so sein, dass die Ehe- frau des Patienten im Falle der Zu- stimmungsunfähigkeit „an seine Stelle“ tritt; in Deutschland ist das aus guten Gründen keineswegs so.

Wenn weder eine aktuelle Direktive des Patienten noch ein explizit ein- gesetzter Rechtsvertreter (das muss nicht die Ehefrau sein) vorhanden ist, hat der Arzt die schwere Aufga- be, den mutmaßlichen Willen des Patienten zu erkunden. Dabei kön- nen ihm die Angehörigen helfen; er darf aber die Verantwortung nicht auf sie abschieben. Wenn keinerlei Hinweise auf die Meinung des Pati- enten gefunden werden können, muss der Arzt in der Regel für die Erhaltung des Lebens entscheiden.

Nicht der Arzt hilft den Angehöri- gen bei der Entscheidung, wie es im Text heißt, sondern umgekehrt hel- fen die Angehörigen gegebenenfalls dem Arzt bei seiner Entscheidung;

zum Beispiel können sie überein- stimmend und glaubhaft über Mei- nungsäußerungen des Patienten be- richten. Uneingeschränkt zustim-

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A988 Deutsches Ärzteblatt⏐⏐Jg. 106⏐⏐Heft 20⏐⏐15. Mai 2009

B R I E F E M E D I E N

men kann man der Forderung des Autors, dass Ärzte gebraucht wer- den, die in diesem Gebiet besser ausgebildet sind.

Dr. med. Dipl.-Psych. Andreas Kernbichler, Niobestraße 17, 23774 Heiligenhafen

ETHIK

Die im Jahr 2008 in Seoul revidierte Fas- sung hat Lücken ge- schlossen und ent- hält mehr Unstritti- ges als Umstrittenes (DÄ 11/2009: „De- klaration von Helsinki: Neueste Revision“

von Urban Wiesing und Ramin W. Parsa- Parsi).

No risk, no burden

In ihrem Absatz „Fremdnützige Forschung mit nicht einwilligungs- fähigen Teilnehmern“ schreiben die Autoren Wiesing und Parsa-Parsi Folgendes: „Mit dem Kriterium mi- nimal risk/minimal burden bei fremdnütziger Forschung an nicht einwilligungsfähigen Patienten hat die Deklaration von Helsinki im letzten Satz des neuen § 27 eine Bedingung aufgenommen . . .“ Mit dieser Entscheidung lässt die De- klaration von Helsinki die For- schung an nicht einwilligungsfähi- gen, somit behinderten oder zu jun- gen Menschen zu . . . Das Kriteri- um müsste eigentlich lauten: „No risk, no burden“, damit die Men- schen, die durch ihre geistige Be- hinderung oder zum Beispiel durch Altersdemenz sowieso schon ge- schlagen genug sind, nicht noch weiter belastet werden. Bei der ge- planten beziehungsweise nicht aus- geschlossenen Forschung soll ein Nutzen, zum Beispiel auch für Ge- sunde auf Kosten von „Patienten“, also Leidenden erzielt werden. Dies ist auf keinen Fall hinnehmbar. So- wohl die Deklaration von Helsinki als auch die Bioethikkonvention sollten daher dahingehend geändert werden, dass fremdnützige For- schung mit nicht einwilligungsfähi- gen Teilnehmern strikt unter Strafe gestellt wird.

Dr. med. Elke Fischer,Erich-Lawatsch-Weg 35, 42327 Wuppertal

GESUNDHEITSPOLITIK

Immunisierung

Die Gesundheitsausgaben liegen in Deutschland jährlich bei circa 250 Milliarden Euro. Das ist mehr, als die deutsche Automobilindustrie weltweit an Umsatz hat. Wo so viel Geld bewegt wird, darf man keine politische Ruhezone erwarten. Der aktuelle Streit um die Ärztehonorare und den Gesundheitsfonds belegt dies einmal mehr. Ähnlich wie in der Arbeitsmarkt- oder der Bildungspo- litik wird der Streit dabei auch in der Gesundheitspolitik oft auf der Ebene ideologischer Reflexe ausgetragen.

Von „Mythen der Gesundheitspoli- tik“ spricht Hartmut Reiners in sei- nem Buch, mit dem er an das vor zehn Jahren vorgelegte Werk „Das Märchen von der Kostenexplosion.

Populäre Irrtümer zur Gesundheits- politik“ anschließt. Hartmut Reiners geht auf zehn gängige Topoi der gesundheitspolitischen Debatte ein:

die Rede von der Kostenexplosion im Gesundheitswesen, das Argument zu hoher Lohn- nebenkosten als Gefahr für den Standort Deutschland, die Warnung vor der Über- forderung des Solidarsys- tems durch die alternde Ge- sellschaft, die These von der Medizin in der Fort- schrittsfalle, die angebliche Vollkaskomentalität der Ver- sicherten als Kostentreiber im Gesundheitswesen, die Behauptung, die gesetzliche Krankenversicherung sei ohne so- lide Finanzierung, den Verweis auf einen Ärztemangel in Deutschland, die Klage über die aufgeblähte Kas- senbürokratie, die Forderung nach mehr Wettbewerb und Deregulie- rung im Gesundheitswesen und den Ruf nach einer fundamentalen Kran- kenversicherungsreform aus einem Guss.

Reiners betrachtet diese Thesen als empirisch unhaltbar und führt da- zu umfangreiches statistisches Mate- rial sowie Studien der Versorgungs- forschung und der Wirtschafts- wissenschaften an. Man kann diese Befunde vielleicht in dem einen oder anderen Fall anders interpretieren, man sollte sie aber zumindest ken-

nen, wenn man sich an der Debatte beteiligt. Es würde dem Diskussions- niveau in der Gesundheitspolitik si- cher guttun, wenn die privaten Kran- kenkassen nicht mehr als Hort des Wettbewerbs im Gesundheitswesen gelten würden (Versicherte können kaum wechseln), wenn die begrenzte und oft intentionswidrige Steue- rungswirkung von Zuzahlungen be- kannter wäre oder die Problematik der Moral-Hazard-Theorie bei der In- anspruchnahme von Versorgungsleis- tungen. Vielleicht würde dann auch die Diskussion um die Alternative Ka- pitaldeckung versus Umlagesystem weniger ideologisch geführt werden.

Es entbehrt ja nicht einer gewissen Ironie, dass in der Finanzkrise gera- de die kapitalgedeckten Systeme auf staatliche Hilfe (also auf Umlagefi- nanzierung) im Rahmen der Fi- nanzmarktstabilisierung angewie- sen sind.

Die Lektüre des Buches wird dem Leser einfach gemacht: Das Einlei- tungskapitel fasst die zehn Thesen und die Gegenargumente auf acht Seiten kurz und knapp zusammen.

Dieses Lesepensum sollten sogar Po- litiker schaffen, und ihnen ist es auch ganz besonders zu empfehlen, denn allzu oft hat man den Eindruck, dass sie nur ausgetretenen argumentati- ven Trampelpfaden folgen, die von allen guten Geistern längst verlassen sind. Reiners hat ein allgemeinver- ständliches und gut lesbares Buch geschrieben, das als Einführung in die Gesundheitspolitik für eine breite Leserschaft geeignet ist. Bei einer Neuauflage sollten allerdings die vielen Druckfehler bereinigt werden, zumal sie zum Teil auch inhaltlich ir- ritieren.

Reiners schöpft aus dem Erfah- rungsreichtum seiner langen Tätig- keit im brandenburgischen Gesund- heitsministerium und der Beteiligung an den meisten Gesundheitsreformen der letzten Zeit. Das Buch stellt so- mit auch seine persönliche Bilanz dar. An vielen Stellen hat das Buch die Form einer zornigen Rede, und manchmal vielleicht auch einen Schuss Polemik zu viel. Aber als Im- munisierung gegen das wahrheits- entbundene Gerede, das man in der Gesundheitspolitik so oft hört, ist es unbedingt zu empfehlen. Joseph Kuhn Hartmut Reiners:

Mythen der Gesund- heitspolitik.Huber, Bern 2009, 263 Seiten, kartoniert, 19,95 Euro

Referenzen

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