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Archiv "Deklaration von Helsinki: Neueste Revision" (13.03.2009)

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D

ie Generalversammlung des Weltärztebundes (World Me- dical Association, WMA) verab- schiedete im Jahr 1964 nach lang- wierigen Vorbereitungen eine De- klaration, die den Ort der Zusam- menkunft in ihrem Namen führt: die Deklaration von Helsinki. Sie ent- hält die ethischen Richtlinien zur medizinischen Forschung aus Sicht der Ärzteschaft und ist zusammen mit dem Genfer Gelöbnis von 1949

ohne Zweifel die bedeutendste nor- mative Vorgabe des WMA. Die De- klaration von Helsinki ist zwar kein bindendes Regelwerk, aber auf sie wird in vielen Gesetzeswerken weltweit Bezug genommen (1). In Deutschland fand sie Eingang in die Berufsordnung für Ärzte.

Auf die erste grundlegende Revi- sion der Deklaration im Jahr 1975 in Tokio folgten kleinere Änderungen in den Jahren 1983, 1989 und 1996.

Eine zweite komplette Überarbei- tung wurde im Oktober 2000 in Edinburgh angenommen, 2002 und 2004 folgten klarstellende Kom- mentare. Bereits die Version aus dem Jahr 2000 löste mit den beiden umstrittenen §§ 29 und 30 heftige Debatten aus. § 29 limitierte den Einsatz von Placebos auf Studien, bei denen es kein erprobtes pro- phylaktisches, diagnostisches oder therapeutisches Verfahren gibt. Wäh- rend viele diese strikte Einschrän- kung begrüßten, bemängelten Kriti- ker, dass der Gebrauch von Placebos dadurch zu sehr eingeschränkt sei und wichtige Forschung behindert würde. Mit dem klarstellenden Kom- mentar aus dem Jahr 2002 wurde die Regelung deutlich gelockert und der Einsatz von Placebos erlaubt, wenn es zwingende und wissenschaftliche Gründe gibt oderwenn eine Metho- de bei einer nicht schwerwiegenden Krankheit erprobt wird und die Pa- tienten, die Placebos erhalten, nicht der zusätzlichen Gefahr eines erns- ten oder irreversiblen Schadens aus- gesetzt sind.

Gemäß § 30 sollten am Ende ei- ner Studie alle teilnehmenden Pati- enten Zugang zu denjenigen Ver- fahren erhalten, die sich in der Er- probung als am wirksamsten erwie- sen hatten. Mit dieser Regelung sah sich insbesondere die Pharmaindus- trie einer möglichen Kostenlawine gegenübergestellt, die groß ange- legte Forschungsprojekte empfind- lich einschränken könnte. Der klar- stellende Kommentar aus dem Jahr 2004 erlaubte deshalb, dass die Stu- dienteilnehmer alternativ zu dem als vorteilhaft erwiesenen Verfahren auch eine andere geeignete Behand- lung erhalten können.

Neben diesen beiden Paragrafen und den ergänzenden Kommentaren DEKLARATION VON HELSINKI

Neueste Revision

Die im Jahr 2008 in Seoul revidierte Fassung hat Lücken geschlossen und enthält mehr Unstrittiges als Umstrittenes.

Urban Wiesing, Ramin W. Parsa-Parsi

Im Jahr 1964 wurde die Deklarati- on von Helsinki be- schlossen. Auf die erste grundlegende Revision im Jahr 1975 folgten kleine- re Änderungen. Eine komplette Überar- beitung aus dem Jahr 2000 löste hef- tige Debatten aus.

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Die Regeln der 1964 in Helsinki be- schlossenen Dekla- ration werden in fast jedem Land ange- wandt. In Deutsch- land fand die Dekla- ration Eingang in die Berufsordnung für Ärzte.

aus den Jahren 2002 und 2004 sorg- ten andere Punkte kontinuierlich für Kritik und Diskussionen. Dazu zählten die grundsätzliche Frage, für wen die Deklaration eigentlich gelten soll, die Rolle der Ethikkom- missionen, die Forschung an be- nachteiligten oder besonders ge- fährdeten Bevölkerungsgruppen und die fremdnützige Forschung an nicht einwilligungsfähigen Proban- den und Patienten.

So gelangte die WMA-Vor- standssitzung im Mai 2007 zu der Überzeugung, dass die Deklaration von Helsinki einer erneuten Revi- sion bedurfte. Eine Arbeitsgruppe sollte das Dokument aktualisieren und überarbeiten, ohne größere Ver- änderungen an Charakter und Um- fang vorzunehmen. Neben der Bundesärztekammer waren die bra- silianische, japanische, schwedische und südafrikanische Ärzteorganisa- tion in der Arbeitsgruppe vertreten.

Unter Berücksichtung der Ergebnis- se von drei internationalen Arbeits- tagungen und des öffentlichen Diskurses unterbreitete die Arbeits- gruppe schließlich der WMA-Gene- ralversammlung im Oktober 2008 in Seoul eine vollständig überarbei- tete Version. Nach zum Teil heftigen Debatten verabschiedeten die Dele- gierten die neue Fassung der Dekla- ration von Helsinki mit 99 zu 17 Stimmen, bei zwei Enthaltungen.

Umfang und Charakter der Deklaration

Auch nur einen Bruchteil der Anre- gungen aufzunehmen, die bei der Arbeitsgruppe eingegangen waren, hätte bedeutet, das Spektrum der nor- mativen Äußerungen erheblich zu erweitern und den Charakter der Deklaration zu verändern. Deshalb entschied die Arbeitsgruppe, sich weiterhin auf die unmittelbaren ärzt- lichen Aspekte der Forschungsethik zu konzentrieren. Die Deklaration sollte sich ferner auf allgemeine Vor- gaben beschränken, wenngleich sie einige Themen ausführlicher behan- delt, beispielsweise die Anforderun- gen an das informierte Einverständ- nis. Angestrebt wurde eine Evolution und keine grundlegende Neuerung.

Bereits im ersten und im neuen zweiten Paragrafen hat der Weltärz-

tebund eine wichtige Klarstellung vorgenommen und damit auf be- rechtigte Kritik reagiert: Mit der Festlegung, dass der Weltärztebund nur für Ärzte sprechen kann und nicht für andere Berufsgruppen, ist eine begrüßenswerte Begrenzung vorgenommen worden. Entspre- chend nutzt die neue Deklaration das Wort „physician“ und grenzt diesen Begriff klar von „health care professional“ in anderen Teilen des Dokuments ab. Der zusätzliche § 2 ermutigt gleichwohl andere Berufs- gruppen, sich diesen ethischen Prin- zipien anzuschließen. Diese Ände- rung orientiert sich an dem Grund- satz, dass Zusammenschlüsse von Menschen oder von Berufsorganisa- tionen ohne besondere Ermächti- gung von sich aus keine normativen Vorgaben für andere Menschen be- ziehungsweise Berufsorganisationen

festlegen können. Gleichzeitig be- rücksichtigt die Empfehlung des

§ 2, dass heutzutage verschiedene Berufsgruppen an der Forschung am Menschen beteiligt sind und die Prinzipien deshalb für alle Berufs- gruppen gelten sollten.

Die Rolle der Ethikkommissio- nen:Der neue § 15 schreibt Ärztin- nen und Ärzten vor, vor Beginn ei- ner Studie einer Forschungsethik- kommission (FEK) ein Studienpro- tokoll vorzulegen. Das Recht der Zustimmung (approval) vor Studi- enbeginn steht nicht im Einklang mit Studien, die nach der (Muster-)Be- rufsordnung in Deutschland durch-

geführt werden. Außerdem sollen auch nachträgliche Änderungen des Studienprotokolls nur mit Zustim- mung der FEK möglich sein.

Forschung an benachteiligten oder besonders gefährdeten Be- völkerungsgruppen:Während bis- her vorgeschrieben war, dass der Nutzen einer klinischen Forschung an einer Bevölkerungsgruppe genau dieser Zielgruppe zukommen müsse (§ 19), grenzt die neue Version im

§ 17 dieses Prinzip auf Forschung mit benachteiligten oder besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen ein. Demnach gilt dieses Prinzip nach wie vor für diese spezifizierte, aber nicht mehr für alle Bevölke- rungsgruppen. Man darf also zum Beispiel weiterhin in Entwicklungs- ländern keine Forschung am Men- schen durchführen, von der die dor- tige Bevölkerung nicht profitieren

wird und deren Ergebnisse nur für entwickelte Länder bestimmt sind.

Forschung in entwickelten Ländern ist allerdings auch dann zulässig, wenn diese Bedingungen nicht er- füllt sind (sofern nicht benachteilig- te oder besonders gefährdete Bevöl- kerungsgruppen involviert sind).

Die neue Formulierung lockert die alte Forderung zwar etwas, bewahrt aber den Schutz für benachteiligte oder besonders gefährdete Bevölke- rungsgruppen uneingeschränkt.

Publikation in einem öffentli- chen Studienregister:Der zusätzli- che § 19 sieht eine Registrierung al- ler Studien vor dem Einschluss von

Fotos:Archiv

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Studienteilnehmern in einer öffent- lich zugänglichen Datenbank vor.

Damit greift er eine vielfach erhobe- ne Forderung auf, jedoch in breites- ter Form: Ein Ausschluss von Pha- se-I-Studien von der Pflicht zur Registrierung ist nicht vorgesehen.

Dies widerspricht den Forderungen der pharmazeutischen Industrie (2).

Forschung mit identifizierba- ren Körpermaterialien: Mit dem zusätzlichen § 25 zum Umgang mit identifizierbaren Körpermaterialien, bei denen ein informiertes Einver- ständnis nicht mehr oder nur unver- hältnismäßig aufwendig eingeholt werden kann, hat die Deklaration auf ein Problem geantwortet, das viele Forscher und Ethikkommissionen nur zu gut kennen: In den meisten Instituten, die seit Jahren Körperma- terialien sammeln, lagern Präparate, die zu einer Zeit entnommen wur- den, als die Anforderungen an das informierte Einverständnis nicht so explizit waren wie heute, oder bei denen das Einverständnis nur für ein enges Forschungsgebiet vorliegt.

Diese Präparate dürften entspre- chend gar nicht oder nur begrenzt untersucht werden. Um dies zu än- dern, müssten die Forscher ein neues informiertes Einverständnis einho- len, was häufig nicht mehr möglich oder unverhältnismäßig aufwendig ist. Indem die Deklaration von Hel- sinki für diese Fälle den Verzicht auf das informierte Einverständnis er- laubt und die Zustimmung der FEK fordert, hat sie eine wichtige Vorga- be für die Praxis gemacht. Mit der zusätzlichen Möglichkeit, auf ein in-

formiertes Einverständnis verzich- ten zu können (mit Zustimmung der FEK), weil ansonsten die Validität der Studie gefährdet wäre, eröffnet die Deklaration jedoch eine weitere Option, die die Stellungnahmen der Zentralen Ethik-Kommission bei der Bundesärztekammer (3) und des Nationalen Ethikrats (4) bisher nicht erwähnen (5).

Fremdnützige Forschung mit nicht einwilligungsfähigen Teil- nehmern:Mit dem Kriterium mini- mal risk/minimal burden bei fremd- nütziger Forschung an nicht einwil- ligungsfähigen Patienten hat die Deklaration von Helsinki im letzten Satz des neuen § 27 eine Bedingung aufgenommen, die bereits die Bio- ethikkonvention des Europarats

(Konvention von Oviedo) anführt, auch wenn diese weitere Bedingun- gen zulässt, wie den Gruppennutzen in einer Altersklasse. Die Änderun- gen stellen somit einen zusätzlichen Schutz für nicht einwilligungsfähi- ge Studienteilnehmer dar. Das ist ei- ne wünschenswerte Ergänzung, in- sofern, als die Deklaration in diesem Punkt immer liberaler war als die Bioethikkonvention, die gerade des- wegen von vielen kritisiert und un- ter anderem deshalb von Deutsch- land noch nicht unterzeichnet wur- de. Erstaunlicherweise hatten die politischen Entscheidungsträger die

bisherige, großzügigere Regelung der Deklaration von Helsinki offen- sichtlich nicht bemerkt – zumindest ist sie deswegen bislang nicht öf- fentlich kritisiert worden.

Forschung und Placebo Besonders umstritten blieb das Pro- blem der Forschung mit Placebo, sofern eine geprüfte Standardthera- pie vorhanden ist. Bis zur Version im Jahr 2000 hatte die Deklaration von Helsinki diese Option katego- risch ausgeschlossen. Der klarstel- lende Kommentar aus dem Jahr 2002 hat diese Politik grundlegend gewandelt. Insofern war der Kom- mentar keine Klarstellung, sondern ein Wechsel im Paradigma. Er er- laubte, neue Präparate gegen Place- bo zu testen, auch wenn bereits eine Standardtherapie vorhanden war, sofern wissenschaftliche Gründe ei- ne solche Erforschung erforderten oderdie Patienten nicht mit ernst- haften und irreversiblen Schäden zu rechnen hätten. Vor allem die Ver- bindung der beiden Bedingungen mit dem Wort „oder“ stand in der Kritik: „Damit wird das Wohl der Versuchsteilnehmer in kaum verant- wortbarer Weise dem wissenschaft- lichen Erkenntnisgewinn unterge- ordnet“ (6). Unter den zahlreichen Empfehlungen zur Forschung mit Placebos nahm die Deklaration von Helsinki eine extrem freizügige Po- sition ein (7).

Nicht kontrovers blieb bei der aktuellen Überarbeitung der Vor- schlag, den klarstellenden Kom- mentar in den Text aufzunehmen.

Zudem bildete sich eine Mehrheit, die die beiden Bedingungen (wis- senschaftliche Notwendigkeit, kein ernsthafter und irreversibler Scha- den) mit einem undverknüpft sehen wollte. Dieser Paragraf blieb aller- dings umstritten. Bis zum Ende des Beratungsprozesses äußerten sich Stimmen, die ein völliges Verbot des Vergleichs einer neuen Therapie gegen Placebo forderten, sofern ei- ne geprüfte Standardtherapie vor- Ein Titelaufsatz

in DÄ, Heft 7/2002 beschäftigte sich un- ter anderem mit der umstrittenen Neu- fassung der Deklara- tion, die im Oktober 2000 beschlossen wurde, und dem klarstellenden Kom- mentar aus dem Jahr 2002.

Es handelt sich „nur“ um eine Aktualisierung

und Weiterentwicklung der Deklaration.

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handen sei. Nach ausgiebigen Be- ratungen ergänzte die Generalver- sammlung in Seoul im Rahmen der Überarbeitung des neuen § 32 als Teilkompromiss den Satz: „Extreme care must be taken to avoid abuse of this option.“ Eine WMA-Arbeits- gruppe wird die weiterhin bestehen- de Kontroverse zu Placebos in klini- schen Studien beraten.

Mit der Formulierung „best cur- rent proven intervention“ hat die De- klaration den besten gesicherten Standard als Vergleich in klinischen Studien festgelegt und nur die beschriebenen Ausnahmen zugelas-

sen. Es gibt aber viele Regionen in der Welt, die – allein aus finanziellen Gründen – nicht über den besten me- dizinischen Standard verfügen. Mit der Festlegung auf die beste gesi- cherte Intervention hat die Deklarati- on den zweitbesten Standard als Ver- gleich ausgeschlossen und damit kli- nische Forscher in einigen Teilen der Welt vor ein Problem gestellt. Diese Regelung könnte die ohnehin man- gelhafte Forschung in Entwicklungs- ländern noch weiter einschränken.

Auch die Rechte der Studienteil- nehmer nach Abschluss einer Studie wurden kontrovers diskutiert. Die alte Formulierung legte fest, dass al- le Patienten nach Abschluss der Stu- die Zugang zu den als überlegen be- werteten Methoden haben sollten.

Diese Norm ist unscharf: Wer ist dafür verantwortlich – finanziell und organisatorisch –, wofür genau und wie lange? Gilt die Vorschrift auch, wenn sich der Standard als überlegen herausstellen sollte? Auf- grund dieser Unklarheiten gab es bei den Beratungen zwischenzeit- lich den Vorschlag, den Patienten nur noch ein Recht zuzubilligen, über die „post study arrangements“

im Voraus informiert zu werden.

Die jeweiligen Vereinbarungen wären demnach nicht weiter inhalt- lich bewertet worden, jede Rege- lung wäre akzeptabel gewesen. Dies hätte jedoch die Rechte der Studien- teilnehmer deutlich geschwächt und galt deswegen als inakzeptabel.

Deshalb hat der neue § 33 (und zum Teil der neue § 14) die alte Formu- lierung des klarstellenden Kom- mentars aufgenommen, jedoch et- was unschärfer formuliert: „For ex- ample, access to interventions iden- tified as beneficial in the study or to other appropriate care or benefits.“

Mit dem „for example“ bleiben die Interpretationsschwierigkeiten vor- handen, die – wenn auch unklaren – Rechte des Patienten wurden aber nicht zurückgenommen.

Zusammenfassung und Ausblick

Aufgrund der Vorgabe an die Ar- beitsgruppe, die Deklaration von Helsinki in ihrem Charakter und Umfang im Wesentlichen nicht zu verändern, enthält die überarbeitete Version – bis auf wenige Sätze – kei- ne grundsätzlich neuen Aspekte. Es handelt sich somit „nur“ um eine Aktualisierung und Weiterentwick- lung der Deklaration. Für eine wei- tere Revision bieten sich jetzt bereits mehrere Themen an. Hierzu zählen die Rechte der Studienteilnehmer nach Abschluss einer Studie sowie die Forschung mit Placebo. Schon vor der letzten Revision bemerkte Richard Ascroft in „The Declaration of Helsinki“ in weiser Voraussicht, die Deklaration von Helsinki werde wahrscheinlich stets weiter überar- beitet und bleibe immer kontrovers (8). Diese Vermutung scheint zuzu- treffen. Man darf den Wert und die Vorteile dieses Dokuments jedoch nicht unterschätzen: Es erhebt den

Anspruch internationaler Gültigkeit oberhalb von Gesetzen, ist ein Do- kument von Ärzten für Ärzte, ist weithin bekannt und verfügbar, be- sitzt mittlerweile eine lange Traditi- on und enthält deutlich mehr Un- strittiges als Umstrittenes. Die neue Fassung hat zudem Lücken ge- schlossen, wichtige Details ergänzt, der Text wurde sprachlich überar- beitet und stellt nach Auffassung des WMA eine Verbesserung dar. Daran ändern auch die Punkte nichts, die weiterer Bearbeitung bedürfen.

Es bleibt die Frage, wie das Do- kument implementiert werden wird – auch in Deutschland. Die US-ame- rikanische Food and Drug Adminis- tration (FDA) hat am 27. Oktober 2008 verkündet, dass ausländische Studien nicht mehr im Einklang mit der Deklaration von Helsinki stehen müssten, stattdessen gelten die we- niger restriktiven Vorschriften der good clinical practice (GCP) (De- partment of Health and Human Ser- vices, FDA). Diese Entscheidung stößt auf deutliche Kritik, in der die neue US-Regierung aufgefordert wird, sie zurückzunehmen, und die medizinischen Fachgesellschaften von ihren Mitgliedern den ethischen Standard der Deklaration von Helsi- niki einfordern sollen (10). Bislang verweisen die hiesigen Landesärzte- kammern (1) und Ethikkommissio- nen (9) auf unterschiedliche Versio- nen der Deklaration von Helsinki, wobei sie nicht immer die aktuell gültige Fassung des WMA berück- sichtigen. Es wäre dem jetzigen Dokument zu wünschen, dass seine Überzeugungskraft und Wirkung an der föderalen Verfasstheit der Ärzte- schaft keinen Schaden nimmt.

❚Zitierweise dieses Beitrags:

Dtsch Arztebl 2009; 106(11): A 503–6 Anschriften der Verfasser

Prof. Dr. med. Dr. phil. Urban Wiesing Universität Tübingen

Institut für Ethik und Geschichte der Medizin Gartenstraße 47, 72074 Tübingen E-Mail: urban.wiesing@uni-tuebingen.de Dr. med. Ramin W. Parsa-Parsi MPH Dezernet, Auslandsdienst, Bundesärztekammer Herbert-Lewin-Platz 1, 10623 Berlin E-Mail: rparsi@baek.de

Die Deklaration im Internet:

www.aerzteblatt.de/09503;

Literatur: www.aerzteblatt.de/lit1109

@

Zu den wichtigs- ten Zielen der De- klaration gehören die Erfordernis der Ein- willigung nach Auf- klärung und die Aus- gewogenheit von Nutzen und Risiko.

(5)

LITERATUR

1. Sprumont D, Girardin S, Lemmens T (2007):

The Helsinki Declaration and the Law: an In- ternational and Comparative Analysis. In:

Andreas Frewer, Ulf Schmidt (Hrsg.) History and Theory of Human Experimentation. The Declaration of Helsinki and Modern Medical Ethics Franz Steiner Verlag, Stuttgart 2007:

223–52

2. Normile D (2008): Clinical Trails Guidelines at Odds With U.S. Policy. Science 322: 516.

3. Zentrale Ethikkommission bei der Bundes- ärztekammer (2003): Die (Weiter-)Verwen- dung von menschlichen Körpermaterialien für Zwecke medizinischer Forschung www.zentrale-ethikkommission.de/page.

asp?his=0.1.21 (zuletzt aufgerufen am 25. 11. 2008).

4. Nationaler Ethikrat (2004): Biobanken für die Forschung. www.ethikrat.org/stellung nahmen/stellungnahmen.html (zuletzt auf- gerufen am 25. 11. 2008.

5. Wiesing U (2004): Formen der Einwilligung zur Verwendung von menschlichen Gewe- ben und Zellen in der medizinischen For- schung. In: Bundesärztekammer (Hg.) Sym- posium Gewebeverwendung und Transplan- tationsmedizin - Bestandsaufnahmen und Perspektiven. Deutscher Ärzte-Verlag, Köln:

88–97.

6. Taupitz J (2002): Note of clarification.

Kaum zu verantworten. Dtsch Arzteblatt 99:

A 411.

7. Ehni H J, Wiesing U (2008): International Ethical Regulations of Placebo-controlled Clinical Trials. Bioethics 22, S. 64–74.

8. Ashcroft R (2008): The Declaration of Hel- sinki. In: Ezekiel J. Emanuel, Christine Gra- dy, Robert A. Crouch, Reidar K. Lie, Franklin G. Miller, David Wendler (Hrsg.) The Oxford Textbook of Clinical Research Ethics, Oxford University Press, Oxford New York, S. 141–8.

9. Richter C, Bussar-Maatz R (2005): Deklara- tion von Helsinki. Standard Ärztlicher Ethik.

Plädoyer für eine klare und einheitliche Richtlinie zur Anwendung der Deklaration.

Dtsch Arzteblatt 102: A 730–4.

2. Europarat (1997): Übereinkommen zum Schutz der Menschenrechte und der Men-

schenwürde im Hinblick auf die Anwendung von Biologie und Medizin: Übereinkommen über Menschenrechte und Biomedizin, Oviedo, 4.IV.1997. http://conventions.

coe.int/Treaty/ger/Treaties/Html/164.htm (zuletzt aufgerufen am 28. 11. 2008).

9. VFA (Verband forschender Arzneimittelher- steller) (2008): VFA-Positionspapier: Regi- strierung/Publikation von klinischen Studi- en. www.vfa.de/download/SHOW/de/inline/

vfapositionen/pos-registrierung.html/pos- registrierung.pdf (zuletzt aufgerufen am 28. 11. 2008).

10. Kimmelmann J, Weijer C, Meslin E, (2009) Helsinki Discords: FDA, ethics, and inter- national drug trials. The Lancet 373:

13–14

LITERATURVERZEICHNIS HEFT 11/2009, ZU:

DEKLARATION VON HELSINKI

Neueste Revision

Die im Jahr 2008 in Seoul revidierte Fassung hat Lücken geschlossen und enthält mehr Unstrittiges als Umstrittenes.

Urban Wiesing, Ramin W. Parsa-Parsi

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