Deutsches Ärzteblatt
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Jg. 111|
Heft 47|
21. November 2014 A 2035V
or 50 Jahren wurde die neben dem Genfer Gelöb- nis bedeutendste normative Vorgabe des Weltärz- tebundes (World Medical Association, WMA) verab- schiedet – die Deklaration von Helsinki. Sie stellte Prinzipien auf, die gleichzeitig sowohl die Teilnehmer klinischer Studien schützen als auch den medizinischen Fortschritt ermöglichen sollen. Am 11. November wur- de in der finnischen Hauptstadt das Jubiläum im Bei- sein des Staatspräsidenten und zahlreicher internationa- ler Gäste gefeiert.Ein erstes Dokument über ethische Grundsätze war der Nürnberger Kodex. Er war im Jahr 1947 unter dem Eindruck der verbrecherischen Menschenversuche ent- standen, die im Namen medizinischer Forschung in der Zeit des Nationalsozialismus begangen wurden. Unge- fähr zur gleichen Zeit begannen die Mitglieder des Weltärztebundes eine Diskussion über ethische Emp- fehlungen für Ärztinnen und Ärzte, die an medizini- scher Forschung beteiligt sind. Erst viele Jahre später konnte man sich nach intensiven Debatten und Kontro- versen auf einen Textentwurf einigen, der schließlich von der 18. WMA-Generalversammlung 1964 be- schlossen wurde.
Der Präsident der Bundesärztekammer, Prof. Dr.
med. Frank Ulrich Montgomery, würdigte auf der Jahresversammlung des Arbeitskreises medizinischer Ethikkommissionen in Berlin die Deklaration als ein Dokument, das sich „in ihrem Charakter und Format von anderen Richtlinien unterscheidet. Sie ist immer ein Dokument von ethischen Prinzipien geblieben und nicht zu einem detaillierten Handbuch oder Regelwerk mutiert“. Am wichtigsten aber sei und bleibe die mora- lische Autorität gegenüber der Ärzteschaft. „Jede Ärz- tin und jeder Arzt ist an ihre Prinzipien gebunden. Sie wurde von Ärztinnen und Ärzten für Ärztinnen und Ärzte entwickelt“.
Es gibt aber noch einen weiteren Grund zum Feiern.
Im vergangenen Jahr wurde nämlich im brasilianischen Fortaleza anlässlich des bevorstehenden 50-jährigen Jubiläums der Deklaration von Helsinki der Text einer
grundlegenden Revision unterzogen. Die Deklaration war bereits vorher mehrfach überarbeitet worden, zum ersten Mal 1975 in Tokio. Gründe für die letzte Revisi- on 2013 waren die bis dahin umstrittene Placebo-Rege- lung und die Globalisierung der Forschung am Men- schen, wie Prof. Dr. med. Urban Wiesing berichtete, der als medizinethischer Berater der WMA maßgeblich an der Überarbeitung beteiligt war. Der Weltärztebund hatte die Bundesärztekammer mit der Leitung der fe- derführenden Arbeitsgruppe beauftragt. Das ist vor dem Hintergrund der Vergangenheit sicher als „ein his- torisches Ereignis zu betrachten“, betonte Wiesing.
Das überarbeitete Dokument besticht durch eine neue Struktur. Themen wurden gebündelt, sprachlich wurde die Neufassung präzisiert. Außerdem wurden Zwischenüberschriften eingeführt. Das macht die De- klaration erheblich lesbarer. Die revidierte Deklaration, die seit kurzem auch in deutscher Übersetzung vorliegt, verbessert den Schutz vulnerabler Gruppen und bezieht zum ersten Mal den Aspekt der Kompensation für Stu- dienteilnehmer ein. Zudem werden explizit Forderun- gen an die Ethikkommissionen aufgestellt. Aber auch für eine weitere Revision bieten sich bereits mehrere Themen an. Dazu gehören die Rechte der Studienteil- nehmer nach Abschluss einer Studie und die nach wie vor diskutierte Placeboforschung.
DEKLARATION VON HELSINKI
Moralische Autorität
Gisela Klinkhammer
Gisela Klinkhammer Chefin vom Dienst (Text)