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und Angeboten für die Sekundarstufe 2 Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science an der Karl-Franzens-Universität Graz

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Academic year: 2022

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Schulische Prävention depressiver Störungen

Eine Untersuchung zu depressionspräventiven Maßnahmen und Angeboten für die Sekundarstufe 2

Masterarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades Master of Science

an der

Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von Moritz KOBALD

am Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft Begutachterin: HS-Prof. Dr. Karina Fernandez

Graz, 2021

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Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre eidesstattlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen nicht benutzt und die den Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe. Die Ar- beit wurde bisher in gleicher oder ähnlicher Form keiner anderen inländischen oder aus- ländischen Prüfungsbehörde vorgelegt und auch noch nicht veröffentlicht. Die vorlie- gende Fassung entspricht der eingereichten elektronischen Version.

Graz, Juni 2021

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I

Abstract

Numerous studies from around the globe show that depression amongst children and ad- olescents is a widespread problem, that restrains those affected in their development.

Even though the numbers regarding Austria’s youth are concerning, the prevention of juvenile depression does not receive appropriate attention. Schools provide an ideal place to implement preventive actions, as children and adolescents gather and spend an enor- mous amount of time at school. In addition, critical personal situations often occur at school. Unfortunately, the teaching principle for health promotion and its spare realiza- tion are not sufficient when tackling the challenge. Therefore, the empirical part of this thesis aims to illustrate and analyze offers of external organizations that can help school staff in preventing mental health issues amongst children and adolescents. To gather the information needed, seven expert interviews with representatives of organizations related to preventive programs or health promotion at school, were conducted. In doing so, pre- ventive measures regarding topics such as the promotion of personal resources, various coping strategies, classroom atmosphere and bullying, destigmatization and the develop- ment of emotional skills were found. However, based on the experts’ subjective point of view and their experiences, one of the main results of this thesis is that not enough is being done to prevent youth depression at school. The high prevalence of clinical depres- sion during childhood and adolescence supports that claim. Furthermore, the interviews indicate a lack of resources regarding the prevention of juvenile depression at Austrian schools.

(4)

II

Abstract (Deutsch)

Eine Vielzahl von Studien zeigt auf, dass depressive Störungen bei Kindern und Jugend- lichen häufig auftreten und diese in ihrer Entwicklung negativ beeinflussen. Trotz der hohen Prävalenz bei österreichischen Jugendlichen wird der Thematik nicht ausreichend Beachtung zugebracht. Schulen bieten einen optimalen Ort, um Maßnahmen bezüglich der Prävention von Depressionen zu implementieren, da Kinder und Jugendliche hier ver- sammelt sind und einen Großteil ihrer Zeit verbringen. Zudem können in der Schule be- lastende Herausforderungen und Situationen auftreten, die sich in diesem Zusammenhang verhindert lassen. Das Unterrichtsprinzip der Gesundheitsförderung und dessen rudimen- täre Umsetzung in den Schulen reicht nicht aus, um einer nachhaltigen, schulischen De- pressionsprävention gerecht zu werden. Deshalb werden im empirischen Teil dieser Ar- beit Angebote von schulexternen Unterstützungssystemen aufgezeigt und diskutiert, die sich mit der Prävention von depressiven Störungen in der Schule beschäftigen. Hierfür wurden sieben Experteninterviews mit Vertreterinnen von Organisationen durchgeführt, die Programme zur Prävention und Gesundheitsförderung in den Schulen umsetzen. Im Zuge dessen wurden präventive Maßnahmen wie beispielsweise die Förderung persönli- cher Ressourcen, das Erlernen von Bewältigungsstrategien, die Weiterentwicklung emo- tionaler Kompetenzen sowie Schritte zur Förderung des Klassenklimas und zur Entstig- matisierung gefunden. Jedoch kommen die Expertinnen zum Schluss, dass in den Schulen nicht genügend Präventionsarbeit geleistet wird. Die hohen Zahlen in Bezug auf depres- sive Störungen bei Kindern und Jugendlichen bestätigen dies. Des Weiteren ergeben die Interviews, dass ein Mangel an Ressourcen hinsichtlich der Prävention von Depressionen im Kindes- und Jugendalter besteht.

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III

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis ... VI Tabellenverzeichnis ... VI

1. Einleitung ... 1

2. Grundlagen zum Verständnis der Depression im jungen Alter ... 3

2.1. Allgemeine Begriffsbestimmung ... 3

2.2. Kinder und Jugendliche mit Depressionen ... 4

2.3. Geschlechtsspezifische Unterschiede ... 5

2.4. Depressionen in der Schule – Das Unterrichtsprinzip Gesundheitsförderung ... 6

3. Formen der Depression ... 8

3.1. Unterscheidung der Depression nach Verlauf und Schweregrad ... 8

3.1.1. Major Depression / Depressive Episode ... 9

3.1.2. Rezidivierende Depression ... 10

3.1.3. Dysthymie ... 11

3.1.4. Manisch-depressive Erkrankung (Bipolare depressive Störungen) ... 12

3.2. Unterscheidung der Depression nach Ursache ... 13

4. Die Entstehung von Depressionen ... 14

4.1. Die Depression als multifaktorielles Geschehen ... 14

4.2. Biologische Erklärungsansätze ... 15

4.2.1. Genetischer Faktor ... 15

4.2.2. Mangel an Neurotransmittern und Störungen des Hormonhaushalts ... 16

4.2.3. Biologische Rhythmusstörung ... 17

(6)

IV

4.3. Psychologische Erklärungsansätze ... 18

4.3.1. Kognitives Modell der Depression nach Beck ... 18

4.3.2. Lerntheoretisches Modell der Depression nach Lewinsohn ... 19

4.3.3. Modell der erlernten Hilflosigkeit von Seligman ... 20

4.3.4. Modell der Selbstkontrolle nach Rehm ... 20

4.3.5. Problemlösungsmodell von Nezu et al. ... 21

4.4. Psychosoziale Belastungen und Risikofaktoren... 21

4.5. Biopsychosoziales Modell ... 27

5. Allgemeine präventive Maßnahmen ... 28

5.1. Förderung der emotionalen Kompetenz ... 28

5.2. Förderung der sozialen Kompetenz ... 30

5.3. Etablieren optimistische Sichtweisen ... 30

5.4. Aufbau von Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen ... 31

5.5. Fördern der Problemlösefähigkeit ... 32

5.6. Erlernen von Entspannungstechniken ... 33

5.7. Verhältnisprävention in der Schule ... 34

6. Präventionsprogramme für Jugendliche ... 35

6.1. GO! - Gesundheit und Optimismus... 36

6.2. LARS & LISA... 37

6.3. Youth Aware of Mental Health ... 38

6.4. Etablierungsempfehlungen ... 39

6.5. Weitere Programme ... 39

(7)

V

7. Empirische Untersuchung ... 41

7.1. Zielsetzung und Forschungsfragen ... 41

7.2. Forschungsdesign ... 42

7.3. Erhebungsmethode und Erhebungsinstrument ... 42

7.4. Stichprobe ... 44

7.5. Durchführung der Untersuchung ... 45

7.6. Auswertung ... 46

8. Ergebnisse der Untersuchung ... 48

8.1. Ressourcenbildung ... 48

8.2. Umgang mit Stress, Problemen und Krisen ... 49

8.3. Förderung der emotionalen und sozialen Kompetenz ... 51

8.4. Schulische Verhältnisprävention, Klassenklima und Mobbing ... 52

8.5. Psychoedukative Maßnahmen und Entstigmatisierung ... 54

8.6. Transparenz und Aufbau des Hilfsapparats ... 56

9. Diskussion ... 56

9.1. Schulexterne Unterstützungsangebote zur Depressionsprävention ... 57

9.2. Verfügbare Ressourcen schulexterner Unterstützungsorganisationen ... 60

9.3. Gesetzte Maßnahmen in der Schule ... 63

10. Fazit ... 65

Literatur ... 68

Abkürzungen ... 87

Anhang ... 88

(8)

VI

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Formen der Depression ... 13 Abbildung 2: Integratives Modell - Die Depression als multifaktorielles Geschehen ... 15 Abbildung 3: Biopsychosoziales Modell zur Entstehung der Depression ... 27 Abbildung 4: Kategoriensystem zur Auswertung ... 47

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Im Rahmen der Untersuchung kontaktierte Organisationen... 45

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1

1. Einleitung

Depressive Störungen im Jugendalter sind ein weit verbreitetes Problem mit weitreichen- den psychosozialen Folgen. Die Häufigkeit von Depressionen bei Kindern bzw. Jugend- lichen nimmt nach dem Eintritt in die Pubertät schlagartig zu (Taubman, Parikh, Chris- tensen & Scott, 2019, S. 1; Cyranowski, Frank, Young & Shear, 2000, S. 25). In der damit einhergehenden Zeit werden junge Menschen mit einer Vielzahl von Herausforderungen konfrontiert, Veränderungen müssen bewältigt werden und unterschiedliche Faktoren können eine hohe psychische und emotionale Belastung darstellen. Eine Studie von Wag- ner et al. (2017), an der knapp 4000 österreichische Schüler und Schülerinnen im Alter von zehn bis 18 Jahren teilnahmen, befand, dass 6,2 % der Teilnehmenden während ihres Lebens bereits an einer oder mehreren klinischen Depressionen gelitten haben. Andere Studien aus dem deutschsprachigen Raum geben eine Jahresprävalenz bezüglich depres- siver Störungen bei Jugendlichen von bis zu 6% bzw. eine Lebenszeitprävalenz von bis zu 19% an. Die Differenzen in den Zahlen kommen durch die Verwendung unterschied- licher Messinstrumente und Grenzwerte zustande sowie durch die Tatsache, dass nicht bei allen Untersuchungen immer klar zwischen Depressivität und klinischer Depression unterschieden wird (Alsaker & Bütikofer, 2005, S. 171). Zudem verleiht die aktuell vor- herrschende Pandemie der Thematik neue Brisanz. Pieh et al. (2021) unterstreichen den großen Einfluss der Corona-Krise auf die mentale Gesundheit. Ihrer Studie zufolge liegt bei 55% der mehr als 3000 teilnehmenden 14- bis 20-jährigen Österreichern und Öster- reicherinnen eine klinisch depressive Symptomatik vor und 16% hegen fortwährende Su- izidgedanken. Ein Suizidversuch stellt eine besonders extreme Folgewirkung einer De- pression dar. Die Auswirkungen von depressiven Störungen können aber vielseitig sein und betreffen nicht nur den Gefühlszustand. Depressive Störungen können körperliche Beschwerden, Schlafstörungen, Müdigkeit, Antriebslosigkeit, soziale sowie schulische Probleme und Suchtmittelmissbrauch nach sich ziehen (Klicpera, Gasteiger-Klicpera &

Besic, 2019, S. 77–78). Hinzu kommt, dass österreichische Jugendliche, bei denen sich eine Depression ausgebildet hat, nur selten professionelle Hilfe in Anspruch nehmen (Wagner et al., 2017, S. 1494). Aufgrund der hohen Prävalenz im Jugendalter, den schwe- ren Folgen und der fehlenden Inanspruchnahme von Hilfe kommt der Prävention von depressiven Störungen besondere Bedeutung zu. Präventive Maßnahmen können die Auf- trittswahrscheinlichkeit von Depressionen deutlich verringern, wobei Forschungsergeb- nisse nahelegen, dass bis zu 22% der neuen Fälle verhindert werden können (Cuijpers,

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2

van Straten, Smit, Mihalopoulos, & Beekman, 2008, S. 1278). Vor allem das Jugendalter birgt hier die Chance, Depressionen nicht nur momentan zu verhindern, sondern Wider- standsfähigkeit aufzubauen, auf die auch im späteren Erwachsenenalter zurückgegriffen werden kann. Da die Schule einen wichtigen Lebensraum darstellt, in dem Kinder und Jugendliche einen Großteil ihrer Zeit verbringen, trägt sie eine Mitverantwortung für die psychische Gesundheit der Schüler und Schülerinnen (WHO, 1986).

Aufgrund dessen beschäftigt sich diese Arbeit mit Präventionsmaßnahmen, die sich ge- gen die Entstehung von Depressionen richten und in der Schule implementiert werden können. Das Ziel liegt darin zu erforschen, welche Mittel zur Prävention in der Sekun- darstufe eingesetzt werden können und welche schulexternen Unterstützungsangebote, die für steirische Schulen der Sekundarstufe 2 nutzbar sind, zur Verfügung stehen. Es gibt mehrere externe Organisationen, die Unterstützung für die Umsetzung der schulischen Gesundheitsförderung bieten. In den angebotenen Programmen dieser Organisationen finden sich häufig Maßnahmen, die sich beispielsweise auf die Bereiche Bewegung und Sport, gesunde Ernährung oder Gewalt und Sucht beziehen. Wenn man die Angebote jedoch nach spezifischen Maßnahmen durchforscht, die sich mit der Depressionspräven- tion in der Schule beschäftigen, findet man hierzu weniger Inhalte. Im empirischen Teil dieser Arbeit wurde durch Interviews mit Vertretern der Organisationen erörtert, welche gezielten Maßnahmen bezüglich der Prävention von Depressionen in den angebotenen Programmen gesetzt werden und ob die Unterstützung ausreichend ist. Im voranstehen- den theoretischen Teil, der sogleich folgt, wird zuerst der Begriff der Depression disku- tiert und die Relevanz depressiver Störungen von Jugendlichen in Zusammenhang mit der Schule thematisiert. In weiterer Folge wird auf die verschiedenen Formen der Depres- sion eingegangen, bevor Modelle zu deren Entstehung beleuchtet werden. Das Verständ- nis dieser ist wichtig für die folgende Auseinandersetzung mit depressionspräventiven Maßnahmen. Im abschließenden Teil der theoretischen Arbeit werden dann empirisch evaluierte, universelle Präventionsprogramme vorgestellt.

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2. Grundlagen zum Verständnis der Depression im jungen Alter

2.1. Allgemeine Begriffsbestimmung

Die Frage „Was ist denn eigentlich eine Depression?“ zu klären, stellt eine nicht ganz einfache Aufgabe dar. Das Erscheinungsbild einer Depression kann nämlich vielfältige Gestalt annehmen. Die Symptomatik des Krankheitsbildes ist umfangreich und unter- scheidet sich von Individuum zu Individuum. Zudem gibt es verschiedene Verlaufsfor- men der Depression. Deshalb wurden Klassifikationssysteme entwickelt, um komplexe Krankheitsbilder, wie das der Depression, genauer zu definieren. Im späteren Verlauf dieses Textes wird zu diesen Klassifikationssystemen zurückgekehrt, für den Beginn reicht jedoch erstmals eine etwas allgemeinere Definition.

Die Depression als Krankheit ist kaum jemanden nicht bekannt. Im Alltagsleben wird der Begriff allerdings oftmals, zumindest aus medizinischer Sichtweise, missverständlich oder auf falsche Art und Weise verwendet (Haenel, 2018, S.9). Von der Weltgesundheits- organisation WHO (2021) werden Depressionen als psychische Störungen definiert, die unter anderem durch die Traurigkeit der Betroffenen, fehlendes Selbstwertgefühl sowie deren Interessen- und Freudlosigkeit Ausdruck finden und sich negativ auf die Lebens- qualität auswirken. Erhöhte Reizbarkeit, Kraftlosigkeit, Schlafstörungen und somatische Beschwerden können weitere Symptome darstellen, die mit einer depressiven Störung einhergehen. In besonders schweren Fällen der Depressionen droht Suizidgefahr bei dem bzw. der Betroffenen (Wittchen & Hoyer, 2011, S. 880). Wichtig zu verstehen ist, dass mehr als nur ein einziges Symptom einer depressiven Störung auftreten muss und sich die Symptome über einen bestimmten Zeitraum erstrecken müssen, um von Depressionen sprechen zu können (Haenel, 2018, S.9; Ihle, Groen, Walter, Esser & Petermann, 2012, S. 3; Wittchen & Hoyer, 2011, S. 880). Hierin besteht beispielsweise einer der Unter- schied zum alltäglichen Gebrauch des Begriffs „Depression“, bei dem auch Personen mit kurzzeitigen Verstimmungen oder negativen Ausbrüchen als depressiv bezeichnet wer- den.

Traurigkeit kann zwar ein auftretendes Symptom bei depressiven Personen sein, sie ist jedoch nicht mit einer Depression gleichzusetzen. Nach dem Verlust eines geliebten Men- schen, was ja oftmals als klassisches Beispiel für den Ausgangspunkt der Entstehung ei- ner Depression dient, ist eine Phase der Trauer eine übliche Reaktion. Diese Phase kann

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in eine depressive Störung münden, sie muss es aber nicht. Durch das Trauern können bedrückende Ereignisse verarbeitet werden. Hingegen geraten Depressive oftmals in ei- nen Zustand der völligen Hoffnungs- und Hilfslosigkeit. Während Trauernde ablenkbar sind und durchaus auch Momente der Freude zeigen, ist Menschen mit Depressionen dies nicht möglich. Es kann sogar vorkommen, dass die Fähigkeit zu trauern verloren geht.

Vielmehr macht sich dann ein Gefühl der Leere und Sinnlosigkeit breit (Müller, 2009, S.

26–27).

2.2. Kinder und Jugendliche mit Depressionen

Dass die Möglichkeit der Ausbildung einer Depression bei Kindern und Jugendlichen besteht, war nicht immer die gängige Meinung. Ganz im Gegenteil: In früheren Zeiten wurde in der Wissenschaft die Ansicht vertreten, dass Menschen vor Abschluss ihrer kör- perlichen und kognitiven Entwicklung nicht in eine Depression verfallen können (Lo- haus, 2018, S. 262; Klicpera et al., 2019, S. 75; Steinhausen, 2016, S. 209). Das hatte unter anderem mit unzureichenden Erkenntnissen im Bereich kinder- und jugendpsychi- atrischer Krankheiten zu tun und mit der Symptomatik von Depressionen in jungem Alter, die von den Anzeichen Erwachsener abweichen kann (Mehler-Wex, 2008, S. 2–3). Mit dem Aufkommen des Konzepts der „larvierten“ bzw. „maskierten“ Depression wurde das Verständnis hinsichtlich depressiver Kinder und Jugendlicher gestärkt (Miles & Trowell, 2011, S. 19). Von solch einer Depression spricht man, wenn sich diese weniger durch eine depressive Verstimmung, sondern in erster Linie über Verhaltensauffälligkeiten und somatische Beschwerden äußert. Hierzu zählen beispielsweise Schwindel, Kopfschmer- zen, Kraftlosigkeit, Appetitlosigkeit, Schulangst oder Konzentrationsschwierigkeiten.

Paul Kielholz, der frühere Direktor der Psychiatrischen Universitätsklinik in Basel, der den Begriff der „larvierten“ Depression für den deutschen Sprachgebrauch geprägt hat (Haenel, 2018, S.31–32), erklärt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, dass nun durch dieses neue Verständnis zur Symptomatik von Depressionen die Diagnose der Krankheit bei Kindern und Jugendlichen vermehrt gestellt wird (Kielholz, 1973, S. 11).

Das Ausschließen der Entwicklung von Depressionen im Kindes- und Jugendalter wurde zumeist damit begründet, dass im jungen Alter die kognitiven Voraussetzungen für das Ausbilden einer Depression fehlen. Das lag an dem depressiven Störungen zugrundelie- genden Modell, das lange Zeit im 20. Jahrhundert bestimmend war (Mehler-Wex, 2008, S. 2–3). Dieses von Sigmund Freud entwickelte Strukturmodell der Psyche setzt sich aus

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drei Instanzen zusammen – dem „Es“, dem „Ich und dem „Über-Ich“. Während das „Es“

die im Mensch von Geburt an vorhandenen Bedürfnisse und Triebe, wie den Selbsterhal- tungstrieb und den Sexualtrieb, beschreibt, ging Freud bei dem „Über-Ich“ von einer psy- chischen Struktur aus, die die Werte und die Moral eines Menschen umfasst. Dieses

„Über-Ich“ müsse von den Heranwachsenden im Laufe des Lebens aber erst erworben werden, was vor allem durch die Erziehung und den gesellschaftlichen Rahmen geschehe.

Laut Freud werden im Zuge der persönlichen Entwicklung die moralischen Prinzipien des „Über-Ich“ zum Gewissen des Menschen, wonach sie dessen Handlungen immer stär- ker leiten, während sie vom „Ich“ kritisch hinterfragt und danach ausgeführt werden. Das erst zu entwickelnde „Über-Ich“ stelle somit ein Ideal dar, dessen Verfehlung ein Gefühl der Schuld bzw. Minderwertigkeit aufkommen lässt (Pleger, 2017, S. 164–168). Daher wurde es für lange Zeit als eine Grundvoraussetzung für die Ausbildung von Depressio- nen angesehen, die bei Kindern und Jugendlichen noch nicht vollständig vorhanden ist.

Als Konsequenz verwarf man die Möglichkeit einer Depressionsbildung vor dem Er- wachsenenalter (Mehler-Wex, 2008, S.3).

Mittlerweile sind sich Experten des Faches aber bereits seit geraumer Zeit einig darüber, dass Depressionen bei Kindern und Jugendlichen auftreten können (Klicpera et al., 2019, S. 75). Heutzutage beschäftigen sich viele Studien mit der Häufigkeit von depressiven Störungen bei jungen Menschen. Einige davon wurden im Rahmen der Einleitung dieser Arbeit angeführt. Die verschiedenen Entwicklungstheorien bezüglich Depressionen, die für die moderne Medizin und Psychologie von Bedeutung sind, werden in Kapitel 4 näher betrachtet.

2.3. Geschlechtsspezifische Unterschiede

In der Prävalenz von depressiven Störungen sind starke geschlechtsspezifische Unter- schiede zu erkennen. Eine Vielzahl an Studien zeigen, dass die Häufigkeit von Depressi- onen bei Mädchen zwei bis drei Mal größer ist als bei Jungen (Avenevoli, Swendsen, He, Burstein & Merikangas, 2015, S. 38; Hyde, Mezulis & Abramson, 2008, S. 291; Bhatia

& Bhatia, 2007, S. 73). Die Unterschiede treten jedoch erst nach dem Eintritt in die Pu- bertät, welcher beim Großteil der Jugendlichen im Alter zwischen 12 und 14 Jahren statt- findet, auf und sind bei jüngeren Kindern nicht zu beobachten (Angold, Costello &

Worthman, 1998, S. 58; Cyranowski et al., 2000, S. 25). Dieses Verhältnis in der Häufig- keitsverteilung von Depressionen deckt sich zu dem im Erwachsenenalter, während

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dessen Frauen ebenfalls viel häufiger betroffen sind als Männer (Essau, 2007, S. 55–56).

Die Gründe für dieses Ungleichgewicht können vielfältiger Natur sein. Zum einen neh- men Mädchen Ereignisse, vor allem auf interpersoneller Ebene, eher als belastend wahr.

Ihre Reaktionen auf gleiche Belastungen sind in vielen Fällen stärker als die von Jungen (Hankin, Mermelstein & Roesch, 2007, S. 290) und sie wenden im Umgang mit belas- tenden Ereignissen häufiger die Strategie der Rumination an, bei der andauernd und ver- stärkt über diese Ereignisse nachgedacht wird (Nolen-Hoeksema, 2012, S. 168). Zum an- deren können begrenzte Wahlmöglichkeiten beim Einnehmen bestimmter gesellschaftli- cher Rollen, bedingt durch soziokulturelle Erwartungen, sowie die bei der Rollenein- nahme entstehenden Belastungen einen Anteil an der erhöhten Häufigkeit von Depressi- onen bei Mädchen und Frauen haben (Piccinelli & Wilkinson, 2000, S. 488). Auch ein verstärkter Bedarf an Nähe, Vertrautheit, emotionaler Kommunikation und zwischen- menschlichen Beziehungen seitens der Mädchen kann im Vergleich zu Jungen einen zu- sätzlichen Vulnerabilitätsfaktor darstellen (Cyranowski et al., 2000, S. 22).

2.4. Depressionen in der Schule – Das Unterrichtsprinzip Ge- sundheitsförderung

Nachdem in den vorangegangenen Kapiteln bereits aufgezeigt wurde, dass Depressionen im Kindes- und Jugendalter ein relevantes und häufig auftretendes Problem darstellen, stellt sich die Frage, inwiefern dieses Thema in den an die Schulen gestellten Vorgabe des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) verankert ist. Im österreichischen Schulorganisationsgesetz (SchOG) wird unter den Aufgaben der Schule festgehalten, dass Kinder und Jugendliche „zu gesunden und gesundheitsbewuss- ten […] Bürgern […] herangebildet werden“ (SchOG, §2). Dies soll durch die Umsetzung des Unterrichtsprinzips der Gesundheitsförderung geschehen. Die Unterrichtsprinzipien wurden im österreichischen Bildungssystem etabliert, um Bildungs- und Erziehungsauf- gaben umzusetzen, die keinem einzelnen Schulfach zugeordnet werden. Das wohl be- kannteste Beispiel ist die Politische Bildung. Da die in den Unterrichtsprinzipien enthal- tenen Bildungsziele keinem spezifischen Schulfach zugeordnet werden, sollen sie in allen Unterrichtsgegenständen berücksichtigt und fächerübergreifend erreicht werden (BMBWF, 2021). Wie bereits erwähnt, stellt auch die Gesundheitsförderung eines der insgesamt zehn Unterrichtsprinzipien dar. Dieses Prinzip besteht bereits seit dem Ende der 80er Jahre. Es wurde eingeführt, nachdem durch die Weltgesundheitsorganisation

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(WHO) im Rahmen eines internationalen Gipfeltreffens die Ottawa-Charta veröffentlicht wurde (BMSGPK, 2021). Durch diese Charta ruft die WHO nämlich Staaten dazu auf, die Gesundheitsförderung ihrer Bevölkerung zu forcieren (WHO, 1986).

Dem Grundsatzerlass zum entsprechendem Unterrichtsprinzip (1997) ist zu entnehmen, dass sich die Gesundheitserziehung nicht nur auf die körperliche, sondern auch auf die geistige und soziale Gesundheit der Schüler und Schülerinnen sowie der Lehrpersonen bezieht. Die Ziele werden im Grundsatzerlass relativ allgemein formuliert und beinhalten neben der Gestaltung eines gesundheitsförderlichen, schulischen Lebensraums auch die Umsetzung von Projekten (BMBWF, 2018). Die im Grundsatzerlass vorgeschlagenen Ideen zur Umsetzung sind etwas konkreter. Hier wird die sinnvolle und kreative Gestal- tung der Klassenzimmer und Schulräume erwähnt, die Förderung des Selbstwertgefühls von Kindern und Jugendlichen, die Unterstützung der sozialen Beziehungen aller Betei- ligten sowie die Rücksichtnahme auf den Schulstress. Zudem wird erklärt, dass zum Bei- spiel in Form von Rollenspielen gelernt werden kann, mit Druck umzugehen oder Kon- flikte und soziale Probleme zu lösen. Außerdem wird die Zusammenarbeit mit externen Experten und Expertinnen vorgeschlagen (BMBWF, 2018).

Hierin können einige Elemente gefunden werden, die eine präventive Wirkung gegen die Ausbildung von Depressionen bei Schülern und Schülerinnen aufweisen, wie beispiels- weise der Aufbau des Selbstwertgefühls in der Schülerschaft oder das Erlernen von Kom- petenzen, die helfen Konflikte und Probleme zu lösen. Solche Präventionsmaßnahmen werden in Kapitel 5 nochmals genauer erläutert. Konkret werden präventive Maßnahmen, die sich gegen die Entwicklung von Depressionen richten, im Grundsatzerlass des Unter- richtsprinzips der Gesundheitsförderung aber nicht angesprochen.

Wie intensiv solche Maßnahmen in der Schule im Allgemeinem umgesetzt werden, kann an dieser Stelle nicht beantwortet werden. Im Grundsatzerlass wird bezüglich der Umset- zung von gesundheitsförderlichen Maßnahmen die Schulautonomie ausdrücklich hervor- gehoben. Die einleitend erwähnten Statistiken zur Häufigkeit depressiver Kinder und Ju- gendlicher veranlassen jedenfalls dazu, die Frage zu diskutieren, ob in der Schule genü- gend Maßnahmen gesetzt werden, die sich der Prävention von Depressionen bei Kindern und Jugendlichen widmen. Die Forderung nach dem Setzen von Maßnahmen zur Förde- rung der psychischen und sozialen Gesundheit in der Schule, wird durch das Unterrichts- prinzip der Gesundheitserziehung gestellt, jedoch könnten die unspezifischen Zielvorga- ben und die Tatsache, dass keine Nachweise in Bezug auf gesundheitsförderliche

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Maßnahmen erbracht werden müssen, zu Vernachlässigungen führen. Durch die Schul- autonomie können zudem große Unterschiede in der Umsetzung der schulischen Gesund- heitsförderung auftreten. Eine Studie aus dem Jahr 2008, die zeigt, dass fast ein Viertel der befragten Lehrpersonen kein einziges der damals noch insgesamt 12 Unterrichtsprin- zipien nennen konnte, unterstützt die Befürchtungen einer mangelnden Umsetzung des Unterrichtsprinzips der Gesundheitsförderung. Der höchste Bekanntheitsgrad kam dabei der politischen Bildung zu. Andere Prinzipien waren der Lehrerschaft beinahe völlig un- bekannt (Filzmaier & Klepp, 2009, S. 348). Im aktuellen Curriculum zur Ausbildung von Lehrkräften an der Universität Graz kommt den Unterrichtsprinzipien auch nur eine ein- zige Lehrveranstaltung zu, die als Wahlpflichtfach jedoch nicht zwingend besucht werden muss.

3. Formen der Depression

In der Literatur findet sich eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Unterteilung von depres- siven Störungen. Die Fachausdrücke in Bezug auf die verschiedenen Formen der Depres- sionen überschlagen sich hierbei. Von der bereits erwähnten maskierte oder larvierten Depression über die „heitere“ Depression bis hin zur „Umzugs-“ oder „Prüfungsdepres- sion“ ist bei Durchforschen der Literatur einiges zu finden, wobei bei manchen dieser Erscheinungen der Begriff Depression vom medizinischen Standpunkt aus unpassend ist (Müller, 2009, S. 36–37). Hinzu kommt, dass sich in Laufe der Zeit in den am weitesten verbreiteten Klassifikationssystemen manche Bezeichnungen geändert haben und Be- griffe wie Melancholie heute nicht mehr benutzt werden (Volk, Travers & Neubig, 1998, S. 13). Auf jeden Fall gibt es verschiedene Möglichkeiten Depressionen einzuteilen. Als eine sinnvolle Einteilung erscheint die nach dem Verlauf und der Stärke der Symptome einer Depression.

3.1. Unterscheidung der Depression nach Verlauf und Schwe- regrad

Grundsätzlich haben sich zwei Klassifikationssysteme durchgesetzt, die Depressionen aufgrund der auftretenden Symptome sowie des Verlaufs und Schweregrads unterschei- den, nämlich die Internationale statistische Klassifikation der Krankheiten und

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verwandter Gesundheitsprobleme (ICD) und das Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders (DSM). Wie die Namen bereits verraten, sind diese Klassifikationssys- teme umfassender und fokussieren sich nicht nur auf depressive Störungen. Sie lassen sich aber in Bezug auf die Diagnose und Kategorisierung von Depressionen durchgehend in der Literatur finden. Für Kinder und Jugendlich werden dabei prinzipiell dieselben Kriterien herangezogen wie für Erwachsene (Lohaus & Vierhaus, 2019, S. 301; Ihle et al., 2012, S.3; Groen & Petermann, 2011, S. 17; Volk, Travers & Neubig, 1998, S. 9).

Hinsichtlich des Verlaufs von Depressionen kann man grob zwischen unipolaren und bi- polaren depressiven Störungen unterscheiden. Von unipolaren Störungen spricht man, wenn Erkrankte depressive Phasen durchleiden, die sich mit Phasen eines „normalen“

Gefühlszustands abwechseln können, während sich bei bipolaren Störungen die psychi- schen Tiefs des Betroffenen mit Episoden abwechseln, in denen eine übertriebene Fröh- lichkeit gezeigt wird, die über ein natürliches Maß hinausgeht. Im Feld der unipolaren depressiven Störungen gibt es nochmals drei Hauptvertreter, nämlich die Major Depres- sion, die rezidivierende Depression und die Dysthymie (Müller, 2009, S.30–32).

3.1.1. Major Depression / Depressive Episode

Wenn im Alltag von einer depressiven Störung gesprochen wird, ist im Normalfall die Major Depression gemeint. Sie wird auch depressive Episode genannt bzw. ist mit dieser vergleichbar. Die beiden angeführten Begriffe beziehen sich auf die bereits erwähnten unterschiedlichen Klassifikationssysteme, wonach nach DSM-5 von der Major Depres- sion und nach ICD-10 von einer depressiven Episode gesprochen wird. Die Klassifikation der beiden Systeme anhand der Symptomatik unterscheidet sich nur geringfügig. Wäh- rend Leidende einer Major Depression nach DSM-5 eine depressive Verstimmung oder den Verlust des Interesses und der Freude (Haupt- bzw. Kernsymptome) sowie mindes- tens vier weitere Nebensymptome offenbaren müssen (American Psychiatric Association, 2016, S. 7–8), muss ein Betroffener nach ICD-10 mindestens vier Symptome aus einer Liste von insgesamt zehn Krankheitsanzeichen vorweisen, wobei wiederum zwei davon sogenannte Hauptsymptome darstellen müssen. Von diesen gibt es nach ICD-10 drei, nämlich die depressive Stimmung, den Interessens- oder Freudverlust oder die verstärkte Ermüdbarkeit (Paulitsch, 2009, S. 131–132). Im DSM-5 wird zudem hervorgestrichen, dass bei Kindern und Jugendlichen in einigen Fällen anstelle der traurigen eine besonders reizbare Grundstimmung als Kernsymptom beobachtet werden kann. In Bezug auf beide

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Klassifikationssysteme müssen die Symptome aber jedenfalls über mindestens zwei Wo- chen auftreten, um von einer Depression sprechen zu können. Depressive Episoden kön- nen sich jedoch genauso über viele Monate erstrecken. Beim Vergleich der beiden Sys- teme wird auch offensichtlich, dass beide, je nach Ausprägung der Symptome, nochmals leichte, mittelgradige sowie schwere Major Depression bzw. depressive Episode unter- scheiden. (Groen & Petermann, 2011, S. 18–23). Nach ICD-10 wird beispielsweise von einer mittelgradigen depressiven Episode gesprochen, wenn zu zumindest zwei Haupt- symptomen nochmals drei zusätzliche Symptome aus der vorgegebenen Liste nachweis- bar sind, und von einer schweren depressiven Episode, wenn alle drei Hauptsymptome sowie mindestens vier zusätzliche Krankheitsanzeichen gegeben sind (Dilling, 2014 , S.

142–143). Überdies unterteilen auch beide Klassifikationssysteme die schwere Form der Depression in eine mit auftretenden psychotischen Symptomen und eine ohne solche (Groen & Petermann, 2011, S. 19). Unter den Bereich der psychotischen Symptome fallen Halluzinationen, starkes, abnormes Verhalten oder Wahnvorstellungen (Paulitsch, 2009, S. 134).

3.1.2. Rezidivierende Depression

Depressionen treten häufig als wiederkehrende Störung auf. Forschungsergebnisse zei- gen, dass nach der Diagnose einer Major Depression bzw. einer depressiven Episode, 25 – 40% der Betroffenen innerhalb von zwei Jahren mindestens eine weitere depressive Phase aufweisen. Dieser Anteil derer, die nach einer ersten Episode von mindestens einer weiteren betroffen sind, steigt mit größer werdendem Zeitraum. Für eine Zeitspanne von fünf Jahren erhöht sich der Anteil auf 60% und für 10 Jahre sogar auf 75% (Keller &

Boland, 1998, S. 351). Häufig bleibt es aber nicht bei nur einer weiteren depressiven Episode, sondern es treten bei Betroffenen im Laufe der Jahre noch mehr Phasen depres- siver Verstimmung auf, durchschnittlich drei bis vier. Wenn eine Major Depression bzw.

eine depressive Episode also wiederkehrt, dann spricht man von einer rezidivierenden Depression. Dafür muss nach DSM-5 und ICD-10 gelten, dass zwischen zwei depressiven Phasen mindestens zwei Monate liegen, in denen die Kriterien für eine Major Depression bzw. eine depressive Episode nicht erfüllt sind (Groen & Petermann, 2011, S. 21–23).

Wenn vor Ablauf von zwei Monaten die Symptomatik für eine Depression wieder voll- ständig erfüllt ist, spricht man von einem Rückfall in die depressive Episode anstatt von einer rezidivierenden Depression. Die Zeit, die zwischen den einzelnen Phasen der

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rezidivierenden Depression vergeht, variiert. Sie hängt zumeist von der Anzahl der bereits durchschrittenen depressiven Episoden ab sowie von dem Grad der Erholung zwischen den einzelnen Episoden. Beispielsweise folgt die zweite depressive Episode eines Be- troffenen der ersten im Durchschnitt nicht so schnell, wie die dritte Episode der zweiten.

Zudem wird die Zeit zwischen den einzelnen Phasen erhöht, wenn man sich von einer depressiven Episode vollständig erholt hat und keine Restsymptome mehr zeigt. In die- sem Fall spricht man von einer vollständigen Remission. Falls bei Depressiven jedoch nur eine Teilremission vorliegt, dann verkürzt sich üblicherweise die Zeit zwischen den einzelnen Episoden (Risch, Stangier, Heidenreich & Hautzinger, 2012, S. 12–13). Abzu- grenzen sind Depressionen, bei denen sich eine Teilremission einstellt, von Dysthymien, die im folgenden Kapitel besprochen werden.

3.1.3. Dysthymie

Die dritte häufig auftretende Form der unipolaren depressiven Störung ist die Dysthymie, die früher in der Literatur auch als depressive Neurose oder neurotische Depression zu finden war (Simhandl & Mitterwachauer, 2007, S.19). Sie ist eine chronische Form der depressiven Störung, die aber in ihrer Symptomatik weniger stark ausgebildet ist als die Major Depression, selbst als deren leichte Ausprägung. Demnach wird bei der Dysthymie keine Unterscheidung in leichte, mittelgradige und schwere Form getroffen. Sowohl das DSM-5 als auch die ICD-10 fordern für die Diagnose einer Dysthymie, dass die Symp- tome über mindestens zwei Jahre auftreten (Falkai et al., 2018, S. 229; Groen & Peter- mann, 2011, S. 25). Hier liegt auch der Unterschied zu teilremittierten Depressionen, bei denen nur mehr Restsymptome vorliegen, die die Kriterien für eine Dysthymie aber nicht erfüllen (Haider, 2008, S. 55). In Bezug auf die Symptomatik gibt es wieder feine Unter- schiede zwischen den beiden Klassifikationssystemen: Während laut DSM-5 eine depres- sive Verstimmung und zwei weitere Nebensymptome an mehr als 50% der Tage vorlie- gen müssen (Falkai et al.,2018, S. 229), zeigen Betroffene einer Dysthymie nach ICD- 10 wiederholt Phasen mit zumindest drei Anzeichen wie beispielsweise Interessenverlust, Schlaflosigkeit, Antriebslosigkeit oder Konzentrationsschwierigkeiten, die sich mit kur- zen Abschnitten normaler Stimmung abwechseln können, welche sich aber höchstens we- nige Wochen halten. Interessant ist, dass nach DSM-5 die Dysthymie bei Kindern und Jugendlichen im Vergleich zu Erwachsenen unterschieden wird und hier nur ein Auftre- ten der Symptomatik über den Zeitraum eines Jahres gefordert ist, wohingegen laut ICD-

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10 und deren Definition solch eine Störung erst ab dem jungen Erwachsenenalter auftritt.

Episoden der Major Depression könne die Dysthymie überlagern. Es kann zu einem Übergehen von der einen in die andere Form kommen, was die Abgrenzung der beiden Krankheitsbilder nicht einfach macht (Groen & Petermann, 2011, S. 21–25).

Manchmal werden im Rahmen der Klassifikation von unipolaren Depressionen noch ge- nauere Unterscheidungen getroffen, zum Beispiel je nachdem ob bei Betroffenen soma- tische Symptome vorherrschen oder nicht. Auch ist in den Klassifikationssystemen von Anpassungsstörungen mit depressiven Verstimmungen und nicht näher bezeichneten de- pressiven Störungen zu lesen. Die saisonal abhängige Depression (SAD), die als Folge der unterschiedlichen Tageslichtzeiten innerhalb eines Jahres auftreten kann, ist eine wei- tere, angeführte Form (Wirz-Justice, Ajdacic, Rössler, Steinhausen & Angst, 2019, S.

833). Sie wird zwar aufgrund ihrer Entstehungsursache oft separat angeführt, kann aber, je nachdem ob sie wiederholt auftritt oder nicht, auch in den Bereich der depressiven Episode oder den der rezidivierenden Depression eingegliedert werden. Die oben vorge- nommene Unterscheidung nach Major Depression, rezidivierender Depression und Dys- thymie ist im Rahmen dieser Arbeit aber ausreichend, um einen Überblick über die ver- schiedenen Formen der depressiven Störungen zu erhalten, vor allem, da in der hier vor- genommenen Einteilung der Verlauf von Depressionen in den Vordergrund gestellt wurde.

3.1.4. Manisch-depressive Erkrankung (Bipolare depressive Störun- gen)

Im Gegensatz zu den drei bisher erörterten depressiven Störungen, handelt es sich bei der manisch-depressiven Erkrankung um eine bipolare Störung. Sie wird häufiger bipolare affektive Störung genannt, da hier nicht nur depressive Episoden auftreten, sondern auch (hypo-) manische. Die gegensätzlichen Phasen können sich mit einer hohen Rezidivrate abwechseln. Dies wird dann als rapid cycling bezeichnet (Bartolovic & Roesch-Ely, 2017, S. 28). Ein direktes Übergehen einer depressiven in eine manische Episode sowie die umgekehrte Form sind zwar möglich, häufiger kommen jedoch zwischenzeitliche Phasen der Remission vor (Paulitsch, 2009, S. 147). Die manischen Episoden zeichnen sich durch eine euphorische, freudige oder auch gereizte Stimmung aus und Symptome wie Hyperaktivität, das Hin- und Herspringen zwischen Gedanken, ein vermindertes Schlafbedürfnis oder auch psychomotorische Unruhe können auftreten. Dies kann unter

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nochmals zwischen somatogenen, also körperlich bedingten Depressionen und psycho- genen Depressionen, bei denen es durch äußere Belastungen zu negativen Gedanken kommt, differenziert werden (Mehler-Wex, 2008, S. 10). Diese Unterscheidungen deuten schon darauf hin, dass Depressionen aus einer Vielzahl von Gründen entstehen können.

Im folgenden Kapitel werden die unterschiedlichen Entwicklungstheorien sowie die zu- grundeliegenden Ursachen erörtert.

4. Die Entstehung von Depressionen

Um präventive Maßnahmen, die sich gegen die Entwicklung von Depressionen bei Schü- lern und Schülerinnen richten, verstehen zu können, muss zuerst geklärt werden, wie und warum diese überhaupt erst entstehen. Bei der Auseinandersetzung mit der Entstehung von psychischen Störungen berufen sich Experten zumeist auf das Vulnerabilitäts-Stress- Modell. Dieses geht davon aus, dass entstehende psychische Störungen vor dem Hinter- grund des Zusammenspiels der individuellen Anfälligkeit einer Person (Vulnerabilität) und einem belastenden Erlebnis, einer schwierigen Situation oder anderen Risikofaktoren (Stressoren) betrachtet werden müssen. Demnach ist die Auswirkung einer momentan auftretenden Belastung abhängig vom Ausmaß der bei einem Individuum vorliegenden Vulnerabilität (Buchheim & Fiegl, 2019, S. 78). Das bedeutet, dass bei Personen, bei denen eine hohe Vulnerabilität vorliegt, kleine, belastendende Ereignisse bereits reichen können, um zu einer Depression zu führen. Bei Menschen mit geringerer Vulnerabilität hingegen kommt es durch dieselben aufreibenden Ereignisse noch nicht zu einem psychi- schen Tief, sondern es benötigt größere Belastungen, um eine depressive Störung hervor- zurufen. Wovon hängt nun aber die Vulnerabilität einer Person ab und welche Risikofak- toren für die Entwicklung einer Depression gibt es? Diese Fragen werden innerhalb dieses Kapitels näher beleuchtet.

4.1. Die Depression als multifaktorielles Geschehen

Es gibt verschiedene Erklärungsmodelle aus unterschiedlichen Fachbereichen, die sich mit der Entstehung von Depressionen beschäftigen. Viele Ansätze vergangener Zeiten aus der Biologie, der Psychologie und der Soziologie widmeten sich der Thematik, mit dem Anspruch die tatsächlichen Hintergründe des Krankheitsbildes in ihrem jeweiligen Fachbereich zu finden. Mittlerweile sind Experten zu der Meinung gekommen, dass die

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vorausgesetzt wird, signifikant häufiger beide Zwillinge im Laufe ihrer Leben an einer depressiven Störung leiden als dies bei zweieiigen Zwillingen der Fall ist (McGuffin, Katz, Watkins, & Rutherford, 1996; Kendler, Pedersen, Neale & Mathé, 1995). Diese Zwillingsstudien haben besondere Bedeutung, da bei Zwillingen das soziale Umfeld zu- meist sehr ähnlich aussieht und dieser Faktor in Bezug auf die Entwicklung von Depres- sionen somit minimiert wird. Weitere Untersuchungen haben zudem nachgewiesen, dass Adoptiveltern von depressiven Kindern im Vergleich zu den leiblichen Eltern weniger häufig an depressiven Störungen leiden (Nevermann & Reicher, 2009, S. 175). Folglich sind diese Studien zum Schluss gekommen, dass das Risiko im Verlauf des Lebens an einer Depression zu leiden bei Kindern depressiver Eltern höher ist als bei Kindern psy- chisch gesunder Eltern. Eine Meta-Analyse von Sullivan, Neale und Kendler (2000), die sowohl Zwillingsstudien als auch Studien mit Adoptivfamilien miteinbezogen hat, ist zu dem Ergebnis gekommen, dass die Vererbbarkeit einer Major Depression bei 31% bis 42% liegt. Es wird davon ausgegangen, dass dieser Wert unter Berücksichtigung anderer Formen der depressiven Störung nochmals höher liegt. McGuffin et al. (1996) haben ei- nen Wert für die Heritabilität von depressiven Episoden ermittelt, der sogar bei 48% bis 75% liegt. Diese Studien liegen zeitlich gesehen schon etwas weiter zurück, da in der momentanen Forschung vielmehr nach spezifischen Genen gesucht wird, die mit einer erhöhten Vulnerabilität gegenüber depressiven Erkrankungen zusammenhängen (McIn- tosh, Sullivan & Lewis, 2019, S.5).

4.2.2. Mangel an Neurotransmittern und Störungen des Hormonhaus- halts

Ein weiterer Aspekt der biologischen Entwicklungstheorien befasst sich mit dem Mangel gewisser Neurotransmitter, die für die Übertragung von Informationen zwischen den Ner- venzellen unseres Gehirns zuständig sind und eine Rolle in unserer Affektregulation spie- len. Mit depressiven Störungen wird vor allem eine verminderte Verfügbarkeit der Neu- rotransmitter Serotonin, Noradrenalin und Dopamin in Verbindung gebracht. Die größte Aufmerksamkeit kommt dabei dem Botenstoff Serotonin zu. In Bezug auf die gerade eben angesprochene biologische Veranlagung wird beispielsweise ein Gen untersucht, das für die Serotonin-Wiederaufnahme Bedeutung hat (Klicpera et al., 2019, S.96). In den 1950er Jahren erkannten Ärzte, dass eine ernstzunehmende Anzahl von Patienten, denen ein Bluthochdruckmedikament verschrieben wurde, in Depressionen verfiel. Bei Nach- forschungen fand man heraus, dass die Medikamente die Konzentration von Serotonin

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und Noradrenalin senkten und weitere Untersuchungen folgten (Müller, 2009, S.67). Ne- meroff (2002) behauptet folglich, dass viele Studien einen Mangel an Serotonin bei an Depressionen Leidenden nachgewiesen haben und dass solch ein Mangel bei Menschen zu depressiver Symptomatik führe. Castrén (2005) vermeldet hingegen, dass die Daten- lage der Forschung aus den vergangenen Jahrzehnten bezüglich der Beziehung zwischen Serotonin-Spiegel und Depressionen widersprüchlich ist und Belmaker und Agam (2008) kommen sogar zum Schluss, dass keine vorangegangenen Studien eine Wechselwirkung nachhaltig stützen. In den vergangenen Jahren erklären Experten wie Daut und Fonken (2019) wiederum, dass Unregelmäßigkeiten im Serotonin-Haushalt sehr wohl mit dem Auftreten von Depressionen korrelieren, gehen dabei aber nicht zwangsmäßig von einem Mangel an Serotonin aus. Cowen und Browning (2015) bekräftigen diese Aussage eines Zusammenhangs, geben aber an, dass die früher vertretene, einseitige These eines Sero- tonin-Mangels nicht mehr haltbar ist. Grundsätzlich lässt sich sagen, dass weitere For- schung notwendig ist, um das Zusammenspiel von Neurotransmittern und depressiven Störungen besser zu verstehen. Dass die Datenlage in diesem Bereich nicht eindeutig ist, ist erschreckend, wenn man bedenkt, dass die Verschreibung vieler Antidepressiva auf einer verminderten Verfügbarkeit gewisser Botenstoffen beruht.

Weitere Störungen des Hormonsystems werden in Verbindung mit Depressionen immer wieder diskutiert. Beispielsweise konnte bei Untersuchungen festgestellt werden, dass der Gehalt von Kortisol, eines Stresshormons, bei depressiven Personen signifikant höher ist (Müller, 2009, S. 69). Zudem setzen sich Forscher mit Unregelmäßigkeiten anderer Hor- mone und deren Bezug auf die Entstehung von depressiven Störungen auseinander, bis- lang ohne einstimmige, gesicherte Ergebnisse. Die Frage nach Ursache und Folge ver- kompliziert das Unterfangen. Da auftretende Ungleichgewichte im Hormonhaushalt me- dikamentös behandelt werden, spielen sie im Rahmen dieser Arbeit jedoch eine unterge- ordnete Rolle.

4.2.3. Biologische Rhythmusstörung

Des Weiteren wird angenommen, dass Depressionen eine biologische Rhythmusstörung zugrunde liegen kann. Diese Rhythmusstörungen kamen in den Fokus, als die Abhän- gigkeit der Stimmungslage depressiver Menschen von der Tages- und Jahreszeit erkannt wurde. An dieser Stelle seien die vorhin bereits erwähnte saisonal abhängige Depres- sion sowie Schlafstörungen als Beispiele genannt (Klicpera et al., 2019, S. 95). Eine

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Meta-Analyse von Lee, Myung, Cho, Jung, Yoon und Kim (2017), in der festgestellt wurde, dass Menschen, die Nachtschichten leisten müssen, ein höheres Risiko für die Entwicklung einer depressiven Störung haben, unterstützt die Annahme des Zusammen- hangs mit biologische Rhythmusstörung.

4.3. Psychologische Erklärungsansätze

Eine genetische Vulnerabilität sowie Störungen des biologischen Rhythmus bieten zwar einen Nährboden für die Bildung von Depressionen, jedoch hängt diese auch von einer Vielzahl anderer Faktoren ab. Somit ist es natürlich möglich, dass Menschen mit geneti- scher Veranlagung während ihres ganzen Lebens nie an einer Depression erkranken oder aber umgekehrt, dass bei Menschen ohne eine solche Veranlagung dennoch eine depres- sive Störung auftritt. Auch in der Psychologie wurden im Laufe der Zeit unterschiedliche Erklärungstheorien für die Entstehung von Depressionen entwickelt, die alle ihre Berech- tigung haben.

Dass belastende Ereignisse eine Person aus der Bahn werfen und in eine depressive Ver- stimmung münden können, ist unumstritten. Damit ist jedoch nicht die Frage geklärt, wa- rum manche Menschen Belastungen besser verarbeiten als andere. Wie vorhin bei den biologischen Ansätzen, versuchen die psychologischen Modelle dieser Frage auf den Grund zu gehen. Dabei wird von im Vorhinein entstandenen kognitiven Dysfunktionen ausgegangen, die die Ausbildung einer Depression wahrscheinlicher machen. Aufgrund dessen bewerten Personen mit hoher psychischer Vulnerabilität ihr Leben bzw. sich selbst eher als negativ, verglichen mit Personen ohne solch eine erhöhte Vulnerabilität (Groen

& Petermann, 2011, S. 92). Einige Theorien, die auf dysfunktionalen Kognitionen beru- hen, seien im folgendem kurz erläutert.

4.3.1. Kognitives Modell der Depression nach Beck

Das wohl bekannteste kognitive Modell zur Entwicklung von Depressionen ist das von Aaron T. Beck (1970), das von negativen kognitiven Mustern ausgeht, die bei manchen Menschen stärker ausgeprägt sind als bei anderen. Diese Schemata können zu unbegrün- deten, willkürlichen und einseitigen Schlussfolgerungen führen. Durch sie kann es zu ei- nem negativen Selbstbild, einer ständigen pessimistischen Bewertung von neuen Erfah- rungen und einer negativen Zukunftserwartung kommen und in weiterer Folge zur Aus- bildung einer Depression. Die schadenden Konzepte entstehen durch systematische

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Denkfehler wie der Übergeneralisierung und Personalisierung von Ereignissen, der Über- wertung von Vorfällen oder einer rein bipolaren Wahrnehmung (Beck, Rush, Shaw &

Emery, 2010, S. 41–47). Ein Beispiel aus dem schulischen Kontext wäre ein Schüler, der im Sportunterricht erst als einer der Letzten von einem Team ausgewählt wird und daraus schließt, dass ihn niemand mag, alle gegen ihn sind und er unzureichend oder wertlos ist.

4.3.2. Lerntheoretisches Modell der Depression nach Lewinsohn

Aufbauend auf lerntheoretischen Erkenntnissen, nach denen ein gezeigtes Verhalten einer Person durch eine darauffolgende Konsequenz negative oder positiv verstärkt werden kann, konstruierte Lewinsohn (1974) sein Verstärker-Verlust-Modell der Depression.

Dem behavioristischen Lernansatz zufolge kann ein bestimmtes Verhalten eine positive Verstärkung, zum Beispiel in Form von Anerkennung, oder eine negative Verstärkung, das heißt eine Wegnahme eines unangenehmen Reizes, erfahren. In beiden Fällen wird die Wahrscheinlichkeit, dass das Verhalten erneut gezeigt wird, erhöht, wohingegen sie durch negative Konsequenzen gesenkt wird (Kopp & Mandl, 2014, S. 29–31). Nach Le- winsohn können Depressionen aufgrund der Abwesenheit von Verstärkern entstehen. Im sozialen Kontext ist damit beispielsweise das Fehlen von Lob und Zuwendung gemeint.

Aber auch das Bestehenbleiben abweisender Reaktionen auf gezeigtes Verhalten kann hier erwähnt werden. Hier kommt es zu keiner negativen Verstärkung. Durch das Aus- bleiben von solchen Verstärkern kann es bei Personen zur Verminderung ihres aktiven Verhaltens und zu depressiven Störungen kommen. Demnach tragen Personen, die aus ihrer Umwelt hauptsächlich negative Konsequenzen erfahren, ein höheres Risiko für die Ausbildung einer Depression (Lewinsohn, 1982, S. 25–27). Oft seien dies Menschen mit eingeschränkten sozialen Fähigkeiten, die keine positiven, sondern vorrangig negative Rückmeldungen auf ihr Verhalten oder ihre Handlungen erhalten. Andererseits könnte auch einfach das Umfeld einer betroffenen Person vorwiegend negative Reaktionen an- bieten, ohne einen nachvollziehbaren Grund dafür (Klicpera et al., 2019, S. 86; Le- winsohn, 1985, S. 150–153). Kinder, die in der Schule häufig Opfer von Mobbing wer- den, können als Beispiel für einen Fall größtenteils negativer Erfahrungen betrachtet wer- den. In Bezug auf das Modell von Beck können auch Personen, die sich in erster Linie auf negative Rückmeldungen der Umwelt konzentrieren, unter diesem Aspekt gesehen werden.

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4.3.3. Modell der erlernten Hilflosigkeit von Seligman

Das Modell von Seligman (1975), das ebenfalls auf lerntheoretischen Überlegungen ba- siert, beschreibt das Phänomen, bei dem eine Person, nachdem sie über eine gewisse Zeit wiederholt negative Konsequenzen erlebt hat, ohne diese verhindern zu können, die scha- denden Konsequenzen auch nicht mehr abwenden kann, wenn später die Möglichkeit dazu besteht. Die Person verfällt somit in einen Zustand der Hilfslosigkeit (Gasteiger- Klicpera, Julius & Klicpera, 2008, S. 249; Seligman, 1992, S.212 - 213). Dieser Zustand hat dann etwas mit der subjektiven Wahrnehmung der Unkontrollierbarkeit einer Situa- tion von Seiten des betroffenen Individuums zu tun, die aus objektiver Perspektive nicht nachvollziehbar ist. Die Hilflosigkeit entsteht durch eine Generalisierung der früheren negativen Erlebnisse, die nicht abgewendet werden konnten. Demgemäß wird angenom- men, dass man auch nicht in der Lage ist zukünftige Ereignisse positiv zu beeinflussen.

Die entstandene Hilflosigkeit der Person hat ein motivationales Defizit zur Folge. Zudem kann der Zustand auch ein emotionales Defizit, zum Beispiel in Form einer Depression, nach sich ziehen (Stiensmeier-Pelster, 2013, S. 7–9). Als Beispiel aus der Schulwelt gel- ten Kinder und Jugendliche, die über einen gewissen Zeitraum ständig überfordert wur- den und deshalb in solch einen Zustand der Hilfslosigkeit geraten, durch den sie in wei- terer Folge auch nicht mehr in der Lage sind, angemessene Aufgaben zu bewältigen.

4.3.4. Modell der Selbstkontrolle nach Rehm

Bei diesem Modell, das in erster Linie von Lynn P. Rehm (1977) geprägt wurde, wird bei Personen, bei denen mangelnde Selbstkontrolle zu erkennen ist, von einer höheren Vul- nerabilität gegenüber depressiven Störungen ausgegangen. Dies bezieht sich vor allem auf die Selbstbeobachtung und die Selbstevaluierung (Kaslow, Rehm & Siegel, 1984, S.

606–607). Menschen mit mangelnder Selbstkontrolle stellen dem Modell nach sehr hohe Leistungserwartungen an sich selbst, während die Kriterien für die negative Bewertung der eigenen Person sehr niedrig liegen. Somit werden die selbst vorgenommenen Ziele selten erreicht, was zu geringer Selbstbelohnung, aber häufiger Selbstkritik führt. Zudem tendieren Menschen mit gestörter Selbstkontrolle dazu, die wenigen Erlebnisse, die als Erfolg wahrgenommen werden, auf äußere Faktoren zurückzuführen (Essau, 2007, S.

112). Ein Kind, dass die aus objektiver Sicht guten schulischen Leistungen aufgrund der unrealistisch hohen Erwartungshaltung ständig als Misserfolge interpretiert, wäre bei- spielhaft für jemanden mit mangelnder Selbstkontrolle.

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4.3.5. Problemlösungsmodell von Nezu et al.

Nach dem Modell von Nezu, Nezu und Perri (1989) spielen etwaige Probleme, die nicht oder nur ungenügend bewältigt werden können, eine bedeutende Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung einer Depression. Wenn Personen unzureichende oder defizitäre Problemlösefähigkeiten mitbringen, sind sie demnach besonders anfällig für die Entwick- lung von depressiven Störungen. Diese Mängel in der Problembewältigung können fünf unterschiedliche Bereiche betreffen:

▪ Das Wahrnehmen und Definieren eines Problems

▪ Den Entwurf mehrerer Lösungsstrategien

▪ Die Entscheidung für eine passende Strategie

▪ Die Ausführung der Problemlösung

▪ Das Überprüfen des Erfolgs der gewählten Strategie (Klicpera et al., 2019, S. 92) Mangelnde Problemlösefähigkeiten können zur Selbstabwertung und Hilflosigkeit füh- ren. Dies, gepaart mit den nicht bewältigten Problemen, kann die Ausbildung von De- pressionen begünstigen (Mehler-Wex, 2008, S. 65). Jugendliche, die Probleme herunter- spielen, ihnen aus dem Weg gehen oder den Rückzug suchen, anstatt soziale Schwierig- keiten aktiv beseitigen zu wollen, können als Beispiel für unpassende Bewältigungsstra- tegien angesehen werden.

4.4. Psychosoziale Belastungen und Risikofaktoren

In den vorangegangenen Unterkapiteln wurden Erklärungsmodelle erläutert, die versu- chen die biologischen und psychologischen Voraussetzungen, die die Entwicklung einer Depression begünstigen, zu klären. Nun sollen häufig auftretende Belastungen, mit denen Jugendliche konfrontiert werden, und die bei gegebener Vulnerabilität eine Depression auslösen können, diskutiert werden. Diese psychosozialen Belastungsfaktoren können mithilfe der bereits erörterten Modelle interpretiert werden.

4.4.1. Kritische Lebensereignisse und täglicher Stress

Kritische Lebensereignisse gehören zu den offensichtlichsten Risikofaktoren für die Ent- wicklung einer Depression. Das klassische Beispiel hierfür wäre der Todesfall einer na- hestehenden Person. Es ist natürlich, dass Menschen daraufhin in eine Trauerphase

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verfallen. Wird diese jedoch nicht bewältigt, kann es zur Ausbildung einer depressiven Episode kommen (Bernhardt, 2019, S. 128). Auch Trennungen von Bezugspersonen, wie sie beispielsweise bei Scheidungen vorkommen können, gelten als einschneidende Ereig- nisse (Nevermann & Reicher, 2009, S. 183). An dieser Stelle sei auch die psychodyna- mische Theorie von Sigmund Freud erwähnt, die davon ausgeht, dass solche Trennungs- und Verlusterfahrungen in der frühen Kindheit in manchen Fällen vorerst verdrängt wer- den und nicht sofort, aber Jahre später zu depressiven Störungen führen (Lang-Langer, 2009, S. 19–20). Weitere kritische Ereignisse für Kinder und Jugendliche können bei- spielsweise Unfälle, schwerwiegendere Erkrankungen oder ein Wechsel der Schule oder des Wohnorts darstellen. (Haider, 2008, S. 58). Als extreme Erlebnisse, die eine Depres- sion nach sich ziehen können, seien die körperliche Gewalt (Lindert et al., 2014, S. 369) gegenüber oder der sexuelle Missbrauch (Maniglio, 2010, S. 637) von Kindern und Ju- gendlichen erwähnt. Studien dazu streichen hervor, dass depressive Störungen auch mit Verzögerung von mehreren Jahren nach einer Misshandlung im Kindesalter auftreten können.

In vielen Fällen bilden sich jedoch Depressionen aus, ohne ein solch extremes Ereignis in der Anamnese des bzw. der Betroffenen. Es reichen häufig wiederkehrende Belastun- gen, wie Streitigkeiten im Familienbund oder schulische Probleme, um eine depressive Episode auszulösen. Diese Konflikte nehmen im Jugendalter in vielen Fällen zu (Groen

& Petermann, 2011, S. 77, 96). Weitere Belastungen, die regelmäßig auftreten können, werden im weiteren Verlauf des Kapitels aufgezeigt.

4.4.2. Familiäre Situation

Im täglichen Zusammenleben geht der Trend weg von der Großfamilie und zur Kernfa- milie. Zudem steigt die Zahl der Einzelkinder, wodurch das familiäre Netzwerk, das im Falle von emotionalen Krisen oft als Auffangbecken fungiert, schrumpft. Scheidungen wurden bereits im Rahmen der kritischen Lebensereignisse angesprochen, aber auch das Leben in den häufiger auftretenden „Patchwork-Familien“, gemeinsam mit Stiefge- schwistern oder einem Stiefelternteil, birgt oftmals Spannungspotential für Kinder und Jugendliche (Nevermann & Reicher, 2009, S. 153). Im Umkehrschluss kann ein breites und funktionierendes familiäres Umfeld als Schutzfaktor gesehen werden, der die Wahr- scheinlichkeit an einer Depression zu erkranken, verringert.

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Ein weiterer Aspekt ist, dass sich Probleme der Eltern negativ auf die psychische Gesund- heit ihrer Kinder auswirken. Diese können vielfältiger Natur sein und gehen von partner- schaftlichen Schwierigkeiten über körperliche Erkrankungen, die Arbeitsüberlastung und den Alkoholmissbrauch bis hin zur Arbeitslosigkeit der Eltern und Armut der Familie.

Diese Umstände können sich nicht nur direkt, sondern auch indirekt, über ein frustriertes Verhalten der Eltern gegenüber den Kindern auswirken (Nevermann & Reicher, 2009, S.

109).

Trotz der Zunahme der Wichtigkeit von Beziehungen zu Gleichaltrigen in der Zeit der Pubertät (Mietzel, 2019, S. 364), behält die Eltern-Kind-Beziehung eine wichtige Bedeu- tung und kann bei konfliktbehaftetem Charakter eine große Belastungsquelle darstellen (Klicpera et al., 2019, S. 93; Siegler, 2016, S. 376; Müller-Rörich, Hass, Margue, van der Broek & Wagner, 2013, S. 224). Eine gestörte Beziehung zwischen Eltern und Kind kann beispielsweise eine schlechte Kommunikationsbasis, erzieherische Unsicherheiten, Ver- nachlässigungen, Zurückweisungen, Gleichgültigkeiten sowie Wutanfälle beinhalten, die dem Selbstwertgefühl des Kindes schaden und zu depressiven Verstimmungen führen können. Lob, Zuneigung und Anerkennung fehlen hingegen, was das Kind in Anbetracht des Modells von Lewinsohn ohne positive Verstärker von Zuhause zurücklässt. In man- chen Familien kommt es sogar zum emotionalen Missbrauch von Kindern und Jugendli- chen, in Form von Beschimpfungen, Feindseligkeiten oder Erniedrigungen, was häufig zu Depressionen führt (Shapero et al., 2014, S. 218; Gibb, Chelminski, & Zimmerman, 2007, S. 262).

Unter anderem ist bei psychisch kranken Eltern die Beziehung zum eigenen Kind häufig gestört. Auch ohne ein konfliktreiches Verhältnis ist die Belastung für Kinder oder Ju- gendliche hierbei aber bereits sehr stark (Herpertz-Dahlmann & Remschmidt, 2000, S.

225–229). Falls es sich bei der psychischen Störung des Elternteils um eine Depression handelt, ist das Risiko für den Nachwuchs besonders hoch. In diesem Fall muss man beim Kind, zusätzlich zur Belastung eines depressiven Elternteils als Interaktionspartner, von einer genetischen Vulnerabilität gegenüber depressiven Störungen ausgehen (Weissman et al. 2016, S. 1029; Mars et al., 2012, S. 50).

4.4.3. Schulische Faktoren und Beziehung zu Gleichaltrigen

Bei Jugendlichen werden die Beziehungen zu den Gleichaltrigen mit Beginn der Pubertät immer wichtiger. Schaffen sie es nicht, sich in einer sozialen Gruppe von Gleichaltrigen

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zu integrieren, stellt dies einen Risikofaktor für die Entwicklung einer Depression dar.

Dies kann durch die eigenen eingeschränkten sozialen Fähigkeiten begründet sein, die wiederum gestörten familiären Umgangsweisen entspringen können. Die Ablehnung von anderer Jugendlicher kann psychisch schwer belasten. Zudem fehlt dadurch, bei Auftre- ten anderer Belastungen, eine Möglichkeit der sozialen Unterstützung (Groen & Peter- mann, 2011, S. 83). Ein fehlender Freundeskreis kann aber auch durch Mobbing bedingt sein. Dabei werden Kinder und Jugendliche wiederholt beschimpft, schikaniert, ausge- schlossen oder körperlich angegriffen, was oftmals im Rahmen des Schullalltags passiert.

Dies widerfährt zumeist Jugendlichen, die sich durch irgendein Merkmal von der Mehr- heit abheben. Beispiele hierfür wären das äußere Erscheinungsbild, die Sprache oder Aus- drucksweise oder eine körperliche oder geistige Einschränkung (Rosen, Scott & Deornel- las, 2017, S. 2–3). Häufig ist zu beobachten, dass auch Mitschüler und Mitschülerinnen, die sich nicht direkt am Mobbing beteiligen, die gemobbte Person aus Angst, selbst in dieselbe Position zu geraten, meiden (Ross, Lund, Sabey & Charlton, 2017, S. 27–28).

Dem Opfer der Angriffe werden dadurch wieder sämtliche positiven Verstärker aus der Gruppe der Gleichaltrigen genommen und depressive Störungen können sich ausbilden (Schirra, 2020, S.30; Mehl, 2020, S. 126). In manchen Fällen kommt es zusätzlich zu Cyber-Mobbing, bei dem die Anfeindungen über soziale Medien fortgesetzt werden und Betroffene auch in den eigenen vier Wänden nicht mehr davor gefeit sind (Schenk, 2020, S. 274). Viele Studien haben bei Opfern von Cyber-Mobbing ein erhöhtes Depressions- und Suizidrisiko nachgewiesen (Machmutow, Perren, Sticca & Alsaker, 2012, S. 413;

Schenk & Fremouw, 2012, S. 32).

Der Schulalltag birgt viele weitere Herausforderungen mit denen Kinder und Jugendliche lernen müssen umzugehen. Der tägliche Schulstress sowie der Druck, schulische Erwar- tungshaltungen zu erfüllen, können zu depressiven Symptomen führen (Moksnes, Løhre, Lillefjell, Byrne & Haugan, 2016, S. 355). Ein wiederholtes Versagen beim Erbringen von Leistungen kann dieselben Auswirkungen nach sich ziehen und der Vergleich mit Mitschülern und Mitschülerinnen beeinträchtigt die Psyche im negativen Sinne. Außer- dem können sowohl chronische schulische Überforderung als auch Unterforderung die Ausbildung einer Depression vorantreiben. Diese Zusammenhänge sollte man jedoch nicht nur einseitig betrachten, denn es kann auch eine vorangehende depressive Störung überhaupt erst zu schulischen Problemen führen (Mehler-Wex, 2008, S. 56–57). Wie be- reits angesprochen, kann auch der Wechsel in einen höheren Schultyp ein Risiko darstel- len, da das bestehende soziale Umfeld dabei verändert wird (Newman, Newman, Griffen,

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O'Connor, & Spas, 2007, S. 454). Die unerwiderte Verliebtheit, die sich auch oftmals im Rahmen der Schule abspielt, kann ebenfalls eine starke psychische Belastung ausüben (Simhandl & Mitterwachauer, 2007, S. 117).

4.4.4. Gesellschaftliche Gegebenheiten und andere Faktoren

Die soziale Abgrenzung, die gerade eben als Folge der Ablehnung Anderer betrachtet wurde, bekommt in Zeiten der Corona-Krise eine neue Dimension. Viele Experten mel- den, dass Schüler und Schülerinnen psychisch stark unter dem Fernunterricht leiden und die Ausbildung einer Depression eine der häufigsten Folgen ist (Tang, Xiang, Cheung &

Xiang, 2021, S. 357; Fegert, Vitiello, Plener & Clemens, 2020, S. 4; Guessoum et al., 2020, S.4). Das liegt einerseits an den neuen Gegebenheiten und einer möglichen Über- forderung Mancher, andererseits aber auch an der physischen Distanz zu Freunden und Freundinnen. Gerade in dieser Zeit steigt die Bedeutung von sozialen Netzwerken, die bei einem Großteil der Jugendlichen ohnehin schon eine herausragende Stellung im all- täglichen Leben einnehmen, weiter. Zahlreiche Studien bestätigt, dass die Nutzung von sozialen Medien bzw. deren intensiver Gebrauch eine Wechselwirkung mit dem Auftre- ten depressiver Symptomatik aufweist (Dhir, Yossatorn, Kaur & Chen, 2018, S. 148;

Kelly, Zilanawala, Booker & Sacker, 2018, S.66; Barry, Sidoti, Briggs, Reiter & Lindsey, 2017, S. 8; Woods & Scott, 2016, S. 45). Es wird von einer gegenseitigen Beeinflussung ausgegangen. Das heißt, dass sowohl die Nutzung sozialer Medien zu einem höheren De- pressionsrisiko führen kann, umgekehrt aber auch eine depressive Störung zum erhöhten

„Konsum“ der Medien führt. Der genauere Zusammenhang und welchen Anteil verschie- dene Faktoren wie Cyber-Mobbing oder der soziale Vergleich daran haben, muss jedoch erst erforscht werden (Keles, McCrae, & Grealish, 2020, S. 88; McCrae, Gettings, &

Purssell, 2017, S. 324).

Darüber hinaus kann die starke Präsenz anderer Medien wie beispielsweise Computer und Fernseher zu eingeschränkten sozialen Kontakten und Überforderung führen. Ein Mangel an bestimmten Ausbildungsplätzen bzw. Arbeitsplätzen in gewissen Feldern, die angestrebt werden, und der große Konkurrenzkampf darum sind weitere belastende Fak- toren (Groen & Petermann, 2011, S. 84). Auch Kinder und Jugendliche mit Migrations- hintergrund können eine erhöhte Anfälligkeit gegenüber Depressionen aufweisen, wobei hierzu einige bereits erwähnte Faktoren beitragen. Bei der Flucht aus einem Kriegsgebiet kann es vorkommen, dass Betroffene geliebte Mitmenschen verloren haben. Ferner muss in der neuen Heimat mit der sprachlichen Barriere umgegangen und die Anpassung an

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neue Lebensverhältnisse geschafft werden. Diese Anpassung kann von existenziellen Ängsten, die die Erfüllung der Grundbedürfnisse betreffen, und von Sorgen um das Blei- berecht begleitet werden. Aufgrund des Migrationshintergrunds oder sprachlicher Schwierigkeiten besteht zudem leider immer noch die Gefahr, Opfer von Mobbing zu werden (Mehler-Wex, 2008, S. 57).

Es sei auch die Komorbidität von depressiven Störungen mit anderen Krankheiten, Ein- schränkungen und Störungen erwähnt. Kinder und Jugendliche mit chronischen körperli- chen Einschränkungen oder Behinderungen weisen ein höheres Risiko auf, depressiv zu werden und von Ausgrenzungen oder Anfeindungen seitens der Mitschüler und Mitschü- lerinnen betroffen zu sein (Pinquart, 2013, S. 50–51). Studien haben auch jeweils einen Zusammenhang zwischen depressiver Symptomatik und Angst- (Wittchen, Kessler, Pfis- ter, Höfler & Lieb, 2000, S. 22; Fava et al., 2000, S. 97), Schlaf- (Nutt, Wilson, & Pater- son, 2008, S. 329; Schröder & O'Hara, 2005, S. 6) und Essstörungen (Fennig & Hadas, 2010, S. 37; Casper, 1998, S. 101) nachgewiesen. Hierbei gilt jedoch wieder, dass sich die Störungsbilder jeweils gegenseitig beeinflussen und somit oft nicht klar erörtert wer- den kann, welche Störung bei Betroffenen zuerst vorlag.

4.4.5. Pubertät und Entwicklungsaufgaben im Jugendalter

Im Jugendalter ergeben sich aufgrund der biologischen Reifung, der steigenden gesell- schaftlichen Erwartungshaltung sowie der individuellen Zielsetzung verschiedene Ent- wicklungsaufgaben. Falls diese nicht entsprechend bewältigt werden, kann dies eine hohe Belastung für das Wohlbefinden darstellen. In der Pubertät kommt es zu starkem körper- lichem Wachstum, wobei sich Form und Größe des Körpers ändern sowie die Ge- schlechtsreife ausgebildet wird. Zum einen kann ein verfrühtes bzw. verspätetes Einset- zen im Vergleich zu den Gleichaltrigen negative, psychische Auswirkungen nach sich ziehen, zum anderen muss gelernt werden, mit den körperlichen Veränderungen umzu- gehen. Die Bedeutung der Beziehungen zu Gleichaltrigen wächst und das Herstellen ers- ter intimer, partnerschaftlicher Beziehungen stellt eine weitere Herausforderung dar.

Überdies wird im Jugendalter auch eine kognitive und psychosoziale Entwicklung durch- gemacht, die als Voraussetzung für ein erhöhtes Depressionsrisiko gilt. Dabei steigt die Selbstreflexion von Jugendlichen und die eigene Person wird vermehrt mit einem selbst entworfenen Idealbild verglichen (Groen & Petermann, 2011, S. 76–80). Dies passiert nicht immer auf objektiver Basis. Beispielsweise hatten laut österreichischem Jugendge- sundheitsbericht (2016) 40% der 11-, 13- und 15-Jährigen im Jahr 2014 das Gefühl, dick

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