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Masterarbeit. Zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Science an der. Karl-Franzens-Universität Graz. vorgelegt von. Dominik HOFER, BSc

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Lastorientiertes Krafttraining im Nachwuchsfußball als

Verletzungsprävention und

Leistungssteigerung: Online-Umfrage bei U-15-Akademien in Österreich, Schweiz

und Liechtenstein

Masterarbeit

Zur Erlangung des akademischen Grades eines Master of Science an der

Karl-Franzens-Universität Graz

vorgelegt von

Dominik HOFER, BSc

am Insitut für Sportwissenschaft

Begutachter: Ao.Univ.-Prof. Mag.phil. Dr.rer.nat. Karl Sudi

Graz, November 2019

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Eidesstattliche Erklärung

Ich, Dominik Hofer, erkläre hiermit eidesstattlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig angefertigt und die mit ihr unmittelbar verbundenen Tätigkeiten selbst und ohne fremde Hilfe erbracht habe. Alle aus gedruckten, ungedruckten Werken oder dem Internet im Wortlaut oder im wesentlichen Inhalt übernommenen Formulierungen sind gemäß den Regeln für wissenschaftliche Arbeiten zitiert und durch genaue Quellenangaben gekennzeichnet.

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Graz, November 2019 Dominik Hofer

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Zusammenfassung

Entgegen früheren Meinungen einer möglichen Schädigung des Bewegungsapparates von Kindern und Jugendlichen durch Krafttraining mit Zusatzlast, deutet der aktuelle Stand der Forschung auf viele positiven Wirkungen hin. Neben einer allgemeinen Leistungssteigerung, vor allem in Bezug auf Maximal- und Schnellkraft, konnten viele Studien auch verletzungspräventive Effekte sowie eine Erhöhung der Knochendichte, verbesserte Körperzusammensetzung und eine stabilere psychische Gesundheit nachweisen.

Ziel dieser Arbeit ist herauszufinden, ob und inwiefern ein lastorientiertes Krafttraining im Nachwuchsfußball, speziell bei U-15-Akademiemannschaften in Österreich, Schweiz und Liechtenstein, durchgeführt wird. Hauptaugenmerk gilt der Überprüfung der Hypothese, ob bei jenen Mannschaften, die ein lastorientiertes (Bein-) Krafttraining durchführen, signifikant weniger Überlastungserscheinungen wie Sehnenansatzentzündungen auftreten im Vergleich zu jenen Teams, die kein solches Training umsetzen. Mithilfe eines Online-Fragebogens von LimeSurvey erhielt ich die notwendigen Informationen von 16 Chef- und 14 Athletiktrainer, die an der Umfrage teilnahmen.

Ergebnissen der Umfrage zufolge absolvieren die Mannschaften aus Schweiz und Liechtenstein signifikant weniger (p < 0.05) Gesamttrainingseinheiten pro Woche im Vergleich zu den österreichischen Teams. Weiters wird die Empfehlung eines zweimal wöchentlich durchgeführten Krafttrainings für Jugendliche (14-18 Jahre) vom Großteil der Mannschaften (>50%) in der Meisterschaft nicht, in der Vorbereitung von genau der Hälfte aller Mannschaften umgesetzt. Die vorhin genannte Hypothese bezüglich Häufigkeit von auftretenden Überlastungserscheinungen konnte bestätigt werden: Einem lastorientierten (Bein-) Krafttraining darf somit eine verletzungspräventive Wirkung in Bezug auf Überlastungserscheinungen zugeschrieben werden. Diese Schlussfolgerung deckt sich auch mit den Ergebnissen einiger Publikationen, die ähnliche Effekte untersuchten.

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Abstract

Despite previous assumptions that heavy load resistance training can damage the musculoskeletal system of children and adolescents, many positive effects were accounted for in the current state of research. Studies showed significant strength and power gains, but also effects regarding injury prevention. Furthermore, higher bone density, better body composition and a stable mental health could be detected following strength training.

The aim of this study is to determine if and how heavy load resistance training is implemented in youth soccer team programmes, especially in under-15-teams in Austria, Switzerland and Liechtenstein. The main focus is to investigate the hypothesis, whether overuse syndromes such as tendinitis occur on fewer occasions in teams, which are implementing heavy load resistance training, than in teams, that do not perform this type of training. A questionnaire was used to obtain the required information from the 16 team- and 14 athletic-coaches, who participated in this study.

Considering the results of the questionnaire, the teams from Switzerland and Liechtenstein have significantly fewer (p < 0.05) training sessions per week compared to the Austrian teams. During championship, most teams (>50%) do not implement the twice-a-week recommendation for youth (14-18 years) resistance training sessions. However, exactly 50%

of all teams do it in preparation. The aforementioned hypothesis regarding overuse injuries could be verified. In conclusion, heavy load (leg) resistance training can prevent overuse injuries like tendinitis. This thesis supports the results of other studies researching prevention of overuse injuries.

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Vorwort

Die Annahme, dass Krafttraining mit Zusatzlast im Kindes- und Jugendalter, speziell in der Phase des starken Wachstums, ungesund und schädigend für den Bewegungsapparat sein soll, ist nach wie vor weit verbreitet. Dass jedoch das Gegenteil der Fall ist, scheint dem Großteil der Gesellschaft noch nicht bewusst zu sein. Während einer Fortbildung der Bundessportakademie tauchte ich tiefer in diese Thematik ein und war begeistert vom Potential dieser Trainingsform in Bezug auf Leistungssteigerung und Verletzungsprävention.

Wie ich aus eigener Erfahrung aber berichten kann, sind diese Erkenntnisse vor allem im Nachwuchstraining unterklassiger Fußballvereine oft noch nicht angekommen. Um herauszufinden, wie es bei professionellen Nachwuchsmannschaften zum Thema lastorientiertes Krafttraining bestellt ist, Mythen diesbezüglich zu entkräftigen und die Wichtigkeit von Krafttraining im Kindes- und Jugendalter zu untermauern, setzte ich mich im Rahmen meiner Masterarbeit am Institut für Sportwissenschaft Graz intensiv damit auseinander.

Besonderer Dank gilt meinem Betreuer Ao.Univ.-Prof. Mag.phil. Dr.rer.nat. Karl Sudi sowie den an der Umfrage teilnehmenden TrainerInnen der Fußballakademien von Österreich, Schweiz und Liechtenstein.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird bei personenbezogenen Angaben im weiteren Verlauf nur die maskuline Form verwendet. Dies versteht sich explizit als geschlechtsneutral.

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung ____________________________________________________________ 8 2 Aufarbeitung der Literatur _______________________________________________ 10 2.1 Fußballakademien in Österreich, Schweiz und Liechtenstein ________________ 10 2.1.1 Voraussetzungen zur Ausübung der Trainertätigkeit ___________________ 10 2.1.2 Medizinische und sportwissenschaftliche Betreuung ___________________ 10 2.1.3 Nachwuchsförderprogramme _____________________________________ 11 2.2 Die Bedeutung des Trainers für die sportliche Leistungsfähigkeit _____________ 12 2.3 Der langfristige Trainingsprozess – Nachwuchstraining ____________________ 13 2.4 Merkmale der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen __________________ 15 2.4.1 Biologisches Alter ______________________________________________ 16 2.4.2 Physische Entwicklung __________________________________________ 17 2.4.3 Motorische Entwicklung _________________________________________ 19 2.4.4 Sensible Phasen – Phasen erhöhter Trainierbarkeit ___________________ 20 2.5 Kraft ____________________________________________________________ 21 2.5.1 Definition(en) _________________________________________________ 21 2.5.2 Die Muskelzelle ________________________________________________ 23 2.5.3 Der Querbrückenzyklus _________________________________________ 24 2.5.4 Arten der Kraft ________________________________________________ 25 2.5.4.1 Maximalkraft _________________________________________________ 25 2.5.4.2 Schnellkraft __________________________________________________ 27 2.5.4.3 Reaktivkraft __________________________________________________ 29 2.5.4.4 Kraftausdauer ________________________________________________ 30 2.6 Leistungsphysiologische Grundlagen __________________________________ 31 2.6.1 Anpassungsmechanismen des Körpers an Krafttraining ________________ 33 2.6.1.1 Zelluläre und morphologische Adaptation ___________________________ 33 2.6.1.2 Neuronale Adaptation __________________________________________ 38 2.6.1.3 Anpassungen des passiven Bewegungsapparates ____________________ 39 2.6.2 Anpassungsmechanismen an Krafttraining im Kindes- und Jugendalter ____ 40

2.6.2.1 Prepubertäre Phase ___________________________________________ 40 2.6.2.1.1 Morphologische und neurologische Anpassungen _________________ 40 2.6.2.1.2 Anpassungen des passiven Bewegungsapparates ________________ 43 2.6.2.2 Pubertäre Phase ______________________________________________ 45

2.6.2.2.1 Morphologische und neurologische Anpassungen _________________ 45 2.6.2.2.2 Anpassungen des passiven Bewegungsapparates ________________ 46 2.7 Lastorientiertes Krafttraining als Leistungssteigerung im Kindes- und Jugendalter 47 2.7.1 Maximal- und Schnellkraftentwicklung ______________________________ 48

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2.7.2 Methoden des Maximal- und Schnellkrafttrainings _____________________ 49 2.7.3 Langhanteltraining im Kindes- und Jugendalter _______________________ 51 2.7.4 Studien zum Maximal- und Schnellkrafttraining _______________________ 53 2.8 Lastorientiertes Krafttraining als Verletzungsprävention im Kindes- und Jugendalter

________________________________________________________________ 56 2.8.1 Überlastungen einzelner Organsysteme ____________________________ 57 2.8.2 Studien zum Krafttraining als Verletzungsprävention ___________________ 58 2.9 Krafttrainingsempfehlungen für Kinder und Jugendliche ____________________ 61 2.10 Sicherheitsrisiko eines Krafttrainings mit freien Gewichten? _________________ 63 3 Empirischer Teil – Quantitative Analyse der Umfrage _________________________ 64

3.1 Ziele & Hypothesen ________________________________________________ 64 3.2 Methodik ________________________________________________________ 65

3.2.1 Vereins-/Probandenbeschreibung _________________________________ 65 3.2.2 Beschreibung des Fragebogens ___________________________________ 67 3.2.3 Statistische Auswertung _________________________________________ 68 3.3 Ergebnisse _______________________________________________________ 69 3.3.1 Cheftrainer ___________________________________________________ 69 3.3.2 Athletiktrainer _________________________________________________ 71 3.3.3 Krafttrainingsmethoden und Prioritätenverteilung verschiedener zu trainierender Muskelgruppen _______________________________________________________ 72 3.3.4 Vergleiche zwischen Vorbereitung und Meisterschaft __________________ 73 3.3.5 Vergleiche zwischen Chef- und Athletiktrainer ________________________ 75 3.3.6 Vergleiche zwischen Österreich und Schweiz/Liechtenstein _____________ 76 3.3.7 Verletzungsarten und -häufigkeiten ________________________________ 78 3.3.8 Zusammenhang von Krafttraining und Verletzungshäufigkeit ____________ 79 4 Diskussion ___________________________________________________________ 80 5 Schlussfolgerung ______________________________________________________ 83 6 Literaturverzeichnis ____________________________________________________ 85 7 Abbildungsverzeichnis _________________________________________________ 91 8 Tabellenverzeichnis ___________________________________________________ 92

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1 Einleitung

In der Vergangenheit wurde ein Krafttraining bei Kindern und Jugendlichen als nicht empfehlenswert erachtet, da aufgrund des mangelnden Hormonstatus keine signifikanten Kraftzuwächse zu erwarten sind (American Academy of Pediatrics, 1983; Pitton, 1992, zitiert nach Fröhlich et al., 2009). Es wurde sogar der Verdacht geäußert, dass Krafttraining einen negativen Einfluss auf das Wachstum und den Verknöcherungsprozess hat, gleichbedeutend mit einem erhöhten Verletzungsrisiko der Epiphysenfugen (Mellerowicz et al., 2000, zitiert nach Fröhlich et al., 2009). Zudem ist dieses Thema nur randständig bearbeitet worden – und das hauptsächlich im angloamerikanischen Raum. Der Wissenstransfer in den deutschsprachigen Raum dauerte einige Zeit, weshalb sich unterschiedliche, teilweise veraltete oder falsch verstandene Vorstellungen über das Krafttraining mit Kindern und Jugendlichen lange hielten bzw. immer noch halten (Horn et al., 2010). Mittlerweile zeigt sich aufgrund der nach wie vor kontrovers diskutierten Sachlage ein vermehrtes Forschungsinteresse, was an exponentiell ansteigenden Publikationen seit den 1970er-Jahren zu erkennen ist (Büsch, Prieske, Kriemler, Puta, Gabriel & Granacher, 2017).

Heute weiß man, dass ein professionell angeleitetes, überwachtes und den körperlichen Voraussetzungen entsprechendes Krafttraining zahlreiche positive Effekte im Hinblick auf Leistungssteigerung, Verletzungsprävention und psychische Gesundheit aufweisen kann. Studien belegen eine krafttrainingsinduzierte Verbesserung der Maximal- und Schnellkraft, der Kraftausdauer sowie der Reaktivkraft, eine erhöhte Knochendichte, verbesserte Körperzusammensetzung und ein gesteigertes Wohlbefinden (Faigenbaum &

Chu, 2017; Faigenbaum, 2007; Granacher et al., 2016; Mühlbauer et al., 2013; McLeod et al., 2011, zitiert nach Büsch et al., 2017). Dass eine hohe Maximalkraft im direkten Zusammenhang zu verbesserten Sprintzeiten und Sprunghöhen, was zugleich leistungsbestimmende Parameter im Fußball darstellen, steht, konnten Comfort, Stewart, Bloom und Clarkson (2013) in ihrer Studie belegen. In Bezug auf die verletzungspräventive

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Wirkung zeigte eine Meta-Analyse von Lauerson, Bertelsen und Anderson (2014) eine signifikante Reduktion von akuten Verletzungen sowie chronischen Überlastungserscheinungen durch adäquate Krafttrainingsprogramme. Es sei noch eine im Vergleich zu Fußball (6,2 Verletzungen pro 100 Stunden Training/Spiel) sehr geringe Verletzungsinzidenz per se (0,003 Verletzungen pro 100 Stunden Krafttraining mit Heranwachsenden) positiv hervorzuheben (Brown & Kimball, 1983; Faigenbaum & McFarland, 2008; Faigenbaum & Myer, 2010, zitiert nach Büsch et al., 2017).

Um den steigenden körperlichen Anforderungen im Nachwuchsleistungssport gerecht zu werden, individuelle Leistungsreserven optimal auszuschöpfen und das Risiko von akuten sowie chronische Verletzungen zu reduzieren, sollte das lastorientierte Krafttraining als Fixbestandteil im langjährigen Trainingsprozess Einzug halten. Herauszufinden, ob und inwiefern diese Trainingsmethode im Nachwuchsfußball, speziell bei U-15- Akademiemannschaften von Österreich, Schweiz und Liechtenstein, umgesetzt wird, war das Ziel dieser Arbeit. Mithilfe eines Online-Fragebogens, der sowohl den Chef- als auch den Athletiktrainern der teilnehmenden Akademien zugesandt wurde, erhielt man die notwendigen Informationen zu den Trainingsinhalten. Als weitere Zielstellung galt die Überprüfung der Hypothese, dass bei jenen Mannschaften, die ein lastorientiertes (Bein-) Krafttraining in ihrem Trainingsplan umsetzen, seltener Überlastungserscheinungen wie Sehnenansatzentzündungen auftreten als bei jenen Teams, die kein solches Training durchführen.

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2 Aufarbeitung der Literatur

2.1 Fußballakademien in Österreich, Schweiz und Liechtenstein

2.1.1 Voraussetzungen zur Ausübung der Trainertätigkeit

Die UEFA-A-Lizenz in Verbindung mit der UEFA-Elite-Junioren-A-Lizenz sind Voraussetzungen für das Ausüben des Cheftraineramtes bei österreichischen Akademiemannschaften (ab U-15). Neben einem Co-Trainer, der über die UEFA-B-Lizenz oder dem Kinder- und Jugendtrainer-Diplom verfügen muss, sind Spezialtrainer in Form von Torwarttrainer, Individualtrainer und Sportwissenschaftler vorgeschrieben (ÖFB, 2019). Bei Akademien in der Schweiz und Liechtenstein ist die UEFA-A-Lizenz erst ab der Altersklasse U-16 verpflichtend. Trainer müssen aber im Besitz des sogenannten „SFV-Footeco-Diplom“

sein, das als Spezialausbildung für das Nachwuchstraining zu sehen ist. (Schweizerischer Fußballverband, 2019).

2.1.2 Medizinische und sportwissenschaftliche Betreuung

Der österreichische Fußballbund schreibt Akademiemannschaften eine jährliche medizinische Untersuchung sowie eine sportwissenschaftliche Betreuung in Form von regelmäßiger Leistungsdiagnostik vor. Weiters müssen ein Physiotherapeut und ein Masseur zumindest nebenberuflich bei der Akademie beschäftigt sein. Ein Konditions- bzw.

Athletiktrainer wird per Gesetz nicht verlangt (ÖFB, 2019). In der Schweiz und Liechtenstein gelten ähnliche Richtlinien, jedoch hauptsächlich erst ab U-16-Mannschaften. Es wird jedoch ein Konditions- bzw. Athletiktrainer pro Team verlangt, wofür eine eigene Ausbildung

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angeboten wird (U-15 bis U-17: SFV Konditionstrainer Diplom Niveau 2) (Schweizerischer Fußballverband, 2019).

2.1.3 Nachwuchsförderprogramme

Um international konkurrenzfähig zu bleiben, muss das Hauptaugenmerk auf die Nachwuchsarbeit in den einzelnen Vereinen und Akademien gelegt werden. So arbeiten die Verbände seit Jahren an Konzepten, um talentierte Spieler zu finden und anschließend optimal fördern zu können.

Der „österreichische Weg“ für eine optimale Talentförderung beginnt mit der Rekrutierung von talentierten Kindern (10-12 Jahre) in den Landesverbandsausbildungszentren (LAZ), mit dem Ziel, den anschließenden Eintritt in eine Fußballakademie zu erleichtern. Zusätzlich werden mit dem sogenannten „Projekt12“ optimale Rahmenbedingungen für eine professionelle Betreuung geschaffen. Schwerpunkt dieses Projektes ist die Individualförderung von talentierten Spielern in den Akademien und Nationalmannschaften, mit dem allgemeinen Ziel den österreichischen Fußball weiterzuentwickeln und sich international gut zu präsentieren. So sind einige Individualtrainer, Sportwissenschaftler, Sportpsychologen, Ärzte und Physiotherapeuten in dem Projekt involviert, das hauptsächlich vom ÖFB und vom Sportministerium finanziert wird (ÖFB, 2019).

In der Schweiz und Liechtenstein werden talentierte Kinder in das Förderprogramm

„Footeco“ aufgenommen. Es ist als eine professionelle Fortsetzung des Kinderfußballs zu sehen, geltend für die Altersstufen FE-12, FE-13 und FE-14. Mit den Stufen FE-13 und FE-14 startete man in der Schweiz in der Saison 2018/2019 ein Pilotprojekt („Bio-Banding“), das Kinder nicht nach dem chronologischen Alter, sondern nach dem biologischen Entwicklungsstand einstuft, um ein besseres Lernumfeld und fairere Wettkampfbedingungen

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zu schaffen. Ergebnisse liegen noch keine vor (Schweizerischer Fußballverband, 2019). Jene Kinder, die in das Projekt „Footeco“ aufgenommen werden, durchlaufen eine dreijährige Ausbildung, wodurch eine gute Basis für den anschließenden Junioren-Spitzenfußball (U-15 bis U-21) geschaffen wird. Laut Angaben des Schweizerischen Fußballverbandes beginnen 2000 Spieler pro Jahrgang in der Stufe FE-12. Mit Eintritt in den Spitzenfußball (U-15) wird diese Zahl auf 800 verringert. In den Jahrgängen U-19 und U-21 bleiben noch 100 Spieler übrig, von denen durchschnittlich 15 den Sprung in den Profifußball schaffen (SFV, 2019).

2.2 Die Bedeutung des Trainers für die sportliche Leistungsfähigkeit

Unter dem Begriff „Trainer“ versteht man eine Person, die im Leistungssport überwiegend für die konditionelle und technische Ausbildung sowie für die Trainingsplanung und Trainingssteuerung zuständig ist. Neben dem Trainer wird häufig der Begriff „Coach“

verwendet, der hauptsächlich für die psychologische Führung (Coaching) des Athleten während eines Wettkampfes zuständig ist (Weineck, 2019, S. 27).

Um die sportliche Leistungsfähigkeit einer Mannschaft zu verbessern, bedarf es eines – von dem Trainer geschaffenen – Klimas innerhalb der Trainingsgruppe, in dem sich jeder Athlet als geachtet und wertgeschätzt fühlt (Weineck, 2019, S. 28). Zum Erreichen dieser Zielstellung benötigt es ausgebildete Trainer, die laut Weineck (2019) vier geforderte Kompetenzen erfüllen müssen:

Führungspersönlichkeit: Eine allgemein positive Ausstrahlung, eine Vorbildwirkung, ein guter Gerechtigkeitssinn sowie ein souveränes Auftreten in schwierigen Konfliktsituationen sind in der Arbeit mit Kindern unerlässlich. Weiters ist die optimale Mischung zwischen Distanz und Nähe zu den Nachwuchsathleten gefragt, um eine Autoritäts- und gleichzeitig eine gewisse Vertrauensperson zu sein.

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Psychosoziale Kompetenz: Wie oben bereits kurz angeführt, benötigt ein Trainer die Fähigkeit der Führung eines konstruktiven Dialoges mit dem Sportler, was der Grundbaustein einer besseren Trainer-Athlet-Beziehung ist. Mit dem erworbenen Verständnis für den Athleten, hat der Trainer die Möglichkeit, verschiedene Problembereiche, wie zum Beispiel Versagensängste, gezielter zu behandeln. Da jeder Athlet andere Bedürfnisse hat, benötigt der Trainer eine gute Differenzierungsfähigkeit und sollte im Allgemeinen eine hohe Sachlichkeit bei Problemlösestrategien an den Tag legen. Eine besondere Fähigkeit, die ein Trainer im Teamsport noch mitbringen muss, ist die Formung von vielen Individualisten zu einer Einheit, um einen maximalen Synergieeffekt erzeugen zu können.

Sachkompetenz: Neben den so wichtigen sozialen Kompetenzen sei aber auch die Sachkompetenz nicht außer Acht zu lassen. Ohne einem sportartspezifischen Wissen nützt die beste pädagogische Ausbildung nichts. Eine qualitativ hochwertige Trainerausbildung und eine im besten Fall langjährige Trainings- und Wettkampferfahrung sind wichtige Grundvoraussetzungen. Dadurch besitzt ein Trainer die Fähigkeiten der technisch-taktischen Versiertheit sowie der Kenntnisse über die Qualitäten und Schwächen der Spieler.

Trainingswissenschaftliche Kompetenz: Hierzu zählt das umfassende Wissen und die genaue Kenntnis der kurz- und längerfristigen Wirkung von eingesetzten Trainingsmethoden, -inhalten und -mitteln. Es sollte auch ein Grundverständnis im Bereich Ernährung vorliegen.

2.3 Der langfristige Trainingsprozess – Nachwuchstraining

Der Sinn eines leistungssportlich orientierten Nachwuchstrainings ist neben der Erkennung und Förderung von Talenten auch die Schaffung von Voraussetzungen für ein späteres Hochleistungstraining (Weineck, 2019, S. 84). Garantiert wird dies mittels Durchlaufen von drei Teilabschnitten: dem Grundlagentraining (GLT), dem Aufbautraining

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(ABT) und dem Anschlusstraining (AST), mit dem allgemeinen Ziel der „nachhaltigen Entwicklung der Persönlichkeit des Sportlers im Sinne eines leistungsstarken, mündigen und selbstverantwortlichen Athleten“ (Seidel & Vogt, 2017, S. 320).

Grundlagentraining: Diese erste Phase des Nachwuchstrainings zielt auf die Erkennung der spezifischen Eignung und der Aufdeckung individueller Entwicklungspotenziale ab. Kinder zeigen ein hohe Lernbereitschaft für den Erwerb neuer motorischer Fertigkeiten, weshalb sich die Trainingsinhalte auf der vielseitigen und variantenreichen Entwicklung koordinativer und technischer Fähigkeiten fokussieren sollten. Die athletische Ausbildung zur Schaffung einer breit gefächerten konditionellen Basis darf im Trainingsalltag eben so wenig fehlen wie die Ausrichtung des Trainings auf die jeweilige Zielsportart. In der Umsetzung aller Trainingsinhalte ist auf eine kindgerechte Arbeitsweise zu achten. Je jünger das Kind, desto spielerischer sollte der Charakter der Reizsetzung sein (Weineck, 2019, S. 84).

Aufbautraining: Weiterführung und Ausbau der im Grundlagentraining gelegten koordinativen und technischen Basis sowie die progressive Steigerung der psychophysischen Belastbarkeit (Steigerung der energetisch-konditionellen Leistungsvoraussetzungen) sind die Schwerpunkte in dieser Phase des Nachwuchstrainings. Generell findet eine zunehmende Spezifizierung der eingesetzten Trainingsmethoden in Kombination mit einem vermehrten Athletiktraining statt, um die Voraussetzungen für das nachfolgende Anschlusstraining zu schaffen (Weineck, 2019, S. 84, 85).

Anschlusstraining: Diese zwei- bis vierjährig dauernde Etappe dient dem Übergang vom Nachwuchs- zum Hochleistungstraining. In dieser richtungsweisenden Phase wird zuerst über die weitere leistungssportliche Entwicklung entschieden, danach erfolgt die Weichenstellung für ein anschließendes Hochleistungstraining. Die Trainingsinhalte orientieren sich zunehmend an der jeweiligen Zielsportart, angefangen von einer weiteren Steigerung der psychophysischen Belastbarkeit, bis hin zur zunehmenden technisch- taktischen Spezialisierung. Es werden auch vermehrt Wettkämpfe bestritten, um die

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erworbenen technisch-taktischen und konditionellen Fähigkeiten unter Gegnereinfluss bzw.

psychischen Drucksituationen einzusetzen und wichtige Erfahrungen in diesem Bereich sammeln zu können. Die periodische Nutzung leistungsdiagnostischer Verfahren zur Überprüfung der Wirksamkeit des Trainings komplettieren die Inhalte für ein professionelles Anschlusstraining (Weineck, 2019, S. 85).

2.4 Merkmale der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen

Die Trainierbarkeit und die Herausbildung der sportlichen Leistungsfähigkeit ist stark abhängig von den Veränderungen der alters- und geschlechtsbezogenen Individualentwicklungen. So individuell der Entwicklungsverlauf von Kindern auch sein mag, geschieht die Reifung einzelner Organ- und Funktionssysteme prinzipiell nach vier Grundtypen, die unterschiedliche Entwicklungsgeschwindigkeiten und -verläufe zeigen (Scammon, 1930, zitiert nach Martin et al., 1999, S. 27, 39).

Das Gesamtsystem des Organismus (Körperhöhe, Körpermasse, Muskulatur, innere Organe) entwickelt sich vom Kleinkindalter an schnell, bis zur ersten puberalen Phase allmählich und mit Beginn der Pubertät wieder schneller. Das Nervensystem, das die Lernvoraussetzung für die Entwicklung der motorischen Fähigkeiten bildet, erreicht bereits zwischen dem 6. und 8. Lebensjahr den annähernden Reifestand eines 20-Jährigen. Das Lymphgefäßsystem, das als engmaschiges Netzwerk in allen Geweben für den Abtransport von Eiweißen und lymphpflichtigen Lasten verantwortlich ist, erreicht bei 10-Jährigen eine doppelt so hohe Ausprägung wie bei 20-Jährigen. Es hat viele Filterfunktionen, die den Elektrolythaushalt und das Immunsystem beeinflussen. Das Geschlechtsdrüsensystem, das für die Geschlechtsreife und der Ausschüttung von Sexualhormonen zuständig ist, erfährt mit beginnender Pubertät eine sprunghafte Entwicklung.

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16 2.4.1 Biologisches Alter

Die Entwicklungsverläufe und der Eintritt des pubertären Wachstumsschubes können bei kalendarisch gleichaltrigen Kindern eine enorme Streuung aufweisen. Dadurch findet der Begriff des „biologischen Alters“ eine weitverbreitete Anwendung, der „den zu einem bestimmten Zeitpunkt des Lebens erreichten Zustand des Organismus“ beschreibt (Ries et al., 1976, zitiert nach Martin et al., 1999, S. 51). Es gibt zum Einen die Akzelerierten, die aufgrund einer beschleunigten Aufeinanderfolge der körperlichen Entwicklungsphasen ein höheres biologisches Alter im Vergleich zu kalendarisch bzw. chronologisch gleichaltrigen Normalentwickler haben, und zum Anderen die Retardierten, die wegen ihrer verlangsamten Entwicklung auch als Spätentwickler bezeichnet werden (Weineck, 2019, S. 168). Die Problematik in Bezug auf die Sportpraxis liegt in den enormen Leistungsdifferenzen. Es wurde deshalb in der Vergangenheit immer wieder über eine mögliche Einteilung nach Kenngrößen der Entwicklung (wie z. B. das biologische Alter) anstatt von starren Altersklassen diskutiert.

In der Literatur werden vier Parameter zur Bestimmung des biologischen Alters beschrieben, deren Untersuchung jedoch meist sehr aufwendig ist: Die Merkmale der Ossifikation (Skelettentwicklung bzw. Verknöcherung) erlauben Vermutungen des Skelettalters, die Dentifikation (Zahnentwicklung) gibt Aufschluss über das Zahnalter, die geschlechtliche Reife zeigt sich im Reifezeichenalter, und die konstitutionelle Entwicklung spiegelt sich im körperbaubezogenen Proportionsalter wider (Martin et al., 1999, S 52). Eine in der Praxis einfach anwendbare Methode zur Bestimmung der Geschlechtsreife wird mit den sogenannten Tanner-Stadien (1-5) beschrieben, welche die Ausprägung der Geschlechtsmerkmale (Schambehaarung, Genitaliengröße) klassifiziert und so Aufschluss über den Reifestatus gibt (Armstrong & van Mechelen, 2017, S. 6).

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17 2.4.2 Physische Entwicklung

Die physische Entwicklung wird von Martin, Nicolaus, Ostrowski & Rost (1999) als Oberbegriff für somatische und physiologische Entwicklungen beschrieben, die noch in strukturelle und funktionelle Veränderungen eingeteilt werden können. Die Skelettentwicklung, die Entwicklung der Körperhöhe, der Körpermasse und des Unterhautfettgewebes zählen zu den strukturellen Anpassungen, die Entwicklung der Skelettmuskulatur sowie des Herz- Kreislauf-Systems sind sowohl funktionelle als auch strukturelle Veränderungen (Martin et al., 1999, S. 40, 41).

Skelettentwicklung und passiver Bewegungsapparat: Da beim Neugeborenen das Knochensystem hauptsächlich aus Knorpelgewebe besteht, benötigt es eine systematische Verknöcherung (Ossifikation) des Skeletts im Laufe der Entwicklung. Der Zeitpunkt des Auftretens sogenannter Ossifikationszentren ist einerseits genetisch bedingt, aber auch abhängig vom Geschlecht und geschieht bei Mädchen um ein bis zwei Jahre früher als bei Jungen. Ein gesteigertes Skelettwachstum mit erhöhter Knochenbildung findet hauptsächlich in der Pubertät statt – bei Mädchen vom 9. bis 14. Lebensjahr, bei Jungen vom 11. bis 17.

Lebensjahr. In dieser Phase der intensiven Umbauprozesse ist die Belastbarkeit des Bewegungsapparates der Kinder und Jugendlichen eingeschränkt (Martin et al., 1999, S. 40- 42). Diesbezüglich besagt das „Mark-Jansen-Gesetz“, dass sich „die Empfindlichkeit des Gewebes proportional zur Wachstumsgeschwindigkeit verhält“. Je schneller und intensiver ein Wachstumsschub voranschreitet, desto geringer ist die Belastbarkeit des Gewebes in dieser Zeit (Berthold & Thierbach, 1981, zitiert nach Weineck, 2019, S. 171). Strukturen des passiven Bewegungsapparates wie Knochen, Bänder, Sehnen und Knorpel weisen noch nicht die Belastungsresistenz des Erwachsenen auf und sind deshalb anfällig für Über- und Fehlbelastungen, besonders bei zu einseitigen und intensiven Reizen (Martin et al., 1999, S.

40-42).

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Körperhöhe und Körpermasse: Bis zum Alter von 9 Jahren verläuft das Wachstum von Mädchen und Jungen weitgehend parallel. Die Körpermasse nimmt in diesem Altersabschnitt im Vergleich zur Körperhöhe stärker zu, weshalb man auch von der Körperfülle-Phase spricht.

Im Alter von 10 bis 13 Jahren findet eine sogenannte somatische Differenzierung zwischen Mädchen und Jungen statt, was sich dadurch kennzeichnet, dass bei Mädchen ein verstärkter Zuwachs von Körperhöhe und Körpermasse zu beobachten ist. Erst am Ende dieser Phase, also ab 13 Jahren, setzt das puberale Längenwachstum, und parallel dazu die Körpermassenzunahme, bei Jungen verstärkt ein (Martin et al., 1999, S. 42, 43). In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass Entwicklungsverläufe auch abhängig von der Belastung im Wachstum sind. So beschreibt Fröhner (1993) ein gehemmtes Körperwachstum in Phasen verstärkter Belastungen und ein verstärktes Körperwachstum in Phasen geringer Trainingsbelastungen. Die finale Körperhöhe wird dadurch nicht beeinflusst, weshalb sich die Annahme, dass ein Krafttraining im Kindes- und Jugendalter der Grund für ein geringeres Körperwachstum ist, nicht halten lässt.

Um diese Umbau- und Aufbauprozesse energetisch abdecken zu können, benötigen Kinder und Jugendliche eine vermehrte Kalorienzufuhr. Der Grundumsatz ist deshalb um 20 – 30 % im Vergleich zu Erwachsenen erhöht. Neben einer ausreichenden Gesamtzufuhrmenge an Energie sei besonders auf die Deckung des erhöhten Bedarfes an Eiweiß (bis zu 2,5 g pro kg Körpergewicht!) und Mikronährstoffen, wie z. B. Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente, zu achten (Weineck, 2019, S. 171).

Skelettmuskulatur: Ähnlich wie beim Verlauf der Körperhöhe unterscheidet sich auch die Muskelmasse bis zum Beginn der Pubertät bei Mädchen und Jungen kaum. Erst mit den hormonellen Veränderungen, insbesondere durch die vermehrte Bildung androgener Hormone bei Jungen mit Beginn der Pubertät, kommt es zu ausgeprägten, geschlechtsspezifischen Unterschieden. Der Muskelanteil steigt bei Jungen von ca. 27% auf ca. 41 %, bei Mädchen von 27% auf 35,8 % im Verhältnis zur gesamten Körpermasse (Weineck, 1986, S. 263). Gegen Ende der Adoleszenz erscheint die Muskulatur äußerlich gut

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entwickelt, funktionell und kraftbildend erreicht sie aber noch nicht die möglichen Werte eines Erwachsenen, weshalb ein adäquates Krafttraining in dieser Phase als besonders wichtig zu betrachten ist (Martin et al., 1999, S. 46).

Es muss noch auf die Tatsache hingewiesen werden, dass die Adaptation des passiven Bewegungsapparates auf einen Trainingsreiz nicht mit dem des aktiven vergleichbar ist. Die Skelettmuskulatur weist schon eine Woche nach einem Training funktionelle und morphologische Veränderungen auf, Knochen, Knorpel, Sehnen und Bänder erst im Verlauf mehrerer Wochen. Dieser Umstand, gepaart mit den wachstumsbedingten Anfälligkeiten für Überlastungen, erfordert eine strenge Progression der Belastung, um dem Kind eine ausreichende Anpassungszeit zu gewähren (Weineck, 2019, S. 173).

2.4.3 Motorische Entwicklung

Motorische Entwicklung dient als Oberbegriff für die Prozesse des Bewegungslernens und der Bewegungskoordination, welche im Zentralnervensystem (ZNS) realisiert werden. Die Basis für die menschliche Motorik wird sehr früh gelegt – bei der Geburt ist der größte Teil des Gehirns morphologisch bereits weitgehend ausgebildet. Die restlichen Nervenzellen und deren Verknüpfungen entstehen in den ersten Monaten nach der Geburt. Es konnte nachgewiesen werden, dass die Zahl der Gehirnzellen ab dem dritten Lebensmonat nicht mehr zunimmt. Im Alter von sechs Jahren erreichen das Großhirn sowie das Kleinhirn, das als Rechenzentrum für die Programmierung schneller Bewegungsabläufe dient, annähernd die Endmasse. Auch die Reifung und Leitungsgeschwindigkeit der peripheren efferenten (motorischen) und afferenten (sensiblen) Fasern erreichen schon mit zwei bis drei Jahren die Werte von Erwachsenen. Aufgrund dieser Fakten und der Tatsache, dass das Gehirn eine hohe Plastizität (Formbarkeit) aufweist, ist das ZNS in der Lage, durch individuelle Erfahrungen und neue Bewegungsreize, viele neue synaptische Verbindungen auszubilden und so motorisches

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Lernen zu ermöglichen. Im optimalen Fall werden bereits im frühen Kleinkindalter vielfältige Lernangebote aus der Umwelt genutzt, um eine möglichst große Dichte an neuronalen Netzwerken zu bilden, die als Grundlage für ein breites Spektrum an motorischen Fähigkeiten dienen (Martin et al., 1999, S. 47-50).

2.4.4 Sensible Phasen – Phasen erhöhter Trainierbarkeit

Unter sensiblen Phasen versteht man Abschnitte in der Entwicklung, „die für die Ausprägung bestimmter sportmotorischer Leistungsfaktoren besonders günstig sind“ bzw. „in denen die Trainierbarkeit besonders hoch ist“ (Conzelmann, 2017, zitiert nach Weineck, 2019, S. 182). Diese trainingsgünstigen Zeiträume finden je nach sportmotorischer Fähigkeit früher oder später statt:

Die aerobe Ausdauer ist während des gesamten Lebens in vergleichbarem Maße beeinflussbar, die anaerobe Ausdauer weist hingegen erst ab der Pubertät eine erhöhte Trainierbarkeit auf (Rowland, 2005; Tolfrey, 2007; Conzelmann & Blank, 2009, zitiert nach Weineck, 2019, S. 183).

Die Verbesserung der Maximalkraft durch eine Muskelquerschnittsvergrößerung erfährt mit der vermehrten Testosteronausschüttung in der Pubertät bei den Jungen einen besonders günstigen Trainierbarkeitsschub. Die intramuskuläre Koordination ist im Verlauf des gesamten Lebens gleichermaßen beeinflussbar (Rowland, 2005; Schmidtbleicher, 2009;

Conzelmann, 2017, zitiert nach Weineck, 2019, S. 183).

Die Schnelligkeitsfähigkeiten stehen in engem Zusammenhang mit der Kraft, wobei man zwischen Schnelligkeit mit hohen Kraftanteilen wie z. B. Schnellkraft, und niedrigen Kraftanteilen, die aufgrund von koordinativen Fähigkeiten realisiert werden, unterscheiden

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muss. Je nach Kraftanteil ist die Phase der erhöhten Trainierbarkeit in der Pubertät oder schon im Kindesalter (Conzelmann, 2017, zitiert nach Weineck, 2019, S. 183).

Die Trainierbarkeit der koordinativen Fähigkeiten, wie z. B. der Gleichgewichtsfähigkeit, erfährt ihren Höhenpunkt im Kindesalter. Wie weiter oben bereits erwähnt, ist die Ausbildung neuer neuronaler Netzwerke und deshalb die motorische Lernfähigkeit im Kindesalter besonders hoch. Dementsprechend liegt bei Sportarten mit sehr hohem koordinativem Anteil in Kombination mit Beweglichkeit, wie dies z. B. beim Eiskunstlauf der Fall ist, das Höchstleistungsalter meist unter 20 Jahren (Wollny, 2002; Conzelmann, 2017, S. 183).

Die Beweglichkeit hat als einzige konditionell-koordinative Fähigkeit ihr Maximum bereits im Kindesalter, ansonsten beschreibt sie eine relativ entwicklungsneutrale Fähigkeit (Wydra, 2009, zitiert nach Weineck, 2019, S. 183).

2.5 Kraft

2.5.1 Definition(en)

Die Kraft kann unter generalisierten Umständen als Fähigkeit des Nerv-Muskel- Systems dargestellt werden, um Widerstände zu überwinden (konzentrisch), ihnen nachzugeben (exzentrisch) oder sie zu halten (isometrisch) (Wick, 2009, S. 108, 109). Um Kraftleistungen von Ausdauer-, Schnelligkeits-, Beweglichkeits- und Koordinationsleistungen differenzieren zu können, hat Bührle (1985) den Ansatz, nur dann von Kraftverhalten zu sprechen, wenn Krafteinsätze über 30% des 1RM (1-Repitition-Maximum) notwendig sind (Martin et al., 1999, S. 106).

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Für Weineck (2019) ist Kraft die allgemeine Voraussetzung, um maximale Widerstände zu überwinden (z. B. Gewichtheben), Bewegungen mit maximaler Bewegungsgeschwindigkeit (z. B. Werfen, Stoßen) oder explosive Reaktivbewegungen (z. B. Dreisprung, Sportspiele) ausführen zu können (S. 373). Er betont auch die Wichtigkeit der Kraft als „Steigerung der Schnellkraft bzw. Schnelligkeit“, „Perfektionierung technisch-konditioneller Fähigkeit“, wie dies bei Spielsportarten notwendig ist, Verbesserung des Durchsetzungsvermögens und als Voraussetzung für eine bessere Belastungsverträglichkeit sowie Verletzungsprophylaxe (S.

386).

Aus mechanischer Sicht beruhen alle sportlichen Leistungen auf der beschleunigenden Wirkung von Kräften. Die Summe aller Kräfte ergibt sich aus dem Produkt der Masse und ihrer Beschleunigung: ΣF=m*a (2. Newton`sches Gesetz). Als Maßeinheit gilt das Newton [N]

(Martin et al., 1999, S. 105). Formt man diese Formel um, so erhält man a=F/m. Diese besagt:

Je größer die Kraft bei konstanter Masse, desto größer ist die Beschleunigung. Dies gilt natürlich auch bei allen sportlichen Bewegungen, wie z. B. beim Sprint oder Sprung. Das heißt, verfügt ein Sprinter über ein größeres Kraftpotential bei gleicher Masse, kann er seinen Körper dementsprechend stärker beschleunigen.

Es gibt noch weitere Definitionen und Ausprägungen unter dem Begriff „Kraft“, die für uns jedoch weniger relevant sind. In Kürze widmen wir uns den verschiedenen Arten bzw.

Erscheinungsformen der Kraft im Sport. Zuvor aber noch ein Ausflug in die Muskelanatomie und -physiologie, um ein allgemeines Verständnis für die Entstehung von Bewegungen und Kräften zu erlangen.

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23 2.5.2 Die Muskelzelle

Der elementare Baustein des Skelettmuskelgewebes ist die quergestreifte Muskelfaser, die zugleich als Muskelzelle bezeichnet wird. Diese riesige Zelle kann bis zu 40 randständige Zellkerne enthalten, 15 Zentimeter lang werden und ist durchschnittlich 0,1 mm dick, weshalb sie auch mit bloßem Auge erkennbar ist. Muskelfasern sind aus fadenförmigen Proteinmolekülen, den sogenannten Myofibrillen aufgebaut, welche wiederum aus den dünnen und dicken Myofilamenten bestehen – den Aktin- und Myosinfilamenten. Diesen Myofilamenten ist es möglich, sich ineinander zu verschieben, was eine Verkürzung jedes einzelnen Sarkomeres (kleinste funktionelle Untereinheit der Myofibrille) und somit eine Verkürzung des gesamten Muskels nach sich zieht (Zalpour, 2002, S. 62-65).

Eine Besonderheit der Muskelzelle ist die Existenz von verschiedenen Fasertypen, die unterschiedliche Funktionen aufweisen. So gibt es zum Einen die weißen, dicken und schnellen Fasern (FT-Fasern oder Typ-II-Fasern), die vor allem bei schnellkräftigen und intensiven Muskelbeanspruchungen aktiv werden, und zum Anderen die roten, dünnen und langsamen Fasern (ST-Fasern oder Typ-I-Fasern), die bei langandauernden und langsam ablaufenden Muskelarbeiten benötigt werden. Typ-I-Fasern haben einen hohen Myoglobin- (roter Blutfarbstoff) und Mitochondriengehalt, was ihnen einen erhöhten Sauerstofftransport und somit eine vermehrte Energiegewinnung auf oxidativem Wege (aerobe Energiegewinnung) ermöglicht. Typ-II-Fasern besitzen weniger Myoglobin und Mitochondrien, sind dafür aber reich an Myofibrillen und Glykogen und gewinnen die notwendige Energie zur Kontraktion vor allem aus der Glykolyse (anaerobe Energiegewinnung) (Weineck, 2019, S.

139; Anderhuber, Pera & Streicher, 2012, S.34).

Beim jetzigen Stand der Forschung geht man von einer weiteren Differenzierung der Typ-II-Fasern aus, die wesentlich zur Beurteilung unterschiedlicher Trainingswirkungen sind.

So wird dieser Faser-Typus noch in IIx-Fasern (oder IIb-Fasern), IIa-Fasern und IIc-Fasern

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unterteilt. Die Typ-IIx-Fasern werden von den größten Motoneuronen mit den schnellsten axonalen Leitgeschwindigkeiten angesteuert, weshalb sie in kürzester Zeit die größte Kraft entwickeln können, jedoch auch am schnellsten ermüden. IIa-Fasern und IIc-Fasern, die auch als intermediäre Fasern bezeichnet werden, liegen von der Innervationsgeschwindigkeit und Kontraktionszeit zwischen den IIx-Fasern und den Typ-I-Fasern (Weineck, 2019, S. 139, 140).

2.5.3 Der Querbrückenzyklus

Damit eine Muskelkontraktion stattfinden kann, braucht es einen dementsprechenden Reiz einer Nervenzelle. Kommt eine Erregung in Form eines Aktionspotentials an der motorischen Endplatte an, steigt dort die Kalzium-Konzentration (Ca++), was die Ausschüttung des Neurotransmitter Acetylcholin zur Folge hat. Dadurch ändert sich die Durchlässigkeit des Sarkolemms (Membran der Muskelfaser) für Natrium- und Kalium-Ionen – die Erregung breitet sich aus (Menche, 2012, S. 74). Mithilfe der erhöhten Kalziumkonzentration aus dem sarkoplasmatischen Retikulum und unter Verbrauch von ATP (Adenosintriphosphat) kann sich der Kopfteil des Myosinfilaments mit dem Aktinfilament verbinden. Durch eine Kippbewegung des Myosinköpfchens werden die Aktinfilamente zwischen die Myosinfilamente gezogen und die Z-Scheiben nähern sich an (siehe Abbildung 1). Bei gleichzeitiger Bewegung vieler Myosinköpfchen verkürzt sich somit der gesamte Muskel (Zalpour, 2002, S. 65).

Abbildung 1: Der Mechanismus der Muskelkontraktion nach dem Modell des Querbrückenzyklus (Zalpour, 2002, S. 66).

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25 2.5.4 Arten der Kraft

Um ein sportartspezifisches und sinnvolles Krafttraining durchführen zu können, muss ein prinzipielles Verständnis für die verschiedenen Krafttrainingsmethoden und deren Wirkungsweisen vorhanden sein (Wirth, Schlumberger, Zawieja, & Hartmann, 2013, S. 11). Je nachdem welche Inhalte in der Trainingspraxis umgesetzt werden, entwickeln sich unterschiedliche Kraftfähigkeiten, die nun genauer erarbeitet werden.

Bewährt hat sich eine generelle Differenzierung in Maximalkraft, Schnellkraft und Kraftausdauer (Wick, 2009, S. 111). Unterschiede finden sich in der Kategorisierung der Reaktivkraft, die früher oftmals als Subkategorie der Schnellkraft beschrieben wurde, wegen

„neuronaler und mechanischer Besonderheiten“ aber mittlerweile als „relativ eigenständige“

Erscheinungsform betrachtet wird (Weineck, 2019, S. 382). Weineck (2019) sieht auch eine Hierarchie in den verschiedenen Erscheinungsformen der Kraft: Die Maximalkraft stellt die Basisfähigkeit aller Kraftarten dar (S. 374), und bestimmt somit das Ausprägungsniveau von Schnellkraft, Reaktivkraft und Kraftausdauer, was weitreichende Konsequenzen für die Sportpraxis hat (Wick, 2009, S. 111).

2.5.4.1 Maximalkraft

Die vorhin besprochene Basisgröße Maximalkraft wird als „höchstmögliche Kraft verstanden, die das Nerv-Muskel-System bei einer willkürlichen Kontraktion entwickeln kann“

(Wick, 2009, S. 111; Wirth et al., 2013, S. 11). Sie ist abhängig vom physiologischen Muskelquerschnitt, der intramuskulären Koordination (Koordination innerhalb des Muskels) und der intermuskulären Koordination (Koordination zwischen den Muskeln, die bei einer Bewegung beteiligt sind) (Weineck, 2019, S. 375).

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Es kann noch zwischen isometrischer, konzentrischer und exzentrischer Maximalkraft unterschieden werden. Die konzentrische Maximalkraft beschreibt die höchste Last, die einmal gehoben, die isometrische Maximalkraft das Kraftmaximum, das gegen einen unüberwindlichen Widerstand aufgebracht werden kann. Bei der exzentrischen Maximalkraft handelt es sich um die größtmögliche Last, die einmal unter Kontrolle abgelassen werden kann (Wirth et al., 2013, S. 11). Bei der exzentrischen Form können die Kraftwerte, je nach Muskelgruppe und Trainingszustand, zwischen 5% und 40% über denen der isometrischen liegen. Begründet wird dies mit dem Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus, bei dem durch den Muskeldehnungsreflex eine erhöhte Innervationsaktivität und damit stärkere Kontraktion ausgelöst wird (Weineck, 2019, S. 375).

Aufgrund der hohen Energieflussrate, die bei maximal willkürlichen Kontraktionen notwendig ist, spielen bei der Energiebereitstellung zur Entwicklung der Maximalkraft die energiereichen Phosphate (ATP, Kreatinphosphat) die entscheidende Rolle. Wird eine Maximalbelastung über einen Zeitraum von mehreren Sekunden durchgeführt, kommt es durch Anhäufung von Laktat zur intrazellulären Übersäuerung mit einhergehendem Leistungsabfall (Weineck, 2019, 376).

Da bei einer maximal willkürlichen Kontraktion nie alle motorischen Einheiten gleichzeitig aktiviert werden, je nach Trainingszustand nur etwa 70-95%, ergibt sich stets eine Kraftreserve, die nur unter ganz speziellen Bedingungen wie Elektromyostimulationen oder Todesängsten mobilisiert werden kann. Die Summe aus Maximalkraft und Kraftreserve wird als Absolutkraft bezeichnet, umgekehrt beschreibt die Differenz aus diesen beiden Komponenten das sogenannte Kraftdefizit (Wick, 2009, S. 111), das je nach Trainingszustand zwischen 5-30% liegt (Weineck, 2019, S. 375). Die Absolutkraft lässt sich mittels supramaximaler exzentrischer Muskelaktion ermitteln. Besteht ein geringes Kraftdefizit zwischen Absolutkraft und Maximalkraft, sollte man sich in der Trainingspraxis auf eine Vergrößerung des Muskelquerschnittes (Hypertrophie) konzentrieren. Bei großen Kraftdefiziten von über 20% wird eine mangelnde neuronale Aktivierung (intramuskuläre

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Koordination) als Ursache genannt, das bei Untrainierten häufig zu beobachten ist (Wick, 2009, S. 111). In der Trainingssteuerung erweist sich das Kraftdefizit als aussagekräftiger Indikator, ob der Schwerpunkt auf einem Hypertrophie- oder einem IK-Training (IK=intramuskuläre Koordination) liegen sollte (Weineck, 2019, S. 375).

2.5.4.2 Schnellkraft

In den meisten Sportarten ist es von entscheidender Bedeutung, den eigenen Körper (z. B. Sprint, Hochsprung), ein Sportgerät (z. B. Kugel beim Kugelstoßen) oder einen Gegner (z. B. Judo) in einer begrenzten Zeit möglichst stark zu beschleunigen. Eine Schnellkraftbeanspruchung liegt dann vor, wenn in kürzester Zeit das Kraftmaximum zu entwickeln versucht wird (Wirth et al., 2013, S. 12). Schmidtbleicher (2003) versteht unter dem Begriff Schnellkraft „die Fähigkeit des neuromuskulären Systems, einen möglichst großen Impuls (Kraftstoß) in der zur Verfügung stehenden Zeit zu produzieren“ (zitiert nach Wick, 2009, S. 112). Die Schnellkraftfähigkeit kann mittels Schnellkraftindex (SKI) bestimmt werden:

SKI = Fmax / tmax (Fmax = Kraftmaximum; tmax = die für das Erreichen von Fmax benötigte Zeit). Je höher das Kraftmaximum und je kürzer die dafür benötigte Zeit dieses zu entfalten, desto schnellkräftiger ist man zu bewerten (Schnabel, Harre & Krug, 2008, S. 161).

Im Unterschied zu reinen Schnelligkeitsleistungen, bei denen keine großen äußeren Widerstände zu überwinden sind, benötigt man bei Schnellkraftleistungen durch die erheblichen Widerstandsgrößen einen hohen Krafteinsatz. Der leistungsentscheidende bzw.

leistungsbeeinflussende Faktor bei der Überwindung hoher Widerstände ist die Maximalkraftfähigkeit des einzelnen Sportlers (Schnabel, Harre & Krug, 2008, S. 161).

Im Englischen wird Schnellkraft als „Power“, sprich Leistung, bezeichnet. Die Leistung definiert sich aus physikalischer Sicht als der Quotient der verrichteten Arbeit und der dafür

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benötigten Zeit (P=W/Δt) oder als Produkt aus Kraft und Geschwindigkeit (P=F*v). Aus der zweiten Formel lässt sich ableiten, dass hohe Leistungen entweder bei großen Krafteinsätzen, wie z.B. beim Gewichtheben, oder bei schnellen Bewegungsausführungen, wie z.B. beim Sprung, erzielt werden. Im Optimalfall ist es dem Athleten möglich, beide Komponenten gleichzeitig maximal auszureizen, damit eine weitere Leistungssteigerung möglich wird (Jeffreys & Moody, 2016, S. 231, 233). Wie in Abbildung 2 ersichtlich, hat „Athlete B“ einen steileren Anstieg der Kraft-Zeit-Kurve, was gleichbedeutend mit einer größeren Kraftentwicklung in der ersten Sekunde der Bewegung ist. „Athlete A“ hingegen hat die größere Absolutkraft am Ende der Bewegung. So darf der Schluss gezogen werden, dass „Athlete B“

der Schnellkräftigere ist und Vorteile bei kurzen Sprints und Sprüngen hat, „Athlete A“ jedoch der absolut gesehen Kräftigere, was sich bei Heben von schweren Gewichten bemerkbar machen würde (Jeffreys & Moody, 2016, S. 231, 232).

Subkategorien der Schnellkraft bilden die Explosivkraft und die Startkraft. Die Startkraft beschreibt den Kraftanstieg zu Beginn einer Bewegung. Die Explosivkraft ist Fähigkeit, einen möglichst steilen Kraftanstieg, sprich die maximale Geschwindigkeit der Kraftentfaltung, direkt anschließend an die Startkraft weiterzuentwickeln. Bei geringen Widerständen, wie z. B. beim Boxen, ist die Startkraft von überwiegender Bedeutung, um möglichst schnell eine möglichst hohe Geschwindigkeit zu erreichen. Bei steigender Last erhöht sich der Einfluss der Explosivkraft (Wirth et al., 2013, S. 12).

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29 2.5.4.3 Reaktivkraft

Die Reaktivkraft beschreibt im Allgemeinen eine Kopplung von exzentrischer und konzentrischer Muskelkontraktion im sogenannten Dehnungs-Verkürzungs-Zyklus (Schnabel, Harre & Krug, 2008, S. 163). Genauer gesagt ist es die „Fähigkeit des Organismus aus einer abbremsenden (exzentrischen) Bewegung heraus, in kürzester Zeit einen möglichst hohen konzentrischen Kraftstoß realisieren zu können“ (Schmidtbleicher & Gollhofer, 1985, zitiert nach Weineck, 2019, S. 382). Der konzentrischen Muskelkontraktion geht eine exzentrische Anspannung voraus, die aufgrund der dadurch veränderten Bedingungen im Muskel die Kraftentwicklung erhöht (Martin et al., 1999, S. 108; Schnabel, Harre & Krug, 2008, S. 162).

Erklären lässt sich der verstärkte Krafteinsatz unmittelbar nach einer exzentrischen Bewegung mit einer erhöhten Anfangsspannung der Muskulatur zu Beginn der konzentrischen Kontraktion, weil die Innervation aufgrund der Dehnung bereits reflektorisch verstärkt ist. Des Weiteren kann die durch die Abbremsung des Körpers gespeicherte Energie in den Sehnen bei schnell einsetzender konzentrischer Kontraktion zu einem großen Teil wieder genutzt

Abbildung 2: Kraft-Zeit-Kurve zweier Athleten beim maximalen isometrischen

„mid-thigh pull“ (Haff et al., 1997; Stone et al., 2003, zitiert nach Jeffreys &

Moody, 2016, S. 232).

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werden (Schnabel, Harre & Krug, 2008, S. 162, 163). Je steifer und kräftiger die Sehne bzw.

die bindegewebigen muskulären Strukturen, desto mehr Energie kann gespeichert und anschließend wieder freigesetzt werden (Weineck, 2019, S. 383). Diese Mechanismen werden in allen Sportarten genutzt, in denen Aushol-, Sprung- und Wurfbewegungen charakteristisch sind, wie dies bei vielen Disziplinen in der Leichtathletik der Fall ist (Schnabel, Harre & Krug, 2008, S. 163).

Im Wesentlichen sind die Reaktivkraftfähigkeiten des einzelnen Sportlers von morphologisch-physiologischen (Muskelmasse, muskuläre „Stiffness“, Muskelfaserzusammensetzung), koordinativen (intra- und intermuskulär) und motivationalen Faktoren (Leistungsbereitschaft und Konzentration) abhängig (Weineck, 2019, S. 382).

2.5.4.4 Kraftausdauer

Die Kraftausdauer ist die Fähigkeit des neuromuskulären Systems, „eine möglichst hohe Kraftstoßsumme (Impulssumme) in einer gegebenen Zeit gegen höhere Widerstände zu produzieren“ (Wirth et al., 2013, S. 13). Weineck (2019) definiert eine Kraftausdauerleistung als „Ermüdungswiderstandsfähigkeit gegenüber Belastungen größer 30% des individuellen isometrischen Kraftmaximums“ (S. 383). Unterhalb von 30% des Kraftmaximums spricht man von einer aeroben Ausdauerbelastung (Wick, 2009, S. 113).

Es kann noch eine weitere Unterteilung der Kraftausdauer in Maximalkraftausdauer (Intensität größer als 75% des 1RM), submaximaler Kraftausdauer (Intensität zwischen 50%

und 75% des 1RM) und aerobe Kraftausdauer (Intensität zwischen 30% und 50% des 1RM) vorgenommen werden (Ehlenz, Grosser & Zimmermann, 2003, zitiert nach Wirth et al., 2013, S. 13). Mit zunehmender Last steigt, wie auch bei den vorhin besprochenen Schnellkraftleistungen, der Einfluss der Maximalkraft (Wirth et al., 2013, S. 13). Weineck

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(2019) beschreibt zudem auch eine Sonderform der Kraftausdauer – die Schnellkraftausdauer.

Sie ist in jenen Sportarten leistungsbestimmend, in denen schnellkräftige Bewegungen über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden müssen, wie es im Fußball der Fall ist (S.

384).

Die Kraftausdauer ist im Gegensatz zur Maximalkraft und Schnellkraft maßgeblich von der Energiebereitstellung abhängig, da Widerstände über einen längeren Zeitraum überwunden werden müssen. Den größten und wichtigsten Anteil stellt hierbei die anaerobe Glykolyse dar. Ab einem Wert von 30% der isometrischen Maximalkraft ist die Durchblutung der Muskulatur beeinträchtigt, ab 50% sind die Kapillargefäße fast vollständig verschlossen, was gleichbedeutend mit einer Sauerstoffunterversorgung der arbeitenden Muskulatur ist.

Dieser Umstand bedingt, dass bei intensiven Kraftausdauerleistungen die energetische Versorgung zur Aufrechterhaltung der Muskelkontraktionen hauptsächlich über den anaeroben Stoffwechselweg erfolgt (Wirth et al., 2013, S. 13, 14). Eine gut ausgebildete anaerobe Ausdauerleistungsfähigkeit ist neben der individuellen Maximalkraft somit der leistungsbestimmende Faktor, um viele Kraftstöße über einen längeren Zeitraum ausführen zu können (Weineck, 2019, S. 384).

2.6 Leistungsphysiologische Grundlagen

Jeder Trainingsreiz, der die Gleichgewichtszustände (Homöostase) von Körperfunktionen längerfristig verändert, löst Anpassungsprozesse im Organismus aus. Ein Training ist somit aus sportbiologischer bzw. leistungsphysiologischer Sicht als ständiger Adaptationsvorgang zu sehen, der in der Literatur mithilfe verschiedener Modelle zu erklären versucht wird (Weineck, 2019, S. 131; Hottenrott & Seidel, 2017, S. 43). Da der Fokus dieser Arbeit nicht auf der Auflistung und der detaillierten Beschreibung der Modelle liegt, werde ich

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nur auf das Signaltransduktionsmodell nach Wackerhage & Gelehrt (2017) und das Superkompensationsmodell nach Jakowlew (1976; 1977) eingehen.

Das in der Trainingspraxis nach wie vor häufigste verwendete Modell zur Erklärung von Trainingswirkungen ist das Superkompensationsmodell von Jakowlew. Grundlage seiner Forschung waren Tierversuche, die Erkenntnisse zum Zeitverlauf der Glykogensuperkompensation in der Leber während und nach dem Training lieferten, welche in späterer Folge auch beim Menschen bestätigt werden konnten. Dieses Modell wurde von Jakowlew als „sinusförmige Nachwirkung einer Belastung, mit allmählichem Einschwingen auf ein Endniveau“ beschrieben (1976; 1977). Da diese Superkompensation, d. h. der Anstieg über das Ausgangsniveau, nur für Glykogenveränderungen in der Muskulatur während und nach einer Belastung nachgewiesen werden konnten, bietet dieses Modell viele Angriffspunkte für Kritiker. Zum Einen weiß man bis heute nicht vollständig, warum das Muskelglykogen nach einer Belastung und anschließender Nahrungsaufnahme bis über die Ausgangskonzentration ansteigt, zum Anderen beschreibt das Jakowlew-Modell nur Zeitverläufe und nicht die Mechanismen, die eine Anpassung erklären können (Hottenrott & Seidel, 2017, S. 44, 45).

Jene Mechanismen, die zu einer Anpassung an einen spezifischen Trainingsreiz führen, werden vom Signaltransduktionsmodell nach Wackerhage & Gehlert (2017) beschrieben. Dieses Modell geht davon aus, dass sogenannte Signalproteine Kraft- oder Ausdauerreize aufnehmen, weiterleiten, verstärken und so die Adaptationsprozesse des Organismus in Gang setzen. Dieser Anpassungsvorgang kann in drei Schritten unterteilt werden:

Im ersten Schritt messen Sensormoleküle (SE) Veränderungen von Kalzium, Glykogen, Sauerstoff, mechanische Spannungen und Hormonkonzentrationen. Bei körperlichen Belastungen verändert sich Intensität und Zeitdauer dieser Signale, wie sich beispielsweise die Kalziumkonzentration bei einer Muskelkontraktion erhöht.

Im zweiten Schritt aktivieren oder hemmen die Sensormoleküle die

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Signaltransduktionsmoleküle, welche Informationen weiterleiten, verstärken und auch analysieren. Diese durch Trainingsreize ausgelöste Vielfalt an Informationen wird durch Phosphorylierung (=Übertragung) in einem organisierten Netzwerk aus vielen Signaltransduktionsmolekülen weitergeleitet. In der dritten und abschließenden Phase aktivieren die Signaltransduktionsmoleküle die Anpassungsregulatoren, welche entweder die Gentranskription (=das An- und Ausschalten von Genen), die Translation (=Proteinsynthese), den Proteinabbau oder andere Prozesse wie die Zellteilung aktivieren oder hemmen (Wackerhage & Gehlert, 2017, zitiert nach Weineck, 2019, S. 132; Hottenrott & Seidel, 2017, S. 49, 50).

Eine für die Praxis relevante Erkenntnis ist die Tatsache, dass die muskuläre Anpassung beim Ausdauertraining über die Regulation der Transkription (=An- und Abschaltung belastungsspezifischer Gene), beim Krafttraining jedoch über die Translation (=Proteinsynthese) erfolgt. Wegen dieser gegensätzlichen Anpassungsmechanismen sollten Kraft- und Ausdauereinheiten nicht kombiniert, sondern zeitlich getrennt durchgeführt werden, da bei einer Vermischung dieser Trainingsreize weder effektive Adaptationen im Kraft- noch im Ausdauerbereich zu erwarten sind (Weineck, 2019, S. 132, 133).

2.6.1 Anpassungsmechanismen des Körpers an Krafttraining

2.6.1.1 Zelluläre und morphologische Adaptation

Hierzu zählt die Zunahme des Muskelquerschnitts, die Vergrößerung der Sehnenquerschnitte, die Dickenzunahme des Knorpelgewebes, die Aktivitätshypertrophie der Knochen sowie die verstärkte Ausprägung von Knochenvorsprüngen an den Ansatzzonen von Muskeln, Sehnen und Bändern (Schmidt, 1988; Fröhner, 2000, zitiert nach Schnabel, Harre &

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Krug, 2008, S. 91). All diese Umbauprozesse können als morphologische Adaptationen zusammengefasst werden, die erst nach drei bis vier Wochen nach Beginn einer Trainingsintervention messbar sind und in besonderem Maße die Funktionstüchtigkeit und Belastbarkeit des Organismus verändern (Schnabel, Harre & Krug, 2008, S. 91). Aufgrund begrenzter Kapazitäten wird in dieser Arbeit nur auf die morphologischen Veränderungen der Muskulatur eingegangen.

Die Skelettmuskulatur besitzt ein beeindruckendes Maß an Anpassungsfähigkeit. Bei Belastungen mit mehr als 60-70% des 1-RM kommt es laut Wirth et al. (2013) zu ersten Zunahmen des Muskelquerschnitts und der muskulären Kraft (S. 18). Gottlob (2007) hingegen definiert den Widerstandsbereich von 70-90% Fmax bei maximalen Wiederholungszahlen als

„ungefähres Optimum“ für eine Hypertrophie der Muskulatur (S. 7). Ganz allgemein wird die Hypertrophie als „Vergrößerung von Geweben und Organen durch eine Zunahme des Zellvolumens bei gleichbleibender Zellzahl“ definiert, was auch für die Muskelfaser gilt (Wirth et al., 2013, S. 18).

Durch Anpassung an eine funktionelle Mehrbelastung beschreibt Wirth et al. (2013) neben einer Zunahme der Myofibrillendicke auch die nach wie vor umstrittene Zunahme der Myofibrillenzahl (=Hyperplasie). Laut Goldspink (1974) gilt es als gesichert, dass das muskuläre Wachstum „bis ins frühe Kindesalter“ vor allem auf einer Zunahme der Muskelfaserzahl beruht (zitiert nach Komi, 1994, S. 232). Etwas genauer drückt sich Koinzer (1987) aus: Er beschreibt eine Erhöhung der Muskelfaserzahl in den ersten drei Lebensjahren auf das vier- bis fünf-fache, bis zum siebenten Lebensjahr gar auf das 15- bis 20-fache (zitiert nach Martin et al., 1999, S. 45). Fischman (1972), Mastaglia (1981) und Malina (1986) hingegen gehen schon von der endgültigen Muskelfaserzahl zum „Zeitpunkt der Geburt oder kurz danach“ aus, da sich die peripher gelegenen Zellkerne der Muskulatur im weiteren Entwicklungsverlauf nicht mehr mitotisch teilen können (zitiert nach Komi, 1994, S. 235).

Weineck (2019) ist der Meinung, dass durch Hypertrophie allein die Muskelquerschnittszunahme nach einem Krafttraining nicht erklärt werden kann (S. 402). Zu

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ähnlichen Schlüssen sind auch Fleck & Kraemer (2014) gekommen, die bei einer trainingsbedingten Muskelvergrößerung im Erwachsenenalter Hinweise einer Faservermehrung sehen. Dies konnte bisher aber nur bei extremen Trainingsintensitäten und Trainingsumfängen nachgewiesen werden – und selbst dann beträgt der Anteil am gesamten Muskelwachstum nur maximal 3 bis 5% (zitiert nach Freiwald & Greiwing, 2016, S. 141).

Ein Krafttraining führt prinzipiell zu einer Querschnittszunahme von Typ-I- wie auch Typ-II-Fasern, jedoch zeigen die meisten Studien eine vermehrte Hypertrophie der Typ-II- Fasern (Thorstensson, 1976; MacDougall et al., 1979; Staron et al., 1989, zitiert nach Komi, 1994, S. 233). Die Typ-II-Fasern werden bei Alltagsbedingungen kaum gefordert und erfahren relativ gesehen somit eine größere Beanspruchung durch ein Krafttraining (Komi, 1994, S.

233). Darüber hinaus spricht die obere Extremität im Vergleich zur unteren stärker auf ein Krafttraining im Sinne einer Hypertrophie an (Wilmore, 1974; Cureton, Collins & Hill, 1988, zitiert nach Folland & Williams, 2007, S. 7). Dies wird durch die gravitationsbedingt höhere Alltagsbelastung der unteren Extremität erklärt, sodass die obere Extremität sensibler und verstärkt auf einen Kraftreiz reagiert (Cureton, Collins & Hill, 1988, zitiert nach Folland &

Williams, 2007, S. 7). Kadi et al. (2000) beschreibt hingegen eine höhere Konzentration von Androgen-Rezeptoren in der oberen Extremität im Vergleich zur unteren (Folland & Williams, 2007, S. 7).

Die Faserverteilung in der Muskulatur ist größtenteils genetisch bedingt, was Menschen mit einem höheren prozentuellen Anteil an Typ-II-Fasern eine verstärkte trainingsbedingte Hypertrophie erreichen lässt (Goldspink & Ward, 1979; Häkkinen et al., 1988, zitiert nach Jeffreys & Moody, 2016, S. 234). Nichtsdestotrotz konnte in einer Untersuchung von Staron et al. (1989) eine geringfügige Umwandlung von Typ-I- in Typ-II- Fasern durch ein intensives Krafttraining gezeigt werden (Komi, 1994, S. 233). Auch einige andere Studien konnten Fasertypverschiebung in Richtung fast-twitch-Fasern in den ersten zwei bis drei Monaten eines intensiven Krafttrainings nachweisen. Es gibt jedoch keine Belege dafür, dass es im Erwachsenenalter zu einer grundsätzlichen und langanhaltenden

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Umwandlung führt. (Komi, 1994, S. 233; Folland & Williams, 2007, S. 17). Anders ist dies in der pubertären Phase im Alter von 12-14 Jahren. In diesem Abschnitt konnten bei Jungen Anteile an Intermediärfasern, also weder eindeutig langsam zuckende noch schnell zuckende Fasern, von bis zu 14% nachgewiesen werden. Diese Fasern reagieren in dieser Zeitspanne sehr sensibel auf die Art des Trainingsreizes und wandeln sich dementsprechend in ST- oder FT-Fasern um. So gilt zu bedenken, dass ein Training der Schnellkraft- und Schnelligkeitsfähigkeiten in der Pubertät als besonders wirksam und sinnvoll zu betrachten ist (Bauersfeld & Voss, 1992, zitiert nach Weineck, 2019, S. 390, 391).

Freiwald und Greiwing (2016) beschreiben das durch Krafttraining bewirkte Wachstum der Skelettmuskulatur basierend auf einer Veränderung des Fließgleichgewichts zwischen Proteinaufbau und Proteinabbau (S. 138). Drei Stunden nach einer Krafttrainingsintervention kommt es zu einem Anstieg der Proteinsynthese von ca. 100% als auch zu einem Anstieg der Proteindegradation (Proteinabbau) von ca. 50%. Innerhalb von 1 bis 7 Stunden nach dem Krafttraining erreicht die Proteinsynthese ihr Maximum und bleibt bis 48 Stunden messbar erhöht (Wagenmakers, 2006, zitiert nach Freiwald & Greiwing, 2016, S. 138). Die Halbwertszeit kontraktiler Proteine liegt zwischen 7 und 15 Tagen, was bedeutet, dass alle 7 bis 15 Tage die Hälfte der Muskelproteine erneuert werden (Freiwald & Greiwing, 2016, S.

138). Aufgrund dieser ständigen Umbauprozesse ist die Muskulatur in der Lage, sich optimal auf Trainingsreize anzupassen (Komi, 1994, S. 220).

Es sind jedoch bis heute noch nicht alle Details bekannt, welche Reize bzw. welche Kombinationen von Reizen zu Veränderungen bzw. zu optimalen Anpassungen in Richtung Hypertrophie der Muskulatur führen. Zurzeit wird viel über mechanische Spannungsreize sowie erforderlichem metabolischem Stress in Form von Ermüdung diskutiert (Freiwald &

Greiwing, 2016, S. 137). So muss laut Wirth et al. (2013) eine hohe Spannung auf die Muskelfaser einwirken, was eine Verletzung der Z-Scheiben nach sich zieht und die darauffolgende Reparaturmechanismen in einem erhöhten Muskelquerschnitt resultieren (S.

18). Fowles et al. (2000) konnte sogar nachweisen, dass nur durch passive Dehnungsreize

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geringe Kraftzunahmen möglich sind, was die Relevanz mechanischer Spannungsreize für ein Muskelwachstum verdeutlicht (Freiwald & Greiwing, 2016, S. 139). Der zweite Faktor, der zurzeit mit einer trainingsbedingten Querschnittszunahme in Verbindung gebracht wird, ist der des vorhin erwähnten metabolischen Stresses bzw. der Ermüdung der Muskulatur im Sinne eines Arbeitsabbruchs oder zumindest einer reduzierten Leistungsfähigkeit während der Trainingseinheit (Wirth et al., 2013, S. 18). Unter metabolischem Stress versteht man die durch intensives Training entstehenden Metaboliten, wie Wasserstoffionen (H+) und Laktat in der Muskelzelle, die laut Studien wesentlich für das Muskelwachstum sind (Schoenfeld, 2013, zitiert nach Freiwald & Greiwing, 2016, S. 139). Es gilt als bestätigt, dass der „Grad der Ausbelastung bzw. Ermüdung im Zusammenhang mit Reaktionen des endokrinen Systems und einer gesteigerten Proteinsynthese stehen“ (Wirth et al., 2013, S. 19). Zusammenfassend gelten die durch hohe Spannungswerte erzeugten Mikrotraumata mit darauffolgender Steigerung der Proteinsynthese als primär entscheidend für das Muskelwachstum. Durch die hormonellen Reaktionen werden die biochemischen Prozesse der anabol wirkenden Hormone unterstützt (Wirth et al., 2013, S. 19).

In der Trainingspraxis ist eine Kombination aus einem intensitätsorientierten Training mittels hoher Spannungsreize und einer volumenorientieren Ausbelastung über den anaerob- laktaziden Stoffwechsel sinnvoll. Da bei einem intensitätsorientierten Training hohe Lasten mit wenig Wiederholungen und langen interseriellen Pausen notwendig sind, hingegen bei einem volumenorientierten Training geringere Lasten mit höheren Wiederholungszahlen und kürzeren interseriellen Pausen, können beide Varianten nicht direkt kombiniert werden. So kann zu Beginn mit hohen Lasten gearbeitet werden, im weiteren Verlauf der Trainingseinheit wird die Intensität reduziert, das Volumen erhöht und somit eine stärkere metabolische Auslastung provoziert (Wirth et al., 2013, S. 18).

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