• Keine Ergebnisse gefunden

Jeder Trainingsreiz, der die Gleichgewichtszustände (Homöostase) von Körperfunktionen längerfristig verändert, löst Anpassungsprozesse im Organismus aus. Ein Training ist somit aus sportbiologischer bzw. leistungsphysiologischer Sicht als ständiger Adaptationsvorgang zu sehen, der in der Literatur mithilfe verschiedener Modelle zu erklären versucht wird (Weineck, 2019, S. 131; Hottenrott & Seidel, 2017, S. 43). Da der Fokus dieser Arbeit nicht auf der Auflistung und der detaillierten Beschreibung der Modelle liegt, werde ich

32

nur auf das Signaltransduktionsmodell nach Wackerhage & Gelehrt (2017) und das Superkompensationsmodell nach Jakowlew (1976; 1977) eingehen.

Das in der Trainingspraxis nach wie vor häufigste verwendete Modell zur Erklärung von Trainingswirkungen ist das Superkompensationsmodell von Jakowlew. Grundlage seiner Forschung waren Tierversuche, die Erkenntnisse zum Zeitverlauf der Glykogensuperkompensation in der Leber während und nach dem Training lieferten, welche in späterer Folge auch beim Menschen bestätigt werden konnten. Dieses Modell wurde von Jakowlew als „sinusförmige Nachwirkung einer Belastung, mit allmählichem Einschwingen auf ein Endniveau“ beschrieben (1976; 1977). Da diese Superkompensation, d. h. der Anstieg über das Ausgangsniveau, nur für Glykogenveränderungen in der Muskulatur während und nach einer Belastung nachgewiesen werden konnten, bietet dieses Modell viele Angriffspunkte für Kritiker. Zum Einen weiß man bis heute nicht vollständig, warum das Muskelglykogen nach einer Belastung und anschließender Nahrungsaufnahme bis über die Ausgangskonzentration ansteigt, zum Anderen beschreibt das Jakowlew-Modell nur Zeitverläufe und nicht die Mechanismen, die eine Anpassung erklären können (Hottenrott & Seidel, 2017, S. 44, 45).

Jene Mechanismen, die zu einer Anpassung an einen spezifischen Trainingsreiz führen, werden vom Signaltransduktionsmodell nach Wackerhage & Gehlert (2017) beschrieben. Dieses Modell geht davon aus, dass sogenannte Signalproteine Kraft- oder Ausdauerreize aufnehmen, weiterleiten, verstärken und so die Adaptationsprozesse des Organismus in Gang setzen. Dieser Anpassungsvorgang kann in drei Schritten unterteilt werden:

Im ersten Schritt messen Sensormoleküle (SE) Veränderungen von Kalzium, Glykogen, Sauerstoff, mechanische Spannungen und Hormonkonzentrationen. Bei körperlichen Belastungen verändert sich Intensität und Zeitdauer dieser Signale, wie sich beispielsweise die Kalziumkonzentration bei einer Muskelkontraktion erhöht.

Im zweiten Schritt aktivieren oder hemmen die Sensormoleküle die

33

Signaltransduktionsmoleküle, welche Informationen weiterleiten, verstärken und auch analysieren. Diese durch Trainingsreize ausgelöste Vielfalt an Informationen wird durch Phosphorylierung (=Übertragung) in einem organisierten Netzwerk aus vielen Signaltransduktionsmolekülen weitergeleitet. In der dritten und abschließenden Phase aktivieren die Signaltransduktionsmoleküle die Anpassungsregulatoren, welche entweder die Gentranskription (=das An- und Ausschalten von Genen), die Translation (=Proteinsynthese), den Proteinabbau oder andere Prozesse wie die Zellteilung aktivieren oder hemmen (Wackerhage & Gehlert, 2017, zitiert nach Weineck, 2019, S. 132; Hottenrott & Seidel, 2017, S. 49, 50).

Eine für die Praxis relevante Erkenntnis ist die Tatsache, dass die muskuläre Anpassung beim Ausdauertraining über die Regulation der Transkription (=An- und Abschaltung belastungsspezifischer Gene), beim Krafttraining jedoch über die Translation (=Proteinsynthese) erfolgt. Wegen dieser gegensätzlichen Anpassungsmechanismen sollten Kraft- und Ausdauereinheiten nicht kombiniert, sondern zeitlich getrennt durchgeführt werden, da bei einer Vermischung dieser Trainingsreize weder effektive Adaptationen im Kraft- noch im Ausdauerbereich zu erwarten sind (Weineck, 2019, S. 132, 133).

2.6.1 Anpassungsmechanismen des Körpers an Krafttraining

2.6.1.1 Zelluläre und morphologische Adaptation

Hierzu zählt die Zunahme des Muskelquerschnitts, die Vergrößerung der Sehnenquerschnitte, die Dickenzunahme des Knorpelgewebes, die Aktivitätshypertrophie der Knochen sowie die verstärkte Ausprägung von Knochenvorsprüngen an den Ansatzzonen von Muskeln, Sehnen und Bändern (Schmidt, 1988; Fröhner, 2000, zitiert nach Schnabel, Harre &

34

Krug, 2008, S. 91). All diese Umbauprozesse können als morphologische Adaptationen zusammengefasst werden, die erst nach drei bis vier Wochen nach Beginn einer Trainingsintervention messbar sind und in besonderem Maße die Funktionstüchtigkeit und Belastbarkeit des Organismus verändern (Schnabel, Harre & Krug, 2008, S. 91). Aufgrund begrenzter Kapazitäten wird in dieser Arbeit nur auf die morphologischen Veränderungen der Muskulatur eingegangen.

Die Skelettmuskulatur besitzt ein beeindruckendes Maß an Anpassungsfähigkeit. Bei Belastungen mit mehr als 60-70% des 1-RM kommt es laut Wirth et al. (2013) zu ersten Zunahmen des Muskelquerschnitts und der muskulären Kraft (S. 18). Gottlob (2007) hingegen definiert den Widerstandsbereich von 70-90% Fmax bei maximalen Wiederholungszahlen als

„ungefähres Optimum“ für eine Hypertrophie der Muskulatur (S. 7). Ganz allgemein wird die Hypertrophie als „Vergrößerung von Geweben und Organen durch eine Zunahme des Zellvolumens bei gleichbleibender Zellzahl“ definiert, was auch für die Muskelfaser gilt (Wirth et al., 2013, S. 18).

Durch Anpassung an eine funktionelle Mehrbelastung beschreibt Wirth et al. (2013) neben einer Zunahme der Myofibrillendicke auch die nach wie vor umstrittene Zunahme der Myofibrillenzahl (=Hyperplasie). Laut Goldspink (1974) gilt es als gesichert, dass das muskuläre Wachstum „bis ins frühe Kindesalter“ vor allem auf einer Zunahme der Muskelfaserzahl beruht (zitiert nach Komi, 1994, S. 232). Etwas genauer drückt sich Koinzer (1987) aus: Er beschreibt eine Erhöhung der Muskelfaserzahl in den ersten drei Lebensjahren auf das vier- bis fünf-fache, bis zum siebenten Lebensjahr gar auf das 15- bis 20-fache (zitiert nach Martin et al., 1999, S. 45). Fischman (1972), Mastaglia (1981) und Malina (1986) hingegen gehen schon von der endgültigen Muskelfaserzahl zum „Zeitpunkt der Geburt oder kurz danach“ aus, da sich die peripher gelegenen Zellkerne der Muskulatur im weiteren Entwicklungsverlauf nicht mehr mitotisch teilen können (zitiert nach Komi, 1994, S. 235).

Weineck (2019) ist der Meinung, dass durch Hypertrophie allein die Muskelquerschnittszunahme nach einem Krafttraining nicht erklärt werden kann (S. 402). Zu

35

ähnlichen Schlüssen sind auch Fleck & Kraemer (2014) gekommen, die bei einer trainingsbedingten Muskelvergrößerung im Erwachsenenalter Hinweise einer Faservermehrung sehen. Dies konnte bisher aber nur bei extremen Trainingsintensitäten und Trainingsumfängen nachgewiesen werden – und selbst dann beträgt der Anteil am gesamten Muskelwachstum nur maximal 3 bis 5% (zitiert nach Freiwald & Greiwing, 2016, S. 141).

Ein Krafttraining führt prinzipiell zu einer Querschnittszunahme von Typ-I- wie auch Fasern, jedoch zeigen die meisten Studien eine vermehrte Hypertrophie der Typ-II-Fasern (Thorstensson, 1976; MacDougall et al., 1979; Staron et al., 1989, zitiert nach Komi, 1994, S. 233). Die Typ-II-Fasern werden bei Alltagsbedingungen kaum gefordert und erfahren relativ gesehen somit eine größere Beanspruchung durch ein Krafttraining (Komi, 1994, S.

233). Darüber hinaus spricht die obere Extremität im Vergleich zur unteren stärker auf ein Krafttraining im Sinne einer Hypertrophie an (Wilmore, 1974; Cureton, Collins & Hill, 1988, zitiert nach Folland & Williams, 2007, S. 7). Dies wird durch die gravitationsbedingt höhere Alltagsbelastung der unteren Extremität erklärt, sodass die obere Extremität sensibler und verstärkt auf einen Kraftreiz reagiert (Cureton, Collins & Hill, 1988, zitiert nach Folland &

Williams, 2007, S. 7). Kadi et al. (2000) beschreibt hingegen eine höhere Konzentration von Androgen-Rezeptoren in der oberen Extremität im Vergleich zur unteren (Folland & Williams, 2007, S. 7).

Die Faserverteilung in der Muskulatur ist größtenteils genetisch bedingt, was Menschen mit einem höheren prozentuellen Anteil an Typ-II-Fasern eine verstärkte trainingsbedingte Hypertrophie erreichen lässt (Goldspink & Ward, 1979; Häkkinen et al., 1988, zitiert nach Jeffreys & Moody, 2016, S. 234). Nichtsdestotrotz konnte in einer Untersuchung von Staron et al. (1989) eine geringfügige Umwandlung von Typ-I- in Typ-II-Fasern durch ein intensives Krafttraining gezeigt werden (Komi, 1994, S. 233). Auch einige andere Studien konnten Fasertypverschiebung in Richtung fast-twitch-Fasern in den ersten zwei bis drei Monaten eines intensiven Krafttrainings nachweisen. Es gibt jedoch keine Belege dafür, dass es im Erwachsenenalter zu einer grundsätzlichen und langanhaltenden

36

Umwandlung führt. (Komi, 1994, S. 233; Folland & Williams, 2007, S. 17). Anders ist dies in der pubertären Phase im Alter von 12-14 Jahren. In diesem Abschnitt konnten bei Jungen Anteile an Intermediärfasern, also weder eindeutig langsam zuckende noch schnell zuckende Fasern, von bis zu 14% nachgewiesen werden. Diese Fasern reagieren in dieser Zeitspanne sehr sensibel auf die Art des Trainingsreizes und wandeln sich dementsprechend in ST- oder FT-Fasern um. So gilt zu bedenken, dass ein Training der Schnellkraft- und Schnelligkeitsfähigkeiten in der Pubertät als besonders wirksam und sinnvoll zu betrachten ist (Bauersfeld & Voss, 1992, zitiert nach Weineck, 2019, S. 390, 391).

Freiwald und Greiwing (2016) beschreiben das durch Krafttraining bewirkte Wachstum der Skelettmuskulatur basierend auf einer Veränderung des Fließgleichgewichts zwischen Proteinaufbau und Proteinabbau (S. 138). Drei Stunden nach einer Krafttrainingsintervention kommt es zu einem Anstieg der Proteinsynthese von ca. 100% als auch zu einem Anstieg der Proteindegradation (Proteinabbau) von ca. 50%. Innerhalb von 1 bis 7 Stunden nach dem Krafttraining erreicht die Proteinsynthese ihr Maximum und bleibt bis 48 Stunden messbar erhöht (Wagenmakers, 2006, zitiert nach Freiwald & Greiwing, 2016, S. 138). Die Halbwertszeit kontraktiler Proteine liegt zwischen 7 und 15 Tagen, was bedeutet, dass alle 7 bis 15 Tage die Hälfte der Muskelproteine erneuert werden (Freiwald & Greiwing, 2016, S.

138). Aufgrund dieser ständigen Umbauprozesse ist die Muskulatur in der Lage, sich optimal auf Trainingsreize anzupassen (Komi, 1994, S. 220).

Es sind jedoch bis heute noch nicht alle Details bekannt, welche Reize bzw. welche Kombinationen von Reizen zu Veränderungen bzw. zu optimalen Anpassungen in Richtung Hypertrophie der Muskulatur führen. Zurzeit wird viel über mechanische Spannungsreize sowie erforderlichem metabolischem Stress in Form von Ermüdung diskutiert (Freiwald &

Greiwing, 2016, S. 137). So muss laut Wirth et al. (2013) eine hohe Spannung auf die Muskelfaser einwirken, was eine Verletzung der Z-Scheiben nach sich zieht und die darauffolgende Reparaturmechanismen in einem erhöhten Muskelquerschnitt resultieren (S.

18). Fowles et al. (2000) konnte sogar nachweisen, dass nur durch passive Dehnungsreize

37

geringe Kraftzunahmen möglich sind, was die Relevanz mechanischer Spannungsreize für ein Muskelwachstum verdeutlicht (Freiwald & Greiwing, 2016, S. 139). Der zweite Faktor, der zurzeit mit einer trainingsbedingten Querschnittszunahme in Verbindung gebracht wird, ist der des vorhin erwähnten metabolischen Stresses bzw. der Ermüdung der Muskulatur im Sinne eines Arbeitsabbruchs oder zumindest einer reduzierten Leistungsfähigkeit während der Trainingseinheit (Wirth et al., 2013, S. 18). Unter metabolischem Stress versteht man die durch intensives Training entstehenden Metaboliten, wie Wasserstoffionen (H+) und Laktat in der Muskelzelle, die laut Studien wesentlich für das Muskelwachstum sind (Schoenfeld, 2013, zitiert nach Freiwald & Greiwing, 2016, S. 139). Es gilt als bestätigt, dass der „Grad der Ausbelastung bzw. Ermüdung im Zusammenhang mit Reaktionen des endokrinen Systems und einer gesteigerten Proteinsynthese stehen“ (Wirth et al., 2013, S. 19). Zusammenfassend gelten die durch hohe Spannungswerte erzeugten Mikrotraumata mit darauffolgender Steigerung der Proteinsynthese als primär entscheidend für das Muskelwachstum. Durch die hormonellen Reaktionen werden die biochemischen Prozesse der anabol wirkenden Hormone unterstützt (Wirth et al., 2013, S. 19).

In der Trainingspraxis ist eine Kombination aus einem intensitätsorientierten Training mittels hoher Spannungsreize und einer volumenorientieren Ausbelastung über den anaerob-laktaziden Stoffwechsel sinnvoll. Da bei einem intensitätsorientierten Training hohe Lasten mit wenig Wiederholungen und langen interseriellen Pausen notwendig sind, hingegen bei einem volumenorientierten Training geringere Lasten mit höheren Wiederholungszahlen und kürzeren interseriellen Pausen, können beide Varianten nicht direkt kombiniert werden. So kann zu Beginn mit hohen Lasten gearbeitet werden, im weiteren Verlauf der Trainingseinheit wird die Intensität reduziert, das Volumen erhöht und somit eine stärkere metabolische Auslastung provoziert (Wirth et al., 2013, S. 18).

38 2.6.1.2 Neuronale Adaptation

Neben den zellulären bzw. morphologischen Adaptationen, die erst nach einigen Wochen auftreten, besitzt der menschliche Bewegungsapparat noch weitere, schnellere Anpassungsmechanismen an Krafttrainingsreize. Die sogenannten neuronalen Adaptationsmechanismen leisten in den ersten Wochen eines Krafttrainings den entscheidenden Beitrag für eine Steigerung der Maximalkraft.

Damit ein Muskel sein individuelles Kraftmaximum erreichen kann, müssen alle motorischen Einheiten, bestehend aus dem

-Motoneuron und dem von ihm innervierten Muskelfasern, gleichzeitig aktiviert werden, was vor allem für Untrainierte schwer realisierbar ist (Komi, 1994, S. 249). Ihnen ist es bei einer maximal willkürlichen Kontraktion nur zu etwa 70% möglich, alle motorischen Einheiten eines Muskels zeitgleich zu rekrutieren (Wick, 2009, S. 110). Vor allem jenen motorischen Einheiten, die eine besonders hohe Reizschwelle aufweisen, d. h. eine maximal willkürliche Kontraktionskraft erfordern, sind für unerfahrene Sportler schwierig anzusteuern (Komi, 1994, S. 249). Durch ein sogenanntes IK-Training (intramuskuläre Koordination), das sich durch sehr hohe Trainingslasten definiert und so das Maximum der willkürlich mobilisierbaren Muskelkraft ausreizt, kann sich die zeitgleiche Aktivierung der motorischen Einheiten auf 90-95% verbessern (Weineck, 2019, S. 477; Wick, 2009, S. 110).

Die willkürliche neuromuskuläre Aktivierungsfähigkeit bestimmt somit in entscheidendem Maße über die Kraftfähigkeiten eines Muskels. Selbst ein stark hypertrophierter Muskel kann seine Kraft nicht optimal entfalten, wenn er vom Nervensystem nicht passend stimuliert wird. Um einen Muskel in kürzester Zeit maximal ansteuern zu können, benötigt es eine hohe intramuskuläre Koordination, die sich aus der Rekrutierung (Einbeziehung aller motorischer Einheiten), der Frequenzierung (möglichst schneller Einsatz der Einheiten mit der höchsten Entladunsfrequenz) und der Synchronisation (gleichzeitiger

39

Einsatz der motorischen Einheiten) zusammensetzt. Neuronale Adaptation könnte somit als

„vermehrte Rekrutierung von motorischen Einheiten mit hohen Reizschwellen“ und der

„Steigerung der Entladungsfrequenz“ zusammengefasst werden (Komi, 1994, S. 249, 251).

Da bei Bewegungen im dreidimensionalen Raum ein Muskel kaum isoliert angesteuert wird, ist zusätzlich die zeitlich-dynamische Abstimmung aller an einer Bewegung beteiligten Agonisten, Antagonisten und Synergisten von besonderer Bedeutung. Dieser Aspekt kann unter dem Begriff intermuskuläre Koordination zusammengefasst werden (Komi, 1994, S. 249;

Wick, 2009, S. 110). Jede zeitgleiche und überhöhte Kontraktion des Antagonisten reduziert die Netto-Kraft des Agonisten. Hakkinen et al. (1998) konnte diesbezüglich nach einem 6-monatigen HRST (high resistance strength training) des Kniestreckers eine signifikante Reduktion der Co-Aktivierung des Kniebeugers (Antagonist zum Kniestrecker) feststellen.

Weitere Querschnittsstudien bestätigen eine niedrigere Co-Aktivierung der antagonistisch wirkenden Muskulatur bei trainierten im Vergleich zu untrainierten Personen (Baratta et al., 1988; Osternig et al., 1986; zitiert nach Folland & Williams, 2007).

2.6.1.3 Anpassungen des passiven Bewegungsapparates

Es sind auch die knöchernen und bindegewebigen Strukturen, die sich an einen krafttrainingsinduzierten Belastungsreiz anpassen. Beim Knochen wird zum Einen vermehrt das Strukturprotein Kollagen eingelagert, was die Knochendichte erhöhte, zum Anderen kommt es zu einer „trajektoriellen Ausrichtung der Substantia spongiosa“ und einer daraus resultierenden erhöhten Belastbarkeit in Richtung der Spannungslinie des Knochens (Tillmann, 2003, zitiert nach Freiwald & Greiwing, 2016, S. 60, 61). Die unterschiedlichen Formen des Bindegewebes wie Sehnen, Bänder, Faszien und Knorpel werden aus biomechanischer Sicht auch belastbarer. Durch den langsameren Stoffwechsel von Binde- und Stützgewebe im Vergleich zur Muskulatur nehmen die Adaptationsprozesse jedoch mehr

40

Zeit in Anspruch, was in der Trainingspraxis berücksichtigt werden muss (Freiwald & Greiwing, 2016, S. 64, 65).

2.6.2 Anpassungsmechanismen an Krafttraining im Kindes- und Jugendalter

Nun haben wir ein allgemeines Verständnis über die morphologischen, neurologischen und bindegewebigen Anpassungen an ein Krafttraining erlangt. In der weiteren Folge liegt der Fokus auf die speziellen Adaptationsmechanismen in der präpubertären und der pubertären Phase.

2.6.2.1 Prepubertäre Phase

2.6.2.1.1 Morphologische und neurologische Anpassungen

Man ist lange davon ausgegangen, dass erst mit Beginn der Pubertät und dem damit verbundenen Anstieg androgener Hormone das Krafttraining seine „lohnende“ Wirkung entfaltet und tatsächlich Sinn macht (Zawieja & Oltmanns, 2011, S. 17). Dass durch eine Krafttrainingsintervention auch bei präpubertären Kindern eine ansteigende Testosteronkonzentration und ein erhöhter FAI (free androgen index) im Blut nachweisbar ist, konnte Tsolakis et al. (2000) zeigen: In der achtwöchigen Studie absolvierten neun 11-13-Jährige dreimal pro Woche ein Kräftigungsprogramm für die obere Extremität. Am Ende der zweimonatigen Intervention konnten bei den Kindern erhöhte Testosteronwerte (p < 0.001) und ein erhöhter FAI (p < 0.005) festgestellt werden. Zu ähnlichen Ergebnisse kamen Mero et al. (1990), die nach einem einjährigen Training (Krafttraining, Sprinttraining, Tennis und Langstreckenlauf) bei elf- bis zwölfjährigen Buben eine durchschnittlich doppelt so hohe

41

Testosteronkonzentration im Vergleich zu Untrainierten diagnostizierten (zitiert nach Matos &

Winsley, 2007).

Dieser Umstand könnte die Erklärungsbasis für die Studie von Fukunaga, Funato und Ikegawa (1992) bilden, bei der 99 präpubertäre Jungen und Mädchen im Alter von neun bis zwölf Jahren einem zwölfwöchigen isometrischen Krafttrainingsprogramm (drei 10-sekündige maximal isometrische Kontraktionen, zweimal am Tag, dreimal pro Woche) ausgesetzt wurden und eine signifikante Zunahme der Querschnittsfläche des Oberarmbeugers nachgewiesen werden konnte (zitiert nach Mühlbauer, Roth, Kibele, Behm, & Granacher, 2013, S. 43). Auch Studien von Mersch und Stoboy (1989) sowie Lillegard et al. (1997) zeigten signifikante Muskelquerschnittszunahmen bei präpubertären Kindern (zitiert nach Armstrong & McManus, 2011, S. 88; Mühlbauer et al., 2013, S. 43). Demgegenüber stehen Studien, bei denen keine oder nur geringfügige muskuläre Anpassungen nachgewiesen werden konnten (Blimkie, 1989;

Ozmun, Mikesky & Surburg, 1994; Ramsay et al., 1990; Sailors & Berg, 1987; Siegel, Camaione & Manfredi, 1989; Vrijens, 1978; Weltman et al., 1986).

Viele dieser Studien unterliegen methodischen Limitationen, wie etwa einer zu kurzen Studiendauer, zu wenig Probanden oder sind schlicht durch ungenauere Messverfahren (Umfangs- und Ultraschallmessungen anstatt bildgebender Verfahren) begrenzt (Mühlbauer et al., 2013, S. 44). Speziell weisen Studien Ende der 1980er und Anfang der 1990er diese methodischen Mängel auf, weshalb die daraus resultierenden Ergebnisse kritisch zu betrachten sind (Fröhlich, 2009). Doch selbst bei einer aktuelleren Studie von Granacher et al.

(2011) konnte nach einer 10-wöchigen Krafttrainingsintervention bei 20 Achtjährigen keine signifikante Muskelquerschnittszunahme des M. Quadriceps mittels Magnetresonanztomographie untersucht werden.

Trotz vieler widersprüchlicher Ergebnisse von Studien und der Tatsache, dass aufgrund des geringen Testosteronspiegels bei Präpubeszenten eine Muskelmassenzunahme schwieriger zu erzielen ist, erscheint für Faigenbaum et al. (1996) eine generelle Verneinung

42

einer Muskelhypertrophie im präpubertären Alter als nicht haltbar (zitiert nach Fröhlich, 2009).

Vielmehr sollten Studien über einen längeren Zeitraum mit einem adäquaten Krafttrainingsprogramm und moderner Techniken zur Muskelmassenbestimmung, wie der Computertomographie, durchgeführt werden (Faigenbaum, 2003, zitiert nach Fröhlich, 2009).

Da noch keine eindeutige Aussage über eine tatsächliche Zunahme des Muskelquerschnittes durch Krafttraining bei präpubertären Kindern gemacht werden kann, wird derzeit der Trend hin zu neurologischen Anpassungsmechanismen favorisiert (Faigenbaum, 1993; Matos & Winsley, 2007, zitiert nach Fröhlich, 2009). Studien, wie die von Ramsay et al. (1990), konnten in den ersten Wochen eines Krafttrainings signifikante Kraftzuwächse bei gleichbleibendem Muskelquerschnitt verzeichnen (zitiert nach Armstrong &

McManus, 2011, S. 89). Erklärt werden kann diese Leistungssteigerung durch zentral-nervöse Anpassungen: Darunter fällt eine verbesserte intramuskuläre Koordination, gleichbedeutend mit einer erhöhten Rekrutierung, Frequenzierung und Synchronisation motorischer Einheiten, sowie einer verbesserten intermuskulären Koordination (Mühlbauer et al., 2013, S. 42). Vor allem im Kindesalter vermuten Falk und Eliakim (2003) eine durch Krafttraining „reduzierte Aktivierung antagonistisch arbeitender Muskeln“ und ein „verbessertes Zusammenspiel synergistischer Muskeln“, weshalb die daraus resultierende verbesserte intermuskuläre Koordination die zentrale Komponente des Kraftzuwachses darstellen soll (zitiert nach Mühlbauer et al., 2013, S. 42).

In Bezug auf den zeitlichen Verlauf und den Aktivierungsgrad motorischer Einheiten fanden Ramsay et al. (1990) die größten Steigerungen während der ersten Trainingswochen, was darauf schließen lässt, dass neuronale Anpassungen vor allem zu Beginn eines Krafttrainings stattfinden (siehe Abbildung 3) (Ramsay et al., 1990, zitiert nach Mühlbauer et al., 2013, S. 42). Weiters konnte Ozmun et al. (1994) mithilfe der Oberflächenmyographie eine signifikante Erhöhung der Muskelaktivität (17% im M. biceps brachii) nach einer achtwöchigen Krafttrainingsintervention bei präpubertären Kindern nachweisen (zitiert nach Armstrong &

McManus, 2011, S. 88).

43

So darf man daraus schließen, dass trainingsbedingte Kraftzuwächse bei präpubertären Kindern zu einem großen Teil durch neuronale Anpassungen und nur zu einem sehr geringen Teil durch muskuläre Anpassungen verursacht werden (Mühlbauer et al., 2013, S. 45). Jedoch können Kraftzuwächse bei jungen Nachwuchsleistungssportlern mit intensiven Krafttrainingsprogrammen wegen erhöhter Konzentrationen von zirkulierenden androgenen Hormonen auch über eine Muskelhypertrophie erklärt werden (Armstrong & McManus, 2011, S. 89).

2.6.2.1.2 Anpassungen des passiven Bewegungsapparates

Der gesamte Bewegungsapparat, bestehend aus Muskeln, Sehnen, Faszien, Knochen, Knorpeln, Gelenken, Bandscheiben und Bändern, ist im Laufe des Lebens einer ständigen Veränderung der Festigkeit unterworfen. Der bedeutendste Unterschied des passiven Bewegungsapparates zwischen Kind und Erwachsenem liegt im Vorhandensein des Wachstumsknorpels bzw. der Epiphysenfuge (Hefti, 2006, zitiert nach Fröhlich, 2009).

Abbildung 3: Zeitlicher Verlauf der morphologischen und neurologischen Adaptationsvorgänge durch ein Krafttraining (Sale, 1988, zitiert nach Komi, 1994, S. 261).

44

Neumann und Nehrer (2006) halten in diesem Zusammenhang Krafttraining vor der Pubertät als wenig sinnvoll, weil „die Gefahr der Störung der Wachstumszonen beim Knochenaufbau zu groß“ sei (zitiert nach Fröhlich, 2009). Die Hypothese einer Schädigung der Epiphysenfugen durch Krafttraining mit einhergehender Beeinträchtigung des Wachstumsprozesses gilt wissenschaftlich aber als nicht bestätigt. Kraemer und Fleck (2005) gehen sogar noch weiter:

„In fact, resistance training exercise can be the most potent exercise stimulus for bone growth and development“ (zitiert nach Fröhlich, 2009). In einem professionell durchgeführten Krafttraining treten keine hohen Belastungsspitzen auf, die eine Gefahr für den Bewegungsapparat des Kindes darstellen (Wirth et al., 2013, S. 40). Caine (2006) kam in einer Studie zu dem Ergebnis, dass Wachstumsfugenschädigungen im wettkampforientierten Gewichtheben seltener auftreten als in Sportarten wie Gymnastik oder Fußball (zitiert nach Zawieja & Oltmanns, 2011, S. 21), bei denen im Moment eines Absprunges bzw. einer Landung aus verschiedenen Höhen, Bodenreaktionskräfte vom sechs- bis 16-fachen des Körpergewichts auftreten können (Allmann, 1984; Ballreich & Brüggemann, 1986; Dursenev

& Raevsky, 1982, zitiert nach Wirth et al., 2013, S. 41). Angesichts der hohen Kraftspitzen in diversen Sportarten muss eher die Frage gestellt werden, ob der Sportler auf diese Herausforderungen durch ein Krafttraining dementsprechend vorbereitet wurde (Wirth et al.,

& Raevsky, 1982, zitiert nach Wirth et al., 2013, S. 41). Angesichts der hohen Kraftspitzen in diversen Sportarten muss eher die Frage gestellt werden, ob der Sportler auf diese Herausforderungen durch ein Krafttraining dementsprechend vorbereitet wurde (Wirth et al.,