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Es wird bei Kindern und Jugendlichen im Alter bis 14 Jahren ein erhöhtes Auftreten von sportbezogenen Verletzungen berichtet (Conn, Annest & Gilchrist, 2003, zitiert nach Mühlbauer et al., 2013, S. 36). Dies betrifft sowohl akute Verletzungen als auch Überlastungserscheinungen wie Stressfrakturen und Insertionstendopathien (z. B.

Sehnenansatzentzündungen). Eine retrospektive Studie von Niemeyer et al. (2006) zeigte eine erhöht auftretende Häufigkeit von Stressfrakturen der unteren Extremität in der Altersspanne von 13 bis 17 Jahren (zitiert nach Valovich-McLeod et al., 2011). Neben zu hohen Trainingsumfängen bei gleichzeitiger zu geringer Regeneration und zu wenig ausgleichenden Bewegungen werden auch generelle Kraftdefizite bzw. Dysbalancen zwischen Kraftfähigkeiten und Flexibilität, wie dies ab der Pubertät oft der Fall ist, als Ursachen genannt (Valovich-McLeod et al., 2011; Knapik et al., 1991, zitiert nach Mühlbauer et al., 2013, S. 36;

Armstrong & McManus, 2011, S. 188).

Ein lastorientiertes Krafttraining verfügt nicht nur das Potential einer Leistungssteigerung, es kann auch wesentlich zur Vermeidung von akuten sowie chronischen Verletzungen beitragen (Joyce & Lewindon, 2016, S. 27). Studien weisen darauf hin, dass ungefähr die Hälfte aller Verletzungen im Kinder- und Jugendsport vermeidbar gewesen wären, wenn zuvor eine entsprechende körperliche Vorbereitung in Form eines Widerstandstrainings stattgefunden hätte (Myer, Ford, Palumbo & Hewett, 2005;

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McLeod et al., 2011, zitiert nach Joyce & Lewindon, 2016, S. 27). Auch in Ballsportarten wie Fußball konnte durch ein entsprechendes Konditionstraining eine „bedeutsame Reduktion der Verletzungshäufigkeit über den Saisonverlauf nachgewiesen werden“ (Mühlbauer et al., 2013, S. 36). Neben einem Krafttraining mit Zusatzlast zählt noch Gleichgewichts-, Flexibilitäts- und Techniktraining zu verletzungspräventiven Maßnahmen (Valovich-McLeod et al., 2011).

Um generellen Überlastungserscheinungen im Kindes- und Jugendalter vorzubeugen, sollte nicht zu früh mit einer Spezialisierung auf eine Sportart begonnen werden. Es gilt als gesichert, dass Kinder und Jugendliche, die mehrere Sportarten ausüben, tendenziell seltener verletzt sind (American Academy of Pediatrics Committee on Sports Medicine and Fitness, 2000, zitiert nach Valovich-McLeod et al., 2011).

2.8.1 Überlastungen einzelner Organsysteme

Trotz der guten und schnellen Wiederherstellungsfähigkeit beim kindlichen und jugendlichen Binde- und Stützgewebe kann es wegen der geringeren Belastbarkeit bei nicht adäquater Trainingssteuerung zu einer Überlastung mit einhergehender erhöhter Verletzungsgefahr kommen (Hottenrott & Seidel, 2017, S. 329). Es gilt deshalb darauf zu achten, einseitige Belastungen mit großem Umfang bzw. zu hoher Intensität über einen langen Zeitraum zu vermeiden.

Wegen der Tatsache, dass das Zentralnervensystem bei Kindern schneller ermüdet als bei Erwachsenen, muss der Trainingsumfang sorgfältig gesteuert werden, um Verletzungsrisiken wegen Übermüdung bzw. Übertraining zu vermeiden (Streckis, Skurvydas

& Ratkevicius, 2007, zitiert nach Faigenbaum et al., 2011). Die Wahrscheinlichkeit einer Überlastung des kindlichen kardiopulmonalen Systems ist sehr gering. Nichtsdestotrotz ist auch hier eine Überbeanspruchung bei einer verfrühten Anwendung von zu großen

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Trainingsumfängen und -intensitäten möglich. Wegen der eingeschränkten Thermoregulation bei Kindern ist besondere Vorsicht bei hohen Außentemperaturen und starker Sonneneinstrahlung geboten (Hottenrott & Seidel, 2017, S. 334, 335). Bei chronisch zu hohen Trainingsbelastungen reagiert der kindliche Organismus auch mit erhöhter Infektanfälligkeit.

Ebenso ist bei längeren intensiven und ausdauerbetonten Einheiten die akute Immunabwehr, vor allem der oberen Atemwege, eingeschränkt („open window“-Theorie). Eine ausgewogene und abwechslungsreiche Ernährung, genügend Schlaf und eine individuell angepasste Trainingssteuerung gelten in diesem Zusammenhang als allgemein präventive Maßnahmen (Hottenrott & Seidel, 2017, S. 336, 337).

2.8.2 Studien zum Krafttraining als Verletzungsprävention

Eine Studie aus dem Jahr 2016 teilte 52 jugendliche Fußballspieler (13-14-Jährige) in eine Kontroll- und eine Interventionsgruppe. Die Interventionsgruppe führte ein 12-wöchiges, progressiv steigendes, Krafttrainingsprogramm durch, das Übungen wie Kniebeugen und Bankdrücken beinhaltete. Nach einer Eingewöhnungsphase von 2 Wochen mit 50-60% des 1RM steigerten die Jugendlichen die Last auf 70-80% des 1RM bei drei Trainingseinheiten pro Woche. Neben einer allgemeinen Leistungssteigerung wie einer verbesserten Springgeschwindigkeit und Sprunghöhe zeigte sich in der Interventionsgruppe eine deutliche verringerte Verletzungshäufigkeit (vier Verletzungen) im Vergleich zur Kontrollgruppe (13 Verletzungen). Muskuläre Verletzungen (46,20%) stellten in der Kontrollgruppe die häufigste Verletzungsart dar (Zouita et al., 2016).

Eine Studie von Lehnhard, Lehnhard, Young und Butterfield (1996) führte eine Krafttrainingsintervention (nicht näher bezeichnet) für Oberkörper- und Beinmuskulatur bei einem College-Fußballteam (zweimal wöchentlich) in der Vorbereitungsperiode zur Meisterschaft über einen Zeitraum von zwei Jahren durch. Es erhöhte sich die Maximalkraft

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bei gleichzeitig geringerer Verletzungsrate während des Saisonverlaufs im Vergleich zu den zwei Jahren davor, wo keine Krafttrainingsintervention stattgefunden hatte.

Das sogenannte „jumper‘s knee“, auch bekannt als Patellaspitzensyndrom, ist eine Überlastungserscheinung der Patellasehne, die hauptsächlich bei sprungorientierten Spielsportarten wie Volleyball und Basketball, aber auch im Fußball vorkommt. Aufgrund einer langfristigen Überbeanspruchung mit zu wenig Regenerationszeit kommt es zu kleinen Mikrotraumata in der Sehne, das ohne entsprechende therapeutische Intervention zu einer Degeneration der Sehnenstrukturen führt (Santana & Sherman, 2019). Inwiefern ein lastorientiertes Beinkrafttraining eine präventiv wirksame Methode bei dieser chronischen Überlastungserscheinung sein kann, untersuchten Gual, Fort-Vanmeerhaeghe, Romero-Rodriguez und Tesch (2015). Sie führten bei vier Basketball- und vier Volleyball-Teams (getrennt in Interventions- und Kontrollgruppe) ein 24-wöchiges, exzentrisches Beinkrafttraining mit hohen Lasten durch. Es wurde einmal pro Woche ein 20-minütiges hochintensives Kniebeugenprogramm absolviert. Trotz des geringen Trainingsumfanges konnte in der Interventionsgruppe eine signifikante Steigerung der Maximal- und Schnellkraft in Form von Sprunghöhe im Vergleich zur Kontrollgruppe gezeigt werden – ohne auftretende Insertionstendopathien.

Olsen, Myklebust, Engebretsen, Holme und Bahr (2005) versuchten ein wenig aufwendiges Trainingsprogramm in den Trainingsalltag von 120 Handballteams (1837 Spieler und Spielerinnen) im Alter von 15-17 Jahren zu integrieren, mit dem Ziel, Verletzungen der unteren Extremitäten zu verhindern bzw. zu reduzieren. Dazu entwickelte das Oslo Sports Trauma Research Center ein Aufwärmprogramm, das neben kräftigenden Übungen auch technische- und propriozeptiven Übungen auf wackligem Untergrund für die untere Extremität beinhaltete. Die kräftigenden Übungen fokussierten sich auf vordere und hintere Oberschenkelmuskulatur (squats bis 80° Beugung, nordic hamstring lowers) und wurden ohne Zusatzlast durchgeführt. Diese acht-monatige Intervention resultierte in einer signifikanten

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Reduktion von akuten Verletzungen im Bereich des Sprung- und Kniegelenkes sowie Überlastungsverletzungen.

In einer Meta-Analyse von Lauerson, Bertelsen und Andersen (2014) berücksichtigte man 25 Studien (13 Studien mit Erwachsenen, 11 mit Jugendlichen und eine gemischte Probandengruppe) mit insgesamt 26610 Individuen. In den Studien wurden verschiedene Trainingsmethoden wie Krafttraining, Dehnungs- und Beweglichkeitsübungen, propriozeptive Übungen und eine Kombination aus diesen durchgeführt. Es stellte sich heraus, dass Krafttraining eine signifikant präventive Wirkung in Bezug auf akute Verletzungen und chronischen Überlastungserscheinungen hat, reine Dehnprogramme hingegen nicht.

Propriozeptive Übungen und Kombinationen aus verschiedenen Trainingsmethoden zeigen auch positive Effekte, die Resultate zeigten aber aufgrund der unterschiedlichen Trainingsprotokolle große Differenzen.

Viele Studien zeigen die positiven Auswirkungen von Krafttrainingsinterventionen im Hinblick auf Verletzungsprävention. In einer Untersuchung von Steffen, Myklebust, Olsen, Holme und Bahr (2008) konnte jedoch kein signifikanter Unterschied zwischen der Interventionsgruppe, die ein 15-minütiges Aufwärmprogramm mit Übungen für die Rumpfstabilität, propriozeptive Übungen und exzentrische Kräftigung der Hamstrings (ischiocrurale Muskulatur) in das Training integrierten, und der Kontrollgruppe gefunden werden. Es handelte sich hierbei um norwegische Fußballerinnen im Alter von 13 bis 17 Jahren, die dieses Aufwärmprogramm von März bis Oktober absolvierten. Als Grund für das

„schlechte“ Ergebnis der Interventionsgruppe wird ein zu inkonsequentes Verhalten genannt:

In nur 60% aller Trainingseinheiten wurde das vorgegebene Aufwärmprogramm durchgeführt.

Bei einer Beteiligungsrate von mehr als 70% konnte Hewett et al. (1999) mit einem derartigen Programm (Kraft-, Gleichgewichts-, Dehn- und plyometrische Übungen) eine signifikant geringere Verletzungshäufigkeit in der Interventions- gegenüber der Kontrollgruppe nachweisen (zitiert nach Mühlbauer et al., 2013, S. 37).

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