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Archiv "Medizinische Rehabilitation: Mehr Qualität durch Leitlinien und Fallgruppen" (14.07.2008)

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A1534 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 28–2914. Juli 2008

P O L I T I K

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nwiefern und für wen sind Reha- leitlinien nützlich, verbindlich und umsetzbar? Welche Folgen sind für Behandlung, Belegung und Haf- tung zu erwarten? Können die Stan- dards auch multimorbiden Patienten gerecht werden? Mit dem Für und Wider von Rehaleitlinien setzten sich Experten auf dem 17. Rehabili- tationswissenschaftlichen Kolloqui- um der Deutschen Rentenversiche- rung (DRV) in Bremen auseinander.

Der Kongress stand thematisch im Spannungsfeld zwischen evidenz- basierten Standards und individuel- ler Therapiegestaltung.

Die DRV hat evidenzbasierte Leitlinien für „exemplarisch ausge- wählte wichtige Rehaindikationen“

herausgegeben, so für die Rehabilita- tion bei koronarer Herzkrankheit, chronischen Rückenschmerzen, Dia- betes mellitus Typ II, Brustkrebs und Alkoholabhängigkeit. Weitere Leitli- nien sind in Arbeit. Dabei will die DRV mit quantitativen Vorgaben – wie Mindestangaben zu Zeitumfang und Patientenanteilen – die Anwen- dung in der Praxis steuern.

„Die Empfehlungen zielen dar- auf ab, unplausible Heterogenität in der Leistungserbringung zu vermin- dern und wissenschaftliche Evidenz in die medizinische Rehabilitation zu tragen“, erklärte Dr. med. Chris- tiane Korsukéwitz, Leiterin des Geschäftsbereichs Sozialmedizin und Rehabilitation der DRV Bund.

Behandlungsunterschiede der Klini- ken seien vielfach nicht auf indivi- duelle Problemkonstellationen bei den Patienten, sondern auf ein Qua- litätsgefälle zwischen den Einrich- tungen zurückzuführen. Die Umset- zung sei „nicht immer problemlos“, räumte sie ein. Doch ließen die Leit- linien „großen Spielraum für die in- haltliche Ausgestaltung der einzel- nen Therapiebausteine und damit für ein individuelles Zuschneiden einer Rehabilitation“.

Rehaleitlinien als Hilfe bei Therapieentscheidungen

Der Bremer Rehawissenschaftler Prof. Dr. Franz Petermann unter- suchte die Frage, ob Leitlinien „Hilfe oder Fesseln“ für die Rehabilitation bringen. Im Dilemma zwischen

„evidenzbasierter Therapie versus Einschränkung der therapeutischen Handlungsfreiheit“ bezeichnete er Rehaleitlinien als „Entscheidungs- korridore“, die Orientierung böten, aber auch Raum für eigene Urteile

ließen. „Leitlinien bieten für einen Teil der Patienten und für bestimm- te Gruppen von Behandlern deut- liche Vorteile. Wer wissenschaftlich begründete Therapie fördern will, kann auf Leitlinien nicht verzich- ten“, war sein Fazit.

Neben kritischen Aspekten wür- digte Prof. Dr. med. Günter Ollen- schläger den Fortschritt, der mit den berufsgruppenübergreifenden Versorgungsleitlinien gelungen sei.

Beim Entwickeln von Leitlinien soll- ten Patientenvertreter stärker einge- bunden werden, sagte der Leiter des Ärztlichen Zentrums für Qualität in der Medizin. In einem Überblick über globale Trends und Probleme der Implementierung von Leitlinien sprach er sich für EDV-basierte, in die Praxis- und Kliniksoftware inte- grierte Konzepte aus.

Unter dem Dach von Rehaleit- linien sollen Fallgruppen das Be- handlungsangebot differenzieren.

Das Augenmerk liegt vor allem auf Patientinnen und Patienten mit Ren-

MEDIZINISCHE REHABILITATION

Mehr Qualität durch Leitlinien und Fallgruppen

Evidenzbasierte Standards werden in der Rehabilitation immer wichtiger, gleichzeitig aber auch eine individuelle Therapiegestaltung. Über dieses Spannungsfeld diskutierten Experten beim Rehabilitationswissenschaftlichen Kolloquium in Bremen.

Foto:picture alliance

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A1536 Deutsches ÄrzteblattJg. 105Heft 28–2914. Juli 2008

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tenantrag, längerer Arbeitsunfähig- keit, beruflichen Problemlagen oder psychischer oder somatischer Ko- morbidität. „In der aktuellen Dis- kussion werden Fallgruppen häufig mit der Vergütung von Fallpauscha- len gleichgesetzt“, stellte Dr. Hans- Günter Haaf vom Leitungsteam des Kolloquiums fest. Als „Bedarfs- gruppen“ sollten sie jedoch dazu beitragen, „die therapeutischen Pro- zesse stärker bedarfsgerecht zu steuern und zu optimieren“. Den ökonomisch orientierten „Rehabili- tationsbehandlungsgruppen“ stellte er die „Rehabilitanden-Manage- ment-Kategorien“ (RMK) gegen- über, die vom Leistungsbedarf der Rehabilitanden ausgingen.

Forscher der Charité – Univer- sitätsmedizin Berlin haben mit die- ser Orientierung Daten von 2 000 Rehabilitanden mit chronischem Rückenschmerz anhand körperli- cher, seelischer und sozialmedizini- scher Beeinträchtigungen analysiert und vier Bedarfsgruppen ent- wickelt. „Von besonderer Bedeu- tung ist es, Variablen, die als evi- denzbasierte Risikofaktoren für Chronifizierung und Therapieerfolg gelten, zu identifizieren“, erläuterte das Team. An einer Klinik wurde ein dreistufiges Assessment erstmalig erprobt – bestehend aus Fragebo- gen, psychologischer Exploration und Fallkonferenz.

Behandlungspfade bei chronischem Rückenschmerz

Etliche Rehakliniken haben ihr Angebot nach individuellen Risiko- faktoren differenziert: So sieht etwa das „Integrierte orthopädisch-psycho- somatische Konzept“ (IopKo) an der Klinik Münsterland drei Behand- lungspfade vor:

>eine „Rückentrainings“-Grup- pe mit somatischem Schwerpunkt

>das multimodale Therapiepro- gramm „Rückenfit“ für psychosozi- al belastete Patienten und

>ein individuelles Programm, wenn diese Gruppenprogramme nicht geeignet sind.

Das evaluierte „Rückenfit“ um- fasst psychologische, sporttherapeu- tische und berufsbezogene Einhei- ten. Sie werden in einer geschlos- senen Gruppe unter konstanter

Leitung angeboten. An der IopKo- Eingangsdiagnostik ist routinemä- ßig ein Psychologe beteiligt.

Bei der Implementierung von

„Rückenfit“ an weiteren Kliniken war herausfordernd, dass es „die Veränderung vieler organisatori- scher Abläufe erfordert“. Anderer- seits sei die Zusammenarbeit der Abteilungen gestärkt und der kon- stante Kontakt zu den Rehabilitan- den von den Therapeuten als sehr positiv erlebt worden, berichtete die Projektleiterin, Stephanie Fröhlich, vom Institut für Rehabilitationsfor- schung Norderney.

Flexibilisierung von Rehadauer und Intervallen

Verlängerte Rehadauer versus se- quenzielle Rehabilitation für Brust- krebspatientinnen war das Thema einer kontrollierten Studie an einer Rehaklinik in Bad Kissingen. Das Forscherteam legte einen Frage- bogen zur gesundheitsbezogenen Lebensqualität zugrunde. Die Studie erbrachte, „dass die Flexiblisierung von Rehadauer und -intervallen nicht bei allen Patientinnen glei- chermaßen effektiv ist“. So profi- tierten etwa Patientinnen mit einer muskuloskelettaren Begleiterkran- kung mehr von einem primär länge- ren Aufenthalt.

Um die Langzeitergebnisse bei Patienten mit chronischen Rücken- schmerzen zu verbessern, hat die DRV Rheinland-Pfalz mit Wissen- schaftlern ein ambulantes Konzept entwickelt, bei dem auf eine ein- wöchige Ganztagsphase drei Mona- te lang regelmäßig Termine folgen, was jedoch zu Akzeptanzproble- men bei den Versicherten führte.

Die berufsbegleitende Weiterfüh- rung schien für viele nur schwer mit Arbeitszeiten oder familiären Ver- pflichtungen vereinbar. Die Vorteile

„werden von den Versicherten der- zeit nicht gesehen“, so das Fazit.

Ein konstanter ärztlicher An- sprechpartner, von dem sich ein Patient in seinem Befinden und des- sen Veränderungen wahrgenommen sieht, entscheidet wesentlich über die Zufriedenheit mit einer Reha- klinik. Das erbrachte eine Analyse des Instituts für Sozialmedizin in Lübeck. Als weitere Kriterien erwie-

sen sich Zuwendung, verstanden als respektvolle Behandlung, Vertrauen zu den Klinikmitarbeitern und ihre Zugänglichkeit „auf den Fluren“ so- wie Rahmenbedingungen wie aus- reichende Personaldichte und funk- tionierende Abläufe. In die Untersu- chung gingen Patientenbewertungen für mehr als 500 Kliniken und Inter- views mit 40 Patienten ein.

Weitere Studien wiesen in die gleiche Richtung. Bei einer Unter- suchung der Universität Würzburg waren für Teilnehmerinnen von Mutter-Kind-Maßnahmen dagegen vor allem Prozessmerkmale wie ausgedehnte Kinderbetreuung und ein „individuelles Abstimmen des Therapieplans und die Möglichkeit zur Mitgestaltung“ wichtig. Das ging aus 147 Erfahrungsberichten und Gruppeninterviews hervor.

Eine Einzelfallstudie verdeut- lichte die Anforderungen von Parti- zipation. Wissenschaftler der Uni- versität Halle-Wittenberg haben den fast fünfjährigen Rehabilitations- prozess einer jungen Schlaganfall- patientin nachgezeichnet. „Der Fo- kus liegt auf der Identifikation sub- jektiv erlebter Partizipation“, be- richtete Kerstin Thümmler vom In- stitut für Gesundheits- und Pflege- wissenschaft. Das Team arbeitete emotionale Grundthemen, wie bei- spielsweise „Akzeptanz“, und ob- jektive Kategorien, zum Beispiel

„Mitgestaltung“, als Subkategorien heraus. Nicht mitentscheiden zu können, habe bei der Patientin zu Gefühlen von Resignation und Per- spektivlosigkeit geführt.

Ab dem kommenden Rehawissen- schaftlichen Kolloquium im März 2009 sind vermehrt Arbeiten zur Patientenorientierung zu erwarten.

Denn derzeit beginnen 41 For- schungsprojekte des Förderschwer- punkts „Chronische Krankheiten und Patientenorientierung“, der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, von der DRV, den Spitzenverbänden der gesetzlichen Krankenkassen und dem Verband der privaten Krankenversicherung

e.V. getragen wird. I

Leonie von Manteuffel

Weitere Informationen unter:

www.deutsche-rentenversicherung.

de/rehakolloquium

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Referenzen

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