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Archiv "Medizinische Rehabilitation: Berufsorientierte Therapie wird zielgenauer" (27.11.2009)

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A 2414 Deutsches Ärzteblatt

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Jg. 106

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Heft 48

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27. November 2009

MEDIZINISCHE REHABILITATION

Berufsorientierte Therapie wird zielgenauer

Der Wiedereinstieg ins Erwerbsleben läuft nach der Reha nicht immer reibungslos.

Je nach Problemlage sind neben körperlichen Belastungserprobungen auch Übungen zur Konfliktbewältigung am Arbeitsplatz hilfreich.

D

as Spektrum berufsbezoge- ner Module in der medizini- schen Rehabilitation ist breit gefä- chert. Neue Konzepte differenzie- ren vermehrt nach Zielgruppen und Problemlagen. Ein Beispiel dafür ist die sozialmedizinische Schulung zur Motivierung von Schmerzpa- tienten. Entwicklungsbedarf sehen Rehabilitationsforscher und Kos- tenträger beim Rehazugang und beim bedarfsgerechten Ausbau des Therapieangebots.

Den großen Bedarf an berufsbe- zogener Rehabilitation belegte eine Forschergruppe der Charité – Uni- versitätsmedizin Berlin vor drei Jahren mit dem bundesweiten Pro- jekt „PORTAL“: Etwa jeder dritte Rehabilitand hat danach mit beson- deren beruflichen Problemen zu kämpfen. Die höchsten Durch- schnittswerte waren in der Onkolo- gie mit 64 Prozent und in der Neu- rologie mit 50 Prozent zu finden, die niedrigsten Anteile mit 17 Pro- zent in der Dermatologie. Kriterien waren eine verringerte Leistungsfä- higkeit und eine mindestens drei- monatige Arbeitsunfähigkeit oder Arbeitslosigkeit vor Rehabeginn.

Eine Bestandsaufnahme zur Si- tuation in 763 Einrichtungen zeich- nete ein gemischtes Bild. „Das An- gebot ist breit gefächert. Es reicht von der einfachen Beratungsoption bis hin zu intensiven Belastungser- probungen und berufsrealitätsnahen Arbeitstherapien“, stellte die Reha- wissenschaftlerin Dr. Silke Neu- derth von der Universität Würzburg in einem Bericht über berufsbezo- gene Interventionsbausteine im Jahr 2007 fest (siehe Kasten). Wei- tere Forschungsarbeiten machten allerdings deutlich, dass viele Re- habilitanden mit beruflicher Proble- matik nicht oder nur unspezifisch behandelt werden. Dass die Inter-

ventionen eher von den Therapie- konzepten der Kliniken als von den Problemlagen der Patienten abhän- gen, zeigte eine Untersuchung bei orthopädischen Einrichtungen.

Motivation als Grundlage für den Behandlungserfolg

Inzwischen ist das Angebot berufs- bezogener Interventionen gewach- sen. Seine drei Säulen sind dem biopsychosozialen Modell zufolge das Verbessern der körperlichen Leistungsfähigkeit, das Stärken der personalen Ressourcen und das Verändern des beruflichen Kontex- tes. Berufsbezogene Leistungstrai- nings, zum Beispiel für Hand- werksberufe, haben in der Evaluati- on deutliche Effekte gezeigt. In den letzten Jahren wurden vor allem

psychosoziale Konzepte erstellt, da deutlich wurde, dass eine Behand- lung allein auf somatischer und funktionaler Ebene in vielen Fällen zu kurz greift. Meist in Gruppen ar- beiten die Rehabilitanden an perso- nalen Ressourcen wie Motivation, Zielorientierung, Selbstwirksam- keitsüberzeugung und an sozialen Kompetenzen für den Beruf.

Ein aktuelles Beispiel, zielgrup- pen- und problemlagenbezogen zu motivieren, ist die sozialmedizini- sche Schulung „Berufliche Zu- kunft“. Sie soll Schmerzpatienten mit unklarem Leistungsbild dazu bewegen, sich für Alternativen zu resignativem Rückzug und Renten- wunsch zu öffnen und so Chancen zur Symptomreduktion und berufli- chen Teilhabe wahrzunehmen. In Gelenkschonendes

Arbeiten kann man schon in der Reha trainieren. Doch auch psychische und sozia- le Faktoren sind für die Rückkehr in den Job wichtig.

Foto: SRH Gesundheitszentrum Bad Wimpfen

T H E M E N D E R Z E I T

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27. November 2009 A 2415 fünf Sitzungen erhalten die Betrof-

fenen im Rehazentrum Bad Eilsen zunächst rechtliche und sozialmedi- zinische Informationen, beispiels- weise über die restriktiven Bedin- gungen vorzeitiger Rentenzahlung und die meist überschätzte Renten- höhe. Darauf folgen Informationen über Leistungen zur Teilhabe am Ar- beitsleben, vom technischen Hilfs- mittel bis hin zur Qualifizierung.

Anhand von Fallbeispielen schlüp- fen die Teilnehmer auch in die Rolle eines Gutachters, der ihr Leistungs- bild beurteilen und eine Prognose stellen soll. Viele Patienten seien wenig informiert, wie man auch bei gesundheitlichen Einschränkungen einen Arbeitsplatz behalten könne.

Sie hätten das psychoedukative Pro- gramm mehrheitlich als wichtig, verständlich und informativ bewer- tet, berichtete die Psychologin Angelika Bönisch, Bad Eilsen, auf dem 18. Rehabilitationswissenschaft- lichen Kolloqui um in Münster.

Intervention nach individueller Problemlage

Dass sich Rehabilitanden aus Re- signation und innerem Widerstand lösen, indem sie ihr Problembe- wusstsein schärfen und die Situati- on neu bewerten, ist dem „trans- theoretischen Modell der Verhal- tensänderung“ zufolge ein wichti- ger Schritt. Er steht am Anfang ei- nes mehrstufigen Prozesses, der bis zu einer stabilen Verhaltensände- rung führen kann. Erst wenn eine

„Absichtsbildung“ gelingt, können Gruppen zum Entwickeln berufli- cher Ziele oder Bewältigen berufli- cher Konflikte und Trainings an Modellarbeitsplätzen oder Belas- tungserprobungen in Firmen auf fruchtbaren Boden fallen.

Auch diese Angebote werden verstärkt auf besondere Problemla- gen zugeschnitten. So geht es in Se- minaren zur Stressbewältigung am Arbeitsplatz um mehr als bekannte Entspannungsverfahren. In dem indikationsübergreifenden Seminar

„Fit für den Beruf“ etwa, das an der Universität Potsdam entwickelt wurde, wird zuerst der individuelle Bedarf mit einem Verfahren erho- ben, das arbeitsbezogene Verhal- tens- und Erlebensmuster erfasst

(AVEM-Verfahren). Im Fokus ste- hen Arbeitsengagement, psychische Widerstandskraft und Emotionen im Beruf. Die Rehabilitanden erler- nen in der Folge konkrete Strate- gien für die Arbeits- und Konflikt- bewältigung und üben sie zum Beispiel in Rollenspielen. Vielfach wurden auch für Subgruppen spe- zielle Angebote konzipiert, so ein Stressbewältigungstraining für Lehr- kräfte in Prien, ein besonderes Text- training für Schlaganfallpatienten in Konstanz, ein Computertraining für ältere Arbeitnehmer oder Pro- jekte für Langzeitarbeitslose.

Kooperation mit Betrieben und Berufsförderungswerken

Das Angebotsspektrum wurde er- weitert, was Rehaexperten begrüßen, aber auch für die Zukunft relativie- ren. „Wir brauchen nicht in erster Linie viele neue Maßnahmen, son- dern alle Beteiligten müssen die be- rufsbezogene Problematik noch stärker in ihrem Denken verankern und in die Therapieplanung einbe- ziehen“, zeigt die Forscherin Neu- derth als Perspektive auf. Viele Kli- niken kooperieren inzwischen eng mit Betrieben und Berufsförderungs- werken, was Rehamedizinern einen arbeitsmedizinischen Input liefert und ein gezieltes therapeutisches Vorgehen für eine Rückkehr an den Arbeitsplatz oder eine Neuorientie- rung ermöglicht. Mit Einwilligung der Patienten versenden die Unter- nehmen vielfach Arbeitsplatzprofi- le, die die Eigenauskünfte der Pa- tienten für die berufsbezogene Anamnese und Therapie ergänzen.

„Ziel muss es für die Zukunft sein, dass auf der Basis einer spezi- fischen berufsbezogenen Diagnos- tik anhand standardisierter Befra- gungsinstrumente und Assessment- verfahren die richtigen Patienten zum richtigen Zeitpunkt die für sie geeigneten Therapiemodule erhal- ten“, hat Dr. Herbert Rische, Präsi- dent der Deutschen Rentenversi- cherung Bund, die Aufgabe formu- liert. Eine Schnittstelle sind Antrag- stellung und Begutachtung. „Wir testen zurzeit zwei Screenings, um den Selbstauskunftsbogen beim Re- haantrag um berufliche Aspekte zu erweitern“, erläutert Dr. Marco

Streibelt, der bei der Rentenversi- cherung den Arbeitsbereich für Ko- ordination und Weiterentwicklung der medizinisch-beruflichen Orien- tierung in der Abteilung Rehabilita- tion leitet. Der Kostenträger will ei- ne möglichst frühzeitige, bedarfs- gerechte Steuerung ermöglichen.

Die Güte des Instruments soll sich dabei mit versichertenfreundlicher Kürze und Einfachheit verbinden.

Auch in eine Checkliste für Haus- ärzte, die in Schleswig-Holstein er- probt wurde, wurden berufliche Kriterien eingearbeitet: Rehabilita- tionsbedürftige Patienten sollen auch anhand beruflicher Belastun- gen frühzeitig identifiziert werden.

Für die Zukunft gibt es Überle- gungen dahin gehend, dass in der Fläche alle medizinischen Rehaein- richtungen ein berufsbezogenes Ba- sisangebot bereithalten sollen, von Dia gnostik über Motivation und Be- ratung bis hin zu Schulungsprogram- men und der Planung weiterer Kon- takte. In Schwerpunkteinrichtungen sollen sich dagegen eine umfassende arbeitsmedizinische Diagnostik und umfangreiche Interventionen bis hin zu Formen der Arbeitstherapie und Belastungserprobung konzentrieren.

Ein weiterer Schritt wäre die Zu- sammenführung medizinisch-berufs- orientierter Module zu einer eigenen Leistungsgruppe in der Klassifika- tion therapeutischer Leistungen. ■

Leonie von Manteuffel

@

Weitere Informationen und Literaturhinweise im Internet unter www.aerzteblatt.de/092414

Zur berufsorientierten Intervention gibt es in medizini- schen Rehabilitationseinrichtungen vielfältige Angebote:

berufsbezogene Einzelberatung

Motivierung zur Auseinandersetzung mit der Berufs - thematik

Therapie- und Trainingsgruppen zu berufsbezogenen Themen

Vermittlung, Nachsorge, Kontakte

Arbeitstherapie

Belastungserprobung, intern und extern

Aufzeigen von beruflichen Orientierungsmöglichkeiten

angelehnt an: Gerlich C, Neuderth S, Vogel H: Interventionsbausteine zur Bearbeitung beruflicher Problemlagen; siehe Literaturhinweise

DIE ANGEBOTE

T H E M E N D E R Z E I T

Referenzen

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